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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.10.2009
Aktenzeichen: 7 LA 94/08
Rechtsgebiete: PBefG


Vorschriften:

PBefG § 8 Abs. 3
PBefG § 13 Abs. 1
PBefG § 13 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel i.S. dieser Vorschrift bestehen, wenn überwiegende Gründe dafür sprechen, dass die vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung im Ergebnis fehlerhaft ist, wenn also der Erfolg einer Berufung wahrscheinlicher ist als ihr Misserfolg. Nach summarischer Prüfung hat der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, so dass eine Zulassung der Berufung aus diesem Grund ausscheidet (vgl. Meyer-Ladewig, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 124 Rn. 26 und 26 p).

Die Kläger greifen das Urteil des Verwaltungsgerichts an, indem sie zum einen geltend machen, dass die Genehmigung verfahrensfehlerhaft erteilt worden sei (dazu a.) und zum anderen das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des §§ 13 Abs. 1, 8 Abs. 3 PBefG bezweifeln (dazu b.) Damit vermögen die Kläger jedoch nicht durchzudringen.

a) Soweit die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die konkrete Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens zu einer Art Versteigerung von Linienverkehrsgenehmigungen führe, indem durch Bekanntgabe der Antragsunterlagen jedes Mitbewerbers eine Nachbesserungsspirale in Gang gesetzt worden sei, die sogar zur Berücksichtigung der erst nach der Erteilung der angefochtenen Genehmigung im Widerspruchsverfahren nachgebesserten Angebote geführt habe, greift dieser Einwand nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die hiermit angesprochene Frage der Rechtmäßigkeit des Genehmigungsverfahrens erwogen und dabei auch die Bedenken einbezogen, die das Niedersächsische Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss v. 15.08.2007 - 7 ME 122/07 - in Anlehnung an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 02.07.2003 - 3 C 46.02 - (BVerwGE 118, 270 <276 >) skizziert hatte. Es hat eine Entscheidung in dieser Frage allerdings dahinstehen lassen und den Klägern in nicht zu beanstandender Weise unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium die Berufung auf die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens verwehrt, weil sie selbst die gewährten Nachbesserungsmöglichkeiten genutzt haben, um noch im Widerspruchsverfahren verbesserte Angebote vorzulegen.

Unabhängig hiervon sprechen nach summarischer Prüfung auch keine überwiegenden Gründe dafür, dass die von der Beklagten gewählte Verfahrensgestaltung rechtswidrig gewesen ist. Das PBefG gibt nur wenige Anhaltspunkte, wie das Verfahren bei Beteiligung konkurrierender Unternehmen auszugestalten ist. Soweit die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (a.a.O.) in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts annimmt, dass Grundregel jedes Ausschreibungsverfahrens im weiteren Sinne sei, dass jeder Anbieter sein Angebot eigenständig und ohne Kenntnis des Angebots der übrigen Bewerber abzugeben habe und "Wettbewerbsverfahren um eine behördliche Konzession ... zwanglos als Ausschreibungsverfahren im weiteren Sinne begriffen werden" können, diente diese Überlegung als Prämisse für die zentrale These des Gerichts, dass zwischen unterschiedlichen Bewerbern Chancengleichheit hinsichtlich des Zugangs zu Informationen herzustellen sei (vgl. dazu noch unter 4. dieses Beschlusses). Doch wird dadurch nicht postuliert, dass die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung stets nur in einer dem Vergabeverfahren ähnlichen Ausgestaltung vorzunehmen sei.

Das Ziel der Regelungen zur Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen, einen Ausgleich zu schaffen zwischen der angestrebten Optimierung einer Sicherstellung des öffentlichen Verkehrsinteresses, welche durch einen Wettbewerb unter den Anbietern gefördert wird, und der im Lichte von Art. 12 GG notwendigen Gewährleistung eines Besitzstandsschutzes für den Konzessionsinhaber (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.10. 2006 - 3 C 33.05 -, BVerwGE 127, 42 <54>), kann durch eine möglichst gleiche Informationsgrundlage aller Antragsteller erreicht werden. Das zeigen nicht zuletzt die Regelung des Anhörungsverfahrens in § 14 Abs. 1 Nr. 1 PBefG zugunsten bestimmter, bereits im Einzugsbereich des beantragten Verkehrs tätiger Unternehmer und das Ausgestaltungsrecht des Altunternehmers gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2c) PBefG. Demgemäß hat die Verwaltungsrechtsprechung es unter Berufung auf das Urteil des BVerwG vom 02. Juli 2003 (a.a.O.) sogar ausdrücklich als ein legitimes Mittel angesehen, wenn zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen und im Sinne der am öffentlichen Verkehrsinteresse orientierten Ziele des § 13 PBefG die Genehmigungsanträge konkurrierender Bewerber wechselseitig übersandt werden (VG Koblenz, Urt. v. 26.01.2006 - 6 K 835/05.KO -, juris S. 8). Dieser Verfahrensgestaltung korrespondierend gibt es auch keine gesetzliche Pflicht zur unveränderten Aufrechterhaltung eines Genehmigungsantrages; vielmehr steht § 12 PBefG der Regel des allgemeinen Verwaltungsrechts nicht entgegen, dass jeder Antragsteller jederzeit bis zur Genehmigung die Möglichkeit besitzt, seinen Antrag zurückzunehmen und nachzubessern (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 22 Rn. 59). Mit der Möglichkeit der Nachbesserung ist dem auf eine optimale Bedienung des öffentlichen Verkehrsinteressen gerichteten Zweck des § 13 PBefG sogar besonders gedient (vgl. BayVGH, Urt. v. 6.3.2008 - 11 B 04.2449 -, GewArch 2008, 307).

Zur Gewährleistung eines nachprüfbar fairen Verfahrens hat die Genehmigungsbehörde allen Antragstellern allerdings einen Stichtag bekanntzugeben, weil es ansonsten mehr oder weniger zufällig wäre, welcher Konkurrent das "letzte" Angebot abgegeben hat. Die Mitteilung der Beklagten vom 31.01.2006, wonach eine Entscheidung über die Konzessionsanträge "bis zum 24.02.2006" getroffen werde, stand ersichtlich im Zusammenhang damit, dass zuvor die Kläger und die Beigeladene die Zurückstellung der Entscheidung bis zum 13.02.2006 beantragt und somit selbst einen Stichtag gesetzt hatten, den die Beklagte nur gleichsam bestätigt hat. Die Mitteilung der Beklagten enthielt deshalb nicht die Bekanntgabe einer Antrags-Ausschlussfrist, sondern eine Entscheidungsfrist. Die Kläger können daher nicht damit gehört werden, die Entscheidung am 16.02.2006 sei verfahrensfehlerhaft, weil sie ihnen die Möglichkeit abgeschnitten habe, weitere Nachbesserungen ihres Antrags bis zum 24.02.2006 einzureichen.

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen darüber hinaus auch nicht vor, soweit der Zulassungsantrag Einwendungen gegen die Beurteilung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 13 Abs. 1, 8 Abs. 3 PBefG geltend macht.

Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und rechtsfehlerfrei begründet, warum die Auswahlentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden ist, bei einem Vergleich der Genehmigungsanträge den Antrag der Beigeladenen als das dem öffentlichen Interesse besser entsprechende Angebot anzusehen. Es hat erkannt, dass der Genehmigungsbehörde bei der Bewertung von Verkehrsbedürfnissen und ihrer befriedigenden Bedienung sowie bei der Gewichtung der öffentlichen Verkehrsinteressen ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.07.1989 - 7 C 39.87 -, BVerwGE 82, 260 <265>; BVerwG, Urt. v. 02.10.1991 - 7 B 59.91 -, NZV 1992, 165; HessVGH, Urt. v. 18.11.2008 - 2 UE 1476/07-, DVBl. 2009, 196) und sie diesen im konkreten Fall mit Blick auf das unterschiedliche Verhältnis von Rufbussen und regulären Fahrangeboten in gerichtlich nicht zu beanstandender Weise ausgefüllt hat. Hierbei hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, dass die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung nicht von der Mitgliedschaft in einem Tarifverbund abhängig gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1977 - VII C 59.74 -, BVerwGE 55, 159 <164 f.>) und den Klägerinnen das dem gewerberechtlichen Grundsatz "bekannt und bewährt" sowie dem Besitzstandsschutz dienende (dazu BVerwG, Urt. v. 19.10.2006 - 3 C 33.05 -, BVerwGE 127, 42 <54>) Altunternehmerprivileg des § 13 Abs. 3 PBefG nicht zugute kommt, da sie die Linien 174 und 175 aufgrund der im Juli 2001 erteilten und bis zum 30.06.2006 geltenden Genehmigung erst ab August 2005, und damit nicht "jahrelang", wie es die Bestimmung erfordert, bedient haben. Darüber hinaus ist der bisherige Unternehmer, wenn er die Wiedererteilung der auslaufenden Linienverkehrsgenehmigung beantragt, auch nicht vorhandener Unternehmer im Sinne des Ausgestaltungsprivilegs nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 c) PBefG (BayVGH, Urt. v. 06.03.2008 - 11 B 04.2449 -, GewArch 2008, 307; Heinze, Personenbeförderungsgesetz, 2007, § 13 Anm. 12, S. 249).

2. Die Rechtssache weist weiter keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Davon ist auszugehen, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers im Zulassungsverfahren nicht oder nicht ohne weiteres beantwortet werden können, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen (Nds. OVG, Urteil v. 31.08.1998 - 1 L 3914/98 -, NdsVBl. 1999, 95). Das ist hier, wie zuvor aufgezeigt, nicht der Fall. Die von den Klägern lediglich in einem Satz ihrer Antragsbegründung behauptete Kompliziertheit des Genehmigungswettbewerbs haftet jeder Linienverkehrsgenehmigung an.

3. Darüber hinaus hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das wäre anzunehmen, wenn in Bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellungen eine unmittelbar aus dem Gesetz nicht beantwortbare, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete konkrete Frage aufgeworfen und erläutert wird, warum diese im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts der obergerichtlichen Klärung bedarf (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31.07.1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 <26>; Nds.OVG, Beschl. v. 1. Februar 2005 - 7 LA 200/04 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 04.08.2006 - 7 LA 115/06, juris). Das ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere in Ansehung der im Zulassungsantrag zentral gerügten Frage nach der Rechtmäßigkeit der bislang praktizierten Verfahrensweise bei der Erteilung Linienverkehrsgenehmigungen bedarf es einer solchen obergerichtlichen Klärung nicht. Denn die Beklagte hat ihre früher geübte Praxis, im Genehmigungswettbewerb allen Bewerbern mehrfache Nachbesserungsmöglichkeiten zu gewähren, nach dem Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 15.08.2007 - 7 ME 122/07 - seit dem 01.02.2008 dahingehend geändert, dass nach Ablaufen des Antragsstichtags und dem Abschluss der Anhörungsphase Modifikationen an einzelnen Anträgen den übrigen Konkurrenten nicht mehr mitgeteilt werden, solange sie nicht endgültig entschieden hat. Nach dem Bewertungsstichtag eingehende Änderungen oder Unterlagen werden nicht mehr beachtet (vgl. Stellungnahme Bl. 185 GA 7 LA 94/08).

4. Soweit schließlich mit Blick auf § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eine Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2003, - 3 C 46.02 - (BVerwGE 118, 270 <276>) behauptet wird, rechtfertigt das nach Auffassung des Senats ebenfalls keine Zulassung der Berufung. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in diesem Urteil über eine auf Auskunftserteilung gerichtete Klage zu entscheiden, mit der im Vorfeld einer Linienverkehrsgenehmigung Informationen über Laufzeiten und Bedingungen der anderen Betreibern erteilten Genehmigungen begehrt wurden. Es hat sich daher zu der Preisgabe von Strategien und Geschäftsgeheimnissen eines Altkonzessionärs im Vorfeld des eigentlichen Wettbewerbs um eine künftige Genehmigung geäußert und es insoweit aus Gründen der Chancengleichheit als unzulässig angesehen, dass Neubewerbern "solche Informationen über Einzelheiten der ablaufenden Genehmigung erteilt würden, denen in einem sich anschließenden Wettbewerb um die künftige Genehmigung keine Informationen entsprechen, welche der Altkonzessionär von dem Neubewerber erfährt oder erfahren müsste." Als Prämisse ist es dabei davon ausgegangen, dass in einem anschließenden Wettbewerb die erforderliche Parität nicht gewährleistet sei, weil "jeder Anbieter sein Angebot eigenständig und ohne Kenntnis des Angebots der übrigen Bewerber abzugeben hat." Zu der vom BVerwG aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 GG und dem Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG abgeleiteten Vorwirkung auf die Gestaltung des behördlichen Verfahrens im Sinne der "Zuerkennung eines Auskunfts- und Informationsanspruch auch für den Zeitraum eines Vor-Verwaltungsverfahrens" (BVerwG, a.a.O., BVerwGE 118, 270 <272>) steht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht im Widerspruch, da dieser ein Sachverhalt zugrunde lag, in dem die Informationsparität gerade durch die gegenseitige Unterbreitung aller Antragsunterlagen sowohl im Anhörungs- als auch im Genehmigungsverfahren gewährleistet gewesen ist. Eine Aussage dahingehend, dass ein Genehmigungsverfahren prinzipiell unzulässig sei, bei dem sämtliche Antragsunterlagen allen Bewerbern kenntlich gemacht werden, trifft das Bundesverwaltungsgericht nicht.

Ende der Entscheidung

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