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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.08.2006
Aktenzeichen: 7 LA 115/06
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2
AufenthG § 60a Abs. 1 S. 1
Eine Rechtsfrage ist nicht immer schon dann als ungeklärt und deshalb grundsätzlich bedeutsam anzusehen, wenn zur ihr noch keine berufungs- oder revisionsgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

Zur Auslegung des Runderlasses des MI v. 09.06.2005 (Nds.MinBl. 2005, 496) im Hinblick auf Abschiebungsschutz.


Gründe:

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Berufung, um weiterhin gegen die Ablehnung der Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorgehen zu können.

Mit Bescheid vom 3. November 2003 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie auf Abänderung des Abschiebungsschutz versagenden Erstbescheides ab und forderte sie unter erneuter Androhung der Abschiebung zur Ausreise auf.

Die Klage, ihr unter entsprechender Änderung des Versagungsbescheides Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG zuzubilligen, hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten Urteil abgewiesen. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass sich die Sach- oder Rechtslage nach Ergehen des ablehnenden Ausgangsbescheids zu ihren Gunsten verändert habe. Das schließe einen etwaigen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ein. Dafür könne dahinstehen, ob die Klägerin als alleinstehende Frau in Afghanistan nicht überleben könnte und für sie die Gefahr bestünde, nach einer Abschiebung dem sicheren Tod ausgeliefert zu sein. Denn auch bei Unterstellung einer derartigen Gefahr werde die Klägerin vor dieser durch die Regelungen des Runderlasses des MI vom 9. Juni 2005 - 45.31-12231/3-6 AFG - (Nds.MBl. 2005, 496) geschützt. Danach sei ihre Abschiebung nach Afghanistan derzeit völlig ungewiss. Der Erlass komme einem kollektiven Schutz nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG zumindest gleich. Eine verfassungswidrige Lücke, die es gebieten würde, unter Übergehung von § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG individuell Abschiebungsschutz zuzuerkennen, bestehe deshalb nicht.

Zur Begründung ihres Antrages, gegen das Urteil die Berufung zuzulassen, macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Klärungsbedürftig sei, ob der vom Verwaltungsgericht angeführte Runderlass tatsächlich einen Anordnungen nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG vergleichbaren Schutz biete. Dies sei zumindest zweifelhaft und werde etwa vom VG München für die in Bayern vergleichbare Erlasslage verneint. Soweit ersichtlich, habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen.

II.

Der Zulassungsantrag ist unbegründet. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

Eine derartige Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG hat eine Rechtssache nur dann, wenn in Bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellungen eine unmittelbar aus dem Gesetz nicht beantwortbare, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete konkrete Frage aufgeworfen und erläutert wird, warum diese im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts der obergerichtlichen Klärung bedarf (vgl. etwa Nds.OVG, Beschl. v. 1. Februar 2005 - 7 LA 200/04 -, juris). Eine Rechtsfrage ist dabei nicht immer schon dann als ungeklärt anzusehen, wenn zu ihr noch keine berufungs- oder revisionsgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Der Klärungsbedarf hängt in solchen Fällen von dem Gewicht der Zweifel ab, die gegen die (hier) vom Verwaltungsgericht gegebenen Antworten (fort)bestehen. Dem Rechtsmittelsystem des Asylverfahrensrechts liegt die Vorstellung zugrunde, dass die jeweils aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzlich in erster Instanz sachgerecht und hinreichend beantwortet werden und es einer obergerichtlichen Klärung nur unter engen Voraussetzungen bedarf. Ist die vom Verwaltungsgericht zu der Rechtsfrage vertretene Ansicht überzeugend begründet und bestehen daran keine vernünftigen Zweifel - etwa in Form ebenfalls plausibler Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte im jeweiligen Gerichtsbezirk, die zu einem abweichenden Ergebnis gelangen -, könnte ein vom Oberverwaltungsgericht durchgeführtes Berufungsverfahren nicht zur Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung beitragen, weil beides nicht in Frage steht (Berlit in GK-AsylVfG 1992 § 78, Rdn. 115 f. m.w.N.).

So liegt es hier.

Wenn es, worauf das Verwaltungsgericht entscheidend abgestellt hat, in dem bezeichneten MI-Erlass vom 9. Juni 2005 (Nr. 2, l. Absatz) heißt, die Rückführung afghanischer Staatsangehöriger wie der Klägerin beginne "zu einem späteren, noch nicht näher zu benennenden Zeitpunkt" und hänge "von dem Erfolg der ersten Rückführungsphase ab", ist damit ersichtlich kein geringerer Abschiebungsschutz gewährleistet als bei einer allgemeinen Duldungsanordnung nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG, die auch nur befristet, nämlich für "längstens sechs Monate", ausgesprochen wird. Der Wiederholungsmöglichkeit einer solchen Anordnung entspricht der Vorbehalt im Erlass, die aus den bereits vorgenommenen Abschiebungen gewonnenen Erfahrungen in die Entscheidung einfließen zu lassen, ggf. später weitere Personen abzuschieben. Dass sich die vom Verwaltungsgericht plausibel positiv beantwortete Frage nach der Gleichwertigkeit dieses Schutzes "mindestens ebenso gut auch verneinen lässt", wie die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des (bekanntlich nicht im Bezirk des beschließenden Oberverwaltungsgerichts liegenden) VG München vom 11. November 2005 - M 23 K 03.52479 - (http://www.asyl.net/Magazin /5_2006c.html) meint, vermag zu einer grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit führende gewichtige Zweifel an der Auslegung des Verwaltungsgerichts im oben dargelegten Sinne nicht zu wecken.

Ende der Entscheidung

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