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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 02.07.2008
Aktenzeichen: 5 ME 49/08
Rechtsgebiete: GG, NBG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
NBG § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und der Beigeladene bewarben sich auf die von der Antragsgegnerin im Februar 2007 ausgeschriebenen Stelle "Ermittlungsführer/in im Fachkommissariat OK/Schwerstkriminalität bei der ZKI C." (bis Ende 2007 bewertbar nach Besoldungsgruppe A 11 BBesO, danach Besoldungsgruppe A 12 BBesO).

Nach einem "Vorauswahlvermerk" vom 13. März 2007 (Beiakte D, Bl. 9) erachtete die Antragsgegnerin den Antragsteller und den Beigeladenen aufgrund ihrer aktuellen Beurteilung und der Vorbeurteilung als im Wesentlichen gleichwertig. Sie führte daher am 20. März 2007 entsprechend ihrer Richtlinie "Auswahlverfahren zur Besetzung von Dienstposten der Besoldungsgruppe A 12 und A 13gD BBesO im Bereich der Polizeidirektion C." (nachfolgend: Richtlinie) ein Auswahlgespräch durch, an dem drei stimmberechtigte und vier nichtstimmberechtigte Kommissionsmitglieder teilnahmen. Die Antragsgegnerin wählte daraufhin den Beigeladenen aus, weil er von den stimmberechtigten Kommissionsmitgliedern eine höhere Punktzahl erhalten hatte.

Durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 5. September 2007 (Az. 1 B 13/07) wurde der Antragsgegnerin auf Antrag des Antragstellers untersagt, den ausgeschriebenen Dienstposten bis zu zwei Wochen nach Abschluss eines erneut durchzuführenden Auswahlverfahrens und Zustellung einer Entscheidung mit dem Beigeladenen zu besetzen. Zur Begründung stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen darauf ab, dass das Ergebnis des Auswahlgesprächs mangels Plausibilität einen Leistungs- und Eignungsvorsprung des Beigeladenen nicht begründen könne und die Auswahl des Antragstellers wegen seiner Vorbeurteilungen und seiner längeren Stehzeit im Amt möglich sei.

Im Anschluss hieran fand am 6. November 2007 vor der Auswahlkommission ein erneutes Auswahlgespräch statt, wobei anstelle eines zuvor stimmberechtigten Kommissionsmitglieds nunmehr ein anderes Mitglied tätig wurde und drei nichtstimmberechtigte Mitglieder teilnahmen. Das Auswahlgespräch wurde protokolliert. Die stimmberechtigten Kommissionsmitglieder gelangten einstimmig zu dem Ergebnis, dass der Beigeladene auszuwählen sei.

Mit Schreiben vom 6. November 2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass der ausgeschriebene Dienstposten dem Beigeladenen übertragen werden soll.

Gegen die Auswahlentscheidung hat der Antragsteller Klage erhoben (Az. 1 A 220/07) und gleichzeitig erneut um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht mit dem Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, den ausgeschriebenen Dienstposten der BesGr A 12 BBesO "Ermittlungsführer/in im Fachkommissariat OK/Schwerstkriminalität in der ZKI C." dem Beigeladenen zu übertragen und eine Ernennungsurkunde auszuhändigen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 24. Januar 2008 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dem Antragsteller stehe der für den Erlass einer Sicherungsanordnung erforderliche Anordnungsanspruch nicht zur Seite. Die Antragsgegnerin habe in Übereinstimmung mit ihrer Richtlinie die letzten beiden Beurteilungen der Bewerber verglichen und infolge dessen eine wesentliche Gleichheit angenommen. Es sei nach Ansicht der Kammer nicht möglich, durch einen derartig verkürzten, lediglich auf die letzten beiden Beurteilungen abstellenden Vergleich schon zu der Bewertung zu gelangen, die Bewerber seien unter Leistungsgesichtspunkten (Art. 33 Abs. 2 GG) als "im Wesentlichen gleich" einzustufen. Zu dieser Einschätzung könne man im vorliegenden Fall nur deshalb gelangen, weil auch die älteren Beurteilungen, soweit sie bei beiden Bewerbern im (vergleichbaren) Amt eines Kriminalhauptkommissars ergangen seien, wiederum ein Gesamturteil enthielten, das bei beiden auf die Notenstufe "4" laute. Die Antragsgegnerin hätte auch auf die Stehzeit im Amt oder auch auf noch ältere Beurteilungen zurückgreifen und daraus einen Vorsprung des Antragstellers ableiten können. Aber diese Vorgehensweise sei nicht zwingend geboten gewesen. Ein Vorsprung des Antragstellers lasse sich bei Heranziehung der Leistungen, wie sie nur in den letzten fünf Jahren festgestellt worden seien, nicht ausmachen. Somit könne hier gerade noch davon ausgegangen werden, dass die Bewerber als "im Wesentlichen gleich" einzustufen seien und die Antragsgegnerin auf weitere Entscheidungskriterien habe abstellen dürfen. Unter diesen Voraussetzungen stelle ein strukturiertes Auswahlgespräch ein Hauptkriterium dar, auf das die Antragsgegnerin habe zurückgreifen dürfen, wobei damit jedoch noch nichts über die Abwägung und Entscheidung erst nach Durchführung eines solchen Gesprächs gesagt sei. Die sich an das Gespräch anschließende und erst dann zu treffende Personalentscheidung habe sich nicht etwa ausschließlich und allein an dem Auswahlgespräch und nicht mehr am Inhalt der aussagekräftigen Personalakten orientieren müssen. Diese Entscheidung nur für das Auswahlgespräch als allein ausschlaggebendes Kriterium für die zu treffende Personalauswahl und gegen die Personalaktenlage sei von der Antragsgegnerin im Kontext des Art. 19 Abs. 4 GG nicht weiter begründet worden. Der Auswahlvermerk vom 6. November 2007 mit seiner Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. September 2007 sowie das einstimmige Ergebnis des Auswahlgesprächs vom gleichen Tage lasse zwar eine Zusammenstellung und Abwägung der Gesichtspunkte vermissen, die in die Entscheidung eingestellt und sodann für die Auswahlentscheidung letztlich tragend gewesen seien, aber dem Gesamtzusammenhang des Vermerks mit der Vorauswahl, dem genannten verwaltungsgerichtlichen Beschluss und dem Auswahlgespräch lasse sich gerade noch hinreichend deutlich entnehmen, dass für die Entscheidung offensichtlich das Ergebnis des Auswahlgesprächs ausschlaggebend gewesen sei. Jedenfalls habe der zur Auswahlentscheidung Berufene eine Abwägung offenbar tatsächlich vorgenommen. Angesichts der Einstimmigkeit der Kommissionsmitglieder und der im vorliegenden Fall hinreichenden Dokumentation der Auswahlgespräche selbst dürfte der Auswahlvermerk vom 6. November 2007 die Auswahlentscheidung in gerade noch zureichender Weise wiedergeben. Die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte seien bei einer Gesamtbetrachtung jedenfalls hinreichend deutlich hervorgetreten. Die Auswahlgespräche genügten dabei den Anforderungen, die an solche Gespräche mit ihrer bloßen Vermittlung eines "Eindrucks" auch nur gestellt werden könnten. Da es den stimmberechtigten Kommissionsmitgliedern völlig selbst "überlassen" gewesen sei, auf welche Weise sie "ihre Eindrücke festhielten", könne der Erkenntniswert der Auswahlgespräche nicht mit denjenigen von Beurteilungen verglichen werden. Dennoch trage die Verfahrensweise der Antragsgegnerin den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerade noch Rechnung, da die umfangreiche Dokumentation der Auswahlgespräche genügend klar hervortreten lasse, aus welchen Gründen letztlich die Rangfolge zu Gunsten des Beigeladenen gebildet worden sei, wenngleich im Einzelnen die Wertungskreuze nicht nachvollziehbar gemacht worden seien. Demgemäß bestehe hier nicht die (bloße) Möglichkeit, dass der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache noch zum Zuge kommen könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, die er mit dem Antrag führt, unter Aufhebung/Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 24.01.2008 zum Az. 1 B 45/07 gemäß dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen, sowie des Weiteren zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers der Antragsgegnerin vorläufig bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zu untersagen, den Beigeladenen durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde nach BesGr. A 12 BBesO zu befördern.

Die Antragsgegnerin verteidigt ihre Auswahlentscheidung und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die in der Gerichtsakte gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts im Verfahren 1 B 13/07 (Beiakte B) und 1 A 220/07 (Beiakte C) sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte A, D - F) verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken. Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren des weiteren beantragt, zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs der Antragsgegnerin vorläufig bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens zu untersagen, den Beigeladenen durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde nach BesGr. A 12 BBesO zu befördern, handelt es sich nach Auffassung des Senats vorliegend nicht um eine grundsätzlich im Beschwerdeverfahren unzulässige Antragserweiterung. Denn dieses Begehren ergibt sich bereits aus dem Verweis auf den erstinstanzlichen Antrag, mit dem der Antragsteller nicht nur die Übertragung des ausgeschriebenen Dienstpostens auf den Beigeladenen, sondern auch dessen Ernennung - auf diesem Dienstposten - vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache verhindern will. Der weitere Antrag geht daher ins Leere, zumal die von dem Antragsteller begehrte Untersagung der Ernennung "bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens" ihm einen rechtlichen Vorteil durch die Entscheidung des Senats über die Beschwerde nicht bringen kann.

Das Beschwerdevorbringen, das den Umfang der gerichtlichen Überprüfung im Beschwerdeverfahren begrenzt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine von dem angefochtenen Beschluss abweichende Beurteilung. Der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren nicht, wie es nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlich ist, glaubhaft gemacht, dass sein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung durch die Auswahl des Beigeladenen verletzt ist.

Der Antragsteller rügt zunächst, dass sich das Verwaltungsgericht mit seiner nunmehr vertretenen Auffassung, es lägen zwar gewisse Fehler im Auswahlverfahren vor und sein Bewerbungsverfahrensanspruch sei wohl verletzt, allerdings fehle der erforderliche Anordnungsanspruch, weil die Erfolgsaussichten einer erneuten Auswahlentscheidung nicht mehr offen seien, in Widerspruch zu seinem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 5. September 2007 setze, in welchem es bereits entschieden habe, die von der Antragsgegnerin selbst vorgegebene Prämisse für die Durchführung von Auswahlgesprächen, nämlich eine nach Aktenlage festzustellende Leistungsgleichheit der Bewerber, liege bei zutreffender Auswertung der Personalakten der Mitbewerber nicht vor.

Dem kann bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil der Antragsteller die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur verkürzt und damit unzutreffend wiedergibt. Das Verwaltungsgericht ist zwar in seinem Beschluss vom 5. September 2007 wie auch im streitgegenständlichen Beschluss aufgrund einer Auswertung der Personalakten des Antragstellers und des Beigeladenen zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Berücksichtigung auch älterer Beurteilungen der beiden Beteiligten sowie der Stehzeit im Amt sich ein Leistungsvorsprung des Antragstellers begründen lasse. Es hat jedoch nicht in seinem Beschluss vom 5. September 2007 in Widerspruch zu seiner nunmehr umstrittenen Entscheidung festgestellt, dass die Antragsgegnerin unzutreffender Weise von einer Leistungsgleichheit ausgegangen sei und es daher nicht notwendig gewesen wäre, die Auswahlentscheidung auf ein Auswahlgespräch zu stützen. Denn das Verwaltungsgericht hat die Annahme der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller und der Beigeladene im Vergleich der jeweils letzten beiden Beurteilungen als "im Wesentlichen gleich" einzustufen sind, nicht beanstandet. Es hat vielmehr gerügt, dass in diesem Fall ein nicht hinreichend dokumentiertes Auswahlgespräch dann nicht ausschlaggebend sein kann, wenn sich zugleich aufgrund noch älterer Beurteilungen und einer Berücksichtigung der Stehzeit der Bewerber im Amt ein Leistungsvorsprung des unterlegenen Bewerbers ergibt. Es hat dementsprechend gefordert, dass das Absehen von den früheren Beurteilungen und weiterer leistungsbezogener Kriterien zugunsten des Ergebnisses eines Auswahlgesprächs einer besonders tragfähigen Begründung bedürfe, die damals nicht gegeben gewesen sei (vgl. insbesondere BA S. 11, Beiakte B, Bl. 74). Damit hat es aber dem strukturierten Auswahlgespräch vorliegend nicht grundsätzlich die Eignung als ausschlaggebendes Entscheidungskriterium abgesprochen.

Demzufolge kann der Antragsteller der erstinstanzlichen Entscheidung nicht entgegen halten, dass sich an der Sach- und Rechtslage, wie sie in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. September 2007 festgestellt worden sei, durch die bloße Wiederholung der Auswahlgespräche nichts geändert habe. Denn nach der in dem damaligen Beschluss vertretenen verwaltungsgerichtlichen Auffassung war nicht ausgeschlossen, dass im Falle einer ausreichenden Begründung die Antragsgegnerin dem Ergebnis des Auswahlgesprächs eine ausschlaggebende Bedeutung zuerkennen kann.

Hieran hat das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Antragstellers und nicht in Widerspruch zu seiner früheren Entscheidung auch in dem im Tenor genannten Beschluss festgehalten. Zwar hat es ausgeführt, es sei entgegen der Handhabung der Antragsgegnerin nicht möglich, durch einen verkürzten, lediglich auf die beiden letzten Beurteilungen abstellenden Vergleich zu der Bewertung zu gelangen, die Bewerber seien unter Leistungsgesichtspunkten als "im Wesentlichen gleich" einzustufen, doch hat es letztlich - wie bereits grundsätzlich in seinem früheren Beschluss - die Auffassung der Antragsgegnerin gebilligt, dass die offensichtlich bessere Leistungsentwicklung des Antragstellers von ihr nicht habe zwingend berücksichtigt werden müssen, sondern sie befugt gewesen sei, ausgehend von einer wesentlichen Leistungsgleichheit auf Auswahlgespräche zur Herbeiführung einer Auswahlentscheidung abzustellen.

Insoweit bestehen nach Auffassung des Senats jedenfalls im Ergebnis keine rechtlichen Bedenken, auch wenn der Antragsteller in diesem Zusammenhang noch darauf hinweist, dass einem Auswahlgespräch - wie das Verwaltungsgericht ebenfalls betont hat - nicht der gleiche Erkenntniswert wie einer Beurteilung zukommt.

Die der Übertragung eines höherwertigen Beförderungsdienstpostens vorangehende Auswahlentscheidung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der nur in eingeschränktem Maße einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschrift) verstoßen hat. Die im Rahmen der der Auswahlentscheidung zugrundezulegenden Bestimmungen des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 8 NBG zu beantwortende Frage, welcher der Bewerber der am besten geeignete und befähigte und am leistungsstärkste ist, ist nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber zu beantworten. Ist aufgrund dieser Beurteilungen angesichts gleicher Gesamtnoten - wie hier - von einer wesentlich gleichen Beurteilung auszugehen, steht dem Dienstherrn bei der Auswahl ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, IÖD 2003, 170; Urt. v. 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, DVBl. 20ß04, 317; Nds. OVG, Beschl. v. 24.8.2004 - 5 ME 290/04 -; Beschl. v. 15.2.2005 - 5 ME 333/04 -, NVwZ-RR 2005, 588, zitiert nach juris Langtext, Rn.14 f.).

Dieses Ermessen hat die Antragsgegnerin in Übereinstimmung mit ihrer Richtlinie dahingehend ausgeübt, für die Auswahlentscheidung zunächst auf die Vorbeurteilung und - bei Leistungsgleichheit auch insoweit - sodann auf das Ergebnis eines Auswahlgespräches zurückzugreifen. Hiergegen ist grundsätzlich nichts zu erinnern, da im Rahmen des der Antragsgegnerin zustehenden, auch die Gestaltung des Auswahlverfahrens betreffenden Ermessens bei gleicher dienstlicher (aktueller und vorangegangener) Beurteilung einem Auswahlgespräch ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden kann. Die Berücksichtigung des Ergebnisses eines Auswahlgespräches hat nicht zur Voraussetzung, dass zuvor alle sonstigen unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen, zu denen auch die Leistungsentwicklung und die Binnendifferenzierungen innerhalb einer Notenstufe gehören, ausgeschöpft worden sind. Das Auswahlgespräch stellt ebenso wie die Leistungsentwicklung und die Binnendifferenzierung innerhalb einer Notenstufe eine unmittelbar leistungsbezogene Erkenntnisquelle dar; es dient, wenn es an dem Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens geführt wird, der Gewinnung von Erkenntnissen über die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber und ist insoweit geeignet, eine sachgerechte und ermessensfehlerfrei zustande gekommene Entscheidung zwischen nach ihren aktuellen (und vorangegangenen) Beurteilungen gleich beurteilten Bewerbern zu treffen. Dem strukturierten Auswahlgespräch ist daher nicht grundsätzlich die Eignung als leistungsbezogene Erkenntnisquelle abzusprechen, auch wenn die Gefahr eines Irrtums hinsichtlich der Fragestellungen auf Seiten des Bewerbers besteht und die Eindrücke der Kommissionsmitglieder von der Tagesform der Bewerber abhängen, dem Auswahlgespräch also grundsätzlich nicht ein mit einer Beurteilung vergleichbarer Erkenntniswert zukommt (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 15.2.2005 - 5 ME 333/04 -, NVwZ-RR 2005, 588, zitiert nach juris Langtext, Rn.15; Beschl. v. 21.2.2007 - 5 LA 171/06 -, NVwZ-RR 2007, 540 ff.).

Gemessen hieran ist das von der Antragsgegnerin geführte Auswahlgespräch als leistungsbezogenes Kriterium grundsätzlich geeignet, ausschlaggebend in die Auswahlentscheidung einzufließen. Denn es erfüllt die Kriterien, die an ein strukturiertes Auswahlgespräch zu stellen sind, da es sich in der Fragestellung an dem Anforderungsprofil des ausgeschriebenen Dienstpostens orientiert. Dies hat der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht in Frage gestellt.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, dem Auswahlgespräch gegenüber der früheren Leistungsentwicklung der Bewerber und deren jeweiligen Stehzeit im Amt ausschlaggebende Bedeutung zukommen zu lassen, erweist sich nicht als ermessensfehlerhaft. Zwar können ältere Beurteilungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben, auch wenn sie sich nicht zu dessen nunmehr erreichtem Entwicklungsstand in seinem derzeitigen statusrechtlichen Amt verhalten. Sie können vor allem bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn sie frühere positive oder negative Aussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung enthalten. Derartige Äußerungen, insbesondere bei einer Gesamtwürdigung der vorhandenen dienstlichen Beurteilungen erkennbare positive oder negative Entwicklungstendenzen, können vor allem bei gleichwertigen aktuellen Beurteilungen von Bewerbern den Ausschlag geben (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, IÖD 2003, 170; Nds. OVG, Beschl. v. 21.2.2007 - 5 LA 171/06 -, NVwZ-RR 2007, 540 ff., zitiert nach juris Langtext, Rn. 16).

Der Antragsteller verweist insoweit jedoch lediglich auf die erstinstanzlichen Feststellungen und begründet die Ermessensfehlerhaftigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin damit, dass sich ein eindeutiger Leistungsvorsprung aus den Gesamturteilen der älteren Beurteilungen sowie seiner Stehzeit im Amt herleiten lasse. Diese Ausführungen reichen nicht aus, den von ihm und dem Verwaltungsgericht herangezogenen leistungsbezogenen Kriterien einen höheren Erkenntniswert als dem hier durchgeführten strukturierten Auswahlgespräch zukommen zu lassen. Dem steht entgegen, dass die Antragsgegnerin nicht nur die aktuelle Beurteilung, sondern auch die Vorbeurteilung in ihre Betrachtung einbezogen und damit die aktuelle Leistungsentwicklung beider Bewerber seit dem 1. November 1999 berücksichtigt hat. In welcher Hinsicht allein die Gesamturteile noch älterer Beurteilungen für die Bewertung von Leistung, Befähigung und fachliche Leistung der beiden Bewerber in Bezug auf den ausgeschriebenen Dienstposten Rückschlüsse zulassen, erläutern weder der Antragsteller noch das Verwaltungsgericht. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die aus dem Jahre 2000 und vorher stammenden Beurteilungen - auch wenn sie dasselbe statusrechtliche Amt betreffen wie die aktuelle und die ihr vorangegangene Beurteilung - eine nur geringe Aussagekraft hinsichtlich des aktuellen Leistungsstandes haben. Den noch älteren Beurteilungen, die teilweise nicht einmal das gleiche Statusamt betreffen, ist darüber hinaus ein noch geringerer Erkenntniswert zuzumessen, zumal die Beurteilungszeiträume über zehn Jahre zurückliegen. Dass diesen Beurteilungen wesentliche Erkenntnisse hinsichtlich Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung entnommen werden können, die über die aus den von der Antragsgegnerin herangezogenen beiden letzten Beurteilungen hinausgehen und für den ausgeschriebenen Dienstposten von Bedeutung sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Heranziehung des Ergebnisses des Auswahlgesprächs als ausschlaggebendes Kriterium erweist sich auch nicht als ermessensfehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht bemängelt hat, dass in Bezug auf den Beigeladenen die Bewertungen für die sog. Fachkompetenz und die sog. Sozialkompetenz nicht nachvollziehbar seien und dass auch eine deutliche Kritik eines Kommissionsmitglieds an den Antworten des Beigeladenen zur biografischen Frage 1.) nicht nachvollziehbar verarbeitet worden sei. Ebenso wie bei einer dienstlichen Beurteilung (vgl. hierzu: BVerwG, Beschl. v. 17.3.1993 - BVerwG 2 B 25.93 -, DÖD 1993, 179 m. w. N.) ist es für eine Auswahlentscheidung - und auch für ein Auswahlgespräch als ein Gesichtspunkt für die Auswahlentscheidung - so, dass die zugrunde liegenden Tatsachen nur insoweit einer konkreten Darlegung bedürfen, als der Dienstherr entweder historische Einzelvorgänge aus dem gesamten Verhalten des Beamten ausdrücklich in der Auswahlentscheidung erwähnt oder die Auswahlentscheidung oder einzelne in ihr enthaltene wertende Schlussfolgerungen erkennbar auf bestimmte Tatsachen, insbesondere auf konkrete aus dem Gesamtsachverhalt herausgelöste Einzelvorkommnisse stützt. Dagegen sind hinsichtlich der in einer Auswahlentscheidung enthaltenen (reinen) Werturteile nicht die Darlegung und der Beweis der zugrundeliegenden Fülle von Einzeltatsachen (Vorkommnissen, Verhaltensweisen und Erscheinungen) erforderlich. Solche Werturteile sind lediglich so weit plausibel zu machen, dass das Verwaltungsgericht sie im Rahmen der genannten, für Akte wertender Erkenntnis geltenden Prüfungsmaßstäbe nachprüfen kann (vgl. nur: Nds. OVG, Beschl. v. 15.2.2005 - 5 ME 333/04 -, NVwZ-RR 2005, 588, zitiert nach juris Langtext, Rn. 21 m. w. N). In diesem Sinne hat der Dienstherr die wesentlichen schriftlichen Auswahlerwägungen zu dokumentieren (vgl. dazu auch: BVerfG, Beschl. v. 9.7.2007 - 2 BvR 206/07 -, DÖD 2007, 279 ff.).

Anhand dieses Maßstabes ist das Vorbringen des Antragstellers nicht geeignet, die Nachvollziehbarkeit der Bewertung des Auswahlgespräches seitens der Antragsgegnerin in Frage zu stellen. Er bezieht sich ohne weitere Substantiierung auf die erstinstanzlichen, ebenfalls nicht im Einzelnen erläuterten Feststellungen, dass die Wertungskreuze weder für die sog. "Fachkompetenz" noch die sog. "Sozialkompetenz" im Einzelnen nachvollziehbar gemacht worden seien und die deutliche Kritik eines Kommissionsmitglieds (Übersehen der "Fragestellung", "schlechtes" Beispiel, zu ausführliche Schilderung der allgemeinen Alkoholproblematik) an den Antworten des Beigeladenen nicht nachvollziehbar verarbeitet worden sei.

Insoweit kann die Beschwerde bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil es sich mit den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht auseinandersetzt, wonach trotz dieser Kritik aus der Dokumentation der Fragen und Antworten hervorgeht, dass der Beigeladene bei den Kommissionsmitgliedern offenbar einen besseren Eindruck als der Antragsteller hinterlassen und dieser Eindruck seinen Niederschlag in den Wertungskreuzen gefunden habe.

Darüber hinaus vermag der Senat der erstinstanzlichen Kritik und damit dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers nicht zu folgen. Die im Rahmen des Auswahlgesprächs gewonnenen Erkenntnisse sind den während der Gespräche gemachten Notizen und den darauf beruhenden, im Anschluss an die Gespräche ausgefüllten Bewertungsbögen in noch nachvollziehbarer Weise zu entnehmen. In den Bewertungsbögen konnten die drei stimmberechtigten Kommissionsmitglieder der Auswahlkommission für die Bereiche "Fachkompetenz", dieser unterteilt in "Entscheidungsstärke/Urteil" und "Planungs-/Organisationsstärke", sowie "Sozialkompetenz", unterteilt in "Teamfähigkeit" und "Kritikfähigkeit" jeweils Wertungen von "1" (entspricht nicht den Anforderungen) bis "5" (übertrifft die Anforderungen) vergeben. Grundlage dieser Bewertungen waren die Antworten der Bewerber zu zwei ihnen jeweils identisch gestellten Fragen. Die erste sog. biografische Frage enthielt eine Problemstellung, die aufgrund der bisherigen beruflichen Erfahrung gelöst werden konnte, während die zweite sog. situative Frage eine fachliche Frage zum ausgeschriebenen Dienstposten betraf. Aus den Antworten der Bewerber konnte ermittelt werden, welcher Bewerber die bessere fachliche und soziale Kompetenz für den ausgeschriebenen Dienstposten besitzt (vgl. dazu die Ziffer 2 der Richtlinie). Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit der Fragen sind weder ersichtlich noch vom Antragsteller geltend gemacht.

Die Bewertungen machen deutlich, dass die stimmberechtigten Kommissionsmitglieder einen beachtlichen Leistungs- und Eignungsvorsprung des Beigeladenen festgestellt haben. So ist der Beigeladene im Bereich der Fachkompetenz in beiden Untergliederungspunkten von allen Kommissionsmitgliedern um eine bis zwei Stufen besser, teilweise sogar mit der höchsten Wertungsstufe, bewertet worden, während der Antragsteller überwiegend die Wertung "3" (entspricht weitgehend den Anforderungen) erhalten hat. Auch ergibt sich ein leichter Vorsprung des Beigeladenen im Bereich der Sozialkompetenz, in dem zwei Kommissionsmitglieder beide Bewerber als gleich und ein Kommissionsmitglied den Beigeladenen als besser eingestuft haben. Die Wertungen der Kommissionsmitglieder D. und E. sind aufgrund ihrer handschriftlichen Notizen, den darauf beruhenden Protokollen und den darin enthaltenen Bewertungen nachvollziehbar. Demgegenüber wäre es wünschenswert gewesen, wenn das dritte Kommissionsmitglied seine während des Auswahlgesprächs gemachten Notizen ebenfalls im Anschluss an das Gespräch um eine Bewertung insbesondere mit Blick auf die in den Notizen enthaltenen Kritikpunkte ergänzt hätte. Das Fehlen einer solchen Bewertung führt jedoch nicht zur mangelnden Plausibilität der Wertungen, da dieser Kritik nicht ohne Weiteres ein solches Gewicht zugemessen werden kann, welches die Bewertungen als unzutreffend erscheinen lässt. Vielmehr erweisen sich auch angesichts der festgestellten Kritikpunkte die Wertungen des dritten Kommissionsmitglieds als nachvollziehbar, weil sie in ihrer Tendenz bzw. Wertigkeit den nachvollziehbaren Wertungen der anderen beiden Kommissionsmitglieder entsprechen. Einer weiteren ausführlicheren Erläuterung der Wertungen auch des dritten Kommissionsmitglieds hätte es nur bedurft, wenn dessen Wertungen substantiiert in Frage gestellt worden wären (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 15.2.2005 - 5 ME 333/04 -, zitiert nach juris Langtext, Rn. 22). Dies ist jedoch hier nicht geschehen.

Schließlich ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch nicht deshalb unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung stattzugeben, weil das Verwaltungsgericht wegen des deutlichen Vorsprungs des Beigeladenen im Auswahlgespräch zu dem Schluss gekommen ist, es bestehe nicht die (bloße) Möglichkeit, dass der Antragsteller bei einer erneuten Wiederholung der Auswahlentscheidung noch zum Zuge kommen könne. Wie bereits ausgeführt worden ist, hat die Antragsgegnerin nicht ermessensfehlerhaft auf das Ergebnis des Auswahlgesprächs abgestellt. Dem kann der Antragsteller seine bessere Leistungsentwicklung und die längere Stehzeit im Amt nicht erfolgreich entgegen halten.

Ende der Entscheidung

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