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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: 5 LA 174/05
Rechtsgebiete: NBG, NGG, VwGO


Vorschriften:

NBG § 55
NBG § 56 a. F.
NGG § 20 Abs. 1 Satz 2
NGG § 20 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Nachdem ein Bericht des Ermittlungsführers vom 19. August 2002 (Bl. 48 ff. GA) vorlag, ist die Klägerin im Wesentlichen gestützt auf zwei amtsärztliche Gutachten vom 8. Juni 2000 (im Umschlag, Bl. 362 der Beiakte - BA - C) und vom 14. September 2000 (im Umschlag, Bl. 370 BA C) durch einen Bescheid des Beklagten vom 21. August 2002 (Bl. 4 der Gerichtsakte - GA -) sowie den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2002 (Bl. 10 ff. GA) wider ihren Willen als dienstunfähig vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden. Das Verwaltungsgericht hat ihre dagegen gerichtete Klage abgewiesen, nachdem es zuvor durch Einholung eines weiteren amtsärztlichen Sachverständigengutachtens, das vom 25. April 2005 datiert (Bl. 101 ff. GA), Beweis erhoben hatte.

Gegen das Urteil der Vorinstanz wendet sich die Klägerin mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung, den sie auf die Zulassungsgründe der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), des Vorliegens eines geltend gemachten und der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), sowie des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt.

II.

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil die Zulassungsgründe, auf die sich die Klägerin beruft, teilweise bereits nicht hinreichend gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt sind und im Übrigen jedenfalls nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Der Senat hat nicht für alle denkbaren Fälle abschließend zu entscheiden, welche Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu stellen sind; jedenfalls vorliegend ist diesen Darlegungsanforderungen nicht genügt.

Der Gesetzgeber hat mit dem Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (negativ) an die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheides (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und die Übertragung auf den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) angeknüpft. Hiernach weist eine Streitsache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, wenn ihre Entscheidung voraussichtlich in tatsächlicher bzw. rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursachen wird (Kopp, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 124 Rn. 9). Die Darlegung des Zulassungsgrundes erfordert deshalb grundsätzlich, dass in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die geltend gemachten Schwierigkeiten als solche benannt werden und darüber hinaus aufgezeigt wird, dass und aus welchen Gründen sie sich qualitativ von denjenigen eines Verwaltungsrechtsstreits "durchschnittlicher" Schwierigkeit abheben (Nds. OVG, Beschl. v. 27. 3. 1997 - 12 M 1731/97 -, NVwZ 1997, 1225 ff. [1227]). Unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen oder Abstriche von dieser Darlegungslast zu machen sind, was etwa bei einem - hier nicht gegebenen - offensichtlichen Vorliegen des Zulassungsgrundes in Betracht kommen könnte (vgl. Bader, in: Bader u. a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 124a Rn. 81), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Dem Darlegungserfordernis ist nämlich für den - hier vorliegenden - Regelfall eindeutig nicht genügt, wenn "besondere Schwierigkeiten" nur allgemein oder unter Beifügung einer abstrakten Definition dieses Rechtsbegriffs behauptet werden und der Zulassungsantragsteller seiner Behauptung lediglich eine Kritik an der angefochtenen Entscheidung folgen lässt, die nicht einmal zwischen der Geltendmachung besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten einerseits und besonderer rechtlicher Schwierigkeiten andererseits unterscheidet, sondern insoweit undifferenziert und nach Art einer Berufungsbegründung vorgenommen wird. Eben auf diese unzulängliche Weise - und deshalb nicht hinreichend - versucht die Klägerin den Zulassungsgrund des § 124a Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzulegen.

Auch soweit die Klägerin eine so genannte Aufklärungsrüge erhebt, indem sie als Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend macht, das Verwaltungsgericht habe entgegen § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt nicht hinreichend von Amts wegen aufgeklärt, fehlt es bereits an einer genügenden Darlegung des Zulassungsgrundes.

Ein schon in erster Instanz anwaltlich vertretener Zulassungsantragsteller muss substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände der Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Nds. OVG, Beschl. v. 12. 2. 2008 - 5 LA 326/04 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit, m. w. N.). Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Vorinstanz, vor allem das Unterlassen förmlicher Beweisanträge zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den letztgenannten Anforderungen nicht.

Die Klägerin legt nicht dar, dass sie bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben sie nun rügt, hingewirkt habe - was etwa durch einen zeitigen Antrag auf Anordnung des Erscheinens der Sachverständigen zur Erläuterung des schriftlichen Gutachtens vom 25. April 2005 (§ 98 VwGO i. V. m. § 411 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 ZPO) oder durch einen auf einen (weiteren) Sachverständigenbeweis gerichteten förmlichen Beweisantrag (§ 86 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwGO sowie § 98 VwGO i. V. m. § 403 ZPO) möglich gewesen wäre. Der Zulassungsantrag enthält zudem keine Ausführungen dazu, dass und weshalb sich der Vorinstanz auch ohne solche Anträge weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

Die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils liegen jedenfalls nicht vor.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23. 6. 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 [1459]). Die Richtigkeitszweifel müssen sich allerdings auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (Nds. OVG, Beschl. v. 27. 3. 1997 - 12 M 1731/97-, NVwZ 1997, 1225 [1228]; Beschl. v. 23. 8. 2007 - 5 LA 123/06 -; BVerwG, Beschl. v. 10. 3. 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838 [839]).

Gemessen an diesen Maßstäben bestehen die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht.

Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin erfasst der Begriff der Versetzung im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 NGG nämlich nicht die Versetzung in den Ruhestand, sondern betrifft diejenigen Fälle, die zugleich die Beteiligungstatbestände des § 65 Abs. 1 Nr. 7 oder Abs. 2 Nr. 5 NPersVG erfüllen. Auch aus § 20 Abs. 1 Satz 2 NGG ergibt sich grundsätzlich kein Gebot, die Frauenbeauftragte am Verfahren zur vorzeitigen Zurruhesetzung einer Beamtin wegen Dienstunfähigkeit zu beteiligen. Zum einen lässt sich dies daraus schließen, dass es der Gesetzgeber unterlassen hat, in § 20 Abs. 1 Satz 3 NGG einen dem § 65 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG entsprechenden Mitwirkungstatbestand ausdrücklich aufzunehmen, obwohl sich dergleichen geradezu aufgedrängt haben würde, hätte er insoweit eine Beteiligung der Frauenbeauftragten für geboten gehalten. Zum anderen folgt es daraus, dass sich das Ziel des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes darauf beschränkt, Frauen eine gleichberechtigte Stellung in den öffentlichen Verwaltungen zu verschaffen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NGG) - weshalb die Frauenbeauftragte lediglich bei der Durchführung dieses Gesetzes mitwirkt und auf die Einhaltung s e i n e r Vorschriften achtet (§ 20 Abs. 1 Satz 1 NGG). Das Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz enthält jedoch keine Vorschriften, die die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit betreffen. Anders als der Personalrat gemäß § 59 Nr. 1 NPersVG hat die Frauenbeauftragte auch nicht die allgemeine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass weibliche Beschäftigte nach Recht und Billigkeit behandelt werden. Bedenkt man schließlich, dass selbst der Personalrat, dem eine solche umfassendere Aufgabe zukommt, an der vorzeitigen Versetzung einer Beamtin in den Ruhestand nur auf deren Antrag zu beteiligen ist und sich ein derartiges dem Schutze der Persönlichkeitssphäre der betroffenen Beamtin dienendes (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 1. 12. 2004 - 1 TG 3121/04 - NVwZ-RR 2005, 646 f., m w. N.) Antragserfordernis in § 20 Abs. 1 Satz 2 NGG nicht "hineinlesen" ließe, wird deutlich, dass diese Norm teilweise einschränkend ausgelegt werden muss: Sie bezieht sich auf alle personellen Maßnahmen, die Belange der weiblichen Beschäftigten berühren können, nur insoweit, als diese Belange durch die Vorschriften des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes geschützt werden. Derart geschützte Belange sind jedoch im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit regelmäßig - und so auch hier - nicht erkennbar (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 1.12.2004 - 1 TG 3121/04 - NVwZ-RR 2005, 646). Sie werden dementsprechend von der Klägerin zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht dargelegt. Bedarf es aber nach § 20 Abs. 1 Satz 2 NGG grundsätzlich keiner Beteiligung der Frauenbeauftragten an einem Zurruhesetzungsverfahren wegen Dienstunfähigkeit und sind Besonderheiten weder erkennbar noch dargelegt, so liegt in der Unterlassung einer solchen Beteiligung kein Rechtsfehler des angefochtenen Bescheides vom 21. August 2002.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Änderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung erfolgt gemäß § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG i. V. m. den §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 15, 13 Abs. 4 Satz 1 lit. a und Satz 2 GKG a. F. Das Verwaltungsgericht ist irrtümlich nicht von dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 BBesO, sondern lediglich dem Grundgehalt der Stufe 10 ausgegangen und hat zu Unrecht neben der Allgemeinen Stellenzulage auch die vermögenswirksamen Leistungen in seine Berechnungen einbezogen (vgl. Bl. 120 und 161 f. GA). Der Streitwert erster Instanz errechnet sich bei Verwendung der richtigen Einsatzgrößen wie folgt: 6,5 x 3.119,58 EUR (3.051,41 EUR + 68,17 EUR) = 20.277,27 EUR.

Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 72 Nr. 1 Halbsatz 2, 40, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 GKG und errechnet sich folgendermaßen: 6,5 x 3.258,67 EUR (3.187,45 EUR + 71,22 EUR) = 21.181,36 EUR.

Ende der Entscheidung

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