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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 5 LA 273/06
Rechtsgebiete: Vorbemerkungen zu BBesO, VwVfG


Vorschriften:

Vorbemerkungen zu BBesO A und B Nr. 8a
VwVfG § 38 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat teilweise Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg bestehen, soweit der Kläger die von ihm begehrte Zulage für den im Tenor genannten Zeitraum geltend gemacht und das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat. Im Übrigen ist der Zulassungsantrag abzulehnen.

Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2008 - 5 LA 200/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).

Soweit der Kläger mit seiner Klage die Zulage nach Nr. 8a der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B (Anlage I zum BBesG) für den Zeitraum vom 13. April 1979 bis zum 31. Dezember 1979 begehrt, hat das Verwaltungsgericht die Klage rechtsfehlerfrei abgewiesen. Als Rechtsgrundlage scheidet Nr. 8a der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B aus, da diese nach Art. 10 Abs. 2 Nr. 2 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes vom 7. Juli 1980 (BGBl. I, S. 851) erst mit Wirkung vom 1. Januar 1980 in Kraft getreten ist.

Ebenso ist dem Verwaltungsgericht zuzustimmen, dass dem Kläger die Gewährung der Zulage rechtsverbindlich im Sinne von § 38 Abs. 1 VwVfG durch die Änderungsmeldungen des Kommandos Marineführungssysteme vom 6. Mai 2004 und dem von dieser Dienststelle verfassten und an den Kläger gerichteten Schreiben vom 13. Mai 2004 nicht zugesichert worden ist. Das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen stellt die verwaltungsgerichtlichen Ausführungen nicht derart in Frage, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils insoweit bestehen.

Zuständig für die Abgabe einer solchen Zusicherung ist nicht die Beklagte als Rechtsträgerin der zu ihrem Geschäftsbereich gehörenden Dienststellen des Kommandos Marineführungssysteme und der Wehrbereichsverwaltung Nord, sondern die nach der internen Kompetenzverteilung eines Rechtsträgers für den Erlass des zugesicherten Verwaltungsakts zuständige Behörde (vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2007, § 38, Rn. 18 f. sowie BVerwG, Urt. v. 29.8.1986 - , Buchholz 3186 § 38 VwVfG Nr. 7 = NVwZ 1987, 46 f., zitiert nach juris Langtext). Demnach ist entgegen der Auffassung des Klägers die Beklagte nicht zuständige Behörde im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG.

Soweit der Kläger in dem Schreiben vom 13. Mai 2004 des Kommandos Marineführungssysteme in Verbindung mit den beigefügten Änderungsmeldungen die Voraussetzungen einer Zusicherung für gegeben erachtet, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Ob eine behördliche Erklärung mit dem für eine Zusicherung im Sinne von § 38 VwVfG erforderlichen Bindungswillen abgegeben wurde, ist durch Auslegung nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Regel des § 133 BGB zu ermitteln; maßgebend ist danach der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei Würdigung des objektiven Erklärungswerts und der weiteren Begleitumstände, insbesondere des Zweckes der Erklärung, verstehen konnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.11.2006 - BVerwG 9 B 17.06 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 4 m. N.). Gemessen hieran hat der Kläger die verwaltungsgerichtliche Auslegung des genannten Schreibens einschließlich der Änderungsmeldungen als lediglich informatorische Mitteilung nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Sein Vortrag, das Verwaltungsgericht habe das Schreiben des Kommandos Marineführungssysteme vom 13. Mai 2004 bei seiner Prüfung nicht berücksichtigt, ist unzutreffend, da das Verwaltungsgericht dieses Schreiben ausdrücklich in seine Erwägungen einbezogen hat ( siehe S. 5 oben des angefochtenen Urteils). Der in dem Schreiben enthaltene Hinweis auf die vorherige Beteiligung und Rechtsauskunft des Rechtsberaters Marineamt rechtfertigt die Annahme eines Rechtsbindungswillen der Behörde nicht. Hiergegen spricht, dass im Zusammenhang mit diesem Hinweis dem Kläger mitgeteilt wird, dass ihm die Änderungsmeldungen "für seine Unterlagen" übersandt werden, ihm also lediglich derselbe Kenntnisstand von der Prüfung verschafft werden soll wie der Wehrbereichsverwaltung Nord. Des Weiteren spricht für eine lediglich informatorische Mitteilung, dass die Änderungsmeldungen nach den eigenen Angaben des Kommandos Marineführungssysteme dem Kläger allein zur Information übersandt wurden. Auf den Änderungsmeldungen ist nämlich von der Dienststelle jeweils rechts unten im Bereich Verteiler ein Kreuz bei "Besoldungsempfänger (BE) nur zur Info" gesetzt worden.

Da der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle ein Rechtsbindungswillen des Kommandos Marineführungssysteme, nicht ernsthaft in Zweifel gezogen hat, kann dahingestellt bleiben, ob diese Dienststelle zuständige Behörde im Sinne von § 38 VwVfG ist.

Der Zulassungsantrag hat jedoch Erfolg, soweit das Verwaltungsgericht den nach Nr. 8a der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B (Anlage I zum BBesG) bestehenden Anspruch des Klägers für die Zeiträume vom 1. Januar 1980 bis zum 13. September 1982 und 17. Oktober 1982 bis zum 31. Dezember 1999 abgewiesen hat. Es bestehen ernstliche Richtigkeitszweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, sein diese Zeiträume betreffender Anspruch auf Nachzahlung der Zulage sei nicht durchsetzbar, weil die Berufung der Beklagten auf die Verjährungseinrede nicht rechtsmissbräuchlich sei.

Nach Auffassung des Senats steht fest, dass nach Inkrafttreten der die Zulage regelnden Vorschrift des Art. 6 Nr. 1 d) des Siebten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes (a. a. O.) weder die Gesetzesänderung selbst noch die hierzu ergangenen Durchführungshinweise (BMVg VR I 3 - Az. 19-02-08/16) auf Grund von Umständen, die allein in der Sphäre der Beklagten gelegen haben, der für die sachliche Prüfung zuständigen Stelle nicht zur Kenntnis gegeben worden sind und sich das Kommando Marineführungssysteme selbst diese Kenntnis auch nicht verschafft hat. Dies folgt aus dem einen Parallelfall betreffenden Vermerk des Rechtsberaters des Marineamts vom 5. April 2004 (GA Bl. 111 f.). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger auf irgendeine andere Art und Weise bis zur Festsetzung seiner Versorgungsbezüge von seiner Zulagenberechtigung Kenntnis erlangt hat. Das Fehlverhalten der Mitarbeiter der Beklagten, das dazu geführt hat, dass weder der Kläger noch seine Dienststelle oder die für die Zahlung der Bezüge zuständige Dienststelle in ordnungsgemäßer Weise Kenntnis von der Zulagenberechtigung des Klägers erhalten haben, lässt die Berufung auf die Verjährungseinrede als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Soweit die Beklagte dem entgegen hält, die Rechtsmissbräuchlichkeit erfordere ein "qualifiziertes Fehlverhalten", das vorliegend nicht gegeben sei, verkennt sie die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, wonach ein die Annahme des Rechtsmissbrauchs begründendes "qualifiziertes Fehlverhalten" auch dann vorliegt, wenn ein pflichtwidriges Unterlassen gebotener Maßnahmen durch die zuständige Behörde gegeben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.1966 - BVerwG VI C 112.63 -, BVerwGE 23, 166 ff. zitiert nach juris Langtext, Rn. 25; Urt. v. 25.11.1982 - BVerwG 2 C 32.81 -, BVerwGE 66, 256 ff., zitiert nach juris Langtext, Rn. 16). Hieran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Verjährungseinrede der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen stehen kann, wenn der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten veranlasst hat, sei es auch unabsichtlich, von Maßnahmen zur Verhinderung des Verjährungseintritts abzusehen; dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn dem Gläubiger die verjährte Forderung allein wegen eines jedenfalls objektiv fehlerhaften Verhaltens des Schuldners nicht rechtzeitig bekannt geworden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.4.2007 - BVerwG 2 B 31.07, zitiert nach juris Langtext, Rn. 3; Urt. v. 4.10.1994 - BVerwG 1 C 41.92 -, BVerwGE 97, 1 ff. zitiert nach juris Langtext, Rn. 36 jeweils m. w. N.). Diese Rechtsprechung ist in den Durchführungshinweisen "Verjährung von Besoldungs- und Versorgungsansprüchen" - VMBl. 2003, S. 130 - unter Ziffer 5.2 Abs. 2 aufgenommen worden und findet hier Anwendung. Es hätte der Beklagten oblegen, ihre Dienststellen und die hiervon begünstigten Soldaten von der neu in Kraft getretenen Zulagenberechtigung zu informieren. Da die Beklagte jedoch weder die Gesetzesänderung noch die dazugehörige Dienstanweisung ausreichend in ihrem Geschäftsbereich bekannt gemacht und auch die Dienststelle des Klägers nicht in der gebotenen Weise hiervon Kenntnis genommen hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger allein wegen dieses Fehlverhaltens von verjährungsunterbrechenden Maßnahmen abgesehen hat. Denn dieses Fehlverhalten hat dazu geführt, dass die für die Zahlung der Besoldungsbezüge zuständige Stelle von Anfang an die Zulagenberechtigung des Klägers (auch in den Besoldungsmitteilungen) nicht berücksichtigt und sich dieser Fehler bis zur Versetzung in den Ruhestand fortgesetzt hat.

Eine andere Einschätzung der Rechtsmissbräuchlichkeit ist nicht damit zu begründen, der Kläger hätte von sich aus seine Zulagenberechtigung erkennen und im Rahmen seiner Obliegenheiten klären können. Diese vom Verwaltungsgericht und von der Beklagten vertretene Auffassung überspannt die Anforderungen, die an einen Beamten/Soldaten, der nicht mit Besoldungsfragen dienstlich beschäftigt ist, zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist von einem solchen Beamten/Soldaten mehr als besoldungsrechtliches Grundwissen nicht zu erwarten. Zwar ist von jedem Beamten/Soldaten zu erwarten, dass er die Grundprinzipien des Beamtenrechts, sein eigenes statusrechtliches Amt nebst besoldungsrechtlicher Einstufung sowie die ihm zustehenden Besoldungsbestandteile wie Grundgehalt, Familienzuschlag und wohl auch die ihm zustehenden Besoldungszulagen kennt. Auch ist ein Beamter/Soldat aufgrund seiner Treuepflicht bei Unklarheiten oder Zweifeln gehalten, sich durch Rückfragen bei der auszahlenden oder anweisenden Stelle Gewissheit zu verschaffen, ob die Zahlung rechtmäßig ist. Jedoch gehören zu diesem Grundwissen nicht spezielle Kenntnisse auch aktueller Neuregelungen insbesondere im Bereich der Zulagengewährung (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.4.2004 - BVerwG 2 A 5.03, Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 31, zitiert nach juris Langtext, Rn.16 f.).

Hiernach musste der Kläger die neu geschaffene Zulagenberechtigung nicht kennen. Auch hatte er keinen Anlass, seine Berechtigung bei der Beklagten, insbesondere bei der Wehrbereichsverwaltung Nord, klären zu lassen, da die Zahlung seiner Bezüge wie auch seine Besoldungsmitteilungen bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand keinerlei Anlass gegeben hatten, an deren Richtigkeit zu zweifeln.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung auf die Verjährungseinrede im vorliegenden Fall nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden kann, die Berufung auf die Verjährungseinrede sei hiernach immer im Falle eines Fehlverhaltens der Mitarbeiter einer Behörde ausgeschlossen. In dieser Allgemeinheit ist dieses nicht zutreffend, da die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit in diesen Fällen erfordert, dass das zur Verjährung der Ansprüche führende Fehlverhalten allein in den Verantwortungsbereich der Behörde fällt und nicht von Umständen beeinflusst ist, die außerhalb der Behörde liegen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 26.1.1966 - BVerwG VI C 112.63 -, BVerwGE 23, 166 ff., zitiert nach juris Langtext, Rn. 28).

Da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen, soweit das Verwaltungsgericht die Berufung der Beklagten auf die Einrede der Verjährung als nicht rechtsmissbräuchlich angesehen hat, kann der Senat es dahingestellt sein lassen, ob die Berufung auch deshalb zuzulassen ist, soweit der Kläger die verwaltungsgerichtlichen Ausführungen zur Zulässigkeit der Berufung auf die Verjährungseinrede auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten und zur Berechnung der Verjährungsfrist mit den Zulassungsgründen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO angreift.

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).

Ende der Entscheidung

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