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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.08.2009
Aktenzeichen: 5 ME 94/09
Rechtsgebiete: BBesG
Vorschriften:
BBesG § 9 Satz 1 |
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin stellte mit Bescheid vom 5. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2008 den Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers mit Wirkung vom 15. Januar 2008 bis auf Weiteres fest und ordnete mit Verfügung vom 13. Januar 2009 die sofortige Vollziehung der Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge an.
Gegen die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge hat der Antragsteller bereits am 2. September 2008 Klage erhoben (Az. 6 A 2419/08). Seinen nachfolgenden Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. März 2009 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem im Tenor bezeichneten Umfang begründet.
Der Senat erachtet entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Erfolgsaussichten der gegen den Bescheid vom 5. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juli 2008 erhobenen Klage als offen, sodass auf der Grundlage der zu treffenden Interessenabwägung jedenfalls mit der Entscheidung des Senats über diese Beschwerde ihre aufschiebende Wirkung wiederherzustellen ist.
Ob der Antragsteller - wie in den angefochtenen Bescheiden festgestellt - seit dem 15. Januar 2008 ohne Genehmigung dem Dienst durchgehend unter Vorlage ärztlicher Dienstunfähigkeitsbescheinigungen unentschuldigt ferngeblieben ist und daher von diesem Zeitpunkt an bis auf Weiteres der Verlust seiner Dienstbezüge zu Recht festgestellt worden ist, vermag der Senat aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu beantworten. Die Erfolgsaussichten der im Hauptsacheverfahren erhobenen Anfechtungsklage sind daher als offen zu beurteilen.
Ausgangspunkt ist § 9 BBesG, der hinsichtlich des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst an die formale Dienstleistungspflicht des Beamten anknüpft und bei dem die "Erscheinenspflicht" auf den konkreten Arbeitsplatz bezogen ist (vgl. Plog/Wiedow, BBG/BeamtVG, Band 3: BBesG, § 9 BBesG, Anm. 2). Demzufolge kommt es vorliegend darauf an, ob der Antragsteller hinsichtlich des ihm von der Antragsgegnerin angebotenen Dienstpostens als dienstfähig anzusehen ist.
Die Antragsgegnerin kann sich für die Annahme der Dienstfähigkeit des Antragstellers nicht auf den Vorrang der amtsärztlichen Stellungnahmen berufen, wonach der Antragsteller aus medizinischen Gründen zwar nicht an seine bisherigen Arbeitsplätze im Hauptzollamt B. und C. zurückkehren soll, jedoch einen Arbeitsplatz im Sachgebiet A als Mitarbeiter im Arbeitsbereich Haushalt des Hauptzollamts C. wahrnehmen könne. Der Amtsarzt erkennt zwar in seinen Stellungnahmen an, dass die bei dem Antragsteller diagnostizierte Erkrankung "Somatisch geprägte Depression" auch durch berufliche Umstände offensichtlich beeinflusst worden ist und daher eine besondere Fürsorge des Arbeitgebers erforderlich sei, um eine Exazerbation seiner Erkrankung durch berufliche Konflikte (und seien es auch nur Missverständnisse) zu verhindern (Stellungnahme vom 1.10.2007). Er erachtet dennoch den Antragsteller für innendiensttauglich. Lediglich bei dem Angebot eines Dienstpostens schränkt er seine Aussage ein, dass bei Rückkehr in dieselben Verhältnisse, welche zu seiner Arbeitsunfähigkeit beigetragen hätten, die Gefahr bestehen bleibe, dass seine psychische Erkrankung erneut ausbreche; aus gesundheitlicher Sicht erscheine eine Rückkehr an seinen bisherigen Arbeitsplatz nicht sinnvoll (Stellungnahme vom 3.1.2008). Eine erneute Herstellung der konfliktträchtigen Arbeitssituation in C. sei zu vermeiden (Stellungnahme vom 5.3.2009).
Dem ist jedoch der Antragsteller durch die Vorlage der Stellungnahmen der ihn behandelnden Ärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. D. vom 23. März 2009 und insbesondere vom 15. April 2009, die das Verwaltungsgericht nicht hat berücksichtigen können, substantiiert entgegen getreten. Danach sei auch hinsichtlich des dem Antragsteller angebotenen Dienstpostens von einer Dienstunfähigkeit auszugehen, weil seine Erkrankung es unmöglich mache, an das Hauptzollamt C. zurückzukehren. Die Ärztin Dr. D. geht davon aus, dass auch bei einer Übernahme eines Dienstpostens in einem anderen Sachgebiet des Hauptzollamts C. die bei dem Antragsteller bestehende depressive Angstsymptomatik sofort wieder aufbrechen würde. Sie hat dies in ihrer Stellungnahme vom 23. März 2009 aus psychotherapeutischer Sicht damit begründet, dass es sich bei dem Antragsteller um eine typische Symptomatik einer angstsymptombetonten Depression handele und der Patient dabei nicht mehr in der Lage sei, die ursprünglich angstauslösende Situation von einer anderen, ähnlichen (deren Erleben er unbewussst vorwegnehme, und allein dadurch schon die Angst wieder auslöse) zu trennen. Das Symptom der Angst beziehe sich hierbei auch auf zunächst rein körperlichen Erscheinungsbilder (z. B. Schwindel, Kopfdruck). In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15. April 2009 hebt sie nochmals hervor, dass schon die mentale Auseinandersetzung mit dem Arbeitsplatz die Angstsymptomatik auslösen könne, was sich allein auf die Vorstellung des Antragstellers beziehe, wieder an die alte Arbeitsstelle zurückkehren zu müssen. Auch wenn die Antragsgegnerin dem Antragsteller theoretisch eine Rückkehr in konfliktfreie Arbeits- und Kollegenverhältnisse angeboten habe, würde er praktisch doch an dieselbe Arbeitsstelle zurückkehren und mit denselben Kollegen arbeiten müssen wie vorher. Diese Vorstellung löse bei dem Antragsteller Angst und Panik aus. Derartige Angst- und Panikattacken seien durchaus bei der Einschätzung der Dienstfähigkeit zu berücksichtigen.
Mit dieser Begründung hat Dr. D. im Einzelnen dargelegt, weshalb sie abweichend von den amtsärztlichen Feststellungen auch hinsichtlich des dem Antragsteller angebotenen Dienstpostens von einer Dienstunfähigkeit ausgeht. Der Senat erachtet diese Begründung für nachvollziehbar. Der Amtsarzt hat zwar in seinen Stellungnahmen den Einfluss dienstlicher Umstände auf die Erkrankung des Antragstellers eingeräumt. Dass diese Würdigung indes die Auswirkungen der bei dem Antragsteller diagnostizierten - von Frau Dr. D. als schwer qualifizierten - somatisch geprägten Depression in Bezug auf die bei ihm im Falle einer Rückkehr an einen anderen Arbeitsplatz im Hauptzollamt C. entstehenden Angst- und Panikattacken einschließt, lässt sich den amtsärztlichen Feststellungen nicht entnehmen. Es ist daher nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass eine erneute Stellungnahme des Amtsarztes insoweit entbehrlich ist. Vielmehr dürfte angesichts der gegebenen Begründung von der Antragsgegnerin zu fordern sein, dass sie den von ihr bisher beauftragten oder einen anderen Amtsarzt - gegebenenfalls unter Einschaltung eines Facharztes - heranzieht, dieser sich mit den neuen privatärztlichen Stellungnahmen beschäftigt und detailliert ausführt, ob und aus welchen Gründen an der Feststellung der Dienstfähigkeit festzuhalten ist. Nur unter dieser Voraussetzung vermag sich die Antragsgegnerin auf den Vorrang der amtsärztlichen Feststellungen zu berufen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.3.2001 - BVerwG 1 DB 8.01 -, Buchholz 235 § 121 BDG Nr. 15 = DVBl. 2001, 1079 f. = ZBR 2001, 297 ff., zitiert nach juris Langtext, Rn.12).
Der Senat sieht die Nachvollziehbarkeit der Begründung für die Annahme der Dienstunfähigkeit des Antragstellers nicht dadurch beeinträchtigt, dass die von Frau Dr. D. befürwortete Möglichkeit eines Telearbeitsplatzes ebenfalls nicht zu einer Vermeidung eines Kontaktes mit der bisherigen Arbeitssituation und den früheren Kollegen führt. Denn die Ärztin hat in ihrer Stellungnahme vom 15. April 2009 insoweit ausgeführt, dass die Vorstellung des Antragstellers, in das Hauptzollamt C. zurückkehren zu müssen, derartige Angst- und Panikattacken auslöse, während der Antragsteller im Falle der Einrichtung eines Telearbeitsplatzes von zu Hause mit dem Arbeitsplatz in Kontakt treten könne.
Der Senat kommt zu dem Schluss, dass sich die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs als offen erweisen: Weder ist von einem höheren Beweiswert der die Dienstfähigkeit des Antragstellers bejahenden amtsärztlichen Feststellungen und damit von der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auszugehen noch ist aufgrund der Stellungnahmen von Frau Dr. D. im vorliegenden Verfahren die Einschätzung gerechtfertigt, dass sich die angefochtenen Bescheide voraussichtlich als rechtswidrig erweisen. Insoweit berücksichtigt der Senat, dass nach dem Bericht der Psychosomatischen Klinik E. vom 6. März 2007 der Antragsteller stabilisiert hat und eine interne Umsetzung im Hinblick auf dessen Arbeitsplatz befürwortet wird, Frau Dr. D. in ihrer Stellungnahme vom 15. Oktober 2007 den Antragsteller als bedingt arbeitsfähig angesehen und sie in dieser und ihren weiteren Stellungnahmen eine einem Arbeitsversuch entgegenstehende Krankheitsverschlechterung im Falle einer Rückkehr des Antragstellers an einen anderen Arbeitsplatz im Hauptzollamt C. zunächst nicht substantiiert in Frage gestellt hat.
In Ansehung dieser Erwägungen erachtet der Senat es im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung für erforderlich, aber auch ausreichend, die aufschiebende Wirkung erst mit Wirkung für die Zukunft, also mit dem Datum dieses Beschlusses wiederherzustellen. Die Möglichkeit, dass der Antragsteller in der Zeit ab dem 15. Januar 2008 zunächst dienstfähig war und möglicherweise nunmehr aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr dienstfähig ist, schließt der Senat ebenfalls nicht aus.
Ende der Entscheidung
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