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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2008
Aktenzeichen: 5 ME 291/08
Rechtsgebiete: GG, NBG
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 33 Abs. 2 | |
NBG § 8 Abs. 1 |
Gründe:
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Juni 2008, mit dem dieses seinen Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss eines neuen Auswahlverfahrens zu untersagen, den unter dem 14. Februar 2008 ausgeschriebenen Dienstposten einer Sachbearbeiterin/eines Sachbearbeiters für das Produkt "Geschäftsführung für den Rat und seine Ausschüsse" im Fachdienst Verwaltungsdienste "zu besetzen", abgelehnt hat.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang auch begründet.
Erfolglos bleibt die Beschwerde, soweit der Antragsteller ausweislich seines Sachantrags pauschal erstrebt, dass der Antragsgegnerin einstweilen (auch) untersagt werde, die streitige Stelle überhaupt nicht zu besetzen, also auch nicht mit anderen Personen als dem Beigeladenen. Denn es ist nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht (§§ 173 Satz 1 VwGO, 294 ZPO), dass dergleichen zu erwarten steht, sodass es diesbezüglich an dem für den Erlass einer Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erforderlichen Anordnungsgrund (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO) fehlt.
Die Beschwerde ist jedoch begründet und die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern, soweit der Antragsteller begehrt, einstweilen die Besetzung der Stelle mit dem Beigeladenen zu unterbinden.
Wegen der voraussichtlichen Dauer eines Hauptsacheverfahrens, des Bewährungsvorsprungs, den währenddessen der für die Besetzung des umstrittenen Beförderungsdienstpostens ausgewählte Beigeladene gegenüber dem Antragsteller erlangen dürfte, und infolge der Maßgeblichkeit dieses Bewährungsvorsprungs für die sich im Anschluss an die Dienstpostenvergabe schon jetzt abzeichnende spätere Beförderungsentscheidung liegt der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderliche Anordnungsgrund vor (vgl. Beschl. d. Senats v. 18.12.2007 - 5 ME 351/07 -, RiA 2008, 184 = juris Langtext Rn 5).
Des Weiteren ergibt die Prüfung der fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), dass der Antragsteller, soweit ein Anordnungsgrund besteht, auch den nach § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§§ 173 Satz 1 VwGO, 294 ZPO) hat. Das Auswahlverfahren und in seiner Folge die Auswahlentscheidung und die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers sind nämlich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit rechtlich fehlerhaft und es lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller bei einer erneuten Entscheidung der Antragsgegnerin ausgewählt werden wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. 9. 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 [201]).
Die genannte wahrscheinliche Fehlerhaftigkeit beruht - wie mit der Beschwerde hinreichend dargelegt wird - darauf, dass die Antragsgegnerin es versäumt hat, auf die Bewerbung des Antragstellers vom 28. Februar 2008 für diesen eine aktuelle dienstliche Beurteilung erstellen zu lassen und sodann diese Beurteilung bei ihrer im April 2008 getroffenen Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin war entgegen der von ihr vertretenen und von dem Verwaltungsgericht gebilligten Ansicht nicht berechtigt, bei ihrer Auswahlentscheidung auf die am 19. Juni/3. Juni 2007 über den Antragsteller gefertigte Beurteilung zurückzugreifen.
Die Verfahrensweise der Antragsgegnerin dürfte schon allein deshalb rechtsfehlerhaft sein, weil sie mit den "Richtlinien über die dienstliche Beurteilung von Beschäftigten der Stadtverwaltung Emden" vom 12. Dezember 1997 (im Folgenden: Richtlinien), die auch das Verwaltungsgericht nicht beachtet hat, nicht vereinbar sein dürfte. Nach Nr. 6.2 Satz 1 der Richtlinien sind aus besonderem Anlass, z. B. bei der Vergabe von höherwertigen Dienstposten, auf Anforderung des Personalamtes Bedarfsbeurteilungen zu erstellen. Eine solche Bedarfs- bzw. Anlassbeurteilung hat das Personalamt (Fachdienst Personal) der Antragsgegnerin zwar auf die Bewerbung des Beigeladenen vom 15. Februar 2008 für diesen eingeholt, nicht jedoch auch für den Antragsteller auf dessen Bewerbung vom 28. Februar 2008. Der Fachdienst Personal hat mit Schreiben 6. März 2008 allerdings den Fachdienst Öffentliche Sicherheit und Straßenverkehr um Übersendung einer Prognose hinsichtlich der Eignung des Antragstellers für die ausgeschriebene Stelle gebeten. Die daraufhin von dem vorgenannten Fachdienst erstellte und aus drei Sätzen bestehende Stellungnahme vom 14. März 2008 genügt bei summarischer Prüfung jedoch nicht den Vorgaben der Richtlinien. Dem steht Nr. 6.2 Satz 2 der Richtlinien, wonach das Personalamt die Form der Bedarfs- bzw. Anlassbeurteilung bestimmt, nicht entgegen. Denn die Stellungnahme vom 14. März 2008 genügt jedenfalls inhaltlich nicht den auch für Bedarfs- bzw. Anlassbeurteilungen geltenden Anforderungen der Richtlinien (vgl. zum Geltungsbereich der Richtlinien deren Nr. 1; vgl. zu den Inhalten der Regel- und Bedarfsbeurteilungen Nr. 3.1, 4 und 5 der Richtlinien). Auch die Verfahrensbestimmungen der Nr. 8 der Richtlinien sind nicht beachtet worden. Letztlich vertritt auch die Antragsgegnerin selbst nicht die Auffassung, dass die Stellungnahme vom 14. März 2008 als Bedarfs- bzw. Anlassbeurteilung zu werten sei, zumal sie - wie sich aus den Personalakten des Antragstellers und des Beigeladenen ergibt - jedenfalls im Falle dieser Beamten Bedarfs- bzw. Anlassbeurteilungen stets nach Maßgabe ihrer Richtlinien hat erstellen lassen.
Abgesehen von den Bedenken, die nach den vorstehenden Erwägungen gegen die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung bestehen, ist diese jedenfalls aber voraussichtlich deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Antragsgegnerin den Antragsteller in einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Weise dem Beigeladenen gegenüber benachteiligt hat. Sie hat missachtet, dass die letzte Bedarfs- bzw. Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 19. Juni 2007/3. Juli 2007 im Vergleich zu der des Beigeladenen vom 6. März/ 22. April 2008 nicht mehr hinreichend aktuell ist, um Grundlage einer dem Grundsatz der Bestenauslese, der sich aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 8 Abs. 1 NBG ergibt, genügenden Auswahlentscheidung sein zu können. Für sich genommen mag die letzte dienstliche Beurteilung des Antragstellers angesichts des in Nr. 6.1 der Richtlinien für Regelbeurteilungen festgelegten Beurteilungsrhythmus von fünf Jahren in rein zeitlicher Hinsicht noch aktuell sein. Dies gilt jedoch nicht im Verhältnis zu der deutlich aktuelleren Beurteilung des von der Antragsgegnerin ausgewählten Beigeladenen vom 6. März/22. April 2008. Durch die vorgenannte Beurteilung ist zugunsten des Beigeladenen ein mit neun Monaten nicht nur marginaler, sondern ganz erheblicher Aktualitätsvorsprung entstanden. Um diesen Aktualitätsvorsprung auszugleichen und um die Leistungen des Beigeladenen sachgerecht in einer dem Grundsatz der Bestenauslese und dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügenden Weise mit denen des Antragstellers vergleichen zu können, wäre die Antragsgegnerin gehalten gewesen, auch über den Antragsteller eine aktuelle Bedarfs- bzw. Anlassbeurteilung einzuholen. Diese Verpflichtung bestand entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG unabhängig davon, ob konkrete Anhaltspunkte für eine Leistungssteigerung des Antragstellers vorlagen oder von diesem vorgetragen worden sind (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Beschl. v. 8.6.2006 - 1 B 195/06 -, juris Langtext Rn 15).
Es lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller in einem neuen und fehlerfreien Auswahlverfahren ausgewählt wird. Die im Vorbringen der Antragsgegnerin und im Beschluss des Verwaltungsgerichts anklingenden Mutmaßungen über fehlende wesentliche Leistungssteigerungen des Antragstellers und damit über den aktuellen Inhalt einer dienstlichen Beurteilung sind ohne Belang, weil dienstliche Beurteilungen bis zu ihrer Erstellung und Eröffnung grundsätzlich nicht zur Grundlage einer Auswahlentscheidung gemacht werden können (vgl. Beschl. d. Senats v. 25. 7. 2007 - 5 ME 137/07 -, juris Langtext Rn 6) und den Gerichten eine auf ihren vermutlichen Inhalt gestützte negative Prognose des Bewerbungserfolgs versagt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. 9. 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 [201 unter B I 2 b bb]; Beschlüsse d. Senats v. 18. 12. 2007 - 5 ME 351/07 -, RiA 2008, 184 = juris Langtext Rn 12, v. 14. 1. 2008 - 5 ME 317/07 - DÖD 2008 = juris Langtext Rn 26, u. v. 20.2.2008 - 5 ME 505/07 -).
Ende der Entscheidung
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