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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2006
Aktenzeichen: 5 OB 194/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 172
1. § 172 VwGO ist entsprechend anwendbar, wenn es das Ziel der Vollstreckung ist, dass die Behörde eine schlicht hoheitliche Handlung vornimmt, für die sie eine spezifisch hoheitliche Regelungs- oder Handlungsbefugnis in Anspruch nehmen muss.

2. Die erstmalige Androhung eines Zwangsgeldes nach § 172 VwGO hat regelmäßig nicht im Höchstmaß zu erfolgen.


Gründe:

Der Vollstreckungsgläubiger hat erstinstanzlich beantragt, gegen den Vollstreckungsschuldner ein Zwangsgeld bis zu 25.000,-- EUR festzusetzen und von Amts wegen zu vollstrecken, weil dieser ihm entgegen der rechtskräftigen Verpflichtung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 25. Februar 2004 - 1 A 326/01 - nicht einen nach der Besoldungsgruppe A 14 BBesO bewerteten Dienstposten übertragen habe. Auf diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht durch den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss vom 16. Juni 2006 dem Vollstreckungsschuldner für den Fall, dass er nicht bis zum 15. August 2006 seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 25. Februar 2004 nachkomme und dem Vollstreckungsgläubiger einen nach der Besoldungsgruppe A 14 BBesO bewerteten Dienstposten übertrage, ein Zwangsgeld von 10.000,-- EUR angedroht.

Zur Begründung hat die Vorinstanz im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Durch ihre den Vollstreckungstitel darstellende Entscheidung vom Februar 2004 habe sie zugleich eine Umsetzungsverfügung aufgehoben. Hintergrund hierfür sei es gewesen, dass der Vollstreckungsgläubiger im August 2001 mit sofortiger Wirkung von der Leitung des Umweltamtes entbunden und ihm der Dienstposten eines Leiters der Abteilung Wasserwirtschaft übertragen worden sei. In ihrem rechtskräftigen Urteil habe die Kammer konkrete Anhaltspunkte für die Annahme bejaht, dass die Zuordnung dieses Dienstpostens zu einem Amt der Besoldungsgruppe A 14 BBesO "von der tatsächlichen Seite her ermessensmissbräuchlich" sei. Nach seiner zwischenzeitlichen Abordnung sei dem Vollstreckungsgläubiger mit Verfügung des Vollstreckungsschuldners vom 19. August 2004 zum 1. September 2004 das Sachgebiet 6.10 übertragen worden. Die dagegen [mit der Begründung, auch diese Beschäftigung sei nicht amtsangemessen] erhobene Klage - 1 A 108/05 - sei bei der Kammer anhängig und in dem Verfahren über sie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben worden. Das Gutachten vom 7. April 2006 gelange zu dem Ergebnis, dass die dem Vollstreckungsgläubiger übertragene Stelle nach der Besoldungsgruppe A 12 zu bewerten sei und ihre Wahrnehmung keine Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst erfordere. Gemäß § 172 VwGO könne das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis zu zehntausend Euro androhen, wenn die Behörde im Falle des § 113 Abs. 5 VwGO der ihr im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkomme. Wenngleich es hier nicht um die Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners gehe, einen Verwaltungsakt zu erlassen, sei analog § 172 VwGO (in Verbindung mit § 167 Abs. 1 VwGO, § 888 ZPO) zu verfahren, dessen Voraussetzungen vorlägen. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen - Antrag, Titel, Klausel und Zustellung - seien gegeben. Darüber hinaus setze die Vollstreckung voraus, dass die Behörde der ihr im Titel auferlegten Verpflichtung innerhalb einer angemessenen Erfüllungsfrist nicht nachgekommen sei (grundlose Säumnis). Paragraf 172 VwGO sei auch dann anwendbar, wenn die Behörde die ihr gerichtlich auferlegte Pflicht nur unvollkommen erfüllt habe. Die Androhung eines Zwangsgeldes sei danach gerechtfertigt, wenn es der Behörde als Vollstreckungsschuldnerin billigerweise habe zugemutet werden können, die auferlegte Verpflichtung in der Zeit seit Zustellung des Titels zu erfüllen. Auch diese Voraussetzung liege vor. Denn es wäre dem Schuldner der Vollstreckung als einer sachkundigen Behörde hier möglich und auch zumutbar gewesen, der in dem Urteil vom 25. Februar 2004 auferlegten Verpflichtung seit dessen Zustellung im März 2004 nachzukommen. Er habe einen inhaltlich nach A 14 BBesO zu bewertenden Dienstposten zu übertragen und sich der nur formalen Übertragung von mehr oder weniger inhaltsleeren Aufgaben, die nur der "Ausstaffierung" des Dienstpostens dienen sollten, zu enthalten gehabt. Das sei schon dem Urteil vom 25. Februar 2004 zu entnehmen gewesen und dessen Inhalt geworden. Der Verpflichtung aus diesem Urteil sei der Vollstreckungsschuldner jedoch nicht nachgekommen, wie das Gutachten im Verfahren 1 A 108/05 aufgedeckt habe. Nachdem dem Vollstreckungsschuldner Gelegenheit gegeben worden sei, zu dem Vollstreckungsantrag unter Einbeziehung des seit April 2006 vorliegenden Sachverständigengutachtens bis zum 17. Mai 2006 Stellung zu nehmen und es auch schon Versuche gegeben habe, eine "tragfähige Lösung" zu finden, sei dem Vollstreckungsschuldner bei Androhung eines entsprechend bemessenen Zwangsgeldes aufzugeben, seiner Verpflichtung aus dem Urteil der Kammer nunmehr bis zum 15. August 2006 nachzukommen. Die Höhe des Zwangsgeldes sei ebenso angemessen wie die festgesetzte Frist.

Nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses am 21. Juni 2006 hat der Vollstreckungsschuldner am 4. Juli 2006 Beschwerde erhoben und diese im Wesentlichen begründet wie folgt: Der Beschluss der Vorinstanz genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen an seine Begründung. Hinsichtlich der Rechtsfrage, ob es ihm, dem Vollstreckungsschuldner, möglich und zumutbar gewesen sei, der in dem Urteil vom 25. Februar 2004 auferlegten Verpflichtung nachzukommen, fehle es nämlich an jedweder Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 17. Mai 2006. In diesem Schriftsatz habe er dargelegt, dass ihm eine Erfüllung der Verpflichtung unmöglich und nicht zumutbar gewesen sei. Die Stelle, die der Vollstreckungsgläubiger vor der Umsetzungsverfügung vom 8. August 2001 innegehabt habe, sei aufgrund einer umfassenden Neuorganisation im Jahre 2001 nicht mehr aufgabenidentisch und deshalb nur noch nach der Besoldungsgruppe A 13 BBesO gehobener Dienst zu bewerten. Die Übertragung dieses Dienstpostens auf den seinerzeitigen kommissarischen Leiter mit Beschluss vom 03. Juli 2006 stehe in keinem Zusammenhang mit dem hiesigen Verfahren. Ausweislich des Stellenplanes für das Haushaltsjahr 2006 seien alle für eine Umsetzung des Vollstreckungsgläubigers in Betracht kommenden Stellen besetzt. Es wäre ein unzulässiger, insbesondere unverhältnismäßiger Eingriff in sein, des Vollstreckungsschuldners, Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, das auch die Kompetenz umfasse, Aufbau und Wirkungsweise der eigenen Organe zu regeln, wenn der Anspruch eines einzelnen Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung die Pflicht zur Änderung seiner Aufbauorganisation zur Folge hätte. Die Kollision des Anspruchs des Vollstreckungsgläubigers gemäß Art. 33 Abs. 5 GG auf amtsangemessene Beschäftigung einerseits und sein, des Vollstreckungsschuldners, Anspruch aus Art. 28. Abs. 2 Satz 1 GG auf Wahrung seiner Organisationsfreiheit andererseits, seien im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen, wobei in diesem Fall seinen am Gemeinwohl orientierten Interessen der Vorrang einzuräumen sei. Denn würde - nur um dem Anspruch des Vollstreckungsgläubigers auf amtsangemessene Beschäftigung nachzukommen - eine Änderung der Aufbauorganisation erfolgen, liefe dies den Haushaltskonsolidierungs- und Wirtschaftlichkeitsinteressen entgegen. Im Übrigen wäre hierfür ein Beschluss des Kreistages erforderlich, der ohnehin nicht innerhalb der von dem Gericht gesetzten Frist ergehen könne. Es sei beabsichtigt, dem Vollstreckungsgläubiger die als Nächstes vakant werdende Stelle zu übertragen, die nach der Besoldungsgruppe A 14 BBesO technischer höherer Dienst bewertet sei, wobei allerdings bereits jetzt erwähnt werden müsse, dass die Fachbereichsleiterstelle 6 zwar voraussichtlich am 1. Oktober 2008 frei werde, jedoch aufgrund eines Beschlusses des Kreisausschusses vom 19. April 2004 nicht neu zu besetzen sei. Der Beamte ziehe sich in Gesprächen, in denen er aufgefordert worden sei, seine Vorstellungen über eine amtsangemessene Beschäftigung zu konkretisieren, regelmäßig darauf zurück, dass es nicht seine Sache sei, wie es konkret zu bewerkstelligen sei, ihn amtsangemessen zu beschäftigen. Dies sei mit seiner Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht zu vereinbaren. Deshalb sei der Vollstreckungsantrag rechtsmissbräuchlich. Er, der Vollstreckungsschuldner, sei bislang im guten Glauben gewesen, durch die Übertragung des Sachgebietes 6.10 seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 25. Februar 2004 nachgekommen zu sein. Im Übrigen leide das Gutachten vom 7. April 2006 an dem Umstand, dass in dessen Bewertung nicht ausreichend die dem Vollstreckungsgläubiger übertragenen Aufgaben einbezogen worden seien, sondern vielmehr entscheidend die vom Vollstreckungsgläubiger erläuterte Aufgabenausführung in den Blick genommen worden sei, die in Ermangelung eigener Initiative des Vollstreckungsgläubigers, erheblich von der abstrakten Aufgabenbeschreibung abweiche.

Der Vollstreckungsschuldner beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. Juni 2006, Az: 1 D 1/05, aufzuheben und den Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes abzulehnen.

Der Vollstreckungsgläubiger beantragt,

die Beschwerde des Vollstreckungsschuldners zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit folgenden Erwägungen: Der Einwand des Vollstreckungsschuldners, ihm sei es nicht möglich und auch nicht zumutbar gewesen, der ihm rechtskräftig auferlegten Verpflichtung nachzukommen, sei irrelevant. Denn derartige Einwendungen hätte er nur im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen können. Auch auf ein Verschulden des Vollstreckungsschuldners komme es nicht an, obwohl bestritten werde, dass dieser stets in gutem Glauben gewesen sei. Um seiner Verpflichtung aus dem rechtskräftigen Urteil nachzukommen bedürfe der Vollstreckungsschuldner keines freien nach A 14 bewerteten Dienstpostens, da es ihm aufgrund seiner Organisationshoheit ohne weiteres möglich sei, ihm, dem Vollstreckungsgläubiger, derart anspruchs- und verantwortungsvolle Tätigkeiten ergänzend zu übertragen, dass hieraus eine Bewertung seines Dienstpostens nach A 14 resultiere.

Wegen der weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens, der Verfahren 1 A 108/05 und 1 A 326/01 des Verwaltungsgerichts Lüneburg (Beiakten B und C) sowie den Namentlichen Stellenplan für das Haushaltsjahr 2006 (Beiakte A) des Vollstreckungsschuldners verwiesen.

II.

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 31. 10. 2005 - 5 OB 192/05 -, in: Schütz, BeamtR ES/F II 1 Nr. 28) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat lediglich in dem aus der Entscheidungsformel zu ersehenden Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

Auszugehen ist davon, dass sich eine Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Leistungsurteil der Vorinstanz vom 25. Februar 2004 analog § 172 VwGO zu vollziehen hat. Wie bereits in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 5 OB 192/05 - (a. a. O.) folgt der Senat auch weiterhin nicht der in der obergerichtlichen Rechtsprechung (z. B. VGH BW, Beschl. v. 25. 6 2003 - 4 S 118/03 -, NVwZ-RR 2004, 459; Bay. VGH, Beschl. v. 7. 3. 2002 - 4 C 02.188 -, BayVBl. 2003, 375; OVG Berlin, Beschl. v. 29. 8. 2000 - 8 L 25/99 - NVwZ-RR 2001, 99; ebenso: von Nicolai, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, RdNr. 3 zu § 172) verbreiteten Auffassung, dass sich die Anwendbarkeit des § 172 VwGO allein auf die Fälle beschränke, in denen die der Behörde rechtskräftig auferlegte Verpflichtung in dem Erlass eines Verwaltungsaktes bestehe. Die vorliegende Rechtssache bietet zwar keinen Anlass zu entscheiden, ob § 172 VwGO eine abschließende Sonderregelung für die Erzwingung aller hoheitlichen, nicht auf eine Geldleistung gerichteter Handlungen darstellt (so: Hess. VGH, Beschl. v. 8. 11. 1999, - 8 TM 3106/99 -, NVwZ-RR 2000, 730; OVG NRW, Beschl. v. 10.7. 2006 - 8 E 91/06 -, JURIS, RdNr. 8 des Langtextes, und Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, RdNr. 16 zu § 172; in der Tendenz auch: OVG Bbg, Beschl. v. 20. 12. 2001 - 3 E 87/01 - NVwZ-RR 2002, 904). Der Senat erachtet die Vorschrift aber jedenfalls dann für entsprechend anwendbar, wenn es das Ziel der Vollstreckung ist, dass die Behörde eine schlicht hoheitliche Handlung vornimmt, für die sie eine spezifisch hoheitliche Regelungs- oder Handlungsbefugnis in Anspruch nehmen muss, sodass die Ersetzung ihrer Handlung durch einen staatlichen Vollstreckungsakt ausscheidet, weil dieser die Zuständigkeitsordnung oder anzuerkennende Entscheidungsspielräume der Verwaltung verletzen würde (ähnlich: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 1 zu § 172, und Heckmann, in: Sodan /Ziekow [Hrsg.], VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNrn. 30 und 41 zu § 172). Letzteres trifft insbesondere dann zu, wenn - wie im vorliegenden Falle - eine beamtenrechtliche Umsetzung und/oder Umgestaltung eines Dienstpostens durchgesetzt werden soll.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Antrag, Titel, Klausel und Zustellung) als gegeben angesehen. Hinsichtlich des Antrages gilt dies deshalb, weil das Antragsbegehren des Vollstreckungsgläubigers entsprechend § 88 VwGO dahin gehend auszulegen ist, dass es sich - hilfsweise - auch auf eine Vollstreckung nach § 172 VwGO, und damit die Androhung eines Zwangsgeldes richtet. Eine solche Androhung hatte der Vollstreckungsgläubiger nämlich zunächst ausdrücklich beantragt, sein Begehren dann aber modifiziert, um der umstrittenen, aber nur vermeintlichen Unanwendbarkeit des § 172 VwGO auf die vorliegende Fallgestaltung Rechnung zu tragen.

Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass mit der Übertragung des Sachgebiets 6.10 auf den Vollstreckungsgläubiger lediglich eine der Nichterfüllung gleichzustellende (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 31. 10. 2005 - 5 OB 192/05 -, in: Schütz, BeamtR ES/F II 1 Nr. 28; Kopp/Schenke, a. a. O., Rdnr. 6 zu § 172, Heckmann, a. a. O., RdNr. 59 zu § 172) "Schlechterfüllung" der rechtskräftig auferlegten Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners erfolgt ist. Ohne Erfolg wendet der Vollstreckungsschuldner insbesondere gegen das überzeugende Gutachten vom 7. April 2006 ein, dass der Sachverständige in seine Bewertung nicht ausreichend die dem Vollstreckungsgläubiger übertragenen Aufgaben einbezogen habe, sondern vielmehr entscheidend auf die von diesem erläuterte Aufgabenausführung abgehoben habe. Der Sachverständige hat nämlich ausweislich seiner Ausführungen zum Grad der Selbständigkeit der Tätigkeit des Vollstreckungsgläubigers (Seite 5 des Gutachtens = Bl. 109 Beiakte B) sehr wohl dessen teilweise großen Handlungsspielräume gesehen und berücksichtigt.

Unerheblich ist, ob der Vollstreckungsschuldner bis zu der Kenntnisnahme des Gutachtens vom 7. April 2006 im guten Glauben war, seine Verpflichtung aus dem rechtskräftigen Urteil erfüllt zu haben. Denn erstens hatte er seither hinreichend Gelegenheit, der ihm rechtskräftig auferlegten Verpflichtung nachzukommen und zweitens muss er sich, soweit er sich zuvor auf Ausführungen in dem von ihm selbst beauftragten Gutachten des Privatunternehmens "Die Lupe" gestützt hat, etwaige Mängel dieses Gutachtens wie eigene Fehleinschätzungen zurechnen lassen (vgl. Pietzner, a. a. O., RdNr. 2 zu § 172, hier: FN 10).

Zwar setzt die Androhung eines Zwangsgeldes voraus, dass es der Behörde möglich und zuzumuten gewesen ist, der ihr durch das rechtskräftige Urteil auferlegten Verpflichtung in der seit dem Eintritt der Rechtskraft verstrichenen Zeit nachzukommen (BVerwG, Beschl. v. 21. 12. 2001 - BVerwG 2 AV 3.01 -, in: Schütz, BeamtR ES/F II 1 Nr. 15). Dieses Erfordernis gestattet es einem Vollstreckungsschuldner jedoch nicht, das Nichtbestehen oder den Wegfall des materiellen der Vollstreckung zugrunde liegenden Anspruchs geltend zu machen. Das gilt insbesondere für den sinngemäßen Einwand des Vollstreckungsschuldners, durch eine sofortige Vollziehung der ihm auferlegten Verpflichtung werde er in unvertretbarer Weise in seiner Organisationshoheit eingeschränkt (vgl. BVerwG Beschl. v. 21. 12. 2001 - BVerwG 2 AV 3.01 -, a. a. O.). Das Wesen der Rechtskraft eines Urteils besteht nämlich gerade darin, dass es den gemäß § 121 Nr. 1 VwGO Gebundenen den Einwand abschneidet, das Gericht habe nicht "richtig" entschieden. Nur nach Maßgabe der Gesetze (hier: § 121 Nr. 1 VwGO) ist im Übrigen dem Vollstreckungsschuldner in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG das Recht auf Selbstverwaltung garantiert - ganz abgesehen davon, dass die grundgesetzliche Norm nicht das Rechtsverhältnis zwischen dem Vollstreckungsgläubiger und dem Vollstreckungsschuldner betrifft (vgl. Löwer, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, RdNr. 40 zu Art. 28). Für die Herstellung einer "praktischen Konkordanz" zwischen dem titulierten Anspruch des Vollstreckungsgläubigers und dem geltend gemachten Gegenrecht des Vollstreckungsschuldners ist folglich in diesem Vollstreckungsverfahren, das lediglich die Rechtskraft in Rechtswirklichkeit umzusetzen bestimmt ist, kein Raum. Das gilt insbesondere, soweit dergleichen auf die von dem Vollstreckungsschuldner intendierte faktische Suspendierung des Vollstreckungstitels für einen unbestimmten, aber u. U. nach Jahren zu bemessenden Zeitraum hinauslaufen soll.

Zu Unrecht macht der Vollstreckungsschuldner eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Vollstreckungsantrages geltend. Im Ausgangspunkt ist dem Vollstreckungsgläubiger nämlich darin zuzustimmen, dass es nicht seine Sache ist, ihn amtsangemessen zu beschäftigen. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Vollstreckungsschuldner auf die vermissten eigenen Vorschläge des Vollstreckungsgläubigers angewiesen wäre. So mag dahinstehen, ob dieser zu Recht einwendet, in der Vergangenheit sei sein Mitwirkungsangebot sogar in scharfer Form zurückgewiesen worden.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und der Vollstreckungsschuldner sich so zu organisieren hat, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt. Angesichts der geringen Überzeugungskraft der hiergegen vorgebrachten Argumente vermag der Senat keinen Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses darin zu erkennen, dass dieser auf solche Argumente nicht im Einzelnen eingeht.

Vor der Festsetzung eines Zwangsgeldes ist dem Vollstreckungsschuldner allerdings mit der Androhung eine angemessene Frist einzuräumen (Pietzner, a. a. O., RdNr. 43 zu § 172). Da in der einschlägigen Literatur die Auffassung vertreten wird, der Beschwerde "gegen Beschlüsse nach § 172 über Zwangsgelder gegen Behörden" komme gemäß 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebenden Wirkung zu (Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, RdNr. 3 zu § 149) - also (über Wortlaut der Norm hinaus) wohl auch solchen Beschlüssen, die lediglich die Androhung des Zwangsmittels betreffen - und die durch das Verwaltungsgericht gesetzte Frist hier während des Rechtsmittelverfahrens abgelaufen ist, erachtet es der Senat für angezeigt, kraft der ihm durch den Devolutiveffekt der Beschwerde zugewachsenen Kompetenz (vgl. Pietzner, a. a. O., RdNr. 40 zu § 172) dem Vollstreckungsschuldner eine neue Frist zu setzen (vgl. hinsichtlich eines vergleichbaren Problems im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung: Sadler, VwVG/VwZG, 6. Aufl. 2006, RdNrn. 23 ff. zu § 13 VwVG). Diese Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände bemessen, dass sich der Vollstreckungsschuldner zwar trotz verbleibender Unsicherheiten während dieses Rechtsmittelverfahrens ernstlich auf eine unverzügliche Erfüllung seiner Verpflichtung einzustellen hatte, nach seinen Einlassungen aber eine Beteiligung des Kreistages an der wahrscheinlich erforderlichen Umorganisation erforderlich ist.

Da der Senat im Rahmen dieser Beschwerde, anders als in den Fällen des § 146 Abs. 4 VwGO, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insgesamt zu überprüfen hat, und das Zwangsgeld lediglich in der konkreten Höhe anzudrohen ist, in der es nötigenfalls auch festgesetzt werden soll (Hess. VGH, Beschl. v. 8. 11. 1999 - 8 TM 3106/99 -, NVwZ-RR 2000, 730 [731]; Pietzner, a. a. O., RdNr. 43 zu § 172; Heckmann, a. a. O., Rdnr. 74 zu § 172), ist hier seine Reduktion auf 8.000,-- EUR geboten. Für die Verwaltungsvollstreckung ist anerkannt, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der vorgesehene Höchstbetrag eines Zwangsgeldes nur unter besonderen Voraussetzungen, z. B. einer außergewöhnlich hartnäckigen Widerspenstigkeit der Betroffenen, und in der Regel erst nach Wiederholung des Zwangsmittels ausgeschöpft werden darf (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 23. 5. 1966 - VI A 33/66 -, DÖV 1967, 279; App, in Egelhardt/App, VwVG/VwZG, 6. Aufl. 2004, RdNr. 8 zu § 11 VwVG; Sadler, a. a. O., RdNr. 22 zu § 11 VwVG, m. w. N.). Zwar wurde im Hinblick auf den ehedem sehr geringen Höchstbetrag von 2.000 DM, den § 172 VwGO a. F. vorsah, für die gerichtliche Zwangsvollstreckung mit Recht die Auffassung vertreten, dass in der Regel der Zugriff auf das Höchstmaß des Zwangsgeldes gerechtfertigt sei (Pietzner, a. a. O., RdNr. 44 zu § 172). Seit der Gesetzgeber in jüngerer Zeit das Höchstmaß des Zwangsgeldes heraufgesetzt hat, kann daran aber nicht weiter festgehalten werden (a. A. Heckmann, a. a. O., RdNr. 74 zu § 172). Vielmehr hat nun auch die erstmalige Androhung eines Zwangsgeldes nach § 172 VwGO regelmäßig nicht im Höchstmaß zu erfolgen. Eine außergewöhnlich hartnäckige Widerspenstigkeit des Vollstreckungsschuldners vermag der Senat zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zu erkennen.

Ende der Entscheidung

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