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Beginn der Entscheidung

Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.03.2007
Aktenzeichen: 7 LA 269/04
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 116 Abs. 1
VwGO § 117 Abs. 2 Nr. 6
VwGO § 58 Abs. 1
VwGO § 58 Abs. 2
VwGO § 60
ZPO § 311 Abs. 2 S. 1
ZPO § 311 Abs. 3
Zur Gebotenheit einer Wiedereinsetzung bei Prozessrechtsänderungen nach Urteilsverkündung.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 7 LA 269/04

Datum: 12.03.2007

Gründe:

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

1. Er ist zulässig.

a. Zwar ist die Begründung des Antrages nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils beim Oberverwaltungsgericht eingereicht worden, wie es § 124a Abs. 4 S. 5 VwGO in der seit dem 01.09.2004 ohne Übergangsregelung geltenden Fassung (Gesetz vom 24.08.2004, BGBl. I S. 2198) vorschreibt. Diese Frist lief am 08.11.2004 ab, während der von den Klägern an das Verwaltungsgericht gerichtete Begründungsschriftsatz vom 04.11.2004 nach der von diesem veranlassten Weiterleitung erst am 10.11.2004 beim Oberverwaltungsgericht eingegangen ist.

Die Zweimonatsfrist ist nach § 58 Abs. 1 VwGO jedoch nur in Lauf gesetzt worden, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung im Urteil zutreffend war. Daran bestehen Zweifel, weil in dieser (noch) das Verwaltungsgericht als diejenige Stelle bezeichnet wird, bei der die Begründung des Zulassungsantrages einzureichen sei, soweit sie, wie hier, nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist. Das entsprach der bis zum 31.08.2004 bestehenden Gesetzeslage. Das Urteil mit der so lautenden Rechtsbehelfsbelehrung ist jedoch erst am 06.09.2004 ausgefertigt und den Klägern am 08.09.2004 zugestellt worden. Zu jener Zeit war die Gesetzesänderung bereits in Kraft. Kommt es für die Richtigkeit der Belehrung auch bei verkündeten Urteilen auf den Zeitpunkt der Zustellung an, war die Rechtsbehelfsbelehrung mithin (teilweise) unrichtig und wäre der Begründungsschriftsatz beim Oberverwaltungsgericht rechtzeitig eingegangen, weil dann die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO galt. Für die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Zustellung spricht, dass erst mit dieser die Rechtsbehelfsbelehrung im Sinne des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO "erteilt" sein dürfte und deren Modalitäten von der Verkündung des Urteils, § 116 Abs. 1 VwGO, noch nicht erfasst sind, weil bei der Verkündung nach § 311 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 ZPO (§ 173 S. 1 VwGO) nur die Urteilsformel und die (wesentlichen) Urteilsgründe mitgeteilt werden und insoweit Bindungswirkung entfalten, nicht aber Einzelheiten der Rechtsbehelfsbelehrung; diese ist erst Bestandteil des schriftlichen Urteils, § 117 Abs. 2 Nr. 6 VwGO (so auch, insoweit ohne Begründung, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 08.10.2004 - 19 A 3946/04 -, DÖV 2005, 484, sowie VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.10.2004 - 4 S 2142/04 -, VBlBW 2005, 36). Nach anderer Auffassung ist für die Richtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils abzustellen (Nds.OVG, Beschl. v. 17.08.2005 - 8 LA 243/04 -, NdsVBl 2006, 53, ebenfalls ohne eine darauf eingehende Begründung). Für diese Auffassung könnte angeführt werden, dass die - vollständige - Belehrung über das gegebene Rechtsmittel als richterlicher Erkenntnisakt und Bestandteil des Urteils bereits mit der Verkündung des Urteils(tenors) als mitgeteilt gilt, auch wenn sie, wie häufig, dabei nicht (ausdrücklich) angesprochen wird. Dagegen spricht freilich der Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, die den Beteiligten die Rechtsmitteleinlegung erleichtern und ohne größere Schwierigkeiten ermöglichen soll. Diesen Zweck kann sie kaum erfüllen, wenn sie bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Mitteilung ihrer Einzelheiten (teilweise) unrichtig ist. Die Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts muten den Beteiligten lediglich zu, kein Vertrauen darauf zu entwickeln, dass die Prozessrechtslage bei anhängigen Verfahren unverändert bleibt (OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O. m.w.N.). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung hatten die Kläger jedoch noch kein Zulassungsverfahren anhängig gemacht.

b. Diese Frage bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch dann, wenn man die Zweimonatsfrist hier als nicht eingehalten ansieht, ist der Zulassungsantrag einer Sachprüfung zu unterziehen, weil den Klägern über eine Versäumung der genannten Frist durch die Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinwegzuhelfen ist, § 60 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, S. 2 VwGO. Die anwaltlich vertretenen Kläger waren unverschuldet verhindert, die gesetzliche Frist einzuhalten. Dies beruht zwar nicht darauf, dass der Antragsschriftsatz bei schnellerer Weiterleitung eventuell noch rechtzeitig beim erkennenden Gericht eingegangen wäre. Es ist bereits zweifelhaft, ob dem Verwaltungsgericht überhaupt eine Pflicht zur Weiterleitung oblag, weil der Zulassungsantrag zum damaligen Zeitpunkt durchaus nicht "leicht und einwandfrei als offensichtlich fehlgeleitet zu erkennen" war (vgl. insoweit Nds.OVG, Beschl. v. 04.12.2006 - 12 LA 426/05 -, NJW 2007, 454). Jedenfalls kann bei einem Eintreffen des Schriftsatzes bei dem Verwaltungsgericht am Freitag, 05.11.2004, der genaueren Durchsicht dort mit Absendeanordnung am Montag, 08.11.2004, und dem Eintreffen beim OVG am 10.11.2004 von keinem nicht-ordentlichen Geschäftsgang gesprochen werden, der für die Nichteinhaltung der am 08.11.2004 abgelaufenen Frist maßgeblich ursächlich gewesen wäre. Die Fristversäumung war aber deshalb unverschuldet, weil auch die rechtskundigen Prozessbevollmächtigten der Kläger, wie sie glaubhaft gemacht haben, nicht damit zu rechnen brauchten, dass der Gesetzgeber kurzzeitig und ohne Übergangsfristen die formalen Anforderungen an die Begründung eines ansonsten unverändert gegebenen Rechtsmittels ändert (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.10.2004 - 3 ZB 04.2171 -, juris, m. w. N.). Hinzu kommt, dass jedenfalls die schriftlich mitgeteilte Rechtsbehelfsbelehrung die Kläger auf eine falsche Fährte geführt hat und die Behandlung von "Übergangsfällen" in Bezug auf die Geltung des Änderungsgesetzes überdies nicht unbestritten ist (Nds.OVG, a.a.O.). Das kann nicht zu ihren Lasten gehen.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

a. Es bestehen keine ernstlichen rechtlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

aa. Die Kläger sind der Auffassung, solche Zweifel lägen zunächst darin begründet, dass das Verwaltungsgericht die Vertragserfüllung auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit eines kompletten Bodenaustausches in Relation zur Nachbesserung beurteilt habe. Sie tragen weiter vor, allein der Bodenaustausch sei zur Erfüllung der Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag geeignet. Dem kann nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hat frei von Rechtsfehlern festgestellt, dass der Beklagten im Rahmen der Nacherfüllung analog § 635 Abs. 1 BGB ein Wahlrecht zwischen Mängelbeseitigung und Neuherstellung zusteht. Dass erstere entgegen den Feststellungen des im selbständigen Beweissicherungsverfahren (VG Osnabrück, Az.: 2 E 1/00) eingeholten Sachverständigengutachtens nicht geeignet wäre, haben die Kläger nicht dargetan. Es ergibt sich entgegen ihrer Darstellung auch nicht aus dem Sachverständigengutachten, welches unter Punkt 2.3.0. ausführt, dass eine Beseitigung der Unebenheiten durchführbar ist. Die insoweit geplanten Maßnahmen führen nach den Aussagen des Sachverständigen (Sitzungsprotokoll vom 16.07.2004, S. 3) im Ergebnis - also bereits mit Abschluss der Sanierung - auch zu Herstellung einer solchen Bodenqualität, die mit Blick auf die Wasserdurchlässigkeit der DIN 18915 entspricht. Hiergegen bringen die Kläger keine durchgreifenden Bedenken vor. Auch § 635 Abs. 3 BGB macht deutlich, dass unter dem Gesichtspunkt der Unverhältnismäßigkeit die Nacherfüllung verweigert werden kann, was sich auch auf nur eine ihrer möglichen Varianten wie die der Neuherstellung beziehen kann (Palandt/Sprau, BGB, 65. Auflage, § 635, Rn. 12; Palandt/Putzo, a.a.O., § 439, Rn. 16, 20). Im Übrigen begegnet es keinen Bedenken, wenn die verbleibende Möglichkeit der Nacherfüllung (nur) zu einer anderen Ausführungsart führt als die Neuherstellung. Dies hat entgegen der Auffassung der Kläger nicht etwa die vertragliche Nichterfüllung zur Folge, da hier die Mängelbeseitigung - allein dies ist relevant - ebenso geeignet zur Zweckerreichung ist. Selbiges gilt mit Blick auf die Auffüllung der Bohrlöcher mit Drainkies. Soweit andere, nicht explizit vertragsgemäße Umstände wie eine dauerhafte Auflockerung des Bodens erst später eintreten sollten, steht auch dies der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung nicht entgegen.

bb. Auch im Hinblick auf die Richtigkeit der Tatsachen und Annahmen, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, bestehen keine Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese wollen die Kläger darin begründet sehen, dass das Verwaltungsgericht Aussagen zur Funktionsfähigkeit des Drainagesystems getroffen habe, ohne über die Beschaffenheit des Unterbodens ausreichend informiert gewesen zu sein. Dennoch habe es sowohl dessen Beschaffenheit wie auch seine technische Herrichtung als geeignet angesehen. Insoweit fehlt es bereits an der seitens der Kläger behaupteten Entscheidungserheblichkeit der Beschaffenheit des Unterbodens als solchem für die Funktionsfähigkeit der Drainage. Sofern das Verwaltungsgericht auf die "technische Herrichtung des unterirdischen Bereiches" Bezug nimmt, ist hiermit ersichtlich die Ringdrainage und nicht etwa, wie die Kläger meinen, der Unterboden selbst gemeint. Dies zeigt die zugleich geäußerte Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf die Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die sich ausweislich des Sitzungsprotokolls vom (S. 3) allein auf die Ringdrainage beziehen. Wenn die Kläger nun auch die Beschaffenheit des Unterbodens selbst als - möglicherweise - ungeeignet darstellen, so handelt es sich hierbei um reine Spekulationen, die die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts zur Ringdrainage schon sachlich nicht berühren und daher auch inhaltlich nicht in Frage stellen können.

cc. Entgegen der Auffassung der Kläger folgt eine Unrichtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch nicht aus dem Umstand, dass entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht ein Trennvlies, sondern ein Geogitter bei der Sanierung verwendet worden ist. Denn dadurch wird das - für die Frage der Unrichtigkeit maßgebende - Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung nicht tangiert. Dies folgt aus der seitens der Kläger in Bezug genommenen Abschlussdokumentation der gutachterlichen Sanierungsüberwachung durch die Fa. C., welche deutlich macht, dass Geogitter und Geo(trenn)vlies dieselben Funktionen erfüllen (Punkt 8.2., S. 15). Diese Frage ist für die geschuldete Sanierung damit nicht entscheidungserheblich.

dd. Soweit die Kläger im Übrigen die Unrichtigkeit des Urteils offenbar daraus herleiten wollen, dass entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die plateauartig zu gestaltende Oberschicht nicht hergestellt und der Unterboden nicht frei von Mulden und Senken sei, fehlt es dafür an ausreichenden Anhaltspunkten. Die Kläger tragen vor, der Bericht der Fa. C. treffe hierzu keine Aussagen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Herstellung fehlerhaft ist. Die fünf zum Beleg der Behauptungen vorgelegten Fotografien sind jedenfalls schon deshalb nicht - mehr - aussagekräftig, weil sie offenbar aus dem Jahr 1999 stammen und damit wegen der bis zur erstinstanzlichen Entscheidung durchgeführten weiteren Sanierungsarbeiten nicht die Tatsachenlage wiedergeben, auf deren Grundlage das Verwaltungsgericht entschieden hat. Das gleiche gilt für die gerügte Form der Nachverdichtung.

b. Auch der behauptete Zulassungsgrund des entscheidungserheblichen Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor.

Die Kläger meinen, ein solcher sei in einer unzureichenden Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht zu sehen, welches zur Frage der Funktionsfähigkeit der Drain-Kies-Löcher ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann jedoch grundsätzlich dann nicht geltend gemacht werden, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter erstinstanzlich von einem entsprechenden Beweisantrag abgesehen hat (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., Rn. 13 zu § 124 m.w.N.). So liegt es hier, weil die Prozessbevollmächtigten der Kläger einen solchen Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausweislich der Niederschrift weder unbedingt noch hilfsweise gestellt oder auf einen solchen Bezug genommen haben. Anderes gilt dann nur, wenn sich dem Erstrichter eine Beweisaufnahme offensichtlich aufdrängen musste. Das war vorliegend nicht der Fall, weil zu eben dieser Frage bereits die plausiblen gutachterlichen Aussagen aus dem zuvor durch die Kläger angestrengten selbständigen Beweissicherungsverfahren (VG Osnabrück, Az.: 2 E 01/00) vorlagen. Für das Verwaltungsgericht bestand aufgrund des dort gewonnenen uneingeschränkten Eignungsbefundes und angesichts der diesen nicht substantiiert in Frage stellenden Einwände der Kläger kein Anlass zu einer erneuten sachverständigen Untersuchung. Auch von einer Begutachtung "sozusagen aus dem Stehgreif" kann keine Rede sein, weil der Gutachter ausweislich der gerichtlichen Ladung vom 07.06.2004 zur Erläuterung seines bereits zuvor erstatteten Gutachtens einbestellt worden war (GA Bl. 35, 36).

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