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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: 5 ME 122/07
Rechtsgebiete: NBG, VwGO


Vorschriften:

NBG § 67 Abs. 1 S. 1
VwGO § 114 S. 2
Verbot der Amtsführung.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG

BESCHLUSS

Aktenz.: 5 ME 122/07

Datum: 26.04.2007

Gründe:

Das zwischenzeitlich fehlerhaft geführte Rubrum ist wie aus dem Beschluss ersichtlich zu korrigieren.

Nachdem die Beteiligten das Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt und ist über die Verfahrenskosten gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hiernach sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Verhältnis zu teilen. Denn der Ausgang des Rechtsmittelverfahrens ist zwar noch ungewiss gewesen, es kann aber als überwiegend wahrscheinlich betrachtet werden, dass die fristgerecht bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 23. Februar 2007 dargelegten Beschwerdegründe der Antragsgegnerin (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und Satz 6 VwGO) bei der gebotenen entsprechenden Anwendung auch des Rechtsgedankens des § 144 Abs. 4 VwGO (vgl. Bader, in: Bader u. a., VwGO, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 35 zu § 146, und Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, Rdnr. 27 zu § 146) nicht zu einer Abänderung oder Aufhebung (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) der angefochtenen gerichtlichen Entscheidung geführt hätten.

Geht man mit der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin davon aus, dass die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verhängung des Verbots der Amtsführung für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung maßgeblich sind, bedeutet dies nicht, dass nach Belieben Erwägungen, die sich auf ehedem bereits objektiv bestehende, aber der Behörde so noch nicht bekannt gewesene Sachverhalte beziehen, im gerichtlichen Verfahren "nachgeschoben" werden können, um das Verbot weiter zu begründen. Vielmehr handelt es sich bei der Verhängung eines Amtsführungsverbotes um eine Ermessensentscheidung, sodass Ermessenserwägungen nur insoweit gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt werden können, als dies nicht durch eine Änderung wesentlicher Teile des Streitstoffs zu einer Wesensänderung des Verwaltungsaktes führt (vgl. Kuntze, in: Bader u. a., VwGO, 3. Aufl. 2005, Rdnrn. 53 ff. zu § 114, und Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, Rdnr. 87 ff. zu § 114). Hiernach dürfte unter Berufung auf eine von dem Antragsteller etwa begangene Tierquälerei das Amtsführungsverbot nachträglich nicht zu rechtfertigen sein. Denn dieses etwaige Geschehen steht in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt der ursprünglich der Verhängung des Verbotes zugrunde gelegt wurde. Fraglich ist auch ob im gerichtlichen Verfahren die in dem Bescheid vom 16. November 2006 nicht enthaltene Erwägung "nachgeschoben" werden konnte, es bestehe der Verdacht, der Antragsteller habe sich mehrfach des Betruges schuldig gemacht. Denn in der angefochtenen Verfügung vom 16. November 2006 wurde dem Beamten als pflichtwidriges Verhalten nicht vorgehalten, er habe von vornherein vorsätzlich seinen Arzt getäuscht, so zu dessen Schaden weitere Medikamente in der Absicht bezogen, diese nicht zu bezahlen, und damit in Gestalt des Bezugs dieser Medikamente einen rechtswidrige Vermögensvorteil erstrebt und erlangt. Vielmehr ging es dort um ein Verhalten n a c h der jeweiligen Medikamentenabgabe, und zwar um die mangelnde Begleichung der begründeten Forderungen, das hieran schließlich anknüpfende Zwangsvollstreckungsverfahren und den Vorwurf, dem Vorsteher des Finanzamtes gegenüber unwahre Angaben gemacht zu haben. Schließlich ist fraglich, ob das verhängte Amtsführungsverbot nicht deshalb von vornherein oder zumindest für die Zeit seit Ablauf des 16. Februar 2007 bis zum Zugang des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 27. März 2007 bei der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers rechtswidrig gewesen ist, weil es nicht ausdrücklich befristet war. Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 NBG kann einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen das Führen seiner Dienstgeschäfte für die Dauer von drei Monaten verboten werden. Anders als ehedem in § 67 Abs. 1 Satz 2 NBG a. F., ist ein Erlöschen des verhängten Amtsführungsverbots jedoch nicht mehr gesetzlich angeordnet. Das Verbot dennoch als gesetzlich befristet zu betrachten und deshalb eine entsprechende Regelung in der Verfügung für entbehrlich zu halten (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, Rdnr. 16 zu § 36), begegnet Bedenken (vgl. auch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens u. a., VwVfG, 6. Aufl. 2001, Rdnr. 9h zu § 36). Viel spricht dafür, dass es geboten ist, ein auf § 67 Abs. 1 Satz 1 NBG (in der seit dem 1. Januar 2006 maßgeblichen Fassung) gestütztes Amtsführungsverbot gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ausdrücklich und konstitutiv zu befristen. Zumindest aber dürfte im Interesse der Bestimmtheit (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 37 Abs. 1 VwVfG) sowie der Formen- und Verfahrensklarheit (vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens u. a., VwVfG, 6. Aufl. 2001, Rdnr. 9g zu § 36) eine ausdrückliche - wenn vielleicht auch nur als deklaratorisch zu begreifende - Befristung angezeigt sein. Das hier verhängte Amtsführungsverbot enthält keine ausdrückliche Befristung sondern lediglich den Vorbehalt "bis auf Weiteres". Darin einen hinreichend klaren Widerrufsvorbehalt im Sinne des § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG zu sehen und diesen - an die Stelle einer Befristung tretend - für die Rechtmäßigkeit des Amtsführungsverbotes ausreichen zu lassen, erscheint ebenfalls fragwürdig. Im Übrigen hätte die Antragsgegnerin von diesem Vorbehalt nicht zeitig genug, nämlich nicht vor Ablauf des 16. Februar 2007, Gebrauch gemacht. Zuzustimmen ist der Antragsgegnerin jedoch darin, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die gegenüber dem Antragsteller erhobenen Vorwürfe rechtfertigten ein Amtsführungsverbot selbst dann nicht, wenn sie zuträfen, Bedenken begegnet. Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, dass es sich dann (überwiegend) um ein außerdienstliches und um ein erstmaliges Dienstvergehen handele, welches weder die dienstliche Tätigkeit des Beamten beeinträchtigt noch das Vertrauensverhältnis zu seiner Behörde nachhaltig erschüttert habe, dürfte diese gerichtliche Würdigung dem Umstand der ungewöhnlichen Höhe des nicht zur Begleichung der ärztlichen Forderungen verwendeten Beihilfebetrages und der Tatsache, dass der Beamte den Sachverhalt seinem Vorsteher gegenüber zunächst abgestritten hat, nicht das gebotene Gewicht beimessen. Sollten sich die erhobenen Vorwürfe insgesamt als zutreffend herausstellen, hat der Antragsteller Beihilfen von mehr als 200.000 EUR, die ihm aus Gründen der Fürsorge zur Erhaltung seiner Gesundheit in ungewöhnlicher Höhe geleistet worden waren, in grober Weise zweckentfremdet und sich dadurch außer Stande gesetzt, berechtigte ärztliche Forderungen zu begleichen. Das kann auf einen Charakterfehler schließen lassen, der sehr wohl erhebliche Zweifel daran zu wecken geeignet ist, ob der Antragsteller im Zuge seiner Amtsführung als Finanzbeamter einem Druck oder der Versuchung zu widerstehen vermag, anderen oder sich selbst auf ungesetzliche Weise finanzielle Vorteile zu verschaffen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 158 Abs. 2 und 152 Abs. 1 VwGO sowie 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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