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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: 5 LA 177/07
Rechtsgebiete: BBG, NBG, VwVfG


Vorschriften:

BBG § 47 Abs. 1 S. 2
NBG § 60 Abs. 1 S. 3
VwVfG § 48
VwVfG § 49
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG § 51 Abs. 5
Nach Beginn des Ruhestandes kann weder die Versetzung in den Ruhestand noch der Grund, auf dem sie beruht, durch Widerruf, Rücknahme oder Wiederaufgreifen des Verfahrens nachträglich geändert werden.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

1.) Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 27.3.1997 - 12 M 1731/97 -, NVwZ 1997, 1225; Beschl. v. 31.8.2007 - 5 LA 260/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Der Kläger trägt vor, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden, weil er entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wegen der nachträglich festgestellten Ursache für seine Erkrankung, die die Annahme seiner Dienstunfähigkeit bereits im Jahre 1999 rechtfertige, einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens seiner Versetzung in den Ruhestand gemäß § 51 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG oder jedenfalls gemäß § 51 Abs. 5 VwVfG i. V. m. §§ 48, 49 VwVfG, § 1 Abs. 1 NVwVfG habe.

Der Senat kann insoweit dahingestellt sein lassen, ob aufgrund der neuen medizinischen Erkenntnisse eine Änderung der Sach- oder Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG gegeben oder die Bestandskraft der Versetzungsverfügung für den Kläger schlechthin unerträglich ist. Denn das angefochtene Urteil erweist sich aus anderen Gründen jedenfalls im Ergebnis als richtig, weil die Bestandskraft der Verfügung vom 7. Juli 2003 eine Anwendung der Vorschriften des § 51 Abs. 1 VwVfG wie auch der §§ 51 Abs. 5, 48 und 49 VwVfG nach Beginn des Ruhestandes ausschließt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt der Antrag des Beamten den Grund seiner Versetzung in den Ruhestand. Die für die Festsetzung der Versorgungsbezüge zuständige Behörde ist an den Grund der Versetzung in den Ruhestand gebunden. Nach Beginn des Ruhestandes kann weder die Versetzung in den Ruhestand noch der Grund, auf dem sie beruht, durch Widerruf, Rücknahme oder Wiederaufgreifen des Verfahrens nachträglich geändert werden (vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 25.10.2007 - BVerwG 2 C 22.06 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 9 ff.). Zur Begründung des letzten Rechtssatzes verweist das Bundesverwaltungsgericht zunächst auf die Vorschrift des § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BBG, wonach die Versetzung in den Ruhestand bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden kann. Diese Bestimmung - so das Bundesverwaltungsgericht - dient zum einem dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten, zum anderen im allgemeinen Interesse der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als das Gegenstück zur Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf und die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle, im Beamtengesetz geregelte Voraussetzungen knüpft. Die einmal verfügte Versetzung des Beamten in den Ruhestand soll nicht wieder in Frage gestellt werden, auch nicht, wenn sich die Versetzung als rechtswidrig erweisen sollte. Dass § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BBG nur von der Rücknahme spricht, steht dieser Auslegung nicht entgegen (vgl.: BVerwG, Urt. v. 25.10.2007 - BVerwG 2 C 22.06 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 12 f.).

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat im Anwendungsbereich des Niedersächsischen Beamtengesetzes an. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 NBG kann die Verfügung bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden, wenn die Versetzung in den Ruhestand nicht zwingend vorgeschrieben ist. Die landesrechtliche Vorschrift - dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien - ist der bundesrechtlichen Vorschrift nachgebildet, einzig mit der Besonderheit einer weiteren Einschränkung, die zum Ziel hat, den Anschein zu vermeiden, als ob der materielle Entscheidungsspielraum der Behörde durch diese Verfahrensvorschrift erweitert werden soll (vgl.: LT-Drs. 23/4, S. 64 <152>). Dementsprechend kommen in § 60 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 NBG - ebenso wie in der vergleichbaren bundesrechtlichen Vorschrift - zum einen der Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten und zum anderen im allgemeinen Interesse die Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und die Rechtsklarheit zum Ausdruck. Auch die nach niedersächsischem Landesrecht verfügte Versetzung des Beamten in den Ruhestand soll nicht wieder in Frage gestellt werden, selbst wenn sie sich als rechtswidrig erweisen sollte. Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Versetzung des Beamten auf seinen Antrag in den Ruhestand nach Eintritt der Bestandskraft der Versetzungsverfügung und dem Beginn des Ruhestandes gemäß § 51 Abs. 1 oder 5 VwVfG kommt demnach nicht in Betracht.

2. Die Rechtsache weist auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Solche Schwierigkeiten sind anzunehmen, wenn die mit der Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage verbundene Klärung in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Hinsichtlich der Frage, ob besondere Schwierigkeiten in diesem Sinne vorliegen, ist dem Berufungsgericht durch § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 1.7.2003 - 5 LA 58/02, NVwZ-RR 2004, 125 m. w. N.).

Da angesichts der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Rechtslage auch für den Anwendungsbereich des Niedersächsischen Beamtengesetzes als geklärt anzusehen ist, ergeben sich besondere rechtliche Schwierigkeiten nicht. Soweit es nach Auffassung des Klägers fraglich erscheint, ob auch unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn die verwaltungsrechtlich vorgeschriebene Bestandskraft eines Ruhestandsbescheides einer beamtenrechtlichen Regelung der Dienstunfähigkeit und seiner Folgen vorgehen darf, verkennt der Kläger, dass die erhöhte Bestandskraft der Versetzungsverfügung nicht allein ihre Ursache in der verwaltungsrechtlich vorgeschriebenen Bestandskraft hat, sondern aus dem System der beamtenrechtlichen Vorschriften folgt, das einerseits dem Grundsatz der Ämterstabilität und andererseits - als Gegenstück - der erhöhten Bestandskraft der Versetzungsverfügung in den Ruhestand den Vorrang vor einer Anwendung der allgemeinen Vorschriften über den Widerruf, die Rücknahme und das Wiederaufgreifen des Verfahrens einräumt.

Auch in tatsächlicher Hinsicht weist die Rechtssache besondere Schwierigkeiten nicht auf, da es nach den vorigen Ausführungen auf die medizinische Beurteilung der Dienstfähigkeit des Klägers nicht entscheidungserheblich ankommt (vgl. zum Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit: Bader, in: Bader u. a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 124a, Rn. 83).

3. Schließlich ist die Berufung nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Frage der Reichweite der Bestandskraft umfassend durch die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als geklärt anzusehen ist.

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