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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: 5 LA 1/07
Rechtsgebiete: GG, NBG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
GG Art. 33 Abs. 5
NBG § 87c Abs. 2
NBG § 120 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), auf die sich die Klägerin beruft, bereits nicht hinreichend dargelegt sind und im Übrigen jedenfalls nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Es kommt schon deshalb nicht in Betracht, "das vorliegende Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorzulegen".

Die Antragsbegründungschrift vom 16. Januar 2007 genügt nicht den Anforderungen, die gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung der Zulassungsgründe zu stellen sind. Nach dieser Vorschrift sind nämlich innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Berufung kann nach § 124 Abs. 2 VwGO nur aus den dort genannten Gründen zugelassen werden. Es ist mithin in der Begründung des Zulassungsantrages darzulegen, ob die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wegen Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Gerichte oder wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beantragt wird. Ferner muss im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet werden, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt ist. Im Falle der Geltendmachung mehrerer Zulassungsgründe müssen dabei alle diese Gründe jeweils selbständig dargelegt werden (Nds. OVG, Beschl. v. 28. 10. 2008 - 6 AD 2/08 -, NVwZ-RR 2009, 360, m. w. N.). Es obliegt nicht dem Oberverwaltungsgericht, sondern gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO der Rechtsbehelfsführerin, einzelne Zulassungsgründe ausdrücklich oder konkludent zu bezeichnen und ihnen dann jeweils diejenigen Elemente ihrer Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung klar zuzuordnen, mit denen sie das Vorliegen des jeweiligen Zulassungsgrundes darlegen möchte (Nds. OVG, Beschl. v. 28. 10. 2008 - 6 AD 2/08 -, a. a. O., m. w. N.). Insbesondere ist es nicht die Aufgabe des Senats, sich aus einem "Darlegungs-Gemenge" dasjenige herauszusuchen, was sich bei wohlwollender Auslegung den einzelnen Zulassungsgründen zuordnen ließe (Nds. OVG, Beschl. v. 28. 10. 2008 - 6 AD 2/08 -, a. a. O., m. w. N.).

Eine Zulassungsantragstellerin kann deshalb ihrer sich aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ergebenden Darlegungslast nicht dadurch genügen, dass sie Zulassungsgründe zwar vorab (formal) benennt, dann aber eine Begründung ihres Zulassungsantrags anfügt, in der zwischen den einzelnen Zulassungsgründe nicht mehr unterschieden wird (Bader, in: Bader u. a. VwGO, 4. Aufl. 2007, § 124a Rn. 81, m. w. N.), sondern die nach Art einer Berufungsbegründung (124a Abs. 3 Satz 4 VwGO) abgefasst ist. So aber liegt es im vorliegenden Falle, in dem nur ganz vereinzelt (siehe den zweiten Absatz auf der Seite 6 der Antragsbegründungsschrift vom 16. Januar 2007) ein Element der Urteilskritik dem jeweiligen Zulassungsgrund klar zugeordnet ist.

Den speziellen Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird der Zulassungsantrag im Übrigen ohnehin nicht gerecht. Denn die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass die Zulassungsantragstellerin eine für fallübergreifend gehaltene Frage formuliert (Nds. OVG, Beschl. v. 29. 2. 2008 - 5 LA 167/04 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit und in juris; Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 124a Rn. 72), näher begründet, weshalb diese eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht, sowie schließlich darstellt, dass die Frage entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (Nds. OVG, Beschl. v. 29. 2. 2008 - 5 LA 167/04 -, a. a. O., m. w. N.). Das ist hier nicht geschehen.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt im Übrigen unter den von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkten nicht vor.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 [1459]). Die Richtigkeitszweifel müssen sich allerdings auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (Nds. OVG, Beschl. v. 27. 3. 1997 - 12 M 1731/97-, NVwZ 1997, 1225 [1228]; Beschl. v. 23. 8. 2007 - 5 LA 123/06 -; BVerwG, Beschl. v. 10. 3. 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838 [839]).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Mit ihren Ausführungen unter III. 2. (namentlich im vorletzten Absatz auf der Seite 3), und unter VII. (auf den Seiten 8 f.) ihrer Antragsbegründungsschrift vom 16. Januar 2007 hat die Klägerin eine medizinische Gebotenheit ihrer Inanspruchnahme von Wahlleistungen nicht dargelegt. In der Rechtsprechung des Senats ist für den Fall mangelnder medizinischer Gebotenheit der Inanspruchnahme von Wahlleistungen aber bereits geklärt, dass freiwillig gesetzlich versicherte Beamte kein Recht auf die Gewährung von Beihilfen zu kraft Gesetzes (hier: gemäß § 87c Abs. 2 NBG in der ab dem 1. 1. 2005 geltenden Fassung) nicht mehr beihilfefähigen Aufwendungen für Wahlleistungen haben, und zwar obwohl ihnen - systembedingt - ein Anspruch nach § 178e VVG a. F. auf Anpassung des Versicherungsschutzes nicht zugute kommen kann (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 25. 6. 2007 - 5 LA 7/07 -, in: Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C IV 2 Nr. 173). Der Umstand, dass es verfassungsrechtlich v e r t r e t b a r gewesen ist, schwerbehinderte Beamtinnen in Orientierung an der Art ihrer Hilfsbedürftigkeit gesetzlich vom Wegfall der Beihilfefähigkeit der Wahlleistungen auszunehmen (§ 87c Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 NBG i. d. bis zum 31. 12. 2004 gültigen Fassung), bedeutet keineswegs, dass es auch verfassungsrechtlich erforderlich war, dies zu tun. Ein derartiges rechtliches Erfordernis ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin nur deshalb "freiwillig" in der gesetzlichen Krankenversicherung verblieben ist, weil infolge von Vorerkrankungen für sie ein privater Krankenversicherungsschutz nicht zu erlangen war, sodass es nicht in ihrem Belieben gestanden hat, sich so zu versichern, dass § 178e VVG a. F. zu ihren Gunsten hätte Anwendung finden können. Denn einer Beamtin kann nicht nur zugemutet werden, die Inanspruchnahme von (medizinisch nicht gebotenen) Wahlleistungen anderweitig zu versichern, sondern eben auch, auf diese Leistungen gänzlich zu verzichten. Artikel 33 Abs. 5 GG gewährleistet kein bestimmtes, die Inanspruchnahme von Wahlleistungen einschließendes, traditionelles Anspruchsniveau der Beamtenschaft. Vielmehr ist die Wahrung des insoweit erreichten Besitzstandes nicht verfassungsrechtlich geboten (BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225 ff., hier zitiert nach: Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C IV 2 Nr. 150). Der Dienstherr genügt seiner Fürsorgepflicht bereits dann, wenn er (weiterhin) für die allgemeinen Krankenhausleistungen Beihilfen gewährt, d. h. sich auf das Maß des medizinisch Gebotenen beschränkt (BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 2002 - 2 BvR 1053/98 -, a. a. O.).

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin für ihre im Ergebnis abweichende Rechtsauffassung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Eine Beamtin darf nämlich nicht ohne weiteres auf den Fortbestand einer ihr günstigen Regelung vertrauen. Das gilt insbesondere im Beihilferecht, wo schon in der Vergangenheit vielfach Änderungen eingetreten sind und mit weiteren Änderungen zu rechnen war (BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 2002 - 2 BvR 1053/98 - a. a. O.). Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) verlangen weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind. Ein darauf gerichtetes Vertrauen genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz (BVerwG, Urt. v. 24. 7. 2008 - BVerwG 2 C 46.07 -, juris, Langtext Rn. 20). Beamte, denen es nach dem Wegfall der Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen möglich war, sich nach Maßgabe des § 178e VVG a. F. durch den Abschluss eines ergänzenden Versicherungsvertrages privat so zu versichern, dass ihnen weiterhin die Inanspruchnahme von Wahlleistungen erstattet wird, erlangen daher keine verfassungsrechtlich erforderliche Kompensation für den Wegfall der Beihilfefähigkeit dieser Leistungen. Sie machen vielmehr lediglich von einer Freiheit Gebrauch, ihre Dienst- oder Ruhestandsbezüge zu günstigen Konditionen in bestimmter Weise, und zwar für eine über das medizinisch Gebotene hinausgehende Qualität ihrer Krankheitsvorsorge, zu verwenden. Demgegenüber kann die Klägerin nicht aufgrund ihrer Behinderung beanspruchen, den bislang gewohnten, aber eben über das medizinisch Gebotene hinausgehenden Versorgungsstandard sogar kostenfrei zu erhalten, indem es für sie bei der Beihilfefähigkeit an sie erbrachter Wahlleistungen verbleibt. Denn weder der Fürsorgegrundsatz noch ihr Anspruch auf amtsangemessene Alimentation, das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (vgl. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, 11. Aufl. 2008, Art. 3 Rn. 59) oder das Sozialstaatsprinzip geben ihr ein Recht auf eine solche Begünstigung.

Auch unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) mit denjenigen Beamten, die ihren Versicherungsschutz nach dem Wegfall der Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen gemäß § 178e VVG a. F. entsprechend auszuweiten vermochten, verbot es sich nicht, die Beihilfefähigkeit von (medizinisch nicht gebotenen) Wahlleistungen zu Lasten der Klägerin abzuschaffen. Das ergibt sich für ihren Fall schon daraus, dass die Klägerin - wie sie selbst geltend macht - im Gegensatz zu der Vergleichsgruppe dieser Beamten wegen ihrer Vorerkrankung bereits zum Zeitpunkt der Begründung ihres Beamtenverhältnisses nicht mehr die Möglichkeit hatte, sich privat gegen Krankheit zu versichern - und damit in den potentiellen Anwendungsbereich des § 178e VVG a. F. zu gelangen. Der Dienstherr hatte die Klägerin hiernach nämlich bereits mit jenem Defizit an Möglichkeiten der privaten Vorsorge "vorgefunden" und in das Beamtenverhältnis übernommen, das sich nunmehr seit dem Wegfall der Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen auswirkt. Er ist aber auch nach dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht gehalten, Unterschiede in Bezug auf den Zugang zu einer über das medizinisch Gebotene hinausgehenden Krankenvorsorge auszugleichen, die in Wahrheit unabhängig von dem Eintritt in das Beamtenverhältnis bestehen.

Ende der Entscheidung

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