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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.09.2007
Aktenzeichen: 5 ME 183/07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 123
Wechsel des Studienseminars während des Vorbereitungsdienstes.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 5 ME 183/07

Datum: 10.09.2007

Gründe:

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin zur Fortsetzung ihrer Ausbildung einem anderen Studienseminar zuzuweisen.

Die mit dem Antrag,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 22. März 2007 - 2 B 606/07 - abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen,

dagegen geführte Beschwerde der Antragsgegnerin ist - wie seitens der Antragstellerin beantragt - zurückzuweisen.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, weil sich aus den fristgerecht (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) bis zum Ablauf des 30. April 2007 dargelegten Beschwerdegründen, die allein zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nicht ergibt, dass die angefochtene Entscheidung abzuändern (oder aufzuheben) ist. Diese Beschwerdegründe weisen nämlich einesteils Darlegungsdefizite auf oder lassen die gebotene Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung vermissen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und vermögen anderenteils die Annahme der Vorinstanz nicht zu erschüttern, dass die Antragstellerin neben einem Anordnungsgrund auch den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe (§§ 123 Abs. 3 VwGO; 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Soweit sich die Antragsgegnerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, dass ein Anordnungsgrund für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vorliege, fehlt es ihrer Rechtsmittelbegründung sowohl an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung als auch der hinreichenden Darlegung einschlägiger Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Soweit sich die Beschwerde dagegen richtet, dass das Verwaltungsgericht einen Anordnungsanspruch bejaht hat, bestehen gemessen am Maßstab des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zwar ebenfalls vereinzelte Begründungsdefizite. Entscheidend aber ist, dass die dargelegten Beschwerdegründe die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses sachlich nicht rechtfertigen.

Die Vorinstanz hat ihrer Entscheidung die von der Antragsgegnerin geteilte Rechtsauffassung zugrunde gelegt, dass vor dem Hintergrund verschiedener entgegenstehender und in dem angefochtenen Beschluss benannter öffentlicher Belange nur zwingende, unabweisbare Gründe im Einzelfall die Zuweisung zu einem anderen Studienseminar während der laufenden Ausbildung rechtfertigen könnten. Sie hat aber das Ermessen der Antragsgegnerin, die Antragstellerin einem anderen Studienseminar zuzuweisen, als auf Null reduziert betrachtet, weil glaubhaft gemacht sei, dass es bei einer Fortdauer der bisherigen Zuweisung an das Studienseminar B. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum Eintritt eines erheblichen Schadens an der Gesundheit der Antragstellerin komme, sodass die Versagung einer anderweitigen Zuweisung die Grenze des der Antragstellerin Zumutbaren überschritte. Die öffentlichen Belange, die einer infolge des Wechsels des Studienseminars voraussichtlich erforderlichen Verlängerung der Ausbildungszeit der Antragstellerin entgegenstünden, hätten zurückzustehen.

Die Beschwerde beanstandet, dass die Vorinstanz die gerichtliche Einschätzung der Folgen eines Verbleibs der Antragstellerin beim bisherigen Studienseminar mit Ausführungen in der zur Frage der Dienstfähigkeit der Antragstellerin eingeholten amtsärztlichen Stellungnahme vom 5. März 2007 (Bl. 58 f. Gerichtakte - GA -) begründet hat. In dieser Stellungnahme seien keine deutlichen Feststellungen zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines erheblichen Gesundheitsschadens getroffen worden und die vorhandenen uneindeutigen Feststellungen hätten zumindest mit konkreteren Aussagen, auf welche Erkenntnisse sie sich stützten, medizinisch begründet werden müssen. Diese Rügen sind unbegründet. Der Amtsarzt hat in seiner Stellungnahme ausgeführt: "Bei Frau M. bestehen nach dem nicht bestandenen 2. Staatsexamen im September 06 und der über 4-monatigen Arbeitsunfähigkeit weiterhin Symptome einer psychischen Erkrankung. Frau M ist in ihrer psychischen Belastbarkeit noch deutlich eingeschränkt. Bei einer Rückkehr in ihr altes Studienseminar müsste mit einer Verschlimmerung der Krankheitszeichen gerechnet werden. ... Eine Zuweisung zu einem anderen Studienseminar könnte die Stabilisierung des Gesundheitszustandes befördern." Bei verständiger Auslegung lassen diese Ausführungen sehr wohl den Schluss zu, dass eine "Rückkehr der Antragstellerin in ihr altes Studienseminar" mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einer Destabilisierung ihres Gesundheitszustandes und dem Rückfall in das Vollbild einer psychischen Erkrankung führen wird, die als erheblicher Gesundheitsschaden anzusehen wäre. Die Verwendung des Konjunktivs in den Formulierungen des Mediziners ist sprachlicher Ausdruck des prognostischen Charakters der ärztlichen Aussagen und rechtfertigt nicht die hieran anknüpfenden Zweifel der Antragsgegnerin an deren Eindeutigkeit. Auf welche Erkenntnisse (nämlich die Ergebnisse einer ausführlichen Exploration am 2. März 2007 und ein einbezogenes privatärztliches Attest vom 24. Januar 2007 [Bl. 42 GA]) sich die ärztlichen Prognosen stützen, ist der Stellungnahme vom 5. März 2007 hinreichend zu entnehmen.

Der "Umkehrschluss" der Antragsgegnerin, es sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin infolge der Zuweisung zu einem anderen Seminar bessern werde, wenn dem von der Beamtin erhobenen "Mobbing"-Vorwurf nicht gefolgt werden könne, ist nicht nachvollziehbar. Denn das subjektive Empfinden der Antragstellerin, unfair und nicht unvoreingenommen behandelt worden zu sein, dürfte - gerade wenn es objektiv unberechtigt sein sollte - ihrer Disposition für die aufgetretene psychische Erkrankung zuzuschreiben sein. Es liegt aber auf der Hand, dass es einem psychisch Genesenden leichter fällt, sich von solchen Empfindungen frei zu machen und gänzlich zu gesunden, wenn er nicht an den Schauplatz eines Geschehens zurückkehren muss, der für ihn mit der Erinnerung an Ereignisse verbunden ist, die er seelisch nicht hinreichend zu bewältigen vermocht hat. Allein mit einer anderen Besetzung der Prüfungskommission ist dementsprechend ein dem Wechsel des Studienseminars vergleichbarer Effekt nicht zu erreichen. Gegenteiliges hat die Antragsgegnerin weder schlüssig dargelegt noch gar durch sachverständige Stellungnahmen belegen können, weshalb es ihrer Rüge, das Verwaltungsgericht hätte sich mit dieser Möglichkeit unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit auseinandersetzen müssen, an den tatsächlichen Grundlagen fehlt.

Insofern als die Antragsgegnerin darüber hinaus rügt, es dürfe nicht ausschließlich auf das Ergebnis der medizinischen Begutachtung abgestellt werden, vielmehr müsse bei der Entscheidung über einen Studienseminarwechsel eine umfassende Bewertung der Sachlage, auch hinsichtlich der negativen Folgen und Auswirkungen, vorgenommen werden, versäumt sie es darzulegen, inwiefern das Verwaltungsgericht eine abweichende Rechtsauffassung vertreten oder praktiziert haben soll. Vielmehr lässt die Beschwerdebegründung diesbezüglich die gebotene Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung vermissen.

Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, trotz entsprechender Aufforderung mit Schreiben vom 26. März 2007 habe die Antragstellerin keinen Nachweis über die Aufnahme einer Psychotherapie vorgelegt, ist nicht dargelegt, weshalb dies eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses rechtfertigen soll. Es ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung, am 22. März 2007, Anlass hatte, an der Bereitschaft der Antragstellerin zur Aufnahme einer Therapie zu zweifeln und daher die einstweilige Anordnung von einem entsprechenden Vorbehalt hätte abhängig machen müssen. Durchaus zweifelhaft ist auch, ob die Antragstellerin nach Zustellung der Entscheidung der Vorinstanz noch gehalten war, der Aufforderung der Antragsgegnerin nachzukommen, soweit diese den speziellen Zweck verfolgte, nicht nur zu prüfen, ob die Antragstellerin ihrer Dienstpflicht zur Gesunderhaltung hinreichend nachkommt, sondern gerade die Zuweisung zu einem anderen Studienseminar von den verlangten Nachweisen abhängig zu machen. Denn die Antragstellerin befindet sich im Besitz eines vollstreckbaren Titels gegen die Antragsgegnerin, der sie berechtigt, die unverzügliche Zuweisung an ein anderes Studienseminar zu fordern, ohne dass die Antragsgegnerin selbst befugt wäre, dem weitere eigene Vorbehalte entgegenzusetzen. Im Übrigen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25. Mai 2007 mittlerweile ein Attest (Bl. 101 GA) vorgelegt, das bestätigt, dass sie sich um die - darin ist der Antragsgegnerin zu folgen - auch dienstrechtlich gebotene Aufnahme einer Psychotherapie bemüht.

Lediglich vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich die Antragstellerin darüber im Klaren sein muss, dass es ein Grund für eine künftige Änderung des zu ihren Gunsten ergangenen Eilbeschlusses vom 22. März 2007 (auf Antrag der Antragsgegnerin und durch die Vorinstanz) sein könnte, sollte sich - wider Erwarten - ergeben, dass sie die bei Fortsetzung ihrer Ausbildung unumgängliche Therapie weder bereits begonnen hat noch nunmehr unverzüglich aufnimmt.

Ende der Entscheidung

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