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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: 5 LA 481/07
Rechtsgebiete: SGB I, SGB III
Vorschriften:
SGB I § 14 | |
SGB III § 27 Abs. 1 Nr. 1 |
Gründe:
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Die von der Klägerin geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), mit der ihre Klage auf Gewährung von Schadensersatz wegen Verletzung der Fürsorgepflicht abgewiesen worden ist, liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.04.2008 - 5 LA 200/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).
Die Klägerin wendet sich gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die Fachhochschule und das NLBV nicht verpflichtet gewesen seien, sie bei der Beauftragung der Verwaltung einer Professorenstelle darauf hinzuweisen, dass sie auf Beihilfeansprüche verzichten müsse, um in den Schutz der Arbeitslosenversicherung zu gelangen. Richtigkeitszweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben sich indes aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerin nicht.
Dem Dienstherrn obliegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht abzuleitende allgemeine Pflicht zur Belehrung über alle für den Beamten einschlägigen Vorschriften, vor allem dann nicht, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden können oder die sich der Beamte unschwer selbst verschaffen kann. Demgemäß gebietet ihm die Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht, seine Beamten von sich aus auf für sie etwa in Betracht kommende Möglichkeiten einer Antragstellung aufmerksam zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.01.1997 - BVerwG 2 C 10.96 -, m. w. N., juris). Allerdings können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besondere Fallgestaltungen eine Belehrungspflicht des Dienstherrn auslösen. Als solche hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt die ausdrückliche Bitte des Beamten um eine Auskunft, ferner den vom Dienstherrn erkannten oder erkennbaren Irrtum des Beamten in einem bedeutsamen Punkt sowie eine bestehende allgemeine Praxis, die Beamten über einschlägige Rechtsvorschriften zu belehren (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.04.2005 - BVerwG 2 C 5.04, BVerwGE 123, 175 und juris; Beschl. v. 06.03.2002 - BVerwG 2 B 3.02 -, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 120 m. w. N.; Urt. v. 30.01.1997 - BVerwG 2 C 10.96 -, m. w. N., juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen, die auch für den vorliegenden Fall eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eigener Art gelten, ist der Beklagte seiner Fürsorgepflicht hinreichend nachgekommen. Die Fachhochschule hat die Klägerin in ihren Schreiben über den Auftrag zur Verwaltung einer Professorenstelle vom 25. August 1998, vom 3. Juli 2000 und vom 10. Juli 2001 auf die Möglichkeit eines Verzichts auf die Beihilfe hingewiesen. Eine darüber hinaus gehende Hinweispflicht des Dienstherrn auch über die Folgen eines Verzichts auf die Beihilfe für den Schutz durch die Arbeitslosenversicherung bestand im vorliegenden Fall nicht. Der Dienstherr ist verpflichtet, die Beamten und sonstige öffentlich-rechtliche Bedienstete auf die Rechte hinzuweisen, die das Beamtenverhältnis bzw. - wie hier - das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis betreffen, wie z.B. aus der beamtenrechtlichen Versorgung; dagegen besteht grundsätzlich keine umfassende Informationspflicht des Dienstherrn über die Rechte aus dem sozialen Leistungssystem der Sozialgesetzbücher.
Eine Beratungspflicht des Beklagten ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, auf die sich insoweit die Klägerin beruft, ein Beamter oder ein sonstiger öffentlich-rechtlicher Bediensteter die Regelung in § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III betreffend die gesetzliche Verknüpfung von Arbeitslosenversicherung und beamtenrechtlicher Beihilfe nicht zu kennen braucht. Eine allein materiell-rechtliche Verknüpfung und Abhängigkeit einzelner Ansprüche aus den verschiedenen Sicherungssystemen begründet keine Pflicht des Dienstherrn zur umfassenden Beratung (vgl. auch BSG, Urt. v. 06.03.2003 - B 4 RA 15/02 R -, juris zum umgekehrten Fall der Beratungspflicht des Sozialleistungsträgers über außerhalb des sozialen Leistungssystems bestehende Rechte aus der beamtenrechtlichen Versorgung und den darin geregelten Ansprüchen auf Beihilfe - vom BSG verneint).
Entgegen der Auffassung der Klägerin hatte der Dienstherr hier auch nicht aufgrund einer besonderen Fallgestaltung eine Belehrungspflicht über die Folgen des Beihilfeverzichts.
Die Klägerin trägt vor, zumindest für das NLBV sei erkennbar gewesen, dass sie notwendig hinsichtlich der sozialrechtlichen Versicherungsfreiheit aufgrund des Nichtverzichts auf die Beihilfe hätte aufgeklärt werden müssen, denn sie sei gerade nicht eine Beamtin gewesen, für die ein eigenes Versorgungssystem bestehe, sondern sie habe die Verwaltung einer Professorenstelle in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eigener Art auf Zeit übertragen bekommen. Wegen der zeitlichen Begrenzung der Verwaltung der Professorenstelle habe ein erhöhter Bedarf an einem Hinweis über Konsequenzen bezüglich der Sozialversicherungen bestanden. Es sei vorhersehbar gewesen, dass sie nach Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses wieder in die normalen Sozialversicherungssysteme "zurückfalle".
Diese Einwände bleiben erfolglos. Die Befristung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses rechtfertigt nicht eine umfassende Beratungspflicht des Dienstherrn über Rechte aus dem Leistungssystem des Sozialversicherungsrechts, die nach Beendigung des Dienstverhältnisses in Betracht kommen können. Der Dienstherr ist insbesondere nicht verpflichtet, vor Beginn des Dienstverhältnisses eine an alle Eventualitäten angepasste individuelle Beratung durchzuführen. Die Klägerin war - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - im Zeitpunkt ihrer Beauftragung mit der Verwaltung der Professorenstelle für die Fachhochschule und für das NLBV auch nicht erkennbar in einer persönlichen Situation, die es notwendig erscheinen ließ, sie auf die Folgen eines Verzichts auf Beihilfeansprüche aufmerksam zu machen und einen solchen Verzicht zu empfehlen. Für die Fachhochschule und das NLBV waren insbesondere keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin im Anschluss an diesen Auftrag arbeitslos werden, den Schutz der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen und ihr vermögensrechtliche Nachteile drohen würden. Das NLBV ist in seinem Schreiben vom 2. Februar 1999 erkennbar davon ausgegangen, dass die Klägerin möglicherweise weiterhin als selbständige Architektin tätig gewesen ist. Es hat in diesem Schreiben die Klägerin um Mitteilung gebeten, ob sie weiterhin ihrer selbständigen Beschäftigung in ihrem eigenen Büro für Architektur und Innenarchitektur in Hamburg tätig sei. Die Klägerin hat zwar in dem Fragebogen zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht vom 2. Juli 1999 angekreuzt, sie übe keine weitere geringfügige Beschäftigung aus. Gleichwohl mussten weder die Fachhochschule noch das NLBV aus dieser Angabe entnehmen, dass die Klägerin nach der Beauftragung mit der Verwaltung der Professorenstelle um den Schutz der Arbeitslosenversicherung nachsuchen würde. Es lag vielmehr in der Hand der Klägerin und nicht im Einflussbereich des Dienstherrn, ob sie ihre selbständige Tätigkeit als Architektin neben ihrer Beschäftigung an der Fachhochschule aufrecht erhalten und inwieweit sie Vorsorge für den Fall des Widerrufs oder des Auslaufens der Professorenverwaltungsstelle ohne erneute Beauftragung treffen würde.
Es liegt hier auch keine der von dem Bundesverwaltungsgericht anerkannten besonderen Fallgestaltung vor. Das NLBV hat die von der Klägerin in ihrem Schreiben vom 14. Januar 1999 aufgeworfenen Fragen mit Schreiben vom 2. Februar 1999 vollständig beantwortet. Auskünfte über den Fall einer nach Beendigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eintretenden Arbeitslosigkeit hat die Klägerin nicht von dem Dienstherrn erbeten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine allgemeine Verwaltungspraxis des Beklagten bestünde, in Fällen wie dem vorliegenden auf die Folgen eines Beihilfeverzichts hinzuweisen. Soweit die Klägerin vorträgt, an der Hochschule für bildende Künste in Braunschweig werde in dem Fall, dass eine Person zur Verwaltung einer Professorenstelle beauftragt werde, ein Merkblatt über die Möglichkeiten des Verzichts auf Beihilfe und die daraus resultierenden sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen informiert, lässt sich daraus eine bestehende allgemeine Verwaltungspraxis im Bereich der Hochschulen des Beklagten nicht feststellen.
Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, es handele sich gerade bei der Systematik des Sozialleistungssystems nach den Sozialgesetzbüchern um eine derart komplexe Materie, dass sich der Gesetzgeber genötigt gesehen habe, besondere allgemeine Beratungspflichten in § 14 SGB I zu postulieren. Sie, die Klägerin, habe zwar nicht mit einem Sozialversicherungsträger in Verbindung gestanden, aber mit ihrem Dienstherrn, der sie gemäß § 14 SGB I analog über die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen des Nichtverzichts auf die ihr angebotenen Beihilfeleistungen hätte aufklären müssen. Eine § 14 SGB I entsprechende Aufklärungspflicht hat der Dienstherr nicht. Die Beratungspflicht des Sozialleistungsträgers gemäß § 14 SGB I erstreckt sich allein auf die Verwirklichung der Rechte aus den Sozialgesetzbüchern, nicht jedoch auf die Verwirklichung anderer Rechte aus anderen Sicherungssystemen wie z.B. der Rechte aus der beamtenrechtlichen Versorgung (vgl. BSG, Urt. v. 24.07.2003 - B 4 RA 13/03 R -, juris; Urt. v. 06.03.2003 - B 4 RA 15/02 R -, juris). Umgekehrt hat aber - wie ausgeführt - auch der Dienstherr grundsätzlich keine umfassende Beratungspflicht über die Verwirklichung der Rechte aus anderen Sicherungssystemen wie z.B. aus den Sozialgesetzbüchern.
2. Der weiterhin geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Grundsatzfrage aufwirft, die im Berufungsverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Die in diesem Sinne zu verstehende grundsätzliche Bedeutung muss durch Anführung mindestens einer konkreten, sich aus dem Verwaltungsrechtsstreit ergebenden Frage, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts erheblich sein wird, und durch die Angabe des Grundes, der die Anerkennung der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll, dargelegt werden, § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 25.04.2005 - 5 LA 162/04 - und Beschl. v. 19.4.2004 - 2 LA 293/03). Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, inwieweit bei zeitlich befristeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen bzw. auch bei zeitlich befristeten Beamtenverhältnissen, wozu letztlich sämtliche Beamtenverhältnisse außer denen auf Lebenszeit gehören, eine Aufklärungspflicht des Dienstherrn hinsichtlich der Frage eine Beihilfeverzichts und dessen Auswirkungen auf die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche des Einzelnen besteht. Diese Frage lässt sich jedoch nicht grundsätzlich und mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten, sondern ihre Klärung ist von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls abhängig.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Ende der Entscheidung
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