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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 5 ME 505/07
Rechtsgebiete: BRL, BRRG, NBG, NLVO, StGB
Vorschriften:
BRL Nr. 9.3 Abs. 2 | |
BRL Nr. 9.4 | |
BRRG § 31 Abs. 1 S. 1 | |
NBG § 194 a | |
NBG § 47 Abs. 2 Nr. 1 | |
NBG § 61 Abs. 1 | |
NLVO § 40 Abs. 5 | |
StGB § 59 |
Gründe:
Der Antragsteller und der Beigeladene sind Referatsleiter in den Abteilungen 3 bzw. 4 des F.. Sie konkurrieren um die Stelle des Leiters der Abteilung 4 des G. und die mit der Übertragung dieses Dienstpostens verbundene Beförderung zum E. im Beamtenverhältnis auf Probe (§ 194a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 a) Fall 1 NBG). Die umstrittene Stelle wurde unter dem 9. Oktober 2006 (Bl. 1 f. Beiakte - BA - A) ausgeschrieben und ist seit über einem Jahr vakant. Zu den sieben Bewerbern um sie zählte auch der Vertreter des Leiters der Abteilung 4.
Der Antragsteller wurde durch ein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts H. vom 28. Juni 2005 wegen Steuerhinterziehung von Abgaben für die Jahre 1998 und 1999 unter Strafvorbehalt verwarnt; ein wegen desselben Sachverhalts eingeleitetes Disziplinarverfahren ist mit bestandkräftiger Verfügung vom 25. April 2006 (Bl. 113 ff. der Gerichtsakte - GA -) unter Berufung auf die §§ 32 Abs. 1 Nr. 3 und 15 Abs. 1 Nr. 2 NDiszG eingestellt worden.
Die Antragsgegnerin traf ihre dem Antragsteller durch Bescheid vom 4. Oktober 2007 mitgeteilte (Bl. 6 GA) Auswahlentscheidung vom 2. Oktober 2007 (Bl. 280 f. BA C) zugunsten des Beigeladenen u. a. auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen des Antragstellers (Bl. 238 ff. BA C) und des Beigeladenen (Bl. 242 ff. BA C) vom 19. September 2007, die unter Verzicht auf eine Zweitbeurteilung von der I. des F. als Erstbeurteilerin allein erstellt und ohne Zusatz gezeichnet worden waren. Die Entwürfe dieser Beurteilungen hatte die I. am 11. September 2007 in einer Besprechung der Beurteilungskommission, zu der auch die Leiter der Abteilungen 1, 2 und 3 gehörten (vgl. Bl. 251 BA C), erörtert: Nach den Angaben der Antragsgegnerin (Schriftsatz vom 12. November 2007 - Bl. 69 ff. [70] GA -) hat der Leiter der Abteilung 3 die Beurteilung des Antragstellers "voll mitgetragen". In dem Auswahlvermerk der I. vom 20. September 2007 (Bl. 250 ff. [257] BA C), der dem der Antragsgegnerin unterbreiteten Besetzungsvorschlag des J. (vgl. Nr. 5.1 des Gemeinsamen Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums, der Staatskanzlei und der übrigen Ministerien vom 11. Juni 2007 - 15.12-03000.200 - [Nds. MBl. 2007, 457]) in Kopie beigefügt war (Bl. 263 ff. [266] BA C), heißt es über den Antragsteller u. a.: "Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Herr ... im letzten Jahr wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt ist." Diese Aussage entspricht einer gleich lautenden Formulierung in einem vorangegangenen Auswahlvermerk der I. vom 6. Dezember 2006 (Bl. 190 [197] BA A).
Das Verwaltungsgericht hat es mit Beschluss vom 28. November 2007 abgelehnt, dem Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Es entspreche nicht der einschlägigen Nr. 9.3 Abs. 2 der Allgemeinen Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst - BRL - (Anlage zu dem Beschl. d. LReg v. 12. 12. 2006 - MI-15.31-03002/2.3.2 -, Nds. MBl. 2007, 5), dass als Erstbeurteilerin des Antragstellers statt des Leiters der Abteilung 3 die I. tätig geworden sei. Dennoch könne nicht festgestellt werden, dass eine Auswahlentscheidung zu Gunsten des Antragstellers zu den möglichen, nicht völlig unwahrscheinlichen Optionen gehört hätte. So sei zu berücksichtigen, dass die Abteilungsleiter in der Beurteilungskonferenz Einfluss auf die Beurteilung gehabt hätten und die I. für die Beurteilung auch dann entscheidend sei, wenn sie in der ihr nach den Beurteilungsrichtlinien zukommenden Funktion als zuständige Zweitbeurteilerin tätig würde; denn bei Abweichungen zwischen Erst- und Zweitbeurteilung sei die Zweitbeurteilung maßgeblich. Völlig veränderte Beurteilungsergebnisse wären daher nicht zu erwarten, und jedenfalls keine derart veränderte Situation, dass die Auswahl des Antragstellers möglich erscheine. Es trete nämlich als entscheidend der Umstand hinzu, dass der Antragsteller nach den unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin im letzten Jahr wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sei und es gerechtfertigt erscheine, ihn schon deshalb bei der Auswahl unberücksichtigt zu lassen.
Die gegen diese Entscheidung mit dem Antrag geführte Beschwerde, der Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts H. vom 28. 11. 2007 - 13 B 5214/07 - zu untersagen, die am 9. 10. 2006 ausgeschriebene Stelle der Abteilungsleiterin/des Abteilungsleiters 4 im D. bis einen Monat nach Verkündung eines Urteils im parallelen Hauptsacheverfahren mit einer anderen Person als dem Antragsteller zu besetzen oder eine andere Person als den Antragsteller zu befördern, ist zulässig und in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang auch begründet.
Erfolglos bleibt die Beschwerde, soweit der Antragsteller ausweislich seines Sachantrags erstrebt, dass der Antragsgegnerin einstweilen (auch) untersagt werde, anderen Personen als dem Beigeladenen den umstrittenen Dienstposten zu übertragen oder sie zu befördern. Es ist nämlich nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht (§§ 173 Satz 1 VwGO, 294 ZPO), dass dergleichen zu erwarten steht, sodass es diesbezüglich an dem für den Erlass einer Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erforderlichen Anordnungsgrund (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO) fehlt.
Das Rechtsmittel ist jedoch begründet und die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern, soweit der Antragsteller begehrt, einstweilen eine Vornahme der umstrittenen dienstrechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Beigeladenen zu unterbinden.
Der für dieses Begehren erforderliche Anordnungsgrund ist gegeben, weil die seitens der Antragsgegnerin angekündigte Ernennung des Beigeladenen unumkehrbar wäre und dieser selbst im Falle der zeitnahen Übertragung nur des umstrittenen Dienstpostens noch immer die Möglichkeit hätte, auf der streitigen Stelle einen Bewährungsvorsprung vor dem Antragsteller zu erlangen.
Des Weiteren ergibt die Prüfung der fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), dass der Antragsteller, soweit ein Anordnungsgrund besteht, auch den nach § 123 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§§ 173 Satz 1 VwGO, 294 ZPO) hat. Das Auswahlverfahren und in seiner Folge die Auswahlentscheidung und die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers sind nämlich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit rechtlich fehlerhaft und es lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller bei einer erneuten Entscheidung der Antragsgegnerin ausgewählt werden wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. 9. 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 [201]).
Die genannte wahrscheinliche Fehlerhaftigkeit beruht - wie mit der Beschwerde hinreichend dargelegt wird und teilweise bereits von dem Verwaltungsgericht erkannt worden ist - vor allem darauf, dass die Antragsgegnerin der Ausübung ihres Auswahlermessens dienstliche Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen zugrunde gelegt hat, die von einer Beurteilerin erstellt worden sind, welche sich eine alleinige Beurteilungszuständigkeit im Widerspruch zu den einschlägigen und insoweit mit höherem Recht vereinbaren Allgemeinen Beurteilungsrichtlinien - BRL - (a. a. O.) beigemessen haben dürfte, die die Antragsgegnerin nach § 40 Abs. 5 NLVO erlassen hat.
Gemäß Nr. 9.3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BRL legt zwar die oberste Dienstbehörde für ihren Geschäftsbereich fest, wer Erstbeurteiler(in) und wer Zweitbeurteiler(in) ist. Nach Nr. 9.3 Abs. 2 BRL sollen aber in der Regel die unmittelbaren Vorgesetzten Erstbeurteiler sein. Andere Vorgesetzte sollen für die Erstbeurteilung nur dann zuständig sein, wenn die unmittelbaren Vorgesetzten für weniger als drei Personen Führungsverantwortung tragen und wenn sie (die anderen Vorgesetzten) in der Lage sind, sich aus eigener Anschauung ein Urteil über den zu Beurteilenden zu bilden. Da der Leiter der Abteilung 3 des J., der unmittelbar Vorgesetzter des Antragstellers ist, nicht für weniger als drei Personen Führungsverantwortung trägt, ist schon nach dem Wortlaut der Richtlinien eindeutig, dass eine Festlegung, die der I. die Zuständigkeit für die Erstbeurteilung eines Referatsleiters der Abteilung 3 zuschreibt, in aller Regel zu unterbleiben hat. Im Übrigen wird von dem durch Nr. 9.3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BRL eingeräumten Organisationsermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, wenn höhere Vorgesetzte in einer obersten Dienstbehörde gleichsam nach freiem Ermessen ein Selbsteintrittsrecht als Beurteiler für sich in Anspruch nehmen. Ein solches Vorgehen muss weiteren Bedenken begegnen, wenn es - wie hier - im Zuge der Beurteilung eines Beamten aus Anlass seiner Bewerbung um ein Amt mit leitender Funktion (§ 194a Abs. 2 Nr. 1 a) Fall 1 NBG) erfolgt und die Zuständigkeit als alleinige (Erst-) Beurteilerin von einer sogenannten politischen Beamtin (§ 47 Abs. 2 Nr. 1 NBG) an sich gezogen wird. Gerade die Besetzung der Stelle eines Abteilungsleiters in der K. kann nämlich von nicht unerheblicher Bedeutung für die Umsetzung der grundsätzlichen politischen Ansichten und Ziele der Regierung sein. Auch bedarf es keiner Erläuterung, dass sich mit dem Inhalt von Anlassbeurteilungen der Bewerber maßgeblicher Einfluss auf das Ergebnis des Auswahlverfahrens nehmen lässt. In solcher Lage sind politische Beamte als Beurteiler einem speziellen Spannungsverhältnis ausgesetzt: Sie müssen einerseits bei der Ausübung ihres Amtes in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BRRG) und dürfen doch andererseits ihre Aufgaben nicht als Diener einer Partei, sondern nur unparteiisch erfüllen (§ 61 Abs. 1 NBG). Es liegt deshalb sowohl im Interesse der Beurteilungsgerechtigkeit als auch der Akzeptanz des Beurteilungswesens und der Effektivität des Rechtsschutzes, dass politische Beamte nach Möglichkeit nicht als alleinige Beurteiler tätig werden, sondern eine weitere eigenverantwortliche Beurteilung durch einen Beamten erfolgt, der dem umrissenen Spannungsverhältnis nicht ausgesetzt ist und dessen möglicherweise abweichende Einschätzungen im Beurteilungsverfahren dokumentiert werden. Dementsprechend ist Nr. 9.3 Abs. 2 BRL in der Weise zu interpretieren, dass eine Erstbeurteilung durch einen politischen Beamten, wenn dieser weder der unmittelbare Vorgesetzte des Beurteilten ist noch eine Zweitbeurteilung durch einen Beamten erfolgen soll, der seinerseits kein politischer Beamter ist, auf solche Fälle beschränkt zu bleiben hat, in denen es aus Sachgründen an einer Alternative fehlt. In Bezug auf die Beurteilung des Antragstellers ist eine solche Konstellation schon deshalb nicht gegeben, weil der Leiter der Abteilung 3 ohne weiteres als Erstbeurteiler hätte tätig werden können.
Eine von der Regel der Nr. 9.3 Abs. 2 Satz 1 BRL abweichende Erstbeurteilung durch die I. lässt sich im Übrigen aus einem weiteren Grunde nicht damit rechtfertigen, dass auf diese Weise der Vergleich der Beurteilungen erleichtert worden sei, nachdem infolge der Vakanz der Stelle des Leiters der Abteilung 4 und der eigenen Bewerbung seines Vertreters für drei der fünf hausinternen Konkurrenten eine Erstbeurteilung auf der Ebene der Abteilungsleitung nicht möglich schien. Dieser Grund besteht darin, dass Anlassbeurteilungen eine Bedeutung für das weitere berufliche Fortkommen des Beurteilten besitzen, die über den Anlass hinausreicht, zu dem sie erstellt wurden. Es darf daher auf die höhere Richtigkeitsgewähr, die eine Erstbeurteilung durch den unmittelbaren Vorgesetzten bietet, nicht deshalb verzichtet werden, weil eine solche Erstbeurteilung bei anderen Bewerbern nicht möglich erscheint und die Auswahl im aktuellen Besetzungsverfahren leichter fallen kann, wenn Konkurrenten von derselben Beurteilerin allein beurteilt werden.
Durchgreifenden Bedenken begegnet es auch, dass die I. meinte, nach Nr. 9.4 Satz 2 a) BRL eine Ausnahme von dem Erfordernis einer Zweitbeurteilung des Antragstellers zulassen zu können. Eine solche Ausnahme ist nämlich nur für Beschäftigte vorgesehen, deren Erstbeurteilung von der "Behördenleitung" erstellt wird, und sowohl Art. 37 Abs. 1 Satz 2 Nds. Verf. als auch der Sprachgebrauch unter Nr. 2.5 b) und Nr. 2.6 des Gemeinsamen Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums, der Staatskanzlei und der übrigen Ministerien vom 11. Juni 2007 (a. a. O.) sprechen dafür, dass der Begriff der "Behördenleitung" die (ständige) Vertreterin des Ministers (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GGO) nicht erfasst. Ist das aber so, dann wäre der Verzicht auf eine Zweitbeurteilung hier nur möglich gewesen, wenn die I. den L. erkennbar (§ 164 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB in analoger Anwendung) in einer diesem selbst vorbehaltenen Zuständigkeit als Erstbeurteiler vertreten hätte. Dafür bietet der vorliegende Fall jedoch keine Anhaltspunkte.
Die aus dem Wortlaut der Nr. 9.4 Satz 2 a) BRL herzuleitenden rechtlichen Bedenken gegen den Verzicht auf eine Zweitbeurteilung bestehen auch gegenüber der allein durch die I. erstellten Anlassbeurteilung des Beigeladenen.
Entgegen einer in dem angefochtenen Beschluss teilweise anklingenden Gedankenführung konnten die Anlassbeurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen der Auswahlentscheidung auch nicht deshalb in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 46 VwVfG zugrunde gelegt werden, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Fehler des Beurteilungsverfahrens den Inhalt der Beurteilungen offensichtlich nicht beeinflusst haben.
Hinsichtlich der Beurteilung des Antragstellers konnte ein solche Schluss nämlich weder daraus gezogen werden, dass der zur Erstbeurteilung berufene Leiter der Abteilung 3 an der Erörterung der Beurteilungsentwürfe in der Besprechung der Beurteilungskommission am 11. September 2007 teilnahm und die Beurteilung des Antragstellers "voll mitgetragen" haben soll, noch daraus, dass bei fehlender Übereinstimmung des Gesamturteils der Erst- und der Zweitbeurteilung gemäß Nr. 9.6 Abs. 2 BRL die Beurteilung der I. als Zweitbeurteilerin maßgeblich gewesen wäre. Denn zutreffend legt der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung dar, dass die Teilnahme eines Mitarbeiters an der Erörterung von (Erst-) Beurteilungsentwürfen, die seine Vorgesetzte erstellt hat, eine gänzlich andere Qualität besitzt, als sie eine eigenverantwortliche Erstbeurteilung durch den Mitarbeiter selbst hätte. Schon weil es nicht zu den Aufgaben der Beurteilungskommission (Nr. 9.2 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 BRL) und damit auch nicht denjenigen ihrer Mitglieder gehört, Erstbeurteilungen oder deren Entwürfe "voll mitzutragen", lassen sich aus der entsprechenden Behauptung der Antragsgegnerin keine rechtlich relevanten Schlüsse ziehen. Aus der Regelung über die Folgen der Abweichung der Zweit- von der Erstbeurteilung ist nicht zu folgern, es komme hier ohnehin nur entscheidend auf die Beurteilung durch die I. an. Diese Sichtweise lässt nämlich außer Acht, dass sich die zu Unrecht als Erstbeurteilerin tätig gewordene höhere Vorgesetzte des Antragstellers in einer Rolle als Zweitbeurteilerin durch den nicht tätig gewordenen, berufenen Erstbeurteiler zumindest teilweise hätte umstimmen lassen können. Im Übrigen ist nicht auszuschließen, dass gerade im Falle der etwaigen Abweichung der Zweit- von der Erstbeurteilung die dafür zu gebende Begründung im Sinne der Nr. 9.6 Abs. 2 Satz 2 BRL Beurteilungsfehler aufdeckt, die ansonsten nicht zu bemerken wären.
Es ist nicht erkennbar, dass sich die fehlende Mitwirkung eines Zweitbeurteilers auf den Inhalt der Beurteilung des Beigeladenen offensichtlich nicht ausgewirkt hat.
Mit der wahrscheinlichen Fehlerhaftigkeit der Beurteilungen sowohl des Antragstellers als auch des Beigeladenen sind der Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin, und damit der Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers, tragende Grundlagen entzogen.
Zu Recht wird mit der Beschwerde beanstandet, dass das Verwaltungsgericht gleichwohl gemeint hat, die Möglichkeit einer Auswahl des Antragstellers im Falle seiner nochmaligen Beurteilung und der erneuten Entscheidung der Antragsgegnerin ausschließen zu können. Mutmaßungen über den wahrscheinlichen Inhalt einer zu einem aktuellen Stichtag erstellten künftigen dienstlichen Beurteilung des Antragstellers - und des Beigeladenen - sind nämlich ohne Belang, weil dienstliche Beurteilungen bis zu ihrer Erstellung und Eröffnung grundsätzlich nicht zur Grundlage einer Auswahlentscheidung gemacht werden können (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 25. 7. 2007 - 5 ME 137/07 -, Juris, RdNr. 6 des Langtextes) und den Gerichten eine auf ihren vermutlichen Inhalt gestützte negative Prognose des Bewerbungserfolgs versagt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. 9. 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 [201 unter B I 2 b bb] sowie Nds. OVG, Beschl. v. 18. 12. 2007 - 5 ME 351/07 - und vom 14. 1. 2008 - 5 ME 317/07 - beide veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Den Darlegungen des Antragstellers ist des Weiteren darin zuzustimmen, dass sich auch im Hinblick auf die von ihm begangene Steuerhinterziehung die Möglichkeit seines künftigen Bewerbungserfolgs nicht ausschließen lässt. Dies beruht zwar auch darauf, dass es bereits die Grenzen des der Vorinstanz zuzubilligenden Prognosespielraums übersteigen dürfte, die von ihr nicht weiter hinterfragte "Verurteilung" des Antragstellers vorausschauend als nahezu unübersteigbares Hindernis seiner Auswahl zu betrachten. Es ist aber außerdem zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin im Zuge ihrer Kabinettsentscheidung bislang von einem teilweise unrichtigen, und wohl auch unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sein dürfte, der zudem in Kürze die Relevanz verlieren wird. Der Antragsteller ist nämlich - soweit für den Senat erkennbar - bislang gerade nicht im Vorjahr der Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin im üblichen Sinne "wegen Steuerhinterziehung verurteilt" worden. Vielmehr hatte ihn das Strafgericht bereits in 2005 (lediglich) verwarnt und bei einem Strafrahmen für die Geldstrafe von fünf bis dreihundertsechzig Tagessätzen (Art. 1 Abs. 1 EGStGB; 40 Abs. 1 Satz 2 StGB) die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen vorbehalten. Der Antragsteller ist damit vorerst und bei Bewährung endgültig von einer Strafe verschont geblieben. Er ist nicht vorbestraft, es sei denn, die Strafe wird nachträglich verhängt (vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, Rn. 1 zu § 59). Berücksichtigt man zudem, dass die Tat inzwischen Jahre zurückliegt, die Verurteilung zu Strafe nur vorbehalten werden darf, wenn zu erwarten ist, dass der Täter künftig auch ohne Verurteilung zu Strafe keine Straftaten mehr begehen wird (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) und das Disziplinarverfahren mit einer entsprechenden Erwartung eingestellt wurde, so kann dem Schuldspruch allein das Gewicht nicht beigemessen werden, welches ihm das Verwaltungsgericht beigelegt hat. Die von dem Antragsteller begangene Straftat der Steuerhinterziehung soll damit keinesfalls beschönigt oder bagatellisiert werden. Im Rahmen dieses gerichtlichen Verfahrens kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das M. in seinem Auswahlvermerk vom 20. September 2007, den es der Antragsgegnerin zusammen mit seinem Besetzungsvorschlag zugeleitet hat, die vom Strafgericht zur Ahndung der Steuerhinterziehung verhängte Maßnahme unvollständig dargestellt hat. Die Antragsgegnerin hat ihrer Kabinettsentscheidung mithin einen teilweise unrichtigen und unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt.
Schließlich muss im Rahmen einer Prognose auch berücksichtigt werden, dass das Disziplinarverfahren unter Berufung auf § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 NDiszG unter dem 25. April 2006 eingestellt wurde und diese Einstellung mit Ablauf des 29. Mai 2006 (Montag) bestandskräftig wurde (vgl. Bl. 110 und 113 GA), sodass gemäß den §§ 4 NDiszG; 1 Abs. 1 NVwVfG; 31 Abs. 1 VwVfG; 188 Abs. 2, 187 Abs. 2 Satz 1 BGB mit dem Ablauf des 29. Mai 2008 das Verwertungsverbot nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 NDiszG eintreten wird. Es ist nicht sicher, dass eine erneute Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin vor diesem Termin zu erwarten steht.
Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren fußt auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1 sowie 53 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. 52 Abs. 1 GKG. Sie entspricht in ihrer Höhe der Hälfte desjenigen Betrages der gemäß § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 GKG in einem Hauptsacheverfahren maßgeblich wäre. Hiernach beträgt der Streitwert also 1/2 x 1/2 x 13 x Endgrundgehalt B 6 am 10. 12. 2007 = 3,25 x 7.206.51 EUR = 23.421,16 EUR.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO; 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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