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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.10.2008
Aktenzeichen: 5 ME 351/08
Rechtsgebiete: NBG


Vorschriften:

NBG § 37 Abs. 1 Nr. 2
NBG § 54 Abs. 1 S. 1
NBG § 54 Abs. 1 S. 2
Überprüfung der Anordnung des Sofortvollzugs der Entlassung eines Beamten auf Probe wegen Dienstunfähigkeit bei sich widersprechenden amtsärztlichen und privatärztlichen Stellungnahmen zur Frage der Dienstfähigkeit des Beamten im Beschwerdeverfahren
Gründe:

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 14. Mai 2008 wiederhergestellt hat.

Die Antragsgegnerin ernannte den im Jahre ... geborenen Antragsteller mit Wirkung vom 28. August 2006 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienassessor und wies ihn dem Gymnasium an der B., zu. Am 6. Februar 2008 - während der Probezeit - hielt der Antragsteller in der Klasse 10 b eine Unterrichtsstunde in dem Fach Musik ab. Gegenstand dieses Unterrichts war die Geschichte des während der Zeit des Nationalsozialismus von dem damaligen Mitglied der NSDAP und im Nürnberger Prozess als einer der Hauptkriegsverbrecher von dem Internationalen Militärgerichtshof verurteilten Baldur von Schirach getexteten Propagandaliedes der Hitlerjugend "Vorwärts, Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren". Der Antragsteller hatte die Noten und den Text des Liedes ausgeteilt und die Schüler aufgefordert, das Lied im Stehen zu singen und dabei den rechten Arm zum Hitlergruß auszustrecken. Während einige der Schüler das Lied gemeinsam mit dem den Hitlergruß zeigenden Antragsteller gesungen hatten, hatte sich ein Teil der Klasse geweigert, dem zu folgen.

Aufgrund dieses Vorfalls kam es von Schülern und Eltern zu Beschwerden mit der Folge, dass die Antragsgegnerin am 12. Februar 2008 mit dem Antragsteller ein Dienstgespräch führte, in dessen Verlauf der Antragsgegnerin Zweifel an der Dienstfähigkeit des Antragstellers kamen. Am nächsten Tag meldete sich der Antragsteller auf Anraten der Antragsgegnerin krank. Eine amtsärztliche Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller dienstunfähig sei. Daraufhin entließ die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Verfügung vom 14. Mai 2008 unter Anordnung des Sofortvollzugs mit Ablauf des 30. Juni 2008 wegen Dienstunfähigkeit aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Gegen diese, dem Antragsteller am 16. Mai 2008 zugestellte Verfügung hat der Antragsteller am 16. Juni 2008 Klage erhoben und gleichzeitig die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der unter dem Az. 6 A 1768/08 geführten Klage, über die noch nicht entschieden ist, mit Beschluss vom 13. August 2008 wiederhergestellt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die verfügte Entlassung sei voraussichtlich rechtswidrig, weil derzeit wahrscheinlich nicht von der Dienstunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen werden könne und deshalb die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung nicht im öffentlichen Interesse liege. Das amtsärztliche Gutachten vom 14. April 2008/28. Mai 2008 trage die Entscheidung, dass der Antragsteller dienstunfähig sei, nicht. Die Voraussetzungen einer Dienstunfähigkeit des Antragstellers nach § 54 Abs. 1 Satz 2 NBG lägen nicht vor. Auch sei der Antragsteller nicht nach § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG als dienstunfähig anzusehen, da die amtsärztlichen Feststellungen mit der Diagnose einer bipolaren affektiven Störung, aufgrund derer die Antragsgegnerin eine Dienstunfähigkeit angenommen habe, nicht nachvollziehbar seien bzw. eine unzureichende Grundlage darstellten. Es mangele an einer für die Diagnose erforderlichen Darstellung der Phasen, die für eine solche Störung kennzeichnend seien. Gegenüber den amtsärztlichen Feststellungen komme nach dem von dem Antragsteller vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. C. vom 15. Juli 2008 bei dem Antragsteller auch eine die Dienstfähigkeit nicht beeinträchtigende, behandelbare neurotische Störung geringen Schweregrades in Betracht. Ein Vorrang der amtsärztlichen Feststellungen sei vorliegend nicht anzuerkennen. Anhaltspunkte für eine bipolare affektive Störung ergäben sich auch nicht aus dem Inhalt des am 12. Februar 2008 geführten Dienstgesprächs. Da die Dienstunfähigkeit als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, habe der Antrag Erfolg, denn es liege nicht im besonderen öffentlichen Interesse, eine nach derzeitigem Erkenntnisstand rechtswidrige Entlassungsverfügung zu vollziehen.

Gegen diesen ihr am 13. August 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 15. August 2008 Beschwerde eingelegt. Sie beantragt mit ihrem am 8. September 2008 beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingegangenen Begründungsschriftsatz (sinngemäß), den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 13. August 2008 zu ändern und den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zu verwerfen,

hilsweise die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge (Beiakten A und B) verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken. Insbesondere hat die Antragsgegnerin ihre Beschwerde in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise ihre Beschwerde begründet. Mit dem einen bestimmten Antrag enthaltenden Schriftsatz vom 8. September 2008 hat die Antragsgegnerin in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung die Gründe dargelegt, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern ist. Sie hat im Einzelnen vorgetragen, aus welchen Gründen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die amtsärztlichen Feststellungen nachvollziehbar seien, von einer Dienstunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen werden könne und die Ausführungen von Prof. Dr. C. in dessen Gutachten unzutreffend seien. Sie greift hierbei die vom Verwaltungsgericht dargestellten Grundsätze zum Vorrang amtsärztlicher Feststellungen auf und führt aus, der Amtsarzt habe sich zu den Ausführungen von Prof. Dr. C. mangels Gewährung einer Verlängerung der Stellungnahmefrist nicht äußern und damit den Vorrang seiner Feststellungen nicht wiederherstellen können. Damit geht die Antragsgegnerin hinreichend auf die Begründungsstruktur der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ein (vgl. dazu auch Bader, in Bader u. a. <Hrsg.>, VwGO, 4. Aufl., 2007, § 146, Rn. 29).

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der beschließende Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, erfordern eine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Soweit das Verwaltungsgericht bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache in den Blick genommen und seine stattgebende Entscheidung auf die voraussichtliche Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung und damit den wahrscheinlichen Erfolg der Klage des Antragstellers gestützt hat, kann diese Entscheidung unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht aufrechterhalten werden.

Anders als das Verwaltungsgericht beurteilt der beschließende Senat die Erfolgsaussichten der von dem Antragsteller erhobenen Klage als offen, sodass das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Sofortvollzugs nicht als überwiegend angesehen werden kann. Vielmehr führt die Interessenabwägungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass die die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigenden öffentlichen Interessen das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Sofortvollzugs überwiegen. Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

§ 37 Abs. 1 Nr. 2 NBG sieht vor, dass ein Beamter auf Probe zu entlassen ist, wenn er dienstunfähig ist und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend seiner Entscheidung bei der Auslegung und Anwendung des in dieser Vorschrift enthaltenen Begriffs "dienstunfähig" die in § 54 Abs. 1 NBG genannten Kriterien der Dienstunfähigkeit zugrunde gelegt (vgl. dazu Nds. OVG, Beschl. v. 27.2.2007 - 5 LA 58/07 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 13).

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen für die Annahme einer Dienstunfähigkeit nach § 54 Abs. 1 Satz 2 NBG lägen nicht vor, hat die Antragsgegnerin nicht mit ihrer Beschwerde angegriffen, sodass es einer Auseinandersetzung hiermit im vorliegenden Verfahren nicht bedarf.

Soweit jedoch das Verwaltungsgericht auch die Annahme einer Dienstunfähigkeit nach § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG als nicht nachvollziehbar festgestellt erachtet hat, vermag der beschließende Senat diesen Ausführungen nicht zu folgen.

Das Verwaltungsgericht hat seine Einschätzung zum einen damit begründet, der Amtsarzt habe eine "dauernde" Dienstunfähigkeit nicht festgestellt, da er in seinem Gutachten vom 14. April 2008 eine medikamentöse Behandlung mit begleitender Therapie empfohlen und ein Abwarten des weiteren Verlaufs für erforderlich gehalten habe. Damit - so das Verwaltungsgericht - habe er eine Besserung des Zustandes des Antragstellers und den möglichen Eintritt seiner Dienstfähigkeit nicht ausgeschlossen.

Diese amtsärztlichen Ausführungen stehen jedoch der Annahme einer dauernden Dienstunfähigkeit nicht entgegen. Diese setzt nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung voraus, dass jedenfalls auf absehbare Zeit eine Besserung des Zustandes nicht zu erwarten ist (vgl. dazu bei der Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nach §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 75 Abs. 4 DBG: BVerwG, Urt. v. 17.1.1957 - BVerwG II C 27.55 -, ZBR 1957, 400). Hiermit setzt sich das Verwaltungsgericht nicht auseinander, obwohl die Ausführungen des Amtsarztes hierzu Anlass gegeben hätten. Dessen Ausführungen, eine Besserung des Zustandes des Antragstellers hänge von dem Verlauf einer von ihm empfohlenen medikamentösen Behandlung mit begleitender Therapie ab, lassen auf eine Ungewissheit über den Eintritt einer Besserung des Zustandes des Antragstellers schließen, sodass nicht von vornherein die Dauerhaftigkeit der von dem Amtsarzt festgestellten Dienstunfähigkeit in Frage gestellt ist. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 2 NBG verwiesen. Es spricht mit Blick auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Überwiegendes dafür, die in dieser Vorschrift bei langer Erkrankung des Beamten enthaltene Vermutung der Dienstunfähigkeit, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb von sechs Monaten seine Dienstfähigkeit wieder hergestellt wird, auch bei der Feststellung der Dienstunfähigkeit nach § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG zu berücksichtigen (ebenso: Kümmel, NBG, § 54, Rn. 10: a. A.: Sommer/Konert/Sommer, NBG, 2001, § 54, Rn. 2), sodass allein die Möglichkeit der Besserung des Zustandes des Beamten die Annahme einer dauernden Dienstunfähigkeit nicht ausschließt. In Anbetracht dessen geht der Senat davon aus, dass die von dem Amtsarzt in seinen Äußerungen vom 14. April, 28. Mai und 4. September 2008 angestellte Prognose, dass mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen sei, die Annahme einer "dauernden" Dienstunfähigkeit im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG im Fall des Antragstellers rechtfertigt.

Zum anderen hat das Verwaltungsgericht seine Einschätzung damit begründet, dass die Ausführungen des Amtsarztes in seinen Gutachten vom 14. April und 28. Mai 2008 sich als nicht nachvollziehbar bzw. als unzureichende Grundlage für die Feststellung der Dienstunfähigkeit des Antragstellers erwiesen. Eine bipolare affektive Störung werde weder von dem Amtsarzt noch von dem eingeschalteten Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in seinem nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 3. April 2008 dargestellt. Ebenso wenig wie eine zurzeit gegebene krankhafte Stimmungssenkung mit vermindertem Antrieb und verminderter Aktivität nachvollziehbar festgestellt worden sei, lägen den amtsärztlichen Aussagen ausreichende Anhaltspunkte für Phasen der gehobenen Stimmung mit vermehrtem Antrieb und vermehrter Aktivität zugrunde.

Dieser verwaltungsgerichtlichen Einschätzung schließt sich der Senat nicht an. Die Feststellungen des Amtsarztes, aktuell imponiere der Antragsteller herabgestimmt und nachdenklich, dabei sei er besorgt, die affektive Schwingungsfähigkeit sei reduziert, der Antragsteller sei nur eingeschränkt in der Lage, die Tragweite seines Handelns einzuschätzen, und die Fähigkeit, die Position anderer einzunehmen, erscheine vermindert, stehen der Annahme einer bipolaren affektiven Störung nicht entgegen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, diese Feststellungen reichten für die Annahme einer gegenwärtig leichten depressiven Episode als Phase einer bipolaren affektiven Störung nicht aus, zumal der Antragsteller sehr wohl erhebliche Aktivitäten entfaltet habe und die festgestellte gegenwärtige leichte depressive Episode ohne Berücksichtigung des Vorfalls vom 6. Februar 2008 und der hieraus resultierenden Folgen (Disziplinarverfahren, strafrechtliches Ermittlungsverfahren und bei Feststellung der Dienstunfähigkeit das Entlassungsverfahren) unschlüssig erscheine, überzeugt nicht. Die Teilnahme des Antragstellers am Dienstgespräch sowie seine Untersuchung beim Amtsarzt und beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sprechen nicht zwangsläufig gegen die amtsärztliche Einschätzung einer krankhaften Stimmungssenkung mit vermindertem Antrieb und verminderter Aktivität, da der Antragsteller nicht aus eigenem Antrieb heraus hieran teilgenommen hat, sondern auf Veranlassung der Antragsgegnerin. Allein die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten und die Abgabe einer Stellungnahme gegenüber dem D. Sender "E. " reicht für eine Infragestellung der amtsärztlichen Diagnose nicht aus. Ebenso wenig sprechen die dem Antragsteller wegen des Vorfalls vom 6. Februar 2006 drohenden Konsequenzen gegen die amtsärztliche Diagnose. Denn schließlich standen ausweislich des Vermerks über das Dienstgespräch vom 12. Februar 2008 und des Vermerks über ein Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Untersuchung auch noch die Möglichkeit der Feststellung der Dienstfähigkeit des Antragstellers sowie seine Abordnung oder Versetzung an eine andere Schule im Raum.

Dem Verwaltungsgericht kann auch nicht ohne Weiteres in der Annahme gefolgt werden, es fänden sich auch für Phasen einer gehobenen Stimmung mit vermehrtem Antrieb und vermehrter Aktivität weder im Gutachten des Amtsarztes oder dem ihm zugrunde liegenden nervenärztlichen Gutachten von Dr. med. F. noch in den dem Gericht vorliegenden Unterlagen Anhaltspunkte. Bei seiner Begründung geht das Verwaltungsgericht nicht auf die Feststellung von Dr. med. F. in seinem Gutachten vom 3. April 2008 ein, wonach der Antragsteller selbst Zeiten ausgeprägter Stimmungsschwankungen beschrieben habe, die er im Wechsel mit Zeiten verminderter Belastbarkeit, übermäßiger Besorgtheit, Selbstzweifel, Gefühl von Wertlosigkeit und Versagensängste geschildert hat (S. 13 des Gutachtens). Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die Angaben des Antragstellers zu seinen anhaltenden Verstimmungszuständen und den psychotherapeutischen Behandlungen in den Jahren 1991 bis 1995, seiner psychischen Situation in der 12. Klasse im Jahre 1984 und der daraufhin veranlassten vierwöchigen stationären Behandlung in der Klinik G. könnten hinreichende Rückschlüsse auf eine aktuell bestehende krankhafte Störung wohl eher nicht zulassen, begegnen vor dem Hintergrund, dass der Amtsarzt unter Berufung auf das Gutachten von Dr. F. einen chronifizierten Verlauf der bipolaren affektiven Störung diagnostiziert hat (vgl. dazu die erste ergänzende amtsärztliche Stellungnahme vom 28. Mai 2008 ), Bedenken.

Soweit sich das Verwaltungsgericht zudem darauf beruft, die amtsärztlichen Feststellungen seien auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil sich aus der Personalakte des Antragstellers ebenfalls keine Anzeichen für eine bipolare affektive Störung ergäben, vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen, weshalb aus diesem Grunde die amtsärztliche Diagnose unzutreffend sein soll. Der Umstand, dass der Antragsteller, um sich "private Inseln" schaffen zu können, lediglich eine Teilzeitbeschäftigung ausübt, spricht jedenfalls nicht hiergegen. Dass ausweislich der amtsärztlichen Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes für Erwachsene der H. vom 15. August 2006 bei der Einstellung des Antragstellers keine Befunde bei der Untersuchung erhoben worden sind, spricht - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist - ebenso wenig gegen die vom Amtsarzt festgestellte Erkrankung des Antragstellers, weil nicht ersichtlich ist, auf welcher Grundlage die damalige Feststellung getroffen worden ist. In der damaligen Stellungnahme heißt es insoweit lediglich, dass aufgrund der über den Gesundheitszustand jetzt bekannten Fakten nicht mit dem vorzeitigen Eintreten dauerhafter erheblicher Leistungsminderungen zu rechnen sei. Dass sich schließlich weder im Vermerk über das Dienstgespräch vom 12. Februar 2008 noch in dem Bericht des Schulleiters vom 7. Februar 2008 über den Vorfall Bemerkungen zu erheblichen Stimmungsschwankungen befänden, stellt die amtsärztliche Diagnose ebenfalls nicht in Frage. Denn die Vermerke sind allein anlassbezogen gefertigt worden, wobei der Senat anmerkt, dass der Antragsgegnerin aus dem Verhalten des Antragstellers während des Dienstgesprächs Zweifel an dessen Dienstfähigkeit gekommen sind und daher die Einholung des amtsärztlichen Gutachtens veranlasst wurde.

Sind nach den vorstehenden Ausführungen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die amtsärztlichen Gutachten vom 14. April und 28. Mai 2008 grundsätzlich als nachvollziehbar und in sich schlüssig anzusehen, ist nach der von dem Verwaltungsgericht richtigerweise herangezogenen Rechtsprechung des beschließenden Senats in der Regel davon auszugehen, dass dem amtsärztlichen Gutachten bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit eines Beamten auf Probe aufgrund der besonderen Fachkenntnisse in Bezug auf die dienstbezogenen Anforderungen ein Vorrang vor privatärztlichen Stellungnahmen zukommt (vgl. dazu Nds. OVG, Beschl. v. 24.7.2008 - 5 PA 93/08 -; Beschl. v. 27.2.2007 - 5 LA 58/07 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 12).

Wenn aber die Beurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes abweicht, kommt den amtsärztlichen Ausführungen nur unter den Voraussetzungen ein Vorrang zu, dass keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bestehen, die medizinischen Beurteilungen auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sind und der Amtsarzt auf die Erwägungen des Privatarztes, wenn dieser seinen medizinischen Befund näher erläutert hat, eingeht und nachvollziehbar darlegt, warum er ihnen nicht folgt. Diese Grundsätze beanspruchen in gleicher Weise Geltung, wenn der Amtsarzt einen Facharzt einschaltet, um die medizinische Sachkunde zu gewährleisten, und sich dessen medizinischer Beurteilung anschließt; die Stellungnahme des Facharztes wird dann dem Amtsarzt zugerechnet (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.10.2006 - BVerwG 1 D 2.05 -, zitiert nach juris; Beschl. v. 8.3.2001 - BVerwG 1 DB 8.01 -, DVBl. 2001, 1079, zitiert nach juris; Nds. OVG, Beschl. v. 24.7.2008 - 5 PA 93/08 -; Beschl. v. 27.2.2007 - 5 LA 58/07 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 12).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht zutreffend nach dem damaligen Erkenntnisstand dem Gutachten von Prof. Dr. C. vom 15. Juli 2008 maßgebende Bedeutung beigemessen. Es hat seine Diagnose und die ihr zugrunde liegenden Annahmen dargestellt und im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Beurteilung des Privatarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes abweicht. Denn Prof. Dr. C. hat in seinem Gutachten die von dem Antragsteller gezeigten Symptome als milde Form einer von leichter Angst und Depression gekennzeichneten Neurose qualifiziert, die zwar behandlungsbedürftig ist, aber nicht die Dienstfähigkeit beeinträchtigt. Da sich dieses Gutachten mit den amtsärztlichen Feststellungen in der gebotenen Weise auseinandersetzt, kann den amtsärztlichen Feststellungen kein Vorrang zukommen, was bedeutet, dass ihnen ein höherer Beweiswert als den Feststellungen in dem Gutachten des den Antragsteller behandelnden Arztes nicht zukommt.

Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus der von der Antragsgegnerin mit der Beschwerdebegründung vorgelegten ergänzenden Stellungnahme des Amtsarztes vom 4. September 2008, die ihrerseits auf eine ergänzende Stellungnahme von Dr. med. F. vom 13. August 2008 Bezug nimmt. Zwar geht der Amtsarzt in dieser ergänzenden Stellungnahme auf die von Prof. Dr. C. in dessen Gutachten vom 15. Juli 2008 an den amtsärztlichen Feststellungen geübte Kritik ein und setzt sich damit auseinander, was insbesondere der Hinweis von Dr. F. in seiner Stellungnahme vom 13. August 2008 zeigt, wonach die von der bipolaren affektiven Störung erfassten manischen Episoden in der Regel abrupt begännen und zwischen zwei Wochen und vier bis fünf Monaten dauerten und derartige Episoden oft einem belastenden Lebensereignis oder einem anderen psychischen Trauma folgten. Diese Auseinandersetzung mit dem Gutachten des behandelnden Privatarztes des Antragstellers führt nach den aufgezeigten Maßstäben grundsätzlich zur Wiederherstellung des Vorrangs der amtsärztlichen Feststellungen. Allerdings hat Prof. Dr. C. seinerseits auf die ergänzenden Stellungnahmen des Amtsarztes und von Dr. med. F. reagiert, sich mit ihnen auseinandergesetzt und seine Diagnose in schlüssiger Weise ebenfalls gerechtfertigt (vgl. die Stellungnahme von Prof. Dr. C. vom 23.9.2008).

Im Ergebnis vermag der beschließende Senat angesichts dieser in der Beurteilung der Schwere der psychischen Erkrankung und deren Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit des Antragstellers voneinander abweichenden ärztlichen Stellungnahmen von einem Vorrang der amtsärztlichen Feststellungen nicht auszugehen. Dieses Ergebnis rechtfertigt indes nicht - wie das Verwaltungsgericht meint - die Annahme, dass sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich die Entlassungsverfügung vom 14. Mai 2008 als rechtswidrig erweisen wird. Vielmehr bleibt festzuhalten, dass sowohl die amtsärztlichen Feststellungen einerseits wie auch die privatärztlichen Ausführungen andererseits von dem jeweils vertretenen medizinischen Standpunkt aus als nachvollziehbar erachtet werden können und daher in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich ist, die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers gegen die Verfügung vom 14. Mai 2008 als offen zu beurteilen sind, zumal anderweitige Anhaltspunkte, die die Entlassungsverfügung offensichtlich als rechtswidrig oder rechtmäßig erscheinen lassen, nicht ersichtlich sind.

Sind die Erfolgsaussichten der Klage als offen zu beurteilen, kommt es für die vom Antragsteller begehrte Aussetzung der Anordnung des Sofortvollzugs darauf an, ob seine damit verbundenen Interessen die besonderen öffentlichen Interessen der Antragsgegnerin an dem Sofortvollzug der Entlassungsverfügung überwiegen. Dieses lässt sich im vorliegenden Fall nicht feststellen.

Der Senat verkennt hierbei nicht die gewichtigen, auch finanziellen Interessen des Antragstellers, seine Probezeit ohne Unterbrechung fortsetzen und seine Bewährung unter Beweis stellen zu können, um möglichst zeitnah bei Feststellung der Bewährung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen werden zu können. Demgegenüber stehen die schwerwiegenden öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung, nämlich die Bezahlung eines möglicherweise dienstunfähigen Beamten und die Unterrichtung von Schülern durch diesen Beamten zu vermeiden und die bestmögliche Versorgung der Schüler mit Lehrkräften in einem Schulbezirk sicherstellen zu wollen.

Da die Feststellung der Dienstunfähigkeit im vorliegenden Verfahren nicht abschließend geklärt werden kann, ist angesichts dieser widerstreitenden Interessen letztlich ausschlaggebend, dass mit der Anordnung des Sofortvollzugs keine vollendeten Tatsachen für den Antragsteller geschaffen würden, die mit schweren und unzumutbaren Nachteilen verbunden wären, sollte sich im Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung herausstellen, und dass aufgrund des Vorfalls vom 6. Februar 2006 Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Antragsteller nur eingeschränkt in der Lage ist, die Tragweite seines (schulischen) Handelns einzuschätzen. Dies ergibt sich nicht nur aus den amtsärztlichen Feststellungen im Gutachten vom 14. April 2008, sondern auch aus dem Verhalten des Antragstellers während des Dienstgesprächs. Er hat angegeben, der Aufforderung einzelner Schüler, das Lied selbst zu singen, zu leichtfertig entsprochen und die Weigerung einiger Schüler, das Lied zu singen, wohl fälschlicherweise als "Gezicke" abgetan zu haben. Er hat in diesem Zusammenhang von einem Kernmissverständnis gesprochen, ohne auch auf nähere Nachfrage auf den Grund seines Verhaltens einzugehen. Hinzu kommt, dass dem Antragsteller laut dem Vermerk über das Dienstgespräch nach eigenen Angaben von seinem Hausarzt geraten worden ist, er müsse sich bemühen, sich ausreichend Inseln in zeitlicher Hinsicht abseits der Schule zu verschaffen, und der Antragsteller angesichts von 14 Fehltagen bei 33 Schultagen von Dezember 2007 bis Januar 2008 von einem Zustand berichtet habe, der es aus seiner Sicht erforderlich mache, alle denkbaren Ursachen abzuklären. Unter Berücksichtigung dieser Anhaltspunkte und mit Blick auf den in § 2 NSchG festgelegten Erziehungsauftrag der Schule, dessen ordnungsgemäße Erfüllung der Antragsgegnerin obliegt, erachtet der beschließende Senat es als geboten, ein Überwiegen der mit dem Sofortvollzug verbundenen öffentlichen Interessen gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Sofortvollzugs anzunehmen und die angefochtene Entscheidung zu ändern.

Der Senat weist abschließend, um Missverständnisse zu vermeiden, darauf hin, dass in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden war, wie das Verhalten des Antragstellers während des am 6. Februar 2008 durchgeführten Musikunterrichts straf- und disziplinarrechtlich zu würdigen ist. Denn Gegenstand dieses Rechtsstreits war allein die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs der von der Antragsgegnerin nach Maßgabe des Niedersächsischen Beamtengesetzes erlassenen Entlassungsverfügung.

Ende der Entscheidung

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