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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.06.2006
Aktenzeichen: 5 ME 41/06
Rechtsgebiete: EltZVO
Vorschriften:
EltZVO § 1 Abs. 4 S. 1 |
Gründe:
I.
Die Parteien streiten darüber, ob die Antragsgegnerin der Antragstellerin zu Recht die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit mit der Begründung versagt hat, dem stünden zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 der Elternzeitverordnung - EltZV - entgegen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht unter Vorwegnahme der Hauptsache die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung befristet verpflichtet, die Antragstellerin im Umfang von 16 Stunden wöchentlich in Teilzeit zu beschäftigen.
Dies hat die Vorinstanz unter anderem damit begründet, dass die Ausführungen der Antragsgegnerin schon im Ansatz nicht geeignet seien, einen zwingenden dienstlichen Grund für die Versagung der begehrten Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung darzulegen. Dabei könne offen bleiben, ob das allgemeine Interesse des Dienstherrn, Kosten zu sparen oder ein von ihm aufgelegtes Programm zum Personalabbau durchzuführen, überhaupt einen zwingenden Grund für die Ablehnung eines Antrags nach § 1 Abs. 4 EltZV darstellen könne. Darauf komme es im vorliegenden Fall nicht an, weil die Antragsgegnerin überhaupt keine Tatsachen dargelegt habe, sondern sich ihre Ausführungen insgesamt im hypothetischen Bereich bewegten. Allein die Darlegung der abstrakten Möglichkeit, dass unter bestimmten rein hypothetischen Annahmen ein geschätztes Kostenvolumen eventuell nicht eingespart werden könnte, reiche von vornherein nicht aus, um einen zwingenden Versagungsgrund darzutun.
Gegen diese Gedankenführung wendet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin mit folgenden Gründen: Unzutreffenderweise habe das Verwaltungsgericht plakativ eine mangelnde Substantiierung und Darlegung gerügt, um sich dann nicht mehr mit den eigentlichen Problemfeldern zu befassen. Zur Darlegung eines kumulierten finanziellen Interesses des Dienstherrn daran, im Falle der Antragstellerin und in gleich gelagerten anderen Fällen die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung zu versagen, müsse es ausreichen, dass eine verlässliche Modellrechnung vorgelegt werde, die sich an nachweisbar feststehenden Werten und Erkenntnissen der Vergangenheit orientiere. Dies sei im Rahmen des erstinstanzlichen Vorbringens geschehen. Es sei ein jährliches Einsparpotential von 2,1 Millionen EUR errechnet worden. Zudem würde es die beabsichtigte Versagung der Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung in Fällen wie demjenigen der Antragstellerin erlauben, von den derzeit 299,2 vorhandenen Überhangstellen 91,3 bzw. 45,6 Vollzeitbeschäftigteneinheiten abzubauen. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund hätte sich das Verwaltungsgericht mit den Rechtsfragen beschäftigen müssen, ob Kostenaspekte überhaupt entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EltZV sein könnten, und bejahendenfalls, ab welchem Gewicht sie so beachtlich seien, dass sie eine Ablehnung der Teilzeitbeschäftigung rechtfertigten. Dass sich unter Kostengesichtspunkten entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EltZV ergeben könnten, lasse sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 19.04.2005 - 9 AZR 233/04 -) und einer Kommentierung zu § 72 a Abs. 4 BBG folgern, die sich mit dem Problem befasse, ob dem Dienstherrn die Rückkehr des Beamten aus dem Urlaub ohne Dienstbezüge zugemutet werden könne. Die Kostenaspekte seien hier auch so gewichtig, dass sie zwingende dienstliche Gründe darstellten. Sie, die Antragsgegnerin, sei nämlich nicht nur gemäß § 30 Abs. 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 SGB IV zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet, sondern müsse gemäß § 220 Abs. 3 Satz 2 SGB VI die jährlichen Verwaltungs- und Verfahrenskosten bis zum Jahr 2010 um 10 Prozent der tatsächlichen Ausgaben für Verwaltungs- und Verfahrenskosten für das Kalenderjahr 2004 vermindern. Demgemäß sei sie verpflichtet, alle Einsparpotentiale zu identifizieren und umzusetzen, und müssten ihre Beamten, die ihr zur Treue verpflichtet seien, sie dabei unterstützen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 26. Januar 2006 aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter anderem mit folgenden Erwägungen: Die Antragsgegnerin verkenne die Anforderungen, die an den Versagungsgrund der zwingenden dienstlichen Gründe im Sinne des § 1 Abs. 4 EltZV zu stellen seien. Zur Interpretation könne auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 17.02.2005 - 1 A 3893/03 -) verwiesen werden. Danach dürfe ein Antrag auf Teilzeitbeschäftigung nur aufgrund von solchen dienstlichen Gründen abgelehnt werden, deren Beachtung wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Aufrechterhaltung und/oder Ordnung des Dienstbetriebes alternativlos sei. Das Bedürfnis der Antragsgegnerin, einen von ihr ermittelten Stellenüberhang zu reduzieren, verdichte sich jedoch nicht zu einem derartigen zwingenden dienstlichen Grund. Die Antragsgegnerin wäre nicht untergegangen, wenn sie, die Antragstellerin, überhaupt keine Elternzeit in Anspruch genommen oder diese bis zum 1. Februar 2006 begrenzt hätte. Soweit sich die Antragsgegnerin auf frühere Erfahrungen dafür berufe, dass zu befürchten sei, ein Drittel der in Elternzeit stehenden Beschäftigten könnte einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung stellen, wenn sie, die Antragstellerin, obsiege, fehle es an jeglichem Tatsachenvortrag. Die Antragsgegnerin hätte glaubhaft machen müssen, wie ihre früheren Erfahrungen aussähen, wie viele Anträge auf Teilzeitbeschäftigung es beispielsweise bei abgelaufenen Erziehungsurlauben und Elternzeit gegeben habe und welchen prozentualen Anteil diese ausmachten. Der Gesetzgeber des Bundeserziehungsgeldgesetzes und ihm folgend der Verordnungsgeber räumten dem Anspruch von Eltern, während der Elternzeit einer eingeschränkten Beschäftigung nachzugehen, vor dem Hintergrund dramatischer Geburtenrückgänge und deshalb drohender sozialer Verwerfungen Priorität ein. Das habe auch die Antragsgegnerin zu akzeptieren.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den angefochtenen Beschluss und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Aus den Gründen für ihr Rechtsmittel, die die Antragsgegnerin dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und die allein seitens des Senats zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist. Hierzu reicht es nämlich nicht aus, die Zweifelhaftigkeit einzelner Elemente der Begründung dieser Entscheidung aufzuzeigen, sondern muss sich diese auch in ihrem Ergebnis als unrichtig darstellen (vgl. Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl. 2005, RdNrn. 29 und 35 zu § 146). Letzteres ist hier nicht der Fall, weil dem Verwaltungsgericht - allerdings mit einer Akzentverschiebung in der Argumentation - darin zu folgen ist, dass die Antragsgegnerin bezogen auf etwaige "zwingende dienstliche Gründe" im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EltZV ihrer materiellen Darlegungslast nicht genügt hat. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ist nämlich die Annahme nicht gerechtfertigt, dass solche "zwingende dienstliche Gründe" der umstrittenen Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen. Unter prozessualem Blickwinkel fehlt es deshalb an einem schlüssigen Tatsachenvortrag, der die geltend gemachte rechtshindernde Einwendung der Antragsgegnerin gegen den Anordnungsanspruch der Antragstellerin tragen könnte. Ungeachtet der Frage, ob das kumulierte fiskalische Interesse daran, die Kosten für das im öffentlichen Dienst beschäftigte Personal niedrig zu halten (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - BVerwG 2 C 21.03 -, BVerwGE 120, 382 [385], zum Begriff "dringende dienstliche Belange" in einer landesrechtlichen Norm, die die Gewährung von Altersteilzeit ermöglicht), überhaupt zu einem zwingenden dienstlichen Grund im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 EltZV erstarken kann, gilt nämlich Folgendes: Bereits aus einem Vergleich des Wortsinns des Begriffs "zwingende dienstliche Gründe" mit anderen gesetzlichen Formulierungen, namentlich den "dringenden dienstlichen Gründen" des § 1 Abs. 4 Satz 3 EltZV ergibt sich, dass eine Teilzeitbeschäftigung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 EltZV nur wegen solcher dienstlichen Gründe abgelehnt werden darf, deren Beachtung als alternativlos anzuerkennen ist (vgl. OVG NRW, Urt. v. 17.02.2005 - 1 A 3893/03 -, in: Schütz, BeamtR ES/B I 2.4 Nr. 69 - zitiert nach Juris, RdNrn. 24 bis 26 des Langtextes). Im vorliegenden Falle ist eine solche Alternativlosigkeit auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht feststellbar. Denn sie ergibt sich nicht bereits aus der absoluten Höhe des prognostizierten Einsparpotentials in Verbindung mit der Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihre Aufgaben unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu erfüllen (§§ 30 Abs. 1 und 69 Abs. 2 SGB IV) sowie nach Maßgabe des § 220 Abs. 3 Satz 2 SGB VI darauf hinzuwirken, dass die jährlichen Verwaltungs- und Verfahrenskosten vermindert werden. Wie sich aus den Verben "berücksichtigen" und "hinwirken" in den einschlägigen Vorschriften ergibt, stellen Letztere nämlich kein absolutes Verbot kostenverursachender Entscheidungen dar. Darüber hinaus halten sie lediglich zur Nutzung vorhandener Einsparpotentiale an, können solche aber grundsätzlich nicht ihrerseits erweitern. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zwingende dienstliche Gründe, die einer Teilzeitbeschäftigung der Antragstellerin entgegenstünden, allenfalls dann ergeben könnten, wenn die Antragsgegnerin eine Vertretungskraft befristet eingestellt hätte und weder diese noch die übrigen vergleichbaren Beschäftigten bereit wären, ihre Arbeitszeit im Interesse der Antragstellerin zu verringern (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 19.04.2005 - 9 AZR 233/04 -, MDR 2006, 273 - zitiert nach Juris, RdNr. 49 des Langtextes, zum Begriff "dringende betriebliche Gründe" im Sinne des § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BErzGG), oder wenn gerade der Dienstposten der Antragstellerin dergestalt als "Überhangstelle" zu identifizieren wäre, dass eine sinnvolle Beschäftigung der Antragstellerin nicht möglich erschiene. Dergleichen lässt sich jedoch auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen entnehmen. Unter dem Blickwinkel eines kumulierten finanziellen Interesses und der Vorschrift des § 220 Abs. 3 Satz 2 SGB VI könnten sich die Teilzeitbeschäftigung der Antragstellerin hindernde zwingende dienstliche Gründe allenfalls dann ergeben, wenn die Antragsgegnerin dargelegt hätte, dass die ihr aufgegebene Verminderung der Verwaltungs- und Verfahrenskosten bis zum Jahre 2010 ohne eine Versagung des Begehrens der Antragstellerin und vergleichbarer Begehren anderer Mitarbeiter nicht oder nur dann erreicht werden könnte, wenn andere - aber unzumutbare - Maßnahmen ergriffen würden. Solche Darlegungen hat die Antragsgegnerin aber ebenfalls vermissen lassen. Damit weist ihr Vortrag auch unabhängig von der seitens des Verwaltungsgerichts aufgeworfenen Frage nach der Validität der Prognose des Einsparpotentials ein Darlegungsdefizit auf. Einer umfassenden Klärung der seitens der Antragsgegnerin für entscheidungserheblich gehaltenen Rechtsfragen zu § 1 Abs. 4 Satz 1 EltZV bedarf es im Rahmen des Eilverfahrens nicht.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin gemäß § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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