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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: 5 LC 229/03
Rechtsgebiete: 2. BesÜV, BBesG


Vorschriften:

2. BesÜV § 6
2. BesÜV § 1
2. BesÜV § 2
BBesG § 73
Die Voraussetzungen für eine nach § 73 BBesG i.V.m. §§ 1, 2 und 6 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands - 2. BesÜV - gekürzte Besoldung liegen nicht mehr vor, wenn ein Soldat in eines der alten Bundesländer versetzt wird, auch wenn dies nur zu Ausbildungszwecken geschieht.
Gründe:

Der Kläger ist seit dem 16. Oktober 1993 Soldat der Bundeswehr. Nachdem er zunächst Soldat auf Zeit war, erfolgte am 2. Februar 2000 die Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Am 28. September 2000 wurde der Kläger zum Oberfähnrich befördert.

Der Kläger war seit dem 16. Oktober 1993 zunächst im Beobachtungsartilleriebataillon 801 im Beitrittsgebiet in D. eingesetzt und erhielt gemäß § 73 BBesG in Verbindung mit der 2. BesÜV abgesenkte Dienstbezüge.

Mit Verfügung vom 5. Juni 2000 wurde der Kläger nach vorangehender Kommandierung vom 16. August 2000 bis zum 30. September 2000 zur 3./FSLW nach E. versetzt, wo er seit dem 16. August 2000 im Rahmen der Fachschulausbildung am Lehrgang "berufliche Fortbildung B" teilnahm. Am 22. Juli 2000 zog der Kläger mit seiner Familie nach F. und meldete dort auch seinen Wohnsitz an. Die Dauer der Verwendung in F., die zunächst bis zum 4. Juli 2002 geplant war, wurde später bis zum 13. März 2003 verlängert. Mit Wirkung vom 14. März 2003 wurde der Kläger nach G. (Beitrittsgebiet) versetzt, gleichzeitig aber nach H. kommandiert.

Für die Zeit seit seiner Verwendung in F. erhielt der Kläger weiter nach den genannten Bestimmungen abgesenkte Dienstbezüge und zusätzlich einen nicht ruhegehaltfähigen Zuschuss nach § 6 Abs. 1 Satz 3 der 2. BesÜV in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der abgesenkten Besoldung und den vollen, für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen, allerdings unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Bemessungsfaktors der jährlichen Sonderzuwendung für Ost (67,34 %) und West (89,79 %).

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2000 beantragte der Kläger, ihm die vollen Dienstbezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz ohne Berücksichtigung der Einschränkungen nach der 2. BesÜV zu gewähren. Zur Begründung verwies er auf die Versetzungsverfügung und seine Verwendung in einem alten Bundesland mit anschließendem Offizierslehrgang in I., der gesamte Zeitraum werde ca. 28 Monate betragen.

Mit Bescheid vom 15. Januar 2001 lehnte die Wehrbereichsverwaltung VII - Gebührniswesen - den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, in F. werde der Kläger lediglich auf einer Schülerplanstelle geführt, seine Verwendung dort sei nicht auf Dauer ausgerichtet. Die Teilnahme an einer Aus- oder Fortbildungsveranstaltung stelle stets nur eine vorübergehende Verwendung dar.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, schon aus dem Umstand, dass er nach F. versetzt worden sei, ergebe sich, dass es sich nicht um eine nur vorübergehende Verwendung handele. Auch auf Grund des langen Zeitraumes seiner Verwendung in F. sei von einer dauerhaften Verwendung im bisherigen Bundesgebiet auszugehen. Auf die Planstellensituation komme es nicht an.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs mit Beschwerdebescheid vom 20. April 2001 (zugestellt am 27. April 2001) hat der Kläger am 28. Mai 2001 (einem Montag) Klage erhoben und unter Wiederholung seines vorherigen Vorbringens beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm für die Zeit seiner Verwendung im bisherigen Bundesgebiet mit Rückwirkung zum 16. August 2000 Bezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz ohne Berücksichtigung der Einschränkungen nach der 2. BesÜV zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Begründung der angefochtenen Bescheide wiederholt und die Auffassung vertreten, dass der geltend gemachte Anspruch nur dann bestünde, wenn die Verwendung im westlichen Bundesgebiet auf Dauer angelegt wäre. Die Versetzung des Klägers nach F. und seine dortige Verwendung als Schüler an der Fachschule der Luftwaffe dienten indessen nicht dem Ziel, ihn dauerhaft im westlichen Bundesgebiet zu verwenden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 21. Mai 2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch auf ungekürzte Dienstbezüge stehe dem Kläger nicht zu. Vielmehr treffe auf ihn die Regelung in §§ 2 und 6 der 2. BesÜV zu. Der Begriff "Verwendung" in der 2. BesÜV meine nicht stets den Einsatzort, an dem der Soldat unmittelbar im Anschluss an seine Ernennung tatsächlich seinen Dienst tue. Maßgebend sei vielmehr die auf Dauer angelegte Tätigkeit. Die 2. BesÜV unterscheide zwischen einer Verwendung und einer nur vorübergehenden Verwendung. Die Teilnahme an einer Ausbildungs- oder Fortbildungsmaßnahme im bisherigen Bundesgebiet sei, wie sich aus § 6 Abs. 2 2. BesÜV ergebe, stets eine vorübergehende Verwendung. Die Bestimmungen über die Gewährung eines Zuschusses würden keinen Sinn machen und ihrem Regelungsgehalt nach leerlaufen, wenn es allein auf den tatsächlichen Einsatzort des Soldaten, unabhängig von der zeitlichen Dauer des Einsatzes, ankäme. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass für die Besoldung maßgeblich sein solle, ob ein Beamter dauerhaft im Beitrittsgebiet verwendet werde oder dort verwendet werden solle. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung lasse sich kein anderes Ergebnis herleiten. Die Besoldung solle an den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen im Beitrittsgebiet orientiert werden. Demnach komme es maßgeblich darauf an, wo sich der überwiegende Beschäftigungsort des Beamten/Soldaten befinde, d. h. welchen Dienstposten er bei welcher Behörde inne habe bzw. wo sein dienstlicher Wohnsitz im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG sei. Demnach werde der Kläger trotz der Kommandierungen und Versetzung auch für die Dauer seiner Teilnahme an dem Fortbildungslehrgang weiterhin im bisherigen Beitrittsgebiet verwendet. Statusrechtlich sei er Soldat im Bereich des Beitrittsgebietes geblieben; auch sein abstrakt-funktionaler Aufgabenbereich als Soldat im Bereich des Beitrittsgebietes sei unberührt geblieben.

Gegen dieses ihm am 26. Mai 2003 zugestellte Urteil, in dem das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen hat, wendet sich der Kläger mit seiner am 19. Juni 2003 eingelegten und am 28. Juli 2003 (Montag) begründeten Berufung.

Zur Begründung trägt er vor: Schon aus dem Wortlaut ("vorübergehend") ergebe sich, dass es auf die zeitliche Dauer der Verwendung ankomme. Dass ein Zeitraum von zwei Jahren und mehr nicht als vorübergehend betrachtet werden könne, werde auch dadurch bestätigt, dass Kompanieführer und Bataillonskommandeure häufig bereits nach einer derartigen Verwendungsdauer wieder versetzt würden.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Darauf, ob ein Zeitraum von zwei Jahren noch als vorübergehend bezeichnet werden könne, komme es nicht an. Der Kläger unterliege schon deshalb weiterhin den Regelungen der 2. BesÜV, weil er keinen regulären Dienstposten, sondern nur einen Ausbildungsdienstposten bekleidet habe. Im Übrigen könnten Auszubildende auf Grund fehlender Qualifikationsabschlüsse nicht mit der Wahrnehmung von für Dienstposten geltenden Aufgaben und Befugnissen betraut werden. Daher würden die Teilnehmer an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in den betreffenden Einheiten stets nur vorübergehend verwendet.

Wegen weiterer Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten und die dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgänge (Beiakten A) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist kraft Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger Anspruch auf ungekürzte Dienstbezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 VwGO).

Seit seiner Verwendung in F. seit dem 16. August 2000 liegen die Voraussetzungen für eine nach § 73 BBesG i.V.m. §§ 1, 2 und 6 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands - 2. BesÜV - in der Fassung vom 27. November 1997 (BGBl I S. 2764), geändert durch Gesetz vom 19. November 1999 (BGBl I S. 2198) gekürzte Besoldung nicht mehr vor.

Nach § 1 2. BesÜV sind die Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes und die zur Regelung der Besoldung erlassenen besonderen Rechtsvorschriften für Beamte, Richter und Soldaten, die nach dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verwendet werden, anzuwenden, soweit nicht in dieser Verordnung etwas anderes bestimmt ist. Dies gilt auch in den Fällen einer vorübergehenden Verwendung außerhalb des Beitrittsgebietes (§ 1 Satz 2 2. BesÜV). Nach § 2 2. BesÜV erhalten Beamte, Richter und Soldaten, die von ihrer erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet werden, Dienstbezüge, die in dem in dieser Bestimmung genannten Maß gekürzt werden. Entscheidend ist also, ob der Beamte oder Soldat im Beitrittsgebiet verwendet wird. Wie der hier gebrauchte Begriff der Verwendung zu verstehen ist, ist bereits höchstrichterlich geklärt. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. März 1999 (- 2 C 24.98 -, ZBR 1999, 272) entscheidet der Ort der Verwendung, also der dienstlichen Tätigkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.08.1995 - 2 C 29.94 -, Buchholz 240, § 13, Nr. 2), nicht hingegen der dienstrechtliche Bezug zu einer Behörde oder zu einem Dienstherrn mit Gebietshoheit darüber, ob ein Anspruch auf Dienstbezüge nach den allgemeinen besoldungsrechtlichen Vorschriften oder nach den Modifizierungen der 2. BesÜV besteht. In dem in Bezug genommenen Urteil vom 24. August 1995 heißt es: "Jedenfalls Beamte mit Dienstbezügen - Beamte auf Probe, auf Lebenszeit und auf Zeit (§ 5 Abs. 1, 4 BBG) - werden dadurch verwendet, dass der Dienstherr ihnen im Rahmen seiner Weisungsbefugnis (§ 55 Satz 2 BBG) eine Tätigkeit zuweist, die sie als Dienst zu verrichten haben. Für eine Unterscheidung zwischen Verwendung einerseits und dienstlich übertragenen Tätigkeiten, zu denen der Beamte verpflichtet ist, die aber gleichwohl keine Verwendung sind, andererseits bietet das Gesetz (Anm.: § 13 Abs. 5 BBesG) keinen Anhalt". Auch die Tätigkeit, die ein von seinem Vorgesetzten kraft dessen Weisungsbefugnis an eine Fachschule der Bundeswehr kommandierter und versetzter Soldat als Schüler dieser Schule zu verrichten hat, ist demnach eine Verwendung im Sinne des Besoldungsrechts. Daraus folgt, dass es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, das insoweit dem Oberverwaltungsgericht Magdeburg (Urt. v. 27.10.1994 - 3 L 74/93 -, in: Schütz, Beamtenrecht, ES/C I 2 Nr. 19) gefolgt ist, nicht darauf ankommt, dass das Statusamt des Soldaten unverändert bleibt. Das abstrakt funktionelle Amt ändert sich bei einer Versetzung, wie sie hier vorliegt. Angeknüpft wird allein an den Ort der tatsächlichen dienstlichen Tätigkeit. Allein dieser Gesichtspunkt - die unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse am jeweiligen Dienstort, an dem der Beamte, Richter oder Soldat verwendet wird - hat das Bundesverfassungsgericht veranlasst, die fragliche Regelung für mit der Verfassung vereinbar zu halten (BVerfG, Beschl. v. 12.02.2003 - 2 BvL 3/00 -, ZBR 2003, 348).

Seit der Versetzung (und der vorangegangenen, mit dem Ziel der Versetzung erfolgten Kommandierung) an die Fachschule war F. der Dienstort des Klägers.

Die Verwendung in F., und damit außerhalb des Beitrittsgebietes, war dauerhaft, nicht lediglich vorübergehend. Nach dem Gesetz ändert sich lediglich durch eine vorübergehende Verwendung außerhalb des Beitrittsgebietes nichts an einer Verwendung im Beitrittsgebiet. Daraus folgt, dass der Anspruch auf ungekürzte Bezüge entgegen der vom Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung nicht voraussetzt, dass die Verwendung außerhalb des Beitrittsgebietes endgültig ist. Es genügt eine nicht nur vorübergehende, also dauerhafte Verwendung. Das war hier in der Zeit seit dem 16. August 2000, in der der Kläger in den alten Bundesländern verwendet wurde, der Fall. Der Kläger ist nach J. nicht nur kommandiert, sondern versetzt worden. Die Versetzung ist die auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes im abstrakt-funktionellen Sinne und unterscheidet sich insoweit von einer Abordnung oder Kommandierung. Außerdem kann die Verwendung in F. auch vom Zeitraum her - 16.08.2000 bis 04.07.2002 und nachfolgende Verlängerung - nicht als vorübergehend bezeichnet werden.



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