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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: 5 ME 353/08
Rechtsgebiete: NBG, NPersVG


Vorschriften:

NBG § 8 Abs. 1 S. 1
NPersVG § 63 1 Nr. 1
NPersVG § 65 Abs. 1 Nr. 2
NPersVG § 65 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Beigeladene konkurrieren um die nach BesGr A 12 BBesO bewertete und unter dem 11. Januar 2008 ausgeschriebene (vgl. Bl. 22 der Gerichtsakte - GA -) Stelle eines Leiters oder einer Leiterin der Abteilung "Sport und Bäder" in der Stadtverwaltung der Antragsgegnerin. Das Auswahlverfahren wurde auf der Grundlage des 4. Entwurfs einer "Dienstvereinbarung zur Neugestaltung des Personalauswahlverfahrens bei der Stadtverwaltung B." (Bl. 1 ff. der Beiakte - BA - B) durchgeführt. Der zuständige Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin entschied, dem Auswahlvorschlag vom 28. April 2008 (Bl. 84 f. BA B) zu folgen, den eine Auswahlkommission unterbreitet hatte, der - ohne Stimmrecht - auch die Personalratsvorsitzende und die Gleichstellungsbeauftragte angehörten: Am 7. Mai 2008 beschloss er, die umstrittene Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen und sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt zur C. zu befördern (Bl. 88 BA B).

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller dagegen, dass es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, ihm einstweiligen Rechtsschutz dagegen zu gewähren, dass seine Bewerbung um die umstrittene Stelle durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Mai 2008 (Bl. 19 GA) unter Hinweis auf die entsprechende Beschlussvorlage für den Verwaltungsausschuss vom 29. April 2008 (Bl. 21 f. GA) abgelehnt wurde.

II.

Wegen der voraussichtlichen Dauer eines Hauptsacheverfahrens, des Bewährungsvorsprungs, den währenddessen die für die Besetzung des umstrittenen Beförderungsdienstpostens ausgewählte Beigeladene gegenüber dem Antragsteller erlangen dürfte, infolge der potentiellen Maßgeblichkeit dieses Bewährungsvorsprungs für eine etwaige erneute Beförderungsentscheidung sowie wegen der Unumkehrbarkeit einer einmal vorgenommenen Beförderung der Beigeladenen liegt der nach § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderliche Anordnungsgrund vor.

Zudem ergibt die Prüfung der dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), dass der Antragsteller auch den nach § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO für den Erlass einer Sicherungsanordnung vorausgesetzten Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 294 ZPO) hat. Die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers ist nämlich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit fehlerhaft und es lässt sich nicht ausschließen, dass er bei einer erneuten Entscheidung der Antragsgegnerin ausgewählt werden wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. 9. 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 [201]).

Unbegründet ist allerdings die Rüge des Antragstellers, er sei durch eine von der ständigen Praxis der Kammer abweichende Übertragung des Rechtsstreits auf den Vorsitzenden als Einzelrichter seinem gesetzlichen Richter erster Instanz entzogen worden. Denn ausweislich des Vermerks des Richters am Verwaltungsgericht D. vom 18. August 2008 (Bl. 75 GA), dessen Richtigkeit zu bezweifeln der Senat keinen Anlass sieht, hat der Vorsitzende erster Instanz lediglich als Abwesenheitsvertreter des Berichterstatters entschieden.

Zu Recht macht der Antragsteller dagegen geltend, dass die Ablehnung seiner Bewerbung rechtsfehlerhaft sei, weil die ihr zugrunde liegende Besetzungs- und Beförderungsentscheidung des Verwaltungsausschusses der Antragsgegnerin der erforderlichen Zustimmung des Personalrats entbehre. Das in Rede stehende Zustimmungserfordernis ergibt sich aus den §§ 1 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nrn. 2 und 5 und 68 Abs. 1 NPersVG. An der erforderlichen Zustimmung fehlt es, weil diese nur erteilt werden kann oder als erteilt gilt, wenn ein entsprechender Beschluss des Personalrats gefasst und mitgeteilt wurde (§ 68 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 NPersVG) bzw. der Personalrat nach Beantragung der Zustimmung durch die Dienststelle nicht binnen der durch den Antrag in Lauf gesetzten Frist seine Zustimmung schriftlich unter Angabe von Gründen verweigert (§ 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG). Nach Aktenlage ist eine Zustimmung des Personalrats zu der durch den Verwaltungsausschuss getroffenen Besetzungs- und Beförderungsentscheidung der Dienststelle jedoch weder erteilt noch beantragt worden. Auch die Antragsgegnerin behauptet dies nicht, meint jedoch mit dem Verwaltungsgericht, dass sich der Personalrat ausweislich des Auswahlvorschlages einvernehmlich dafür ausgesprochen habe, die vakante Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen. Wenn dies auch nicht der Form des § 68 Abs. 2 NPersVG entspreche, bestehe doch kein ernsthafter Zweifel an fehlenden Einwendungen des Personalrats, der der von dem Verwaltungsausschuss unverändert übernommenen Entscheidung der Auswahlkommission zugestimmt habe. Rechte des Antragstellers würden dadurch nicht mehr berührt.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem - zutreffenden - Argument, dass der Personalrat als Gremium überhaupt nicht beteiligt worden sei. Der "4. Entwurf einer Dienstvereinbarung zur Neugestaltung des Personalauswahlverfahrens bei der Stadtverwaltung B." (Bl. 1 ff. [4] BA B), den die Antragsgegnerin ihrem Vorgehen zugrunde legte, sieht zwar im vorletzten Absatz seines § 7 vor, dass der Personalrat, die Gleichstellungsbeauftragte sowie die Schwerbehindertenvertretung "in der Auswahlkommission ihre Rechte im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen" wahrnehmen. Mit der Entsendung der Personalratsvorsitzenden in die Auswahlkommission (vgl. Bl. 41, vorletzter Absatz, GA) konnte aber nur von den Rechten des Personalrats gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPersVG Gebrauch gemacht werden; sie kann das gesetzlich geregelte Mitbestimmungsverfahren nicht erübrigen. Weil sich - auch ein einvernehmlicher - Auswahlvorschlag nur der Oberbürgermeisterin (vgl. § 8, letzter Absatz, des 4. Entwurfs) oder allenfalls noch den übrigen stimmberechtigten Mitgliedern der Auswahlkommission verantwortlich zurechnen ließ, ist der im vorliegenden Falle unterbreitete Auswahlvorschlag nicht einmal als eine verantwortliche Willenserklärung der Personalratsvorsitzenden zu werten. Zur Vertretung des Personalrats als Gremium wäre diese Vorsitzende ohnehin nur nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 NPersVG berechtigt gewesen, sodass in Bezug auf eine Zustimmung zu personellen Maßnahmen im Sinne des § 65 Abs. 1 Nrn. 2 und 5 NPersVG eine Alleinvertretung außerhalb bereits gefasster Beschlüsse des Personalrats ausschied. Es ist deshalb entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht davon auszugehen, dass der Personalrat der Entscheidung der Auswahlkommission für den dem Verwaltungsausschuss unterbreiteten Auswahlvorschlag zugestimmt und sich einvernehmlich dafür ausgesprochen habe, die vakante Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen. Vielmehr ist weder eine hierauf gerichtete Willensbildung noch eine entsprechende Willenserklärung des Personalsrats als Gremium zu erkennen.

Die beabsichtigte Dienstpostenübertragung und Beförderung stellen sich nach alledem als Maßnahmen dar, bei denen die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung des Personalrats unterlassen wurde und die deshalb gemäß § 63 Satz 1 Nr. 1 NPersVG nicht vollzogen werden dürfen. Mit dem Vollzugsverbot des § 63 Satz 1 Nr. 1 NPersVG wird der Dienststelle auch eine objektive Verpflichtung auferlegt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 28. 12. 1995 - 18 M 4529/95 -, S. 2 f. des Beschlussabdrucks, sowie Bieler, in: Bieler/Müller-Fritzsche, NPersVG, 14. Aufl. 2008, § 63 Rn. 2), die unabhängig von ihrer ausdrücklichen Geltendmachung durch den Personalrat einsetzt. Den Gesetzesmaterialien (Entwurf [des Landesministeriums] eines Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen, LT-Drucks. 12/4370, S. 141 f., Zu § 62, und Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen, LT-Drucks. 12/6206, S. 41 f., [Zu] § 62) ist zwar zu entnehmen, dass mit der Vorschrift des § 63 NPersVG in erster Linie die Position des Personalrates gegenüber der Dienstelle gestärkt werden sollte. Die Norm ist daher nicht ohne weiteres als Regelung der Rechtsfolgen einer unterbliebenen Beteiligung auch in dem Verhältnis zwischen dem Dienstherrn und denjenigen Beamten zu verstehen, die von der beteiligungspflichtigen Maßnahme dergestalt betroffen sind, dass sie durch sie belastet werden (Nds. OVG, Beschl. v. 15. 3. 2007 - 5 ME 295/06 -, PersR 2008, 75 [78]) oder - wie hier - um sie konkurrieren. Das Mitbestimmungsverfahren kann aber - wenn auch nicht in erster Linie (vgl. BVerwG, Urt. v. 6. 4. 1989 - BVerwG 2 C 26.88 -, DVBl. 1989, 1155 f. [1156]) - je nach der Art der in Rede stehenden personellen Maßnahme neben dem Wohl aller Beschäftigten zugleich den Individualinteressen Einzelner an einer Behandlung nach Recht und Billigkeit unter Einhaltung der gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsvorschriften dienen. Deshalb ist es geboten, aufgrund einer Abwägung und differenziert nach der Art des Verstoßes sowie dem Schutzzweck der jeweiligen Mitbestimmung, sodann auch nach Gegenstand, Bedeutung und Auswirkung der in Rede stehenden Maßnahme (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, PersVR in Nds., Stand: Juni 2008, § 63 Rn. 7a) zu entscheiden, ob und inwieweit die Rechtsfolgenanordnungen des § 63 NPersVG derart in das Rechtsverhältnis zwischen dem Dienstherrn und den betroffenen Beamten zu erstrecken sind, dass es diesen Beamten möglich wird, sich auf sie zu eigenen Gunsten zu berufen.

Die vorzunehmende Abwägung ergibt für die vorliegende Fallgestaltung, dass auch dem im Auswahlverfahren unterlegenen Konkurrenten das Recht zusteht, sich zu eigenen Gunsten auf § 63 Satz 1 Nr. 1 NPersVG zu berufen, solange das Mitbestimmungsverfahren nicht nachgeholt wurde und daher auszuschließen ist, dass sich die primär geschützte Personalvertretung ebenfalls auf § 63 Satz 1 Nr. 1 NPersVG berufen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15. 3. 2007 - 5 ME 295/06 -, PersR 2008, 75 [78]). Denn die Beteiligungsrechte des § 65 Abs. 1 Nrn. 2 und 5 NPersVG dienen gerade dem Schutze von Konkurrenten, die nicht ausgewählt und deshalb möglicherweise benachteiligt wurden (vgl. Dembowski/ Ladwig/Sellmann, PersVR in Nds., Stand: Juni 2008, § 65 Rn. 25; Bieler, in: Bieler/Müller-Fritzsche, NPersVG, 14. Aufl. 2008, § 65 Rn. 20). Dieser Sicht der Dinge steht nicht entgegen, dass die Ablehnung einer Bewerbung selbst keiner Mitbestimmung des Personalrats unterliegt (vgl. VGH BW, Beschl. v. 10. 7. 1984 - 15 S 774/84 -, ZBR 1985, 233, zu § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG). Sie kann nämlich gleichwohl deshalb solange als verfrüht rechtswidrig sein, wie das Auswahlverfahren nicht mit einer Besetzungs- und Beförderungsentscheidung beendet wurde, die ohne Verstoß gegen § 63 Satz 1 Nr. 1 NPersVG vollzogen werden darf, sondern es möglich bleibt, dass - je nach dem Ergebnis eines nachzuholenden Mitbestimmungsverfahrens - die bisherige Auswahlentscheidung überdacht und deshalb erneut in die Bewerberauswahl eingetreten werden muss.

Da sich die Mitwirkungsrechte der bei der Antragsgegnerin tätigen Gleichstellungsbeauftragten nicht aus den §§ 18 ff. NGG ergeben (§ 17 NGG), nimmt der Senat davon Abstand, sich in Gestalt von ohnehin nicht tragenden Erwägungen mit der insoweit erhobenen Rüge des Antragstellers zu befassen.

Zuzustimmen ist dem Antragsteller, dass der seine Bewerbung ablehnende Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Mai 2008 - trotz der Bezugnahme auf die dem Bescheid beigefügte Beschlussvorlage - nicht in einer Weise begründet ist, die den sich aus § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 39 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 VwVfG ergebenden gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14. 1. 2008 - 5 ME 317/07 -, NVwZ-RR 2008, 552 [553]). Denn die an den Antragsteller vergebene Punktwertung wird nicht genannt und die an die Beigeladene vergebene Punktwertung (4,8 Punkte) ist nicht hinreichend nachvollziehbar. Ein komplexes Auswahlverfahren zieht aber entsprechende Anforderungen auch an die Begründung der Ablehnung eines nicht ausgewählten Bewerbers nach sich. Es mag dahinstehen, inwieweit der formale Mangel des Bescheides der Antragsgegnerin zwischenzeitlich auf zulässige Weise behoben wurde, weil die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers jedenfalls aus weiteren Gründen nicht rechtens ist.

Mit Erfolg rügt der Antragsteller den Umfang als unzureichend, in dem der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin über ihn als einen der Mitbewerber der Beigeladenen unterrichtet war, als er seine Auswahlentscheidung traf. Zwar kann sich der Verwaltungsausschuss den Vorschlag einer Auswahlkommission als Entscheidung zu Eigen machen. Dies setzt aber eine nachvollziehende eigene Prüfung dieses Vorschlags durch den Ausschuss unter Auseinandersetzung mit dem Bewerberfeld voraus, die ohne entsprechende Informationen über die Konkurrenten der Vorgeschlagenen sowie die Modalitäten und Ergebnisse vorangegangener Stufen des praktizierten Auswahlverfahrens nicht erfolgen kann.

Die Auswahl nach dem Prinzip der Bestenauslese ist - auch zum Schutze der Rechtsstellung anderer Bewerber (Art. 33 Abs. 2 GG) - ein essentielles Erfordernis der Personalentscheidung und mithin Inhalt der dem Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin vorbehaltenen personalrechtlichen Befugnis. Über die Auswahl darf deshalb nicht - auch nicht als Teilentscheidung - von einer anderen Stelle entschieden werden. Es muss vielmehr, wenn ein Auswahlvorschlag vorgelegt wird, sichergestellt sein, dass die von dem Verwaltungsausschuss zu treffende Entscheidung unter Beachtung der in § 8 Abs. 1 Satz 1 NBG aufgestellten Kriterien gefällt wird. Dazu ist unerlässlich, dass der Ausschuss die Informationen, die diese Entscheidung überhaupt erst ermöglichen, erhält und zur Kenntnis nimmt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17. 4. 1990 - 2 M 1/90 - Seite 4 des Beschlussabdrucks). Daher ist es keineswegs allein Sache des Verwaltungsausschusses, wie weit sein Informationsbedürfnis über Konkurrenten einer ihm zur Beförderung vorgeschlagenen Beamtin geht. Auch die Belastung mit anderen Aufgaben kann es nämlich nicht rechtfertigen, dass eine ihm vorbehaltene Auswahlentscheidung faktisch auf die Auswahlkommission verlagert und im Wesentlichen nur auf der Grundlage des Vertrauens des Ausschusses in deren sachgerechte Arbeit übernommen wird. Das gilt unabhängig davon, wie viele sonstige Aufgaben dem Verwaltungsausschuss obliegen. Sollten dem Ausschuss nämlich Auswahlentscheidungen vorbehalten sein, die er wegen übermäßigen Arbeitsanfalls nicht mehr substanziell selbst zu treffen vermag, läge darin ein Organisationsmangel der Antragsgegnerin und kein Grund, die faktische Auswahl von Bewerbern durch eine andere Stelle (hier: die Auswahlkommission) als rechtens zu betrachten.

Über welche Informationen der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin mindestens hätte verfügen müssen, ist angesichts der ungewöhnlichen Komplexität des von der Antragsgegnerin gewählten - und infolge der starken Zurückdrängung dienstlicher Beurteilungen als Auswahlkriterium nicht für alle Fallgestaltungen unbedenklichen - Auswahlverfahrens hier nicht abschließend zu klären. Mit Blick auf ein "gewöhnliches" Auswahlverfahren böte dagegen die Nr. 5.1 des Gemeinsamen Runderlasses "Dienstrechtliche Befugnisse" mit ihren Anlagen 3 und 4 (Gem. RdErl. d. MI, d. StK u. d. übr. Min. v. 11. 6. 2007- 15.12-03000.200 - Nds. MBl. 2007 Nr. 23, S. 457 ff. [459 und 462]) einen guten Anhalt dafür, in welchem Umfang eine Information des Verwaltungsausschusses geraten gewesen wäre.

Dem Beschwerdeführer ist auch darin zu folgen, dass das Auswahlverfahren fehlerhaft ist, weil es der Beurteilung der Beigeladenen, die der Bewerberauswahl zugrunde gelegt wurde, schon zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung des Verwaltungsausschusses an der gebotenen Aktualität gefehlt haben dürfte. Die Beigeladene war nämlich mit Einsatzverfügung vom 25. Juli 2007 (Bl. 217.70 BA C) umgesetzt worden und die herangezogene Beurteilung aus dem Jahre 2006 gibt über ihre Leistungen auf dem seither von ihr innegehabten Dienstposten keine Auskunft. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 24. Juli 2008 - 5 ME 70/08 -, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit) ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob für alle Bewerber zeitnahe dienstliche Beurteilungen vorliegen, die noch einen aktuellen Leistungsvergleich ermöglichen, da für die Auswahlentscheidung hinsichtlich Leistung und Eignung auf den aktuellen Stand abzustellen und der Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten ist. Unter welchen Voraussetzungen zurückliegende Regelbeurteilungen nach diesem Maßstab noch eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung darstellen, lässt sich hiernach nicht generalisierend, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles beantworten. Dabei können diese Umstände eine Anlassbeurteilung sogar dann gebieten, wenn die einschlägigen Beurteilungsrichtlinien eine solche Beurteilung grundsätzlich nicht vorsehen. Zu den Umständen, die eine Anlassbeurteilung erforderlich machen, gehören namentlich einschneidende Veränderungen, die seit der letzten Regelbeurteilung in Bezug auf die Verwendung eines Beamten eingetreten sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22. 9. 2005 - BVerwG 1 WB 4.05 -, DVBl. 2006, 574 [578]). Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz erübrigt sich in solchen Fällen eine Anlassbeurteilung nicht schon deshalb, weil die Bewerber "lange Dienstzeiten" aufweisen. Denn auch eine lang gediente Beamtin kann - vor neue Aufgaben gestellt - Stärken und Schwächen in ihren Leistungen und in ihrer Eignung offenbaren, die im Zuge ihres bisherigen Einsatzes nicht erkennbar waren. Soweit aus den Akten (Seite 2 der Beschlussvorlage für den Verwaltungsausschuss vom 29. April 2008 - Bl. 21, Rückseite, GA) ersichtlich ist, war die Beigeladene seit August 2007 als Sachbearbeiterin in der Personalabteilung der Antragsgegnerin tätig. Nach Aktenlage ist nicht klar, ob es in diesem Rahmen zu ihrem beabsichtigten Einsatz als Vertreterin des "NKR-Koordinators für den Fachbereich 1" gekommen ist, für den sie sich durch den Besuch von "Inhouse-Seminaren" besonders vorbereiten sollte (vgl. Bl. 217.72 BA C). Bereits ihre Teilnahme an einem Seminar zum "Eingruppierungsrecht nach TVöD" (vgl. Bl. 357.4 BA C) deutet jedoch darauf hin, dass sich ihre Aufgaben seit August 2007 nicht unerheblich von denjenigen in der Zeit davor unterschieden, sodass auf eine aktuelle Beurteilung der Beigeladenen in deren seit dem 1. August 2007 erfolgten Verwendung nicht hätte verzichtet werden dürfen.

Da die Beurteilungsrichtlinien der Antragsgegnerin in das Beschwerdeverfahren nicht eingeführt worden sind, nimmt der Senat davon Abstand, sich in Gestalt von ohnehin nicht tragenden Erwägungen mit der Rüge des Antragstellers zu befassen, die vergebene Punktezahl vermöge eine Eignungsbeurteilung der Bewerber nicht zu ersetzen.

Der Annahme des Antragstellers, der Erstbeurteiler der Beigeladenen habe nicht Mitglied der Auswahlkommission sein dürfen, da er sich bereits in der Beurteilung der Beigeladenen vom 31. Juli 2006 (Bl. 37 ff. [40, Rückseite] BA B]) auf diese als "ideale Besetzung" für die Leitung der Abteilung 30 festgelegt habe, ist nicht zu folgen. Das ergibt sich zum einen daraus, dass allein aus einer solchen - überdies nicht mehr aktuellen - Beurteilung nicht geschlossen werden kann, der Beurteiler sei in seiner späteren andersartigen Funktion als Mitglied der Auswahlkommission von vornherein nicht mehr bereit gewesen, anderen Bewerbern eine faire Chance einzuräumen. Es folgt zum anderen daraus, dass nicht die Auswahlkommission, sondern der Verwaltungsausschuss die Auswahlentscheidung zu treffen hatte.

Der Senat vermag keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit darin zu erkennen, dass nach dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers in dem Auswahlverfahren weit überwiegend Fragen aus dem spezifischen Bereich gestellt worden sein sollen, den die Beigeladene bis zum August 2007 geleitet hat. Denn die ausgeschriebene Stelle ist gerade diejenige der Leiterin/des Leiters dieses Bereichs. Dementsprechend ist es nicht sachwidrig, dass den Bewerbern in dem Auswahlverfahren auch die Möglichkeit geboten wurde, sich durch ihr einschlägiges Fachwissen zu profilieren. Ein "Vorteil", den die Beigeladene genoss, weil sie die Abteilung 30 bereits in der Vergangenheit geleitet hatte, war also nicht ungerechtfertigt, sondern ergab sich aus der Natur der Sache.

Ende der Entscheidung

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