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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 5 PA 93/08
Rechtsgebiete: NBG


Vorschriften:

NBG § 8 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenz.: 5 PA 93/08 Datum: 24.07.2008

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2008, in dem dieses es abgelehnt hat, ihr für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren versagt; entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen nämlich nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO hinreichende Erfolgsaussichten.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe erfordert, dass der Bewerber insbesondere die erforderliche gesundheitliche Eignung für eine Verwendung nicht nur als Probezeitbeamter, sondern als Beamter auf Lebenszeit, die eine Bewährung in der Probezeit auch unter gesundheitlichen Aspekten voraussetzt, besitzt. Es hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht in Betracht kommt, wenn bereits zum Zeitpunkt der beantragten Einstellung in das Probebeamtenverhältnis auf der Grundlage eines amtsärztlichen Gutachtens (vgl.: § 8 Abs. 5, 1. HS. NBG) von dem Dienstherrn festgestellt werden kann, dass der Bewerber die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung für eine nach Ablauf der Probezeit beabsichtigte Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht erfüllt, weil nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze ausgeschlossen werden kann (vgl.: BVerwG, Urt. v. 25.2.1993 - BVerwG 2 C 27.90 -, BVerwGE 92, 147 ff.; Urt. v. 18.7.2001 - BVerwG 2 A 5.00 -, DÖD 2000, 219). Die insoweit vom Dienstherrn zu treffende Prognoseentscheidung ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Dienstherr von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl.: BVerfG, Urt. v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 -, NJW 2003, 3111; BVerwG, Urt. v. 19.3.1998 - BVerwG 2 C 5.97 -, BVerwGE 106, 263 m. w. N.).

Gemessen hieran besteht für eine Klage, mit der die Klägerin unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides der Beklagten vom 14. August 2007 (Beiakte A, Bl. 142) ihr Antragsbegehren auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe weiterverfolgt (Antrag vom 5. November 2006: Beiakte A, Bl. 129), hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Ablehnung des Antrags allein wegen ihrer fehlenden gesundheitlichen Eignung auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens des Gesundheitsamtes D. - E. -F. vom 2. August 2007 begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken.

Hierbei verkennt der Senat nicht, dass dem amtsärztlichen Gutachten grundsätzlich auch bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und damit auch für die Einstellung als Beamter auf Probe aufgrund der besonderen Fachkenntnisse in Bezug auf die dienstbezogenen Anforderungen grundsätzlich ein Vorrang vor privatärztlichen Stellungnahmen zukommt. Wenn aber die Beurteilung des Amtsarztes hinsichtlich desselben Krankheitsbildes von der Beurteilung des behandelnden Privatarztes abweicht, kommt den amtsärztlichen Ausführungen nur unter den Voraussetzungen ein Vorrang zu, dass keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bestehen, die medizinischen Beurteilungen auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sind und der Amtsarzt auf die Erwägungen des Privatarztes, wenn dieser seinen medizinischen Befund näher erläutert hat, eingeht und nachvollziehbar darlegt, warum er ihnen nicht folgt. Diese Grundsätze beanspruchen in gleicher Weise Geltung, wenn der Amtsarzt einen Facharzt einschaltet, um die medizinische Sachkunde zu gewährleisten, und sich dessen medizinischer Beurteilung anschließt; die Stellungnahme des Facharztes wird dann dem Amtsarzt zugerechnet (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.10.2006 - BVerwG 1 D 2.05 -, zitiert nach juris; Beschl. v. 8.3.2001 - BVerwG 1 DB 8.01 -, DVBl. 2001, 1079, zitiert nach juris). Hieraus folgt zugleich, dass das erkennende Tatsachengericht nur dann angesichts eines anderslautenden privatärztlichen Gutachtens die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens für erforderlich halten muss, wenn sich nach den vorgenannten Maßstäben eine weitere Sachverhaltsaufklärung dem Gericht hätte aufdrängen müssen, weil der Amtsarzt gerade nicht auf die Erwägungen des privatärztlichen Gutachtens eingegangen ist und nicht nachvollziehbar dargelegt hat, warum er ihnen nicht folgt. Denn dann vermag das amtsärztliche Gutachten den mit ihm verfolgten Zweck nicht zu erfüllen bzw. dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde nicht zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung nicht zu ermöglichen (vgl. dazu: BVerwG, Beschl. v. 29.3.1996 - BVerwG 2 B 35.96 -, zitiert nach juris; Beschl. v. 30.8.1993 - BVerwG 2 B 106.93 -, zitiert nach juris jeweils m. w. N. sowie Nds.OVG, Beschl. v. 28.3.2007 - 5 LA 255/04, zitiert nach juris Langtext, Rn. 9).

Anhand dieses Maßstabes erweisen sich die Ausführungen der zuständigen Amtsärzte in ihrer Stellungnahme vom 2. August 2007 auch in Anbetracht ihrer Auseinandersetzungen mit den Stellungnahmen des Dr. med. G. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 5. Mai 2007 (Gerichtsakte - GA -, Bl. 8) und der Psychologischen Psychotherapeutin I. J. vom 24. Mai 2007 (GA, Bl. 9) sowie der nach der Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens vorgelegten Stellungnahme der Gemeinschaftspraxis R. K. und Dr. med. M. K., Fachärzte für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, vom 25. Oktober 2007 (GA, Bl. 10) als nicht nachvollziehbar bzw. als unzureichende Grundlage für die Aberkennung der gesundheitlichen Eignung der Klägerin.

Die Amtsärzte vertreten die Auffassung, dass aufgrund einer dreimonatigen stationären Behandlung der Klägerin wegen einer psychischen Dekompensation im Jahre 1996, einer erneuten stationären Behandlung wegen einer depressiven Störung vom 5. März 2002 bis zum 21. Juni 2002, der disziplinarische Schwierigkeiten der Klägerin mit Schülern und Probleme mit der Schulleitung und Kollegen vorausgegangen seien, sowie der Umstände, dass die Klägerin seit 2002 sich durchgängig in psychotherapeutischer Behandlung befinde und eine antidepressive Medikation erfolge, die Klägerin zwar unter dieser Therapie und ohne berufsbedingte Belastungen derzeit psychisch unauffällig sei und stabilisiert wirke, die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit (Vollzeit) nach dem Erziehungsurlaub ab Februar oder August 2008 an einer neuen Schule jedoch einen Belastungsfaktor darstelle und daher aufgrund der Anamnese und langjährigen Behandlungsbedürftigkeit das Eintreten einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit oder häufiger Fehlzeiten nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne.

Diese Ausführungen sind ungeachtet der widersprechenden privatärztlichen Stellungnahmen zwar in sich stimmig, aber - entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts - vor dem Hintergrund der Personalaktenlage nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die amtsärztliche Stellungnahme erwähnt allerdings die beiden stationären Aufenthalte der Klägerin, ihre andauernde psychotherapeutischen Behandlung und antidepressive Medikation. Es fehlen jedoch eindeutige Aussagen zum Umfang der psychotherapeutischen Behandlung und zur Art der Medikation sowie zum voraussichtlichen weiteren Behandlungsverlauf der Klägerin, was aber aus Sicht des Senats angezeigt wäre, um die von den Amtsärzten angestellte Prognose der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit oder häufiger Fehlzeiten auf eine hinreichend sichere Grundlage zu stellen. Nicht nachvollziehbar ist insbesondere, dass die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit der Klägerin einen Belastungsfaktor darstellen soll. Denn ausweislich der Personalakten war die Klägerin unmittelbar nach der zweiten stationären Behandlung wegen einer depressiven Störung trotz Medikation und psychotherapeutischer Behandlung in der Lage, in der Zeit vom 29. Juli 2002 bis zum 31. Juli 2005 an der Grundschule L., M., sowie ab dem 1. August 2005 bis zum Beginn der Mutterschutzfrist und der nachfolgenden Elternzeit am 30. Oktober 2005 an der Grundschule N., D., als Lehrkraft ohne Fehlzeiten in nennenswertem Umfang tätig zu sein. Hierzu steht die Aussage der Amtsärzte in Widerspruch, dass sich allein aufgrund der psychischen Erkrankung die erneute Arbeitsaufnahme als Belastungsfaktor darstellen werde, der die von den Amtsärzten gezogene Schlussfolgerung stützt. Etwas anderes folgt nicht aus der zweimaligen Versetzung der Klägerin. Denn die erste Versetzung diente dazu, die Klägerin aus dem von ihr als Mobbing empfundenen Umfeld der HRS O., P., herauszunehmen, was von der damaligen Schule befürwortet wurde (Beiakte A, Bl. 90 RS), während die zweite Versetzung an die Grundschule N. allein aus privaten und nicht krankheitsbedingten Gründen erfolgte (vgl. Beiakte A, Bl. 99).

Der amtsärztlichen Stellungnahme, soweit sie die depressive Störung der Klägerin und deren Folgen betrifft, ist auch nicht der Vorrang einzuräumen, weil sie auf die Stellungnahmen von Dr. H. und Frau J. eingeht. Denn die Meinung der Amtsärzte, Dr. H. habe trotz seiner eigenen Diagnose einer rezidivierenden depressiven Entwicklung und der Anamnese eine schlüssige Begründung für seine Annahme, dass eine vorzeitige Dienstunfähigkeit und häufige Fehlzeiten sicher ausgeschlossen werden könnten, auch auf telefonische Nachfrage nicht anzugeben vermocht, setzt sich nicht hinreichend mit den Erwägungen des Dr. H. in dessen Stellungnahme vom 5. Mai 2007 auseinander, wonach die Ursache der depressiven Erkrankung "in Vergangenem" liege, das psychosoziale Umfeld, das seinerzeit Ursache war, zwischenzeitlich saniert sei, sodass ein Auslöser für depressive Erkrankungen nicht mehr vorhanden sei, die Erkrankung der Klägerin eine reaktive gewesen sei und eine sich erneut so ergebende pathogene Konstellation nicht mehr auftreten könne. Auch die Einwände der Amtsärzte gegen die Feststellungen von Frau J. in ihrer Stellungnahme vom 24. Mai 2007 lassen eine plausible und nachvollziehbare Auseinandersetzung nicht erkennen. Frau J. hat als behandelnde Psychologische Psychotherapeutin der Klägerin im Einzelnen ausgeführt, weshalb es bei der Klägerin damals zu der Anpassungsstörung gekommen sei und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass die Klägerin aufgrund der Therapie selbst bei Wiederholung einer gravierenden Mobbingsituation die Dynamik des zu der Belastungsreaktion führenden Prozesses erkennen und sich rechtzeitig schützen könne. Die höhere Alltagsbelastung sei nach Auffassung von Frau J. der Klägerin aus früheren Lebenssituationen bekannt und habe bislang nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt; vielmehr sei prognostisch im Gegenteil davon auszugehen, dass die Verantwortung für die Tochter und die Berufstätigkeit zu einer weiteren Konsolidierung ihrer Stabilität führe. Das Risiko der Klägerin, erneut an Depressionen zu erkranken, liege nach der gründlichen Aufarbeitung ihrer zurückliegenden Krise unter dem der übrigen weiblichen Bevölkerung und unter dem ihrer Berufsgruppe.

Dem haben die Amtsärzte lediglich entgegengehalten, Frau J. stütze ihre günstige Beurteilung auf falsche Annahmen, da es nicht zu treffe, dass es keinen Hinweis auf eine rezidivierende Störung gebe oder dass die psychische Störung bislang nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Diese Einwände sind nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht haltbar. Frau J. ist von einer Anpassungsstörung F 43.21 mit lang anhaltender depressiver Episode ausgegangen und ist ebenso wie Dr. H. zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich hierbei nicht um eine rezidivierende Störung handele, sondern die depressive Störung zwischenzeitlich geheilt sei. Mit der hierfür gegebenen Erklärung von Frau J., die sich in ihrer Art und Weise mit derjenigen von Dr. H. deckt, haben sich die Amtsärzte nicht auseinander gesetzt. Darüber hinaus beruht die Begründung von Frau J. für ihre Beurteilung nicht auf der falschen Annahme, dass die psychische Störung bislang nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Denn die Amtsärzte haben sich nicht - wie bereits ausgeführt worden ist - in der gebotenen Weise damit auseinandergesetzt, dass die Klägerin im Anschluss an die stationäre Behandlung im Jahre 2002 keine nennenswerten krankheitsbedingten Fehlzeiten infolge einer depressiven Störung hatte. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sich die umstrittene Annahme von Frau J., auf der ihre Schlussfolgerung beruht, allein auf diesen Zeitraum erstreckt und insoweit jedenfalls zutreffend ist.

Schließlich sind die hinreichenden Erfolgsaussichten einer Klage auf Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht zu verneinen, weil gegen die gesundheitliche Eignung der Klägerin Bedenken auch insoweit bestünden, als bei ihr HNO-ärztlicherseits nach den amtsärztlichen Feststellungen eine Pharyngolaryngitis sicca diagnostiziert worden sei. Nach Auffassung der Amtsärzte handele es sich um eine chronische Störung (der Stimme <chronische Trockenheit der Stimmbänder>), die bei Lehrern zu Problemen führen könne. Eine dauerhafte Belastbarkeit der Stimme könne keineswegs immer wiederhergestellt werden. Im Falle der Klägerin sei eine logopädische Behandlung eingeleitet, weshalb auch hier eine vorzeitige Dienstunfähigkeit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne.

Eine Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Stellungnahme der Gemeinschaftspraxis R. K. und Dr. med. M. K., Fachärzte für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, vom 25. Oktober 2007 liegt nicht vor. Die behandelnden Ärzte haben im Einzelnen dargelegt, dass eine chronische Erkrankung der Stimmbänder nicht habe festgestellt werden können und gehäufte Fehlzeiten hinsichtlich des Larynxbefundes nicht zu erwarten seien, zumal die Klägerin bisher sonst keine Entzündungen des Larynx gehabt habe. Diese Stellungnahme gibt mit Blick auf die Rechtsprechung zum Vorrang amtsärztlicher Gutachten aus Sicht der Amtsärzte Anlass, sich mit der Diagnose der Privatärzte auseinanderzusetzen, zumal nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung aus dem Jahre 2000, auf das die Amtsärzte in ihrer Stellungnahme vom 2. August 2007 verweisen, zwar eine Stimmstörung erkannt worden ist, insoweit aber fachärztlicherseits die Prognose als günstig angesehen wurde, dass innerhalb der nächsten Monate eine vollständige Ausheilung erreicht werden könne (Gesundheits-Zeugnis des Landkreises D. vom 24.8.2000 - Beiakte A, Bl. 49). Anhaltspunkte für eine chronische Erkrankung der Stimmbänder waren also auch damals nicht ersichtlich.

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