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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 7 LB 247/02
Rechtsgebiete: HGB, NAbfG 1994


Vorschriften:

HGB § 128
HGB § 159 I
HGB § 161 II
NAbfG 1994 § 35 I
NAbfG 1994 § 31 VI
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Sanierungsverfügung, durch welche die Klägerin verpflichtet wird, fünf mit Schwermetallen kontaminierte Spielplätze und einen ebenso belasteten Teich in einem Wohngebiet zu sanieren.

Das Wohngebiet befindet sich auf dem Gelände einer bis Oktober 1965 betriebenen Papierfabrik in Winsen (Luhe). Deren Betreiberin war zuletzt die Fa. J.H. E. GmbH und Co. KG, die kurz nach dem Verkauf des in ihrem Eigentum befindlichen Betriebsgeländes mit Eintragung vom 24. März 1971 aufgelöst wurde. Zur Abwicklerin wurde am gleichen Tage die B. Finanzgesellschaft mbH bestellt. Diese Gesellschaft war aus einer 1967 erfolgten Umfirmierung der Feinpapierfabrik F. B. jun. GmbH hervorgegangen, welche seit 1957 neben dem 1974 verstorbenen Herrn G. E. persönlich haftende Gesellschafterin der KG gewesen war. Durch Eintragung vom 14. Februar 1973 erfolgte dann die Umwandlung der B. Finanzgesellschaft mbH in die B. Finanz KG. Diese Gesellschaft wurde neue Abwicklerin der Papierfabrik E., deren Firma nach Abwicklung mit Eintragung in das Handelsregister am 26. November 1974 erlosch. Die B. Finanz KG wurde am 6. Februar 1984 in die B. Beteiligungen GmbH, die heutige Klägerin, umgewandelt.

Mit Verfügung vom 4. Dezember 1995 verpflichtete der Beklagte die Klägerin gesamtschuldnerisch mit der Fa. H. zur Sanierung von fünf Kinderspielplätzen, die mit den Ziffern 1a, 1b, 2, 3 und 5 bezeichnet wurden, und eines näher bezeichneten Teiches (Gemarkung Winsen, Flur .., Flurstücke ..., ..., ..., ...). Zur Begründung dieser auf § 35 NAbfG gestützten Verfügung führte der Beklagte an, dass die Spielplätze infolge einer auf den Betrieb der Papierfabrik zurückgehenden Schwermetallbelastung als Altlasten anzusehen seien, von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Der Beklagte ordnete zudem die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an.

Die Klägerin erhob gegen die Verfügung vom 4. Dezember 1995 Widerspruch. Auf ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellte das Verwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 8. Mai 1996 - 7 B 91/95 - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her.

Mit Bescheid vom 23. Juli 1996 ergänzte der Beklagte die Begründung seiner Verfügung vom 4. Dezember 1995 dahingehend, dass die Verursachung der Schwermetallkontamination durch die ehemalige Papierfabrik E. zwischenzeitlich eindeutig durch eine statistische Auswertung der Schwermetallanalyse des Büros für Rohstoff- und Umweltgeologie (BRUG) belegt sei. Es handele sich um eine einheitliche Kontamination. Damit sei ausgeschlossen, dass im Rahmen der Wohnbebauung verschiedenartige und unterschiedlich belastete Böden von außerhalb der Altlast herangeschafft worden seien. Das Belastungsspektrum des großflächig verteilten Auffüllmaterials decke sich mit dem der Produktionsschwerpunkte Röstofen, Kieslagerplatz und Absetzbecken. Mit Hilfe einer alten Flurkarte könne eine betriebseigene Deponie mit einer Ausdehnung von ca. 30 m x 80 m bei einer Höhe von 5 - 8 m nachgewiesen werden, die als Ablagerungsfläche für Produktionsrückstände gedient und für die keine gewerberechtliche oder wasserrechtliche Erlaubnis vorgelegen habe. Die Deponie sei nach der Betriebsstilllegung am 31. Oktober 1965 noch vorhanden gewesen. Das belege ein Schreiben des Wasserwirtschaftsamtes des Beklagten vom 4. November 1965, mit der um Mitteilung gebeten worden sei, ob die auf der Parzelle 256/79 abgelagerten Rückstände inzwischen beseitigt seien. Der größte Teil der Rückstände sei von der H., die das Gelände der Papierfabrik 1970 erworben habe, auf dem Gelände großflächig verteilt worden. Bereits durch die Ablagerung der Produktionsrückstände sei jedoch die Gefahrengrenze unmittelbar überschritten gewesen. Beide Firmen seien daher gesamtschuldnerisch in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin sei als Handlungsstörerin auch deshalb ausgewählt worden, weil ihr durch den Verkauf des Grundstücks als Wohnbauland und durch die kostengünstige Ablagerung der Produktionsrückstände ein beträchtlicher wirtschaftlicher Vorteil zugeflossen sei. Demgegenüber komme es nicht in Betracht, die Stadt Winsen/Luhe wegen der bauplanerischen Ausweisung als allgemeines Wohngebiet in Anspruch zu nehmen. Für ein fehlerhaftes Bebauungsplanverfahren gebe es keine Anhaltspunkte. Die Stadt habe damals von den Bodenverunreinigungen keine Kenntnis haben können und auch keine wirtschaftlichen Vorteile von der Wohnbaulandausweisung gehabt. Auch der Beklagte selbst komme in seiner Eigenschaft als Baugenehmigungsbehörde nicht als Polizeipflichtiger in Betracht, denn er habe von den Produktionsrückständen ebenfalls keine Kenntnis gehabt. Eine Inanspruchnahme der aktuellen Grundstückseigentümer sei mit Blick auf eine effektive Gefahrenabwehr nicht zweckmäßig.

Gegen den Beschluss des VG Lüneburg vom 8. Mai 1996 legte der Beklagte Beschwerde ein, soweit die aufschiebende Wirkung für die Maßnahmen zur Sanierung der Spielplätze Nr. 3 und 5 angeordnet worden war. Mit Beschluss vom 25. August 1997 - 7 M 4750/96 - wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht diese Beschwerde zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1998 stellte die Bezirksregierung Lüneburg das Widerspruchsverfahren ein, soweit sich der Widerspruch auf die Spielplätze 3 und 5 bezogen hatte. Diese Spielplätze seien zwischenzeitlich bereits auf Kosten der Stadt Winsen/Luhe und des Beklagten selbst saniert worden. Im Übrigen wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Bezirksregierung Lüneburg u.a. aus, eine Verjährung der Sanierungsverpflichtung sei nicht anzunehmen. Gegen die Heranziehung der 30jährigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist oder einer kürzeren Verjährungsfrist bei der Altlastsanierung spreche, dass ein besonderes öffentliches Interesse daran bestehe, zum Zwecke der Gefahrenerforschung und -abwehr von einer ordnungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage Gebrauch machen zu können. Wenn der Verursacher einer Altlast nur wegen Zeitablaufs nicht mehr herangezogen werden könne, ginge dies zu Lasten des Zustandsstörers oder der öffentlichen Hand, also der Allgemeinheit, und würde eine vom Verursachungsprinzip abweichende Risikoverteilung darstellen.

Die Klägerin hat am 5. Juni 1998 Klage erhoben und zur Begründung insbesondere auf ihre bereits im Aussetzungsverfahren geäußerte Rechtsauffassung verwiesen, nach der weder eine konkrete Gefahrenlage bestehe, noch sie als Rechtsnachfolgerin der Komplementärin der KG in Anspruch genommen werden könne. Zudem sei die Sanierungsverfügung mit Blick auf das Auswahlermessen fehlerhaft. Die Sanierungsanordnung belaste sie auch noch, soweit bereits eine Sanierung erfolgt sei, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beklagte versuchen werde, die angefallenen Sanierungskosten beizutreiben.

In der mündlichen Verhandlung am 20. Dezember 2000 hat der Vertreter des Beklagten erklärt, der Beklagte werde aus dem Bescheid vom 4. Dezember 1995, soweit dieser die Spielplätze 1 a, 1 b und den Teich betreffe, gegenüber der Klägerin keine rechtlichen Folgen mehr ziehen, insbesondere keine Kosten der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen geltend machen, und ergänzt: "Hinsichtlich der Spielplätze 3 und 5 beziehe ich mich auf den Widerspruchsbescheid, in dem das Widerspruchsverfahren insoweit eingestellt worden ist." Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt, als in dem angefochtenen Beschied Sanierungsmaßnahmen für die Spielplätze 1 a, 1 b und den Teich angeordnet worden waren. Die Parteien haben ferner das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit noch eine Kostenschätzung für eine Ersatzvornahme von mehr als 20.000,-- DM vorlag. Diese Schätzung bezieht sich jetzt nur noch auf den Spielplatz 2.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 1995 in der Fassung des Bescheides vom 23. Juli 1996 sowie in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. Mai 1998 aufzuheben, soweit nicht die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist,

hilfsweise für den Fall, dass durch den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. Mai 1998 teilweise Erledigung, nämlich hinsichtlich der Spielplätze 3 und 5, eingetreten ist, festzustellen, dass der Bescheid vom 4. Dezember 1995 insoweit rechtswidrig war.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht geäußert, das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe sich in seinem Beschluss vom 25. August 1997 - 7 M 4750/96 - mit der Frage der Fälligkeit einer Forderung nicht gründlich genug befasst. Die Forderung, eine Gefahr zu beseitigen, entstehe nicht bereits mit der Handlungspflicht, sondern erst nach Konkretisierung durch Verwaltungsakt.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2000 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und ausgeführt, die Hauptsache habe sich aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten nur hinsichtlich der Spielplätze 1a und 1b und des Teiches und soweit erledigt, als eine Kostenschätzung für eine Ersatzvornahme von mehr als 20.000 DM vorgelegen habe. Hingegen sei die Hauptsache hinsichtlich der auf die Spielplätze 3 und 5 bezogenen Teile der Sanierungsverfügung nicht erledigt. Zwar habe der Beklagte diese Spielplätze bereits auf eigene Kosten saniert, doch bedeute dies nicht, dass er die Klägerin nicht noch wegen der Kosten der Ersatzvornahme in Anspruch nehmen könne. Er habe nicht erklärt, dass er das auf jeden Fall unterlassen oder auf einen solchen Anspruch verzichten werde. Der Hauptantrag habe vollumfänglich Erfolg, da die Sanierungsverfügung vom 4. Dezember 1995 rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Die Klägerin könne zwar grundsätzlich gemäß §§ 161 Abs. 2, 128 HGB als Rechtsnachfolgerin der Komplementärin der GmbH und Co. KG, die die Papierfabrik betrieben hat, zur Sanierung herangezogen werden, doch könne sie sich vorliegend auf den Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 159 Abs. 1 HGB berufen.

Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts führt der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung und trägt vor, die Klage sei mit Blick auf die Spielplätze 3 und 5 bereits unzulässig, weil nach deren Sanierung eine rechtliche Möglichkeit, die Klägerin auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten in Anspruch zu nehmen, nicht mehr bestehe. Die Sanierung sei ohne eine bestandskräftige oder vollziehbare Grundverfügung ausgeführt worden, weshalb der Beklagte die Klägerin nur noch als sanierungspflichtig für den Spielplatz 2 ansehe. Einen ausdrücklichen Verzicht auf Kostenerstattung oder Erledigungserklärungen habe der Beklagte nur angesichts des damit verbundenen Kostenrisikos vermieden. Im Übrigen sei die Annahme einer Verjährung gemäß § 159 HGB fehlerhaft, da die Haftung eines Handlungsstörers keiner Verjährung unterfalle und selbst dann, wenn man dies annehmen wolle, für das Recht der Gefahrenabwehr in Anlehnung an das Schadensersatz- und Deliktsrecht eine "Fälligkeit" keinesfalls vor Kenntnis der Behörden von Art und Umfang der Gefahr eintreten könne. Vorliegend könne der Beginn der Verjährung daher frühestens ab dem Erstellen der Sanierungskonzeption am 5. November 1995 angenommen werden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 20. Dezember 2000 - 7 A 66/98 - abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Sanierungsverfügung vom 04. Dezember 1995 in der Fassung des Bescheids vom 23. Juli 1996 und des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Lüneburg vom 04. Mai 1998 die Spielplätze 2, 3 und 5 betrifft.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die Erwägungen des Verwaltungsgerichts als zutreffend und ist der Auffassung, die Sanierungsanordnung bezüglich der Spielplätze 3 und 5 belaste sie trotz vorprozessualer Durchführung der Sanierung weiterhin, weil schon der Rechtsschein, rechtmäßig zur Sanierung verpflichtet worden zu sein, eine Beschwer bilde und darüber hinaus auch weiterhin eine mögliche Inanspruchnahme für die Sanierungskosten drohe. Im Übrigen sei nach allen in Betracht kommenden Verjährungsfristen eine Verjährung eingetreten. Insbesondere wenn der Anspruch erst nach der Betriebsstilllegung 1965 entstanden sein sollte, handele es sich nicht mehr um einen nachhaftungsfähigen Anspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht vollumfänglich stattgegeben, soweit nicht die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Die Klage ist im Hauptantrag hinsichtlich der Spielplätze 3 und 5 bereits unzulässig (I. 1.), im Übrigen aber zulässig und begründet (I. 2.). Der hilfsweise erhobene Feststellungsantrag hinsichtlich der Spielplätze 3 und 5 ist unzulässig (II.).

I. Dem Hauptantrag ist nur teilweise stattzugeben.

1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Anfechtungsklage ist, soweit sie sich auf diejenigen Teile der Verfügung vom 4. Dezember 1995 bezieht, die die Spielplätze 3 und 5 betreffen, unzulässig, weil sich die Sanierungsverfügung insoweit bereits vor Klageerhebung erledigt hat.

Die an den Kläger gerichtete Sicherungs- und Sanierungsanordnung hat sich mit der tatsächlichen Durchführung der Sanierung durch den Beklagten im Jahre 1997 erledigt. Zwar tritt eine Erledigung nicht ein, wenn der Verwaltungsakt als causa des durch den Vollzug geschaffenen Zustandes fortwirkt. Der Vollzug eines Verwaltungsaktes erschöpft die Grundverfügung insoweit regelmäßig allein hinsichtlich der Handlungspflicht, doch wirkt der Verwaltungsakt als tragende Grundlage der Verwaltungsvollstreckung fort und berechtigt die Behörde, Kostenerstattung zu verlangen (VGH BW, Urt. v. 08.02.1993 - 8 S 515/97 -, VBlBW 1993, 298 <300>); Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 Rn. 102, 104; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl. 2004, Rn. 318; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 5. Aufl. 2003, § 18 Rn. 61). Wenn aber in einer solchen Konstellation die Möglichkeit, dass der Verwaltungsakt rechtlich als causa für einen späteren Kostenerstattungsanspruch dienen kann, entfällt, ist Erledigung anzunehmen.

So ist es hier. Die Sicherungs- und Sanierungsanordnung des Beklagten vom 04. Dezember 1995 in der Fassung vom 23. Juli 1996 ist keine taugliche Basis für einen gegen die Klägerin gerichteten Anspruch auf Erstattung der bei der Sanierung der Spielplätze 3 und 5 angefallenen Kosten. Die Sanierung dieser Spielplätze erfolgte, ohne dass die Voraussetzungen für eine Ersatzvornahme vorgelegen haben. Eine Ersatzvornahme wäre mangels einer bestandskräftigen oder vollziehbaren Grundverfügung zum Zeitpunkt der Sanierung rechtswidrig gewesen und hätte insoweit keine taugliche Basis für einen Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten geboten. Gegen die Verfügung vom 4. Dezember 1995 hatte die Klägerin Widerspruch eingelegt, über den zum Zeitpunkt der Sanierung noch nicht entschieden war. Diesem Widerspruch kam nach den Beschlüssen des VG Lüneburg vom 8. Mai 1996 und des OVG Lüneburg vom 25. August 1997 aufschiebende Wirkung zu. Durch die Vollziehung des auf Sanierung gerichteten Verwaltungsakts, ohne dass die Voraussetzungen des § 64 NGefAG - zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides in der Fassung vom 20. Februar 1998 (Nds. GVBl. S. 101) - vorgelegen haben, ist es dem Beklagten unmöglich geworden, die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt zu verpflichten, die Kosten der rechtswidrigen Ersatzvornahme zu tragen. Anhaltspunkte für eine besondere Dringlichkeit, die einen Sofortvollzug nach § 64 Abs. 2 NGefAG hätten rechtfertigen können, sind insbesondere unter Berücksichtigung der Wertung, die den vorgenannten verwaltungsgerichtlichen Beschlüssen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde liegt, nicht ersichtlich.

2. Soweit die Klage im Übrigen zulässig ist, ist sie auch begründet. Die Sanierungsverfügung hinsichtlich des Spielplatzes 2 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist § 35 Abs. 1 des Niedersächsischen Abfallgesetzes (NAbfG), das zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides in der Fassung vom 14. Oktober 1994 (Nds. GVBl. S. 467) mit damals letzter Änderung durch das Gesetz vom 17. Dezember 1997 (Nds. GVBl. S. 539) galt. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde die Maßnahmen zur Sicherung oder Sanierung anordnen, die erforderlich sind, um eine von einer Altlast ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.

Die Beklagte kann eine solche auf § 35 NAbfG gestützte Sanierungsverfügung aber nicht gegen die Klägerin richten. Diese Bestimmung sagt selbst nichts darüber aus, wer Adressat sein kann. Zur Klärung dieser Frage war daher ursprünglich gemäß der allgemeinen Regel in § 45 Abs. 2 NAbfG das Niedersächsische Gefahrenabwehrgesetz ergänzend anzuwenden. Mit dem Änderungsgesetz vom 17. Dezember 1997 (Nds. GVBl. S. 539), also noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 1998, ist allerdings in § 31 Abs. 6 NAbfG eine Begriffsbestimmung der "verantwortlichen Person" in den Gesetzestext eingefügt worden, die für den gesamten sechsten Teil des NAbfG Geltung beansprucht und den Kreis der möglichen Adressaten einer Sanierungsverfügung gegenüber der Rechtslage nach dem NGefAG deutlich erweitert hat. Nach dieser Vorschrift sind verantwortliche Personen diejenigen, die nach § 6 oder § 7 Abs. 1 oder 2 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes verantwortlich sind, Personen, die in der Zeit, in der die in den Absätzen 1 und 2 genannten Stoffe auf das Grundstück gelangt sein konnten, das Eigentum an dem Grundstück oder die tatsächliche Gewalt innehatten, es sei denn, dass sie die Altlast weder verursacht noch mitverursacht haben, Personen, die in der in Nummer 2 genannten Zeit kraft Gesellschaftsrechts oder Vertrages auf die Willensbildung einer nach Nummer 1 oder 2 verantwortlichen juristischen Person entscheidenden Einfluss hatten, und Gesamtrechtsnachfolger von Personen, die nach § 6 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes oder nach Nummer 2 oder 3 verantwortlich waren.

Die Klägerin ist nach keiner dieser Varianten als verantwortliche Person anzusehen.

a) Sie kann nicht gemäß § 31 Abs. 6 Nr. 1 NAbfG i.V.m. § 6 NGefAG als Verhaltensstörerin zur Sanierung herangezogen werden, da die Klägerin die von der Altlast ausgehende Gefahr nicht durch eigenes Verhalten verursacht hat. Die Papierfabrik wurde durch die E. GmbH & Co. KG betrieben. Die Klägerin ist darüber hinaus weder aktuelle Zustandsstörerin im Sinne des § 31 Abs. 6 Nr. 1 NAbfG i.V.m. § 7 Abs. 1, Abs. 2 NGefAG noch frühere Zustandsstörerin gemäß § 31 Abs. 6 Nr. 2 NAbfG. Auch eine Verantwortlichkeit der Klägerin nach § 31 Abs. 6 Nr. 3 NAbfG scheidet bereits deshalb aus, weil sie selbst zu keinem Zeitpunkt auf die Willensbildung der möglicherweise nach den Nummern 1 oder 2 des § 31 Abs. 6 NAbfG verantwortlichen Papierfabrik einen gesellschaftsrechtlichen oder vertraglichen Einfluss ausgeübt hat. Die Klägerin ist lediglich Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Komplementärin der E. GmbH & Co. KG.

b) Die Klägerin ist auch keine "verantwortliche Person" im Sinne des § 31 Abs. 6 Nr. 4 NAbfG.

aa) Zwar hat der Senat bereits mehrfach die grundsätzliche Möglichkeit einer Gesamtrechtsnachfolge auch in lediglich "abstrakte" Polizeipflichten bejaht (Nds. OVG, Beschl. v. 07.01.1993 - 7 M 5684/92 -, NJW 1993, 1671; Beschl. v. 7.03.1997 - 7 M 3628/96; Beschl. v. 25.08.1997 - 7 M 4750/96), doch ist, soweit eine Ausgangsverantwortlichkeit der Papierfabrik Eppen GmbH und Co. KG für die schadstoffhaltigen Betriebsrückstände nach § 6 NGefAG oder nach § 31 Abs. 6 Nr. 2 NAbfG in Betracht kommt, zu beachten, dass die Klägerin nicht Gesamtrechtsnachfolgerin dieser KG, sondern nur Gesamtrechtsnachfolgerin der ehemaligen Komplementärin dieser KG ist. Dieser Umstand ist rechtlich beachtlich, denn die Verantwortlichkeit gemäß § 6 NGefAG oder gemäß § 31 Abs. 6 Nr. 2 NAbfG, an die § 31 Abs. 6 Nr. 4 NAbfG anknüpft, trifft alleine die KG, nicht deren Komplementärin. Kommanditgesellschaften sind vom Gesetzgeber für die Teilnahme am Rechtsverkehr rechtlich verselbständigt worden und können auch als Adressaten einer Polizeiverfügung in Anspruch genommen werden (VGH BW, Beschl. v. 06.10.1995 - 10 S 1389/95 -, GewArch 1996, 36 <37>; OVG NRW, Urt. v. 06.09.1993 - 11 A 694/90 -, OVGE 43, 152 <155>; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Auflage 2001, Rn. 210; Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2004, Rn. 487). Ihnen wird das Verhalten ihrer verfassungsmäßigen Vertreter zugerechnet. Eine Einstandspflicht ihrer Gesellschafter sehen die Regeln des NGefAG hingegen nicht vor.

bb) Selbst wenn man darüber hinausgehend unter Rückgriff auf die Regeln des HGB auch eine gefahrenabwehrrechtlich relevante akzessorische Handlungsstörerschaft des Komplementärs einer verhaltensverantwortlichen Kommanditgesellschaft annehmen wollte, hätte dies nicht zur Folge, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Komplementärin der E. GmbH und Co. KG vorliegend als "verantwortliche Person" im Sinne des § 31 Abs. 6 Nr. 4 AbfG anzusehen wäre.

Gemäß §§ 128, 161 Abs. 2 HGB haften die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft den Gläubigern gegenüber persönlich und gesamtschuldnerisch für die "Verbindlichkeiten der Gesellschaft". Ob diese Bestimmung herangezogen werden kann, um den Kreis der polizeirechtlich Verantwortlichen über die im NGefAG genannten Fallgruppen hinaus im Wege der akzessorischen Haftung zu erweitern, erscheint dem Senat zweifelhaft. Zwar ist es zutreffend, dass die Kommentarliteratur unter "Verbindlichkeiten" im Sinne des § 128 HGB alle Verpflichtungen versteht, gleichgültig welchen Inhalts und auf welcher Rechtsgrundlage sie beruhen, mithin auch solche, die im öffentlichen Recht wurzeln (Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl. 2003, § 128 Rn. 2 - vgl. auch § 160 HGB: "öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten"). Gedacht ist dabei aber wohl an vermögensrechtliche Verbindlichkeiten wie die Steuer- oder Gebührenschuld oder sozialversicherungsrechtliche Beitragsschulden (vgl. BSG, Urt. v. 26.6.1975 - 3/12 RK 1/74 -, BSGE 40, 96 <98 f.>). Darüber hinaus spricht § 128 HGB davon, dass die akzessorische Haftung gegenüber "den Gläubigern" besteht. Der Vorstellung, die abstrakte polizeirechtliche Verantwortlichkeit könne Ausfluss einer Rechtsbeziehung sein, in der die Ordnungsbehörde als Gläubiger auftritt, hat sich der Senat in der Vergangenheit aber verschlossen, weil die materielle Polizeipflichtigkeit nicht aus einem zweiseitigen Schuldverhältnis des Polizeipflichtigen gegenüber der zuständigen Behörde resultiert und auch nicht gegenüber einem bestimmten Rechtssubjekt als Gläubiger besteht, sondern gegenüber der Allgemeinheit (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 07.01.1993 - 7 M 5684/92 -, NJW 1993, 1671; Nds. OVG, Urt. v. 20.03.1997 - 7 L 2062/95 -, NJW 1998, 398 <399>; Urt. v. 21.04.2004 - 7 LC 98/02 -, NuR 2004, 684 <686>; Urt. v. 21.04.2004 - 7 LC 97/02 -, NdsVBl. 2004, 305 <307>).

Ob diese Bedenken einen Rückgriff auf die §§ 128, 161 Abs. 2 HGB ausschließen, braucht vorliegend aber nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn man es zulassen würde, den Kreis der polizeirechtlich Verantwortlichen über die "Brücke" der §§ 128, 161 Abs. 2 HGB auf persönlich haftende Gesellschafter zu erweitern, kann diese Erweiterung in Anlehnung an das Gesellschaftsrecht nur so weit reichen, wie es das Gesellschaftsrecht selbst zulässt. Eine solche Gesellschafterhaftung gemäß §§ 128, 161 Abs. 2 HGB hätte vorliegend jedoch nur bis zum 24. März 1976 bestanden. Nach § 159 Abs. 1 HGB verjähren Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus § 128 HGB spätestens fünf Jahre nach der Auflösung der Gesellschaft, beginnend mit dem Ende des Tages, an welchem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird (§ 159 Abs. 2 HGB). Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass die materielle Polizeipflichtigkeit selbst keiner Verjährung unterliegt, sondern erst mit dem Tode der natürlichen oder dem Erlöschen der juristischen Person endet (vgl. Nds.OVG, Urt. v. 21.04.2004 - 7 LC 98/02 -, NuR 2004, 684 <686>; Beschl. v. 04.07.1997 - 7 M 4525/96; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl. 2001, Rn. 216: "Ewigkeitshaftung"). Im Gegenteil, die Regeln über die Nachhaftung knüpfen ihrerseits tatbestandlich erst an das Erlöschen der handlungsverantwortlichen Personengesellschaft an. Die Auflösung der Gesellschaft gemäß §§ 161 Abs. 2, 143 HGB wurde am 24. März 1971, also bereits lange vor dem Erlass der angegriffenen Sanierungsverfügung vom 4. Dezember 1995, in das Handelsregister eingetragen. Selbst wenn man mit einer Literaturansicht (K. Schmidt, ZHR 152 <1988>, 105 <116 ff.>) bei § 159 Abs. 1 HGB entgegen dem Wortlaut nicht auf die Auflösung (§ 143 HGB), sondern die Vollbeendigung (§ 157 HGB) der Gesellschaft abstellen will, wäre vorliegend die Fünfjahresfrist vor diesem Zeitpunkt, nämlich am 26.11.1979, abgelaufen. Ein zeitliches Aufschieben der Verantwortlichkeit unter den Voraussetzungen des § 159 Abs. 3 HGB ist nicht denkbar. Diese Vorschrift lässt sich auf die abstrakte Polizeipflicht, die mit der Verursachung der Gefahr unmittelbar kraft Gesetzes entsteht, nicht - auch nicht entsprechend - anwenden.

cc) Schließlich ist die Klägerin auch nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin einer nach § 31 Abs. 6 Nr. 3 NAbfG verantwortlichen Person ihrerseits zu einer "verantwortlichen Person" im Sinne des § 31 Abs. 6 Nr. 4 NAbfG geworden. Zwar ist die Klägerin Gesamtrechtsnachfolgerin der ehemaligen Komplementär-GmbH der J. H. E. GmbH und Co KG, doch verlangt § 31 Abs. 6 Nr. 3 NAbfG einen entscheidenden Einfluss auf die Willensbildung einer nach Nummer 1 oder 2 verantwortlichen "juristischen Person". Die J.H. E. GmbH und Co. KG ist als Personengesellschaft hingegen vom Rechtsbegriff der "juristischen Person" nicht umfasst. Wenn Gesetze neben juristischen Personen auch Personenhandelsgesellschaften erfassen wollen, verwendet die Rechtssprache üblicherweise einen klärenden Zusatz (z.B. "juristische Personen und Personenvereinigungen" in § 22 Abs. 3 NGO). Anhaltspunkte, dass der Rechtsbegriff der "juristischen Person" im Kontext des § 31 Abs. 6 Nr. 3 NAbfG abweichend vom ansonsten üblichen juristischen Sprachgebrauch verstanden werden muss, sind nicht ersichtlich. Insbesondere werden auch in der Gesetzesbegründung (LT-Dr. 13/2930, S. 28 f.) als Beispiele für § 31 Abs. 6 Nr. 3 NAbfG nur die Fälle gesellschaftsrechtlicher Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung von Kapitalgesellschaften oder qualifizierter Konzernabhängigkeit genannt, die auf Personengesellschaften nicht passen.

II. Soweit sich der Verwaltungsakt mit Blick auf die Sanierung der Spielplätze 3 und 5 teilweise erledigt hat, ist auch die mit dem Hilfsantrag verfolgte Fortsetzungsfeststellung unzulässig. Zwar wird die Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auch dann zugelassen, wenn die Erledigung - wie hier - bereits vor Klageerhebung eingetreten ist (BVerwG, Urt. v. 28.02.1961 - 1 C 54/57 -, BVerwGE 12, 87 <90>; Urt. v. 20.01.1989 - 8 C 30/87 -, BVerwGE 81, 226 <227>, enger nun BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7/98 -, NVwZ 2000, 63 f.), doch kann die Klägerin vorliegend kein besonderes Feststellungsinteresse mehr geltend machen. Eine Klärung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist unter dem Gesichtspunkt einer Präjudizialität weder für spätere Entschädigungsprozesse - sofern man ein Feststellungsinteresse aus diesem Gesichtspunkt bei Erledigung vor Klageerhebung überhaupt anerkennen will (vgl. ablehnend BVerwG, Urt. v. 20.01.1989 - 8 C 30/87 -, BVerwGE 81, 226 <227>; Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7/98 -, NVwZ 2000, 63 f.) - erforderlich, noch soweit die Klägerin befürchtet, zur Tragung der Kosten für die Altlastenerkundung und Gefährdungsabschätzung herangezogen zu werden, denn in diesem Fall wäre der Bescheid auf eine andere Ermächtigungsgrundlage, nämlich § 33 Abs. 2 NAbfG, zu stützen. Auch ist bei vernünftiger Würdigung der vorliegenden Verhältnisse eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung oder das von der Klägerin behauptete Rehabilitationsinteresse nicht anzuerkennen. Allein die - unterstellte - Rechtswidrigkeit der Sanierungsverfügung vermag noch keine diskriminierende Wirkung für die Klägerin zu begründen. Auch besteht mit Blick auf eine erneute, auf die Spielplätze 3 und 5 bezogene Sanierungsverfügung keine Wiederholungsgefahr.

Ende der Entscheidung

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