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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.08.2009
Aktenzeichen: 7 LA 232/07
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 12 Abs. 1
GewO § 35 Abs. 1
Die Begehung von Vermögensdelikten, insbesondere von Betrugshandlungen gegenüber Kunden, stellt keine wesensnotwendige Begleiterscheinung wirtschaftlich ungeordneter Vermögensverhältnisse dar. Die Sperrwirkung des § 12 GewO tritt daher bei einer auf die Verurteilung wegen derartiger Straftaten gestützten Gewerbeuntersagung, die dem Schutz aktueller und potentieller Kunden dient, nicht ein (Fortführung von Nds. OVG, Beschl. v. 13.05.2003 - 7 LA 140/02 -, GewArch 2003, 383, 384 wie schon Beschl. v. 08.12.2008 - 7 ME 144/08 -, GewArch 2009, 162).
Gründe:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, mit dem seine Klage gegen die (erweiterte) Gewerbeuntersagungsverfügung der Beklagten vom 23. Oktober 2006 abgewiesen worden ist, hat keinen Erfolg.

Die im Zulassungsantrag geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers, auf deren Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht.

Zwar dürfte aufgrund des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers bei dem Amtsgericht Gifhorn der zeitliche Anwendungsbereich des § 12 GewO eröffnet sein. Dieses Verfahren steht der Gewerbeuntersagungsverfügung der Beklagten jedoch im Ergebnis nicht entgegen.

Nach § 12 GewO finden Vorschriften, welche die Untersagung eines Gewerbes oder die Rücknahme oder den Widerruf einer Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden, die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen, während des Insolvenzverfahrens, während der Zeit, in der Sicherungsmaßnahmen nach § 21 der Insolvenzordnung - InsO - angeordnet sind, und während der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans (§ 260 InsO) keine Anwendung in Bezug auf das Gewerbe, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde.

Der gesetzlichen Formulierung in § 12 GewO, wonach (lediglich) Vorschriften, "... welche die Untersagung eines Gewerbes ..., die auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist, ermöglichen, ..." während des Insolvenzverfahrens keine Anwendung finden, ist dabei zu entnehmen, dass die Unzuverlässigkeit auf die ungeordneten Vermögensverhältnisse zurückzuführen sein muss, um die Sperrwirkung des § 12 GewO gegenüber einer Anwendung des § 35 GewO auszulösen. Dafür spricht auch der Sinn und Zweck des § 12 GewO, der darin besteht, einen Konflikt der Untersagungs-, Rücknahme- oder Widerrufsvorschriften mit den Zielen eines Insolvenzverfahrens und der Entscheidung der Gläubigerversammlung über die Fortführung oder Stilllegung des Unternehmens (§§ 156, 157 InsO) oder mit der Aufstellung eines Insolvenzplans nach § 217 InsO zu vermeiden (Nds. OVG, Beschl. v. 13.5.2003 - 7 LA 140/02 -, GewArch 2003, 383, 384). Das Ziel des Insolvenzverfahrens, zumindest vorläufig den Gewerbebetrieb zu erhalten, kann nur insoweit mit einer Unzuverlässigkeitsbeurteilung des Gewerbetreibenden in Konflikt geraten, als diese auf ungeordneten Vermögensverhältnissen beruht oder zumindest ein innerer Zusammenhang zwischen den ungeordneten Vermögensverhältnissen und anderen Unzuverlässigkeitsgründen besteht (Nds. OVG, aaO). Damit mögen "Begleitstraftaten", die mit den ungeordneten Vermögensverhältnissen in engem Zusammenhang stehen, wie möglicherweise der Verstoß gegen bestimmte abgabenrechtliche Delikte, bei denen allein die Nichtzahlung fälliger Steuern oder Beiträge den Straftatbestand verwirklicht, von der Gewerbeaufsicht (ebenfalls) nicht zur Grundlage der Gewerbeuntersagung gemacht werden können (so im Ergebnis Hahn, GewArch 2000, 361, 362). Hingegen fehlt es an einem die Anwendbarkeit des § 12 GewO rechtfertigenden Zusammenhang, wenn die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden auf Vorgängen beruht, die mit seiner ungeordneten Vermögenslage nichts zu tun haben und aus ganz anderen Gründen - zum Schutz der Allgemeinheit, der Mitarbeiter oder der Verbraucher - die Untersagung der Gewerbeausübung oder den Widerruf der Zulassung erfordern (Nds. OVG, aaO).

Hiervon ausgehend ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts. Weder dieses noch die Gewerbeuntersagungsverfügung der Beklagten sind auf das Vorliegen wirtschaftlich ungeordneter Vermögensverhältnisse des Klägers gestützt. Die Beklagte hält dem Kläger ausschließlich die bekannten strafrechtlichen Verurteilungen wegen Vermögensdelikten entgegen. Die von ihr erlassene Gewerbeuntersagungsverfügung zielt mithin - präventiv - allein auf den Schutz aktueller und potentieller Kunden vor der erneuten Begehung von Vermögensdelikten durch den Kläger. Zu Recht weist die Beklagte in ihrem Untersagungsbescheid in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Ausübung des Gewerbes "Versicherungsmakler, Vertrieb schwedischer Fertighäuser, Bürodienstleistungen" durch den Kläger aufgrund seiner persönlichen Unzuverlässigkeit insbesondere für geschäftsungewandte Personen, deren finanzielle Angelegenheiten hierbei berührt werden, eine Gefahr darstellt. Die Verurteilung vom 6. April 2006 betrifft Betrugshandlungen und Zuwiderhandlungen gegen das Kreditwesengesetz gerade zu Lasten von Kunden, die ihm Geld anvertraut hatten.

Die Behauptung des Klägers, es bestehe ein "... innerer Zusammenhang der strafrechtlichen Verurteilungen zu ungeordneten Vermögensverhältnissen", führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Straftaten gegenüber Kunden sind keine wesensnotwendige Begleiterscheinung wirtschaftlich ungeordneter Vermögensverhältnisse und daher gesondert zu bewerten. Betrugshandlungen, deretwegen der Kläger hier verurteilt worden ist, beruhen auf einer vorsätzlichen Täuschungshandlung gegenüber Dritten. Allein das Motiv, sich finanzielle Mittel auf Kosten anderer zu verschaffen, stellt den in der Entscheidung des Senats vom 13. Mai 2003 angesprochenen inneren Zusammenhang der ungeordneten Vermögensverhältnisse zu den vom Kläger begangenen Straftaten nicht her. Dabei mag offenbleiben, inwieweit der behauptete Konnex der finanziellen Situation mit den in Rede stehenden strafrechtlichen Delikte, die allesamt in den Jahren 1993 - 2001 und damit lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3. Februar 2005 begangen worden sind, in zeitlicher Hinsicht überhaupt angenommen werden könnte. Er könnte den Kläger ohnehin vom Vorwurf persönlicher Unzuverlässigkeit nicht entlasten.

Die Unzuverlässigkeit des Klägers in persönlicher Hinsicht ergibt sich überdies - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - aus der mehrjährigen Missachtung des Sofortvollzuges der Untersagungsverfügung der Stadt Gifhorn vom 10. Juli 2003. Gegen den hieraus vom Verwaltungsgericht gezogenen Schluss, das Verhalten des Klägers zeige, dass er Rechtspflichten - weiterhin - nicht beachte, ist nichts zu erinnern. Soweit der Kläger sich gegen diese Würdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung wendet, dass die "... Gewerbeuntersagungsverfügung ... aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens" keinen Bestand haben könne, entschuldigt dies schon deshalb nicht, weil das Insolvenzverfahren erst am 3. Februar 2005 eröffnet worden ist. Im Übrigen übersieht er, dass die Anordnung des Sofortvollzuges mangels eines Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz bis zu dem gerichtlichen Vergleich vom 2. Mai 2008 vollziehbar war.

Ende der Entscheidung

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