Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 4 PA 38/06
Rechtsgebiete: RGebStV


Vorschriften:

RGebStV § 6
RGebStV § 6 Abs. 1
RGebStV § 6 Abs. 3
Ist der über das Arbeitslosengeld II hinaus gewährte monatliche Zuschlag nach § 24 SGB II niedriger als die monatliche Rundfunkgebühr, so kann eine besondere Härte im Sinne von § 6 Abs. 3 RGebStV vorliegen.
Gründe:

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Dem im prozesskostenhilferechtlichen Sinn bedürftigen Kläger ist für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts seiner Wahl zu bewilligen, weil seine Klage auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne der §§ 166 VwGO, 114 ZPO hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (ständige Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 13.7.2005 - 1 BvR 175 /05 -, FamRZ 2005, 1893 m.w.N.) ist bei der Beurteilung, ob die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht besteht, maßgeblich zu berücksichtigen, dass das Institut der Prozesskostenhilfe die nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet, garantierte Rechtsschutzgleichheit durch eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gewährleisten will. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den grundgesetzlich gebotenen Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen. Daher darf die materiell-rechtliche Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren regelmäßig nicht einen Umfang erreichen, der demjenigen in dem Verfahren entspricht, für das Prozesskostenhilfe begehrt wird. Das Prozesskostenhilfeverfahren darf nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten. Dies bedeutet, dass Prozesskostenhilfe nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13.7.2005, a. a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nach Auffassung des Senats eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.

Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht sind in § 6 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (- RGebStV - , Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 25. 2. 2005, Nds. GVBl. S. 61) geregelt. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, unterfällt der Kläger keinem der in § 6 Abs. 1 RGebStV aufgeführten Befreiungstatbestände. Denn der Kläger ist zwar Empfänger von Arbeitslosengeld II, erhält aber zusätzlich einen Zuschlag nach § 24 SGB II, so dass eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV ausscheidet. In Betracht kommt hier allerdings eine Befreiung nach § 6 Abs. 3 RGebStV. Danach kann die Rundfunkanstalt unbeschadet der Gebührenbefreiung nach Absatz 1 in besonderen Härtefällen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreien. Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, mit denen dieses von vornherein eine Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 RGebStV auf Fälle im Sinne des Absatz 1 verneint hat, vermögen die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht voraussichtlich nicht zu rechtfertigen.

Zwar sind die Tatbestände der Gebührenbefreiung natürlicher Personen in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV nach der Systematik und nach Sinn und Zweck des Regelungswerkes abschließend. Darunter fallen Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV), einkommensschwache Personen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 - 5 RGebStV) und behinderte und kranke Personen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 - 10 RGebStV), Mit der Neuregelung soll eine deutliche Erleichterung des Verfahrens erreicht werden. Sämtliche Befreiungstatbestände nach § 6 Abs. 1 RGebStV knüpfen an bestehende soziale Leistungen an, so dass insbesondere die bei der Befreiung wegen geringen Einkommens nach § 1 Abs. 7 und 8 der bis zum 31. März 2004 gültig gewesenen Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 3. September 1992 (Nds. GVBl. S. 239) erforderlichen Berechnungen entfallen können (vgl. die Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Nds. Landtag, DS 15/1485, S. 36 f, so auch: 12. Senat des Nds. OVG, Beschluss vom 19.1.2006 - 12 PA 407/05 -, Beschlüsse vom 1.2.2006 - 12 PA 408/05 - und - 12 PA 419/05 -). Der Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV, wonach Rundfunkteilnehmer, die Arbeitslosengeld II mit einem Zuschlag nach § 24 SGB II erhalten, nicht von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden, könnte die gesetzgeberische Absicht zugrunde liegen, dass unabhängig von der Höhe des Zuschlages kein Raum mehr für eine Prüfung des § 6 Abs. 3 RGebStV bleiben soll. Dagegen spricht allerdings die Begründung zum Gesetzentwurf (Nds. Landtag, DS 15/1485, S. 37), nach der neben den Befreiungstatbeständen in Absatz 1 Satz 1 ergänzend nach Absatz 3 die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung bei der Befreiung in besonderen Härtefällen erhalten bleibt und ein besonderer Härtefall insbesondere dann vorliegt, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des Absatz 1 Satz 1 erfüllt sind, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann. Daraus wird deutlich, dass § 6 Abs. 3 RGebStV als Auffangtatbestand dienen und jedenfalls dann eingreifen soll, wenn eine vergleichbare Bedürftigkeit mit einem Personenkreis vorliegt, für den Befreiung nach Absatz 1 Satz 1 gewährt wird. Insofern ist bei Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Befreiung nach Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, im Einzelfall durchaus zu prüfen, ob dennoch nach Absatz 3 wegen eines besonderen Härtefalls Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu gewähren ist. Eine solche Prüfung ist hier bisher nicht vorgenommen worden.

Dass im Falle des Klägers eine mit einem Personenkreis aus Absatz 1 Satz 1 vergleichbare Bedürftigkeit und damit ein besonderer Härtefall vorliegen könnte, ergibt sich aus Folgendem:

Dadurch, dass der Kläger über das Arbeitslosengeld II hinaus einen Zuschlag nach § 24 SGB II erhält, ist er - anders als der Empfänger von Arbeitslosengeld II ohne Zuschlag - nicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Da der Kläger aber im entscheidungserheblichen Zeitraum im August 2005 lediglich einen Zuschlag in Höhe von 8,50 EUR und seit dem 1. September 2005 nur noch einen monatlichen Zuschlag von 6,00 EUR erhalten hat, die monatlichen Rundfunkgebühren aber 17,03 EUR betragen, hat er gegenüber dem Empfänger von Arbeitslosengeld II ohne Zuschlag seit September 2005 eine finanzielle Schlechterstellung um 11,03 EUR monatlich hinzunehmen, d.h. er muss etwa 2/3 der Rundfunkgebühren aus den monatlichen Regelleistungen des Arbeitslosengeldes II in Höhe von 345,00 EUR bestreiten. Diese Belastung dürfte hier für den Kläger nicht zumutbar sein und die Annahme einer besonderen Härte im Sinne von § 6 Abs. 3 RGebStV rechtfertigen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass sich der finanzielle Vorteil für den Kläger bei einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auf 6,00 EUR monatlich beschränken und damit erheblich geringer ausfallen würde als die von ihm im Falle der Ablehnung der Befreiung zu tragenden Lasten.

Ende der Entscheidung

Zurück