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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 19.12.2002
Aktenzeichen: 7 LB 3372/01
Rechtsgebiete: NDG
Vorschriften:
NDG 2 | |
NDG 29 I 1 | |
NDG 3 II | |
NDG 6 I | |
NDG 6 II | |
NDG 9 I | |
NDG 9 II |
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zahlung von Deichverbandsbeiträgen für die Kalenderjahre 1995 bis 1997.
Sie ist Eigentümerin verschiedener Flurstücke in der Gemarkung {E.} im Zuständigkeitsbereich des beklagten Verbandes. Dieser zog sie zunächst mit einheitlichem Veranlagungsbescheid vom 5. Februar 1998, der sich auch auf Grundstücke im Eigentum der Kinder und des Bruders der Klägerin bezog, zu Deichverbandsbeiträgen für die genannten Kalenderjahre heran. Die nach Erlass des Widerspruchsbescheides erhobene Klage erledigte sich, nachdem der Beklagte den angegriffenen Bescheid aufgehoben hatte. Dieser erließ sodann im September 1999 für den Grundbesitz der Klägerin erneut Veranlagungsbescheide für den genannten Zeitraum, und zwar nunmehr gesondert mit Bescheid vom 17. September 1999 für das Kalenderjahr 1995 über einen Betrag in Höhe von 17,45 DM, mit Bescheid vom 17. September 1999 für das Kalenderjahr 1996 über einen Betrag in Höhe von 13,10 DM und mit Bescheid vom 16. September 1999 für das Kalenderjahr 1997 über einen Betrag in Höhe von 21,35 DM.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin fristgerecht und unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen in dem erledigten Klageverfahren Widerspruch ein. Insbesondere machte sie geltend, dass die Verordnung der Bezirksregierung {F.} vom 20. März 1995, mit der die Grenze des durch das {G.} und den {H.} geschützten Gebietes im Bereich des Beklagten bestimmt und die jeweilige Grenze zwischen dem Beklagten und dem {I.} IV sowie dem {J.}II festgelegt worden war, fehlerhaft sei. Der Beklagte wies die Widersprüche mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 18. November 1999, der sich zudem auf die Widersprüche bezog, die die Klägerin für ihre Kinder gegen die diese betreffenden Veranlagungsbescheide eingelegt hatte, als unbegründet zurück. Zur Begründung heißt es: Die veranlagten Grundstücke lägen in dem durch Verordnung der oberen Deichbehörde geschützten Gebiet des {K.} III. Bei der Bestimmung der Grenzen des geschützten Gebietes seien die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt worden. Die rückwärtige Grenze bilde der maßgebliche Sturmflutwasserstand vom 3. Januar 1976 mit NN + 6 m. Die Grundstücke der Klägerin würden durch das Sperrwerk und die {L.} geschützt. Außerdem gingen von den Grundstücken durch das Einleiten von Oberflächenwasser und der geklärten Abwässer in die {M.} schädigende Einwirkungen auf das Verbandsgebiet aus, weil die zusätzlich anfallenden Wasser schadlos zwischen den Deichen abgeführt werden müssten und die hinter den Deichen liegenden Grundstückseigentümer einen Anspruch auf Hochwasserschutz hätten. Ein besonderer Härtefall gemäß § 28 Abs. 6 WVG sei nicht gegeben.
Die Klägerin hat am 26. November 1999 Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen: Die der Verordnung vom 20. März 1995 zugrunde liegende 6 m-Höhenlinie könne nicht für die Bestimmung des geschützten Gebietes herangezogen werden. Diese Höhenlinie, die sich an dem höchsten Sturmflutwasserstand am Ostesperrwerk orientiere, sei bezogen auf das Gebiet des Beklagten fehlerhaft, weil angesichts der Entfernung zwischen dem Ostesperrwerk und Bremervörde von etwa 75 km ausgeschlossen sei, dass eine Sturmflutwelle diesen Ort und das Gebiet des beklagten Verbandes erreichen könne. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die vom Beklagten zu unterhaltenden Deiche eine Höhe von nicht mehr als 4 m aufwiesen und in den Bereichen {N.} und {O.} teilweise nur eine Höhe von 2,50 m hätten. Soweit sich das geschützte Gebiet auch auf Bereiche südlich der Stadt Bremervörde erstrecke, sei dies schon deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte osteaufwärts des Wehres keine Deichanlagen unterhalte. Demgemäß führe er dort auch keine Unterhaltungsarbeiten aus. Dort gelegene Flächen hätten deshalb auch keinen die Beitragserhebung rechtfertigenden Vorteil. Mit der Einleitung von Abwässern, die der Beklagte als "nachteilige Einwirkungen auf das Verbandsgebiet" werte, lasse sich eine Beitragsverpflichtung nicht begründen, denn dann hätten auch alle höher als 6 m liegende Ortsteile von {E.} (ohne Insellage) veranlagt werden müssen, was indessen nicht geschehen sei. Zudem würden von ihren - der Klägerin gehörenden - Grundstücken keine Abwässer in die {M.} eingeleitet. Es seien ausnahmslos unbebaute und weitgehend landwirtschaftlich oder als Grabeland genutzte Parzellen; der Rest sei Brache. Schmutzwasser falle dort nicht an, das Regenwasser versickere. Hiervon abgesehen sei auch die Verordnung der Bezirksregierung {F.} vom 11. Juli 1995, mit der unter anderem die {L.} als Hauptdeiche gewidmet worden seien, rechtsfehlerhaft. Die Höhe und Bauweise dieser Deiche, insbesondere der steile Böschungswinkel, sprächen dafür, dass es sich um Hochwasserdeiche handele. Diese sollten nicht vor einer Sturmflut schützen, sondern vor ablaufendem und aufgestautem Oberflächenwasser. Die Stadt {E.} sei in der Vergangenheit und unabhängig von der Existenz des {P.} niemals, auch nicht anlässlich großer Sturmfluten, von einer Flutwelle erreicht worden. Der als kritisch angesehene Wasserstand bei {E.} von + 3,20 m NN sei niemals überschritten worden. Der Beklagte verkenne ferner, dass die Höhe der Beiträge nach dem jeweiligen Vorteil zu differenzieren sei. Stattdessen sei bei einer Grundstückslage unter 6 m stets der volle Beitragssatz zu entrichten, nur über 6 m Höhe in Insellagen fordere der Beklagte die Hälfte. Er differenziere aber nicht danach, ob die Grundstücke an der {Q.} oder {R.}, im Tidebereich oder außerhalb lägen und durch Deiche überhaupt geschützt würden. So befänden sich die in der Flur 40 in voller Höhe veranlagten Grundstücke südlich des {S.}, also im Überschwemmungsgebiet der {Q.}, wo es überhaupt keine Deiche gebe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 17. September 1999 für das Kalenderjahr 1995, Rechnungs-Nr. 15837/90917515, seinen Heranziehungsbescheid vom 17. September 1999 für das Kalenderjahr 1996, Rechnungs-Nr. 15837/90917176, seinen Heranziehungsbescheid vom 16. September 1999 für das Kalenderjahr 1997, Rechnungs-Nr. 15837/90916007, sowie den Widerspruchsbescheid vom 18. November 1999, soweit er die genannten Bescheide betrifft, aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, dass die von ihm zu unterhaltenden Deiche bis zur Inbetriebnahme des {P.} Hauptdeiche gewesen seien, weil sie vor dem 1. April 1963 ein Gebiet vor Sturmflut und Hochwasser geschützt und unter staatlicher Schau gestanden hätten. Diesen Charakter hätten die Deiche behalten, wie sich daraus ergebe, dass sie mit Geldern des Bundes und des Landes aus Küstenschutzmitteln erhöht und verstärkt worden seien. Finanzmittel für den Ausbau von Hochwasserdeichen seien nicht verwandt worden. Die Verordnung über die Bestimmung des geschützten Gebietes sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit sei maßgebend, dass die {L.} im Zusammenwirken mit dem {G.} einen ausreichenden Hochwasserschutz böten. Der Vorteil der Grundstückseigentümer bestehe auch darin, dass es zu den Aufgaben des Verbandes gehöre, das anfallende Oberflächenwasser schadlos abzuführen. Der Kreis der Verpflichteten dürfe zur Vermeidung unbilliger Härten nicht zu eng bemessen werden. Insoweit und für die Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen schon zum Schutz der Bevölkerung vor Hochwasser geeignet und erforderlich seien, stehe dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum zu. Es treffe nicht zu, dass alle innerhalb des Verbandsgebiets gelegenen Parzellen mit den höchstzulässigen Beiträgen belastet würden. Namentlich die sogenannten Insellagen, also Grundstücke, die über 6 m NN lägen, würden nur mit 50 % veranlagt.
Mit Urteil vom 29. September 2000 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die der Heranziehung zugrunde liegenden Verordnungen der Bezirksregierung {F.} seien unwirksam, so dass sie als Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide nicht tragfähig seien. Die Verordnung vom 11. Juli 1995, mit der die {L.} als Hauptdeiche gewidmet worden seien, sei fehlerhaft. Der {H.} sei jedenfalls im Bereich des Beklagten zwischen dem Wehr in {E.} und - linksseitig - der Kreisgrenze zwischen den früheren Landkreisen {E.} und {T.} bzw. - rechtsseitig - der Kreisgrenze zwischen dem früheren Landkreis {E.} und dem Landkreis {U.} nicht als Hauptdeich, sondern als Hochwasserdeich anzusehen. Die Widmung als Hauptdeich berücksichtige nicht die Inbetriebnahme des {P.} am 15. Oktober 1968. Seither seien die {L.} einer Sturmflut nicht mehr ausgesetzt. Das Sperrwerk habe ihnen damit die Aufgabe des Sturmflutschutzes abgenommen. Eine fortbestehende "überwiegende Bedeutung" im Sinne des § 29 Abs. 1 NDG für den Sturmflutschutz könne insbesondere nicht daraus hergeleitet werden, dass die Tide im Normalfall durch das {G.} in die {M.} ein- und ausschwinge, denn dieser "Normalfall" beinhalte gerade nicht den Fall einer Sturmflut. Für diesen gehe auch die Bezirksregierung davon aus, dass das Sperrwerk so rechtzeitig geschlossen werde, dass dahinter ein ausreichender Stauraum zur Verfügung stehe. Wenn demnach die Deiche vor dem ablaufenden und aufgestauten {M.}- bzw. Oberflächenwasser schützten, handele es sich nicht um Haupt-, sondern um Hochwasserdeiche. Auf die Frage, wie der Erhalt und der Ausbau der {L.} in der Vergangenheit finanziert worden seien, komme es nicht an, weil daraus keine verbindlichen Schlussfolgerungen über den Rechtscharakter der Deiche gezogen werden könnten. Seien die {L.} ihrer Natur nach keine Hauptdeiche, so sei die Bezirksregierung durch § 20 NDG verpflichtet, dem Rechnung zu tragen und eine Widmung als Hochwasserdeiche auszusprechen. Ein Ermessen bestehe insoweit nicht. Die fehlerhafte Einstufung der Deiche schlage auf die Satzung des Beklagten und damit auf die streitige Heranziehung durch. Gemäß § 6 Abs. 1 NDG seien die Eigentümer der im geschützten Gebiet liegenden Grundflächen deichpflichtig. Die Grenzen dieses Gebietes seien durch die Bezirksregierung auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 NDG unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und in Abhängigkeit von der Höhe des höchsten Sturmflutwasserstandes bei Hauptdeichen bzw. von der Höhe des höchsten Hochwassers bei Hochwasserdeichen zu bestimmen. Insoweit liege auf der Hand, dass die geschützten Gebiete in Abhängigkeit vom Rechtscharakter des Deiches eine unterschiedliche Ausdehnung hätten. Somit seien die maßgeblichen Daten, die zur Ermittlung des auf den Einzelnen entfallenden Verbandbeitrages im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 3 der Verbandssatzung des Beklagten vom 4. September 1997 in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 5. November 1997 erforderlich seien, derzeit ungewiss. Ebenso ungewiss sei, ob die Klägerin mit ihrem Grundbesitz überhaupt der Deichpflicht unterliege. Bereits aus diesen Gründen habe die Klage Erfolg haben müssen. Dessen ungeachtet erweise sich auch die Verordnung der Bezirksregierung {F.} über die Festsetzung des geschützten Gebietes vom 20. März 1995 als fehlerhaft. Selbst wenn es sich, ungeachtet der vorstehenden Ausführungen, bei den {V.} im Bereich des beklagten Verbandes um Hauptdeiche handeln sollte, könne nicht - wie geschehen - auf den für das {G.} geltenden maßgebenden Sturmflutwasserstand von 6 m über NN abgestellt werden. Die Verordnung werde der Notwendigkeit, bei der Festlegung der Grenzen des geschützten Gebiets die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 2 Satz 2 NDG) nicht gerecht. Die Entfernung zwischen dem Sperrwerk und dem vom Beklagten zu schützenden Gebiet betrage bis {E.} ca. 75 km. Dementsprechend sei - unter Außerachtlassung der Polder - ein gewaltiger Stauraum für das auflaufende Flutwasser vorhanden, der zu einer Reduzierung des maßgeblichen Wasserstandes führe. In Modellversuchen sei untersucht worden, wie sich hohe Sturmfluten in der {M.} auswirkten. Daraus habe sich zweierlei ergeben. Zum einen zeige sich eine Abnahme des Pegels zwischen {W.}, also außerhalb des jetzigen Sperrwerks, und {E.} von mehr als 2 m. Bereits diese Tatsache belege, dass der maßgebliche Sturmflutwasserstand außerhalb des Sperrwerks, der durch die Reflektion der Tidewelle an den geschlossenen Sperrtoren tatsächlich noch höher wäre, nicht für den Bereich des beklagten Verbandes herangezogen werden können. Zwar möge es zutreffen, dass die Festlegung der Grenze des geschützten Gebiets im Gelände nach Dezimeter- Höhenlinien nicht erforderlich sei. Gleichwohl sei es Sinn und Zweck des § 6 Abs. 2 NDG, den Kreis der Deichpflichtigen so genau wie möglich zu ermitteln. Zum anderen sei hinsichtlich der Wasserstände zu berücksichtigen, dass bei geschlossenem Sperrwerk der Wasserstand in der {M.} geringer sei als bei einer nicht gesperrten Sturmflut; insoweit sei eine Differenz von 0,5 m zu berücksichtigen. In den Untersuchungen werde der kritische Wasserstand für {E.} mit 3,20 m über NN benannt. Auch dieser Wert zeige, dass die 6 m - Höhenlinie nicht zugrunde gelegt werden könne. Hinsichtlich der zu berücksichtigenden örtlichen Gegebenheiten habe die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass, entgegen den Annahmen aus den Modellversuchen, die {L.} eine entsprechende Höhe nicht aufwiesen. Sie könnten nur auf eine maximale Höhe von 4 m über NN gebracht werden, weil der Untergrund eine größere Höhe nicht zulasse. Tatsächlich hätten die Deiche jedoch eine geringere Höhe. Ausweislich eines bei den Verwaltungsvorgängen der Bezirksregierung befindlichen Besprechungsvermerks vom 2. März 1995 liege die Krone des {X.} in der Gemarkung {O.} und {N.} sogar unter NN + 2,50 m. Diese Tatsache rechtfertige die Annahme, dass selbst höhere Deiche {Y.} einen Sturmflutschutz vor einer Flutwelle, die diese Marke übersteige, nicht bieten könnten. Zu hinterfragen sei ferner, ob hinsichtlich der Höhe des maßgeblichen Sturmflutwasserstandes - wie in den Modellversuchen - von vorgefüllten Poldern auszugehen oder ob der Stauraum der (zunächst geleerten) Polder zu berücksichtigen sei, was zu einer weiteren Verringerung des Wertes für die {M.} aufwärts gelegenen Deiche führen dürfte. Der Fehler der Verordnung schlage auf die Satzung und damit auf die streitige Heranziehung durch. Dabei seien, ungeachtet der Erwägungen zur Frage des Rechtscharakters der Deiche als Hochwasserdeiche, die angefochtenen Bescheide auch nicht deswegen aufrecht zu erhalten, weil die Grundstücke der Klägerin innerhalb einer "niedrigeren Höhenlinie" lägen mit der Konsequenz, dass bei einer Festlegung des Verbandsgebiets unter Berücksichtigung des "richtigen" maßgebenden Sturmflutwasserstandes die Klägerin zu einem höheren Betrag herangezogen werden müsste, so dass die ergangenen Bescheide zwar rechtswidrig wären, die Klägerin aber nicht in ihren Rechten verletzten. Diese Überlegung scheitere daran, dass eine Verordnung unter Berücksichtigung des für den Bereich des Beklagten anzunehmenden maßgebenden Sturmflutwasserstandes nicht existiere.
Auf den am 14. November 2000 fristgerecht eingegangenen Antrag des Beklagten hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte vor: Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die {L.} seien nicht (mehr) als Hauptdeiche anzusehen, könne nicht gefolgt werden. Die von ihm zu unterhaltenden {L.} unterhalb {Z.} in Richtung {AA.} seien nicht nur traditionsgemäß, sondern auch nach wie vor von ihrer Funktion und Dimensionierung her als Hauptdeiche anzusehen. Sie hätten ein Bestick, das weit über das notwendige Maß von Hochwasserdeichen hinausgehe. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch das Zusammenwirken der {L.} mit dem {G.}, durch das Sicherheit gegen Sturmfluten über die Osteniederungen in den Landkreisen {AB.}, {AC.} und {U.} hergestellt werde. Bei einem nie völlig auszuschließenden Versagen des Sperrwerks oder einem viel zu späten Schließen hätten die Deiche wie in der Zeit vor der Inbetriebnahme des Sperrwerks auch Sturmfluten abzuhalten und etwaige Schäden möglichst gering zu halten. Darüber hinaus komme dem Unterlauf der {M.} eine Rückhaltefunktion zu, wenn das Sperrwerk über längere Zeiträume geschlossen bleiben müsse. Die dann entstehenden Wasserstände in der {M.} durch Rückstau seien eine sturmflutbedingte Folge, weil sie durch das sturmflutbedingte Schließen des {P.} verursacht würden. Insofern böten die {L.} auch Schutz gegen Sturmfluten, da der Staufall durch solche hervorgerufen werde. Insoweit unterschieden sich die {L.} von typischen Hochwasserdeichen, die nicht dafür konzipiert seien, dass der Wasserabfluss infolge einer Sturmflut behindert und nicht ständig dem Tidegeschehen ausgesetzt sei. Die daraus folgenden kurzfristigen Änderungen des Wasserspiegels riefen Wasserdrücke im Deichkörper hervor, die zu einer konstruktiven Gestaltung der {L.} geführt hätten, die der eines Hauptdeiches sehr viel eher als eines Hochwasserdeiches entspreche, der im Gegensatz zu einem Hauptdeich über sehr lange Zeiträume hohen Wasserständen standhalten müsse und nur langsam Wasserstandsänderungen ausgesetzt sei. Insofern sei das {G.} untrennbar mit den {V.} verbunden. Diese nähmen als funktionaler Bestandteil des Betriebes des Sperrwerks an dessen Funktion, vor Sturmfluten zu schützen, teil und hätten dadurch funktional dieselbe Bedeutung wie das Sperrwerk selbst. Wenn die {L.} als Hauptdeiche zu qualifizieren seien, sei auch die Bestimmung des geschützten Gebietes durch die Verordnung der Bezirksregierung {F.} vom 20. März 1995 nicht fehlerhaft. Denn die Bestimmung des Gebiets müsse sich dann auch hinsichtlich der vom Beklagten zu unterhaltenden Deiche an der für die Höhe des {P.} maßgeblichen Sturmfluthöhe von NN + 6 m orientieren. Die rückwärtige Grenze des durch Hauptdeiche geschützten Gebietes sei auf der Grundlage des maßgebenden Sturmflutwasserstandes zu bestimmen, wobei dies nach einer einheitlichen Meter-Höhenlinie geschehen könne. In dieser Weise sei die Bezirksregierung zutreffend verfahren, so dass die Rechtsverordnung wirksam sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 29. September 2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert: Das Verwaltungsgericht habe überzeugend dargelegt, warum die {L.} jedenfalls seit der Inbetriebnahme des {P.} keine Hauptdeiche mehr sein könnten. Gerade die Dimensionierung dieser Deiche mit einer Höhe von weit weniger als NN + 4 m, zum Teil sogar von unter NN + 2,50 m, spreche stark gegen eine Bestimmung zu Hauptdeichen. Die Sicherheit gegen Sturmfluten stelle ausschließlich das Sperrwerk her, ohne dass die Deiche ein funktionaler Bestandteil desselben seien. Sie hätten vielmehr die Aufgabe, vor Überschwemmungen von Süden her durch zu starke Niederschläge und Hochwasser in der {Q.} zu schützen. Dafür genügten die tatsächlich vorhandenen Deichhöhen. Es gebe somit zwei in der Ursache, der Pegelhöhe und der Stoßrichtung unterschiedliche Wassergefahren, die mit jeweils anderen Bauwerken abgewehrt würden. Der Umstand, dass der Wasserabfluss bei einer Sturmflut behindert sei und dadurch sich die Gefahr einer Überschwemmung allein durch Hochwasser im Hinterland verstärke, führe zu keinem anderen Ergebnis. Es sei ein ganz normaler Vorgang bei allen Flüssen, die in ihrem Unterlauf von Ebbe und Flut beherrscht würden, dass während der Stunden des Tidehochwassers ein Abfluss nicht erfolgen könne. Ob ein Sperrwerk vorhanden sei oder nicht, bleibe insofern letztlich gleich. Eine Sturmflut könne das Abflusshindernis allenfalls zeitlich verlängern, wenn sie über die Stunden der Ebbe hinaus andauere. Höhere Wasserstände oberhalb des Sperrwerks, die durch den Rückstau von Niederschlagswasser verursacht würden, erhielten damit aber nicht den Charakter von Sturmfluten. Zudem trete ein Rückstau durch eine Sturmflut von mehr als 12 Stunden und zeitgleich mit einem mächtigen Hochwasser aus der {Q.} nach gutachterlichen Ermittlungen derart selten auf, dass sich eine Generalisierung verbiete. Im Übrigen seien auch alle anderen Nebenflüsse der {AD.} ({AE.}, {AF.}, {AG.}) auf niedersächsischem Gebiet durch Sperrwerke abgeschottet worden. Bei keinem dieser Flüsse seien aber die Deiche oberhalb der Sperrwerke weiterhin als Hauptdeiche gewidmet. § 29 NDG fordere von der oberen Deichbehörde nach der Inbetriebsetzung eines jeden Sperrwerks zwingend, eine Entscheidung entsprechend der jeweils vorliegenden Sachlage zu treffen, welchen Rechtscharakter die dahinterliegenden Deiche künftig hätten. Eine solche Widmung habe die obere Deichbehörde nicht vorgenommen, sondern lediglich den Status der Deiche bezogen auf einen früheren Zeitpunkt festgestellt. Die Verordnung der Bezirksregierung vom 20. März 1995 über die Festsetzung des geschützten Gebietes berücksichtige die örtlichen Gegebenheiten nicht. Die zuständigen Wasser- und Schifffahrtsämter und das {AH.} der TU {AI.} hätten aus den Erfahrungen der letzten 100 Jahre sowie mit wissenschaftlichen Modellversuchen den kritischen Wasserstand am Unterpegel von {E.} auf 3,20 m über NN ermittelt. Oberhalb des {AJ.} in {E.} müsse man sogar die Marke NN + 0 m ansetzen, weil in der {Q.} südlich von {E.} zwar öfter Hochwasserstände durch starke Niederschläge und ablaufendes Wasser zu verzeichnen seien, jedoch nie Sturmflutwasserstände durch auflaufendes Wasser. Die {Q.} erreiche keine Tide. Wenn die Verordnung auf einen 1976 festgestellten Sturmflutpegel von knapp unter 6 m + NN, der an der {AK.} Schanze vor dem {G.} gemessen worden sei, gestützt und die Höhenlinie ungeachtet aller örtlichen Besonderheiten einheitlich für die Amtsbezirke aller Deichverbände für eine Flusslänge von 90 km noch über {E.} hinaus festgesetzt worden sei, so entspreche dies nicht der gesetzlichen Vorgabe. Wolle man ermitteln, wie weit bei einem Versagen des Sperrwerks eine Sturmflut im Bezirk des Beklagten sich ausdehnen könne, so sei es keineswegs erforderlich, Lage, Anzahl und Art jeder denkbaren Deichbrüche und deren Folgen vorweg zu berechnen. Die Höhe einer Sturmflutwelle im Binnenland ergebe sich zwangsläufig aus der Höhe der Deiche. Angesichts der vorhandenen Höhe der {L.} sei es unmöglich, dass eine Flutwelle unverändert über 75 oder gar 90 km in das Hinterland rolle. Schon deswegen sei es unzulässig, die Höhenlinie für das geschützte Gebiet einheitlich auf 6 m + NN zu bestimmen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf deren Schriftsätze, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung {F.}, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Veranlagungsbescheide des Beklagten für die Kalenderjahre 1995 bis 1997 vom 16./17. September 1999 sowie den Widerspruchsbescheid vom 18. November 1999, soweit er die Klägerin betrifft, zu Recht aufgehoben, denn diese Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
I. Rechtsgrundlage der Veranlagungsbescheide sind die Satzung des Beklagten in Verbindung mit § 28 des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz - WVG -) und § 9 Abs. 2 des Niedersächsischen Deichgesetzes (NDG). Für die Verbände für die Deicherhaltung (§ 7 Abs. 1 und 5 NDG) gilt, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gemäß § 9 Abs. 2 NDG das Recht der Wasser- und Bodenverbände; besonders richten sich danach der Gegenstand und der Maßstab der Beitragslast (Deichlast). Nach § 9 Abs. 1 NDG sind Mitglieder dieser Verbände die nach § 6 NDG Deichpflichtigen. Zur gemeinschaftlichen Deicherhaltung verpflichtet (Deichpflicht) sind die Eigentümer aller im Schutz der Deiche und Sperrwerke gelegenen Grundstücke (§ 6 Abs. 1 Satz 1 NDG). Die obere Deichbehörde, also die Bezirksregierung (§ 30 Abs. 1 NDG), bestimmt die Grenzen des geschützten Gebietes, und zwar bei Hauptdeichen und Sperrwerken nach der Höhe des maßgebenden Sturmflutwasserstandes und bei Hochwasserdeichen nach dem höchsten bekannten Hochwasser. Dabei sind die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 NDG). Die Bestimmung der Grenzen des geschützten Gebiets hat gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 NDG durch Verordnung zu geschehen. Eine derartige Verordnung hat die Bezirksregierung {F.} am 20. März 1995 - in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Januar 1995 - über die Bestimmung der Grenze des durch das {G.} und den {H.} (Hauptdeich) geschützten Gebietes im Bereich des {K.} III, über die Festlegung der Grenze zwischen dem {I.} III und dem {I.} IV und über die Festlegung der Grenze zwischen dem {I.} III und dem {I.} II erlassen (ABl. für den Regierungsbezirk Lüneburg vom 1. April 1995, S. 50). Der Verordnung liegt die Annahme zugrunde, dass es sich bei dem {H.} um einen Hauptdeich handele und die Höhe des maßgebenden Sturmflutwasserstandes mit NN + 6 m zu bestimmen sei. Diese 6 m-Höhenlinie ist ebenfalls Grundlage der Satzung des Beklagten vom 4. September 1997 (ABl. für den Landkreis {AB.} ({AL.}) vom 15. September 1997, S. 178), auf die die angefochtenen Bescheide inhaltlich gestützt sind.
II. Die Veranlagungsbescheide sind rechtswidrig, weil sie aufgrund von Rechtsvorschriften erlassen worden sind, die ihrerseits mit höherrangigem Recht unvereinbar sind.
1. Ein Mangel der Veranlagungsbescheide liegt allerdings nicht darin, dass sie aufgrund der Satzung des Beklagten vom 4. September 1997 ergangen sind. Grundsätzlich bestimmt sich die Höhe der Beitragsforderungen nicht nach der im Zeitpunkt der Heranziehung geltenden, sondern nach der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht geltenden Satzung. Wird die Satzung nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflichten später - gegebenenfalls noch vor Erteilung der Beitragsbescheide - geändert, hat dies auf die Höhe einer einmal entstandenen Beitragsforderung grundsätzlich keinen Einfluss (vgl. zu den im Ausbaubeitragsrecht geltenden und auf den vorliegenden Fall übertragbaren Grundsätzen Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. 2001, § 37 Rn. 1, § 30 Rn. 13).
Die sachlichen Beitragspflichten der Deichpflichtigen entstehen kraft Gesetzes für das jeweilige Beitragsjahr, in dem der Deichpflichtige dem Verband als Mitglied angehört. Gemäß § 9 Abs. 2 NDG iVm § 29 WVG ruht die Beitragspflicht der Eigentümer aller im geschützten Gebiet gelegenen Grundstücke (§ 6 Abs. 1 NDG) als öffentliche Last auf dem Grundstück, mit dem die Grundstückseigentümer an dem Verband teilnehmen. Mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflichten für die ihnen unterliegenden Grundstücke sind kraft Gesetzes zunächst nur abstrakte Schuldverhältnisse begründet. Diese Schuldverhältnisse bedürfen einer Konkretisierung durch Beitragsbescheide (§ 31 Abs. 1 WVG iVm § 9 Abs. 2 NDG). Darin wird der Geldwert der Beitragsforderung festgesetzt und der persönlich Beitragspflichtige bestimmt.
Zurzeit des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten in den hier streitigen Veranlagungszeiträumen 1995 bis 1997 war die Satzung des Beklagten vom 5. November 1992 (mit späteren Änderungen v. 4. März 1993, 14. April 1994, 24. August 1995 und 24. Juni 1996) in Kraft. Dieser Satzung lag noch die 5 m-Höhenlinie zugrunde. Gleichwohl durften die Veranlagungsbescheide auf der Grundlage der Satzung vom 4. September 1997 ergehen. Zwar ist diese Satzung zunächst nicht mit Rückwirkung in Kraft gesetzt worden. Eine derartige Rückwirkungsanordnung enthält jedoch § 7 der Satzung vom 5. November 1997 zur 1. Änderung der Satzung des {K.} III vom 4. September 1997, welche mit der Bekanntmachung am 15. November 1997 in Kraft getreten ist (ABl. des Landkreises {AB.} ({AL.}) vom 15. November 1997, S. 224).
§ 45 der Satzung des Beklagten vom 4. September 1997 erhielt danach folgende Fassung:
"Diese Satzung tritt mit Ausnahme des § 34 mit dem Tage der Bekanntmachung im Amtsblatt der Aufsichtsbehörde in Kraft. § 34 tritt rückwirkend zum 1.1.1995 gleichzeitig mit Wirksamwerden der Verordnung über die Bestimmung der Grenze des durch das {G.} und {X.} (Hauptdeich) geschützten Gebietes im Bereich des {K.} III vom 20.3.1995 in Kraft.
Gleichzeitig tritt die Satzung vom 5.11.1992 mit den Änderungen vom 4.3.1993, 14.4.1994, 24.8.1995 und 24.6.1996 außer Kraft."
Diese rückwirkende Satzungsänderung ist unter den hier gegebenen Umständen als solche nicht zu beanstanden. Zwar ist für eine rückwirkende Satzungsänderung grundsätzlich kein Raum, sofern die ursprüngliche Satzung wirksam ist und sachliche Beitragspflichten hat entstehen lassen, weil eine spätere Satzung ungeachtet einer ihr beigelegten Rückwirkung die Beitragspflichten nicht ein weiteres Mal und gegebenenfalls in einer anderen Höhe entstehen lassen kann. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Ausgangssatzung Fehler aufweist und deshalb Beitragspflichten nicht haben entstehen können (vgl. Driehaus, aaO, § 37 Rn. 19, § 11 Rn. 62). Das ist hier der Fall, weil die Satzung vom 5. November 1992 in der zurzeit der hier im Streit befindlichen Veranlagungszeiträume geltenden Fassung auf der Grundlage der 5 m-Höhenlinie den Kreis der Deichpflichtigen abweichend von der Verordnung der Bezirksregierung {F.} vom 20. März 1995 bestimmte. Die gesetzliche Verknüpfung des geschützten Gebietes eines Deichverbandes mit der Bestimmung der Grenzen des Verbandsgebietes führt angesichts der durch das Eigentum (oder Erbbaurecht) an einem Grundstück vermittelten dinglichen Mitgliedschaft in einem Deichverband dazu, dass jede Änderung der Grenzen des geschützten Gebietes durch Verordnung unmittelbar eine Änderung des Mitgliederbestandes seines Deichverbandes bewirkt und damit unmittelbare Auswirkungen auf die Veranlagung der Deichpflichtigen hat. Unter diesen Umständen war aber ein Vertrauen in den unveränderten Fortbestand der früheren Satzung nicht schutzwürdig. Hinzu kommt, dass die Änderungssatzung mit der Erhöhung der Höhenlinie zu einer Ausweitung des Kreises der Deichpflichtigen und damit tendenziell zu einer Verringerung der Beitragspflicht führt. Zwar hatte der Verbandsvorsteher des Beklagten die Auffassung vertreten, dass die Grundstücke, die unter den Voraussetzungen der 6 m-Höhenlinie zusätzlich herangezogen würden, von der Fläche und der Summe der Einheitswerte zu gering seien, um sich vorteilhaft auf die Verbandsbeiträge der derzeitigen Mitglieder auszuwirken (vgl. Vermerk v. 12.9.1994, Beiakte F). Jedenfalls kann aber nicht angenommen werden, dass die Erweiterung des Verbandsgebiets zu einer Erhöhung der Verbandsbeiträge führt.
2. Die Veranlagungsbescheide leiden auch nicht deshalb an einem rechtlichen Mangel, weil die obere Deichbehörde nicht befugt gewesen wäre, die Grenzen des deichgeschützten Gebietes durch Verordnung zu bestimmen. Zwar hat der Senat in seinem - nicht rechtskräftigen - Urteil vom 20. Dezember 2001 (7 KN 55/01) die Auffassung vertreten, die Ermächtigung nach §§ 6 Abs. 3, 9 Abs. 3 NDG sei mit dem Inkrafttreten des Wasserverbandsgesetzes gemäß § 31 GG derogiert. Diese Entscheidung betrifft aber Deichverbände nach § 7 Abs. 3 NDG iVm Abschn. II der Anlage, also beim Inkrafttreten des Niedersächsischen Deichgesetzes am 1. April 1963 vorhandene Wasser- und Bodenverbände (Deichverbände), die durch dieses Gesetz auf das geschützte Gebiet ausgedehnt werden und für die das Wasserverbandsgesetz mit seinem Inkrafttreten am 1. Mai 1991 wirksam geworden ist. Demgegenüber handelt es sich bei dem Beklagten um einen Wasser- und Bodenverband (Deichverband) nach § 7 Abs. 2 NDG iVm Abschn. I der Anlage, der durch dieses Gesetz gegründet worden ist, damit auf einen Verband auf besonderer gesetzlicher Grundlage im Sinne des § 80 WVG, auf den das Wasserverbandsgesetz nur Anwendung findet, wenn dies durch Rechtsvorschriften ausdrücklich angeordnet oder zugelassen worden ist. Eine derartige Regelung hat der Landesgesetzgeber indes nur im Rahmen und nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 NDG getroffen.
3. Die durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Veranlagungsbescheide beruhen aber darauf, dass die Verordnung der Bezirksregierung {F.} vom 20. März 1995 über die Bestimmung des geschützten Gebietes inhaltlich an Mängeln leidet, die wegen der gesetzlichen Verknüpfung des geschützten Gebietes mit der Bestimmung der Grenzen des Verbandsgebietes und mithin der Deichpflichtigen auf die konkrete Heranziehung zu Verbandsbeiträgen durchschlagen.
a) Die Verordnung bestimmt - wie dargelegt - die Grenze des geschützten Gebietes nach der Höhe des maßgebenden Sturmflutwasserstandes vor dem {G.} auf NN + 6,0 m und setzt dabei voraus, dass die {L.} Hauptdeiche sind. Eine entsprechende förmliche Widmung der Deiche ist durch die Verordnung der Bezirksregierung {F.} über die Feststellung von Hauptdeichstrecken an der {AL.}, {AM.}, Nordsee, {AN.} und {M.} in den Landkreisen {AO.}, {AC.}, {U.} und {AB.} ({AL.}) sowie einer Teilstrecke in der Stadt {AC.} vom 11. Juli 1995 - mit Wirkung vom 1. Januar 1995 in Kraft getreten - erfolgt (ABl. für den Regierungsbezirk Lüneburg vom 1. August 1995, S. 138). In § 1 Abs. 1 der Verordnung wird festgestellt, dass die nachfolgenden Deichstrecken, die am 1. April 1963 dem Schutz eines Gebietes vor Sturmfluten dienten und unter staatlicher Schau standen, aufgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 NDG am 1. Mai 1974 Hauptdeiche sind. Die nachfolgende Nr. 9 lautet dann:
"Linker {H.} von der Schleuse der Wehranlage in {E.} bis zum Elbedeich bei {W.} an der Anschlußstelle des mit Verordnung vom 3. März 1977, Amtsblatt für den Regierungsbezirk {U.}, S. 27, unter § 1 Abs. 1 gewidmeten Hauptdeich "Linker Anschlußdeich vom {AP.} bei {W.} bis zum {G.}",
- {I.} III
und {I.} IV -
rechter {H.} vom Wehr in {E.} bis zum alten {AP.} an der Deichkreuzung der Straße von {AQ.} zum {G.}, dort anschließend an den mit Verordnung vom 3. März 1977, Amtsblatt für den Regierungsbezirk {U.}, S. 27, unter § 1 Abs. 2 gewidmeten Hauptdeich "Rechter Anschlußdeich vom Ostesperrwerk bis zum {AP.} bei {AQ.}".
- {I.} III, {I.} II
und {I.} I -".
Die Verordnung beruht auf § 3 Abs. 2 Satz 3 NDG. Danach stellt die obere Deichbehörde durch Verordnung fest, welche Deiche aufgrund der Sätze 1 und 2 am 1. Mai 1974 Hauptdeiche oder Hochwasserdeiche im Sinne dieses Gesetzes sind. Gemäß Satz 1 der Vorschrift haben Deiche, die am 1. April 1963 dem Schutz eines Gebietes vor Sturmflut oder Hochwasser dienten und unter staatlicher Schau standen, auch ohne Widmung die Eigenschaft eines Hauptdeiches oder Hochwasserdeiches. Die getroffene Feststellung ist dennoch mit den Bestimmungen des Niedersächsischen Deichgesetzes nicht zu vereinbaren. Zwar mag es ohne weiteres zutreffen, dass der {H.} am 1. April 1963 die Eigenschaft eines Hauptdeiches hatte. Die Verordnung vom 11. Juli 1995 verkennt aber, dass durch die Inbetriebnahme des {P.} nach Herstellung der Einsatzbereitschaft im Oktober 1968 eine im Vergleich zu der am 1. April 1963 bestehenden Lage erhebliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, die bezogen auf den 1. Mai 1974 (§ 3 Abs.2 Satz 3 NDG) eine Feststellung der {L.} als Hauptdeiche nicht (mehr) erlaubte.
Einen derartigen Sachverhalt hat die spezielle Vorschrift des § 29 NDG im Auge. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 NDG sind Deiche, die geeignet sind, bei einem Bruch des Hauptdeiches oder eines Sperrwerkes die Überschwemmung im geschützten Gebiet einzuschränken, von der oberen Deichbehörde durch Verordnung als zweite Deichlinie zu widmen, soweit sie nicht wegen ihrer überwiegenden Bedeutung für den Sturmflutschutz (§ 2 Abs. 1) als Hauptdeiche oder für den Hochwasserschutz (§ 2 Abs. 2) als Hochwasserdeiche gewidmet werden oder gewidmet bleiben. Die Vorschrift hat diese Fassung erhalten durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Deichgesetzes vom 2. April 1974 (Nds. GVBl. S. 211), welches gemäß Artikel III am 1. Mai 1974 in Kraft getreten ist. Ziel der Novelle war unter anderem, eine gesetzliche Regelung für die Sperrwerke zu schaffen, die wie die Hauptdeiche dem Sturmflutschutz dienen. In den Jahren zuvor waren zahlreiche Sperrwerke gebaut worden, weil sich bei der Sturmflut des Jahres 1962 die damals schon vorhandenen Sperrwerke bewährt hatten. Sie waren nun als Teil des Sturmflutschutzes in das Deichgesetz aufzunehmen. Die Änderung des § 29 Abs. 1 Satz 1 NDG ist eine Folge des gleichfalls geänderten § 2 NDG, als dessen Abs. 3 durch das 2. ÄndG angefügt wurde:
"Sperrwerke sind Bauwerke mit Sperrvorrichtungen in Tidegewässern, die dem Schutz eines Gebietes vor erhöhten Tiden, vor allem vor Sturmfluten, zu dienen bestimmt sind."
In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es zu Art. I Nr. 25 zu Buchstabe a und b (§ 29 Abs. 1, Abs. 2a NDG), LT-Drs. 7/2108, S. 14:
"Wenn Sperrwerke bestimmte Tiden und vor allem Sturmfluten abwehren, wird den bisherigen Hauptdeichen an den Tideflüssen oberhalb der Sperrwerke diese Funktion insoweit abgenommen. Diese Deiche erfüllen jedoch weiterhin die Funktion eines Hochwasserdeiches, gelegentlich auch eines Hauptdeiches zum Schutz vor leichteren Sturmfluten und immer die Funktion der zweiten Deichlinie, nämlich bei einem Bruch des Hauptdeiches oder des Sperrwerkes die Überschwemmung im geschützten Gebiet einzuschränken. Je nach den örtlichen Gegebenheiten und dem vorgeschriebenen Betrieb des Sperrwerkes können die genannten Aufgaben im Verhältnis zueinander unterschiedliches Gewicht haben. Dementsprechend kommt eine Widmung als Hauptdeich, als Hochwasserdeich oder Deich der zweiten Deichlinie in Betracht. Entscheidend ist die für den einzelnen Deich überwiegende Funktion und der erforderliche Schutz des Deiches."
Der Gesetzgeber hat also - wie Wortlaut und Entstehungsgeschichte erkennen lassen - die Notwendigkeit gesehen, nach Errichtung und Inbetriebnahme eines Sperrwerks durch Widmung festzulegen, welche Funktion nunmehr die bisherigen Hauptdeiche wahrnehmen. Danach bestehen drei Möglichkeiten:
1. Ungeachtet der Wirkungsweise des Sperrwerks haben die Deiche (weiterhin) überwiegende Bedeutung für den Sturmflutschutz (§ 2 Abs. 1 NDG); in diesem Fall bleiben oder werden sie als Hauptdeiche gewidmet.
2. Geht die Funktionsänderung nach Inbetriebnahme des Sperrwerks dahin, dass die Deiche überwiegende Bedeutung für den Hochwasserschutz (§ 2 Abs. 2 NDG) haben, werden sie als Hochwasserdeiche gewidmet.
3. Haben die Deiche nunmehr weder überwiegende Bedeutung für den Sturmflutschutz noch für den Hochwasserschutz, sind sie als zweite Deichlinie zu widmen.
Mit welchem Inhalt die Widmung zu erfolgen hat, hängt von den konkreten Umständen ab.
Gemessen an den Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 1 NDG ist die Widmung des linken und rechten {AR.} als Hauptdeich durch die Verordnung der Bezirksregierung {F.} vom 11. Juli 1995 rechtsfehlerhaft.
Das {G.} hat die Funktion, vor Sturmfluten und erhöhten Tiden zu schützen, und insoweit den {V.} die Aufgabe des Sturmflutschutzes abgenommen. Die "überwiegende Bedeutung" der {L.} liegt seither auf dem Gebiet des Hochwasserschutzes. Es war schon immer die Funktion der {L.}, auch Gefahren durch das Oberwasser der {M.} abzuwenden und damit Hochwasserschutz zu gewährleisten. Diese Aufgabe ist mit Inbetriebnahme des {P.} vorrangig geworden. Die Auswirkungen des Sperrwerks auf den Wasserstand der {M.} und die {L.} werden in verschiedenen Unterlagen beschrieben, die der Beklagte auf Anforderung der Vorinstanz vorgelegt hat. Nach der Probebetriebsordnung für das {G.}, nach der es nach wie vor betrieben wird, dient das Sperrwerk (vornehmlich) der Deichsicherheit. Es soll verhindern, dass die {AS.} zwischen {E.} und dem Sperrwerk durch Sturmfluten oder durch Zusammenwirken eines hohen Oberwassers mit der Flut gefährdet wird (Nr. 2.1 der Probebetriebsordnung). Ferner soll das Sperrwerk im Bedarfsfall durch vorübergehenden Aufstau des {AT.} die Spülwirkung des Ebbestromes in der Mündungstrecke der {M.} verstärken (Nr. 2.2). Unter Nr. 4.2 wird bestimmt, unter welchen Umständen Anlass zum Schließen des Sperrwerks besteht. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Wasserstandsvorhersagen und -beobachtungen erwarten lassen, dass der Wasserstand am {G.} 1,00 m über MThw erreichen oder überschreiten wird (4.21), wenn ein hoher Oberwasserzufluss zusammen mit einer überhöhten Tide die Stadt {E.} und die unterhalb liegenden Ländereien gefährdet, wobei die Interessen der Schifffahrt soweit wie möglich zu berücksichtigen sind (4.22), wenn es der Zustand der Deiche der {AS.} erfordert (4.23). Daraus wird deutlich, dass lediglich "normale" Tiden in der {M.} bleiben, während das Sperrwerk den oberhalb gelegenen Deichen die Funktion abgenommen hat, höhere Tiden und vor allem Sturmfluten abzuwehren. Den {V.} kommt allerdings die Aufgabe zu, den Zufluss des Oberwassers in der {M.} zu speichern und abzuführen. Diese Notwendigkeit ist nicht allein auf Sturmfluten bei geschlossenem Sperrwerk beschränkt, sondern ergibt sich auch bei normalen Tiden, welche ebenfalls den Ablauf des Oberwassers beeinträchtigen, und ist sogar unabhängig von einem Sturmflut- und Tidegeschehen. Während die Gefahren durch Sturmfluten und erhöhte Tiden durch das {G.} beherrscht werden können, bedarf es der Deiche, um die von dem gegebenenfalls starken Oberwasserzufluss ausgehenden Gefahren, insbesondere Überflutungen in {E.} und unterhalb, abzuwenden. Da diese Gefahren auf den Oberwasserzustrom zurückzuführen sind (vgl. auch den Erläuterungsbericht des Wasser- und Schifffahrtsamts {U.} vom 16. März 1964 zum Antrag für den Bau des {P.}, unter II. 2 sowie das Schreiben der Landbauaußenstelle {U.} vom 30. April 1964, S. 4), haben die Deiche jedenfalls vornehmlich den Charakter von Hochwasserschutzanlagen.
Der Umstand, dass die Schließung des Sperrwerks Einfluss auf die Höhe des Wasserstandes in der {M.} haben kann, macht die {L.} demgegenüber nicht zu einem funktionalen Bestandteil des Sperrwerks und verleiht ihnen nicht die Eigenschaft eines dem Schutz eines Gebietes vor Sturmflut dienenden Hauptdeiches.
Bereits der Beschreibung des {P.} durch das Wasser- und Schifffahrtsamt {AC.} vom August 1995 ist zu entnehmen, dass ein derartiges Zusammenwirken von Sperrwerk und Deichen nur relativ selten vorkommt. Danach betrug die Zahl der (Sperrwerks-)Schließungen in den Jahren 1978 bis 1994 zwischen 26 und 75 pro Jahr. Daraus ergibt sich ein rechnerischer Durchschnittswert von 49 Schließungen im Jahr. Wenn das Sperrwerk in einer begrenzten Zahl von Fällen aufgrund einer Sturmflut über mehrere Tiden geschlossen bleiben muss, so wird das Wasser in der {M.} zwar gestaut. Das ist aber die natürliche Folge des Sperrwerksbetriebs. Die hierdurch hervorgerufenen Wasserstände können - entgegen der Stellungnahme der Bezirksregierung {F.} vom 14. März 2000 an das Verwaltungsgericht - nicht funktional dem Sturmflutgeschehen mit der Folge zugeordnet werden, dass deswegen die {L.} unverändert als Hauptdeiche zu klassifizieren sind. Wenn der Gesetzgeber einen solchen Zusammenhang als ausreichend angesehen hätte, um eine derartige Schlussfolgerung zu ziehen, hätte es der differenzierenden Regelung in § 29 Abs. 1 Satz 1 NDG nicht bedurft. Überzeugende Gründe für die vorgenommene Widmung sind auch den Akten der Bezirksregierung nicht zu entnehmen. Im Gegenteil finden sich dort Anhaltspunkte dafür, dass erwogen worden ist, den {H.} im Hinblick auf seine Aufgabe, Schutz vor den Eigenhochwässern der {M.} zu gewährleisten, als Hochwasserdeich zu widmen (Vermerk vom 20.1.1992, Bl. 103 der Beiakte D). Wenn davon - wie in dem Vermerk anklingt - (zunächst) abgesehen worden ist, weil nur eine vorläufige Betriebsordnung des {P.} existiere, so ist nicht nachvollziehbar, dass diese Erwägung gemessen an Sinn und Zweck des § 29 Abs. 1 Satz 1 NDG von maßgebender Bedeutung sein kann, zumal keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Betrieb des {P.} später einmal erheblich abweichend von der vorläufigen Betriebsordnung fortgesetzt werden soll.
Der Zusammenhang zwischen der Schließdauer des Sperrwerks und einem anfallenden großen Oberwasser ist überdies Gegenstand der "Modellversuche für die Absperrung der "{M.}" von {AU.} (Sonderdruck aus Heft 32 (1969) der Mitteilungen des {AV.}-Instituts für Grund- und Wasserbau der Technischen Universität Hannover) gewesen. Dort wird dargelegt (S. 38 f.), dass bei einem konstanten Zufluss Qo/Qs = 100/60 m³/s der kritische Wasserstand bei {AW.} von + 3,20 m NN erst nach 44 Stunden überschritten wird. Bei Qo/Qs = 150/60 m³/s wird der kritische Wasserstand dort bereits nach 24-stündiger Schließdauer erreicht. Zum Vergleich führt der Gutachter an, dass bei der Sturmflut vom Februar 1962 das Sperrwerk etwa 23 Stunden hätte geschlossen bleiben müssen. Nachfolgend kommt er zu folgender Beurteilung (aaO, S. 39):
"Berücksichtigt man, daß einerseits nach Untersuchungen des Vorarbeitenbüros {M.} des Wasser- und Schiffahrtsamtes {U.} das Zusammentreffen einer schweren Sturmflut mit einem Oberwasser der {M.} von mehr als 100 m³/s sehr unwahrscheinlich ist, und daß andererseits in den letzten 86 Jahren keine Sturmflut aufgetreten ist, bei der 2 aufeinanderfolgende Sturmflut-Tnw so hoch lagen, daß das {G.} bei großem Oberwasser auch im 2. Sturmflut-Tnw geschlossen bleiben müßte, so ist aus den Versuchen über "kritische Sperrfälle" zu erkennen, daß der Flutraum der Oste zwischen {AX.} und {E.} ausreichend groß ist, um das Überschreiten des kritischen Wasserstandes am UP {E.} auch bei langanhaltenden Sturmfluten wie z.B. am 16./17. Februar 1962 zu verhindern."
Aus diesen Untersuchungen wird somit ebenfalls deutlich, dass die Konstellation (schwere langandauernde Sturmflut verbunden mit starkem Oberwasser der {M.}), die der Beklagte zum Anlass für seine funktionale Betrachtung nehmen möchte, derart selten ist, dass sie nicht als Beschreibung der überwiegenden Funktion des {AR.} herangezogen werden kann. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob die {L.} - aufgrund ihrer früheren Funktion - ein Bestick haben, das - wie der Beklagte meint - weit über das notwendige Maß von Hochwasserdeichen hinausgeht. Im Übrigen kann von einem "funktionalen Zusammenwirken" oberhalb der Schleuse und des Wehrs im {E.} ohnehin keine Rede sein, weil dieses Gebiet von der Tide nicht erreicht wird und dort keine Deiche vorhanden sind. Hebt man im Übrigen auf den erforderlichen Schutz der {L.} ab, so kann nur erneut darauf hingewiesen werden, dass sie nach der Funktion (§ 2 Abs. 3 NDG) und dem Betriebskonzept des Sperrwerks erhöhten Tiden und insbesondere Sturmfluten nicht ausgesetzt werden.
Da es sich bei den {V.} somit nicht um Hauptdeiche im Sinne des Niedersächsischen Deichgesetzes handelt, durfte die Bestimmung der Grenzen des geschützten Gebietes durch die Verordnung vom 20. März 1995 nicht nach der Höhe des Sturmflutwasserstandes erfolgen. Maßgebend ist bei Hochwasserdeichen vielmehr das höchste bekannte Hochwasser (§ 6 Abs. 2 Satz 1 NDG). Infolge der Verknüpfung der Grenzen des geschützten Gebietes mit der Deichpflichtigkeit ergreift die Rechtswidrigkeit der Verordnungen die Satzung des Beklagten und die darauf beruhenden Veranlagungsbescheide. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die angefochtenen Bescheide nicht deshalb aufrechterhalten werden können, weil die Grundstücke der Klägerin möglicherweise innerhalb einer zutreffend bestimmten "niedrigeren Höhenlinie" lägen mit der Folge, dass bei einer Bestimmung der Grenzen des geschützten Gebiets nach zutreffenden Kriterien die Klägerin möglicherweise zu einem höheren Beitrag herangezogen werden würde. Eine solche Heranziehung beruhte auf völlig anderen Voraussetzungen und einer anderen Abgrenzung des geschützten Gebietes sowie der Deichpflichtigkeit, deren Auswirkungen derzeit nicht absehbar sind. Jedenfalls setzt eine rechtmäßige Heranziehung auf zutreffender Grundlage eine entsprechende Verordnung nach § 6 Abs. 2 NDG und damit übereinstimmende Satzungsregelungen des Beklagten voraus.
b) Unabhängig von der Einordnung der {L.} hat das Verwaltungsgericht weitere Bedenken darin erblickt, dass - deren Eigenschaft als Hauptdeiche unterstellt - die Bestimmung der Grenzen des geschützten Gebietes ohne hinreichende Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten (§ 6 Abs. 2 Satz 2 NDG) vorgenommen worden sei. Diese Bedenken knüpfen an die frühere Rechtsprechung des 3. Senats (vgl. Urt. v. 27.3.1986 - 3 OVG C 6/84 -, OVGE 39, 405 = AgrarR 1988, 148) an. Der 3. Senat hat sich seinerzeit gegen die Annahme gewandt, die rückwärtige Grenze eines durch Hauptdeiche geschützten Gebiets sei einheitlich nach einer Höhenlinie zu bestimmen. Zwar erscheine eine Festlegung der Grenze des geschützten Gebiets im Gelände nach Dezimeter-Höhenlinien nicht erforderlich, doch müsse der Kreis der Deichpflichtigen - unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten - so genau wie möglich ermittelt werden. Daraus folgt hier, dass bei hinreichender Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die rückwärtige Grenze des durch die {L.} im Raum {E.} geschützten Gebiets nicht nach derselben Höhenlinie festgesetzt werden kann, die der Höhe des für das Sperrwerk maßgebenden Sturmflutwasserstandes entspricht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils, in denen sowohl auf die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse als auch auf die zitierten Modellversuche von {AU.} abgestellt wird. Der gesetzlichen Verpflichtung, die örtlichen Gegebenheiten angemessen zu berücksichtigen, kann der Beklagte nicht unter Berufung auf einen angeblich weiten Beurteilungsspielraum mit Erfolg ausweichen. Das Verwaltungsgericht hat bereits in anderem Zusammenhang (UA S. 10) zutreffend dargelegt, dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 1998 (NVwZ 1998, 725) das Bestehen eines derart weitreichenden Spielraums bei der Beurteilung der hier zu entscheidenden Fragen nicht entnommen werden kann.
c) Nur ergänzend sei - ohne dass es darauf nach dem Vorstehenden ankommt - bemerkt, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Veranlagungsbescheide auch unter dem Gesichtspunkt bestehen, ob die Klägerin unter Beachtung des Vorteilsmaßstabs (§ 30 WVG iVm § 9 Abs. 2 NDG) herangezogen worden ist. Die Bedenken ergeben sich u.a. daraus, dass offenbar auch Grundstücke der Klägerin veranlagt worden sind, die oberhalb des Wehres und der Schleuse in {E.} gelegen sind, also in einem Bereich, in dem der Verband Hochwasserschutzanlagen nicht unterhält und die Grundstücke der dort Betroffenen regelmäßig überschwemmt werden (vgl. hierzu den Vermerk des Verbandsvorstehers des Beklagten vom 12. September 1994, S. 2 f.). Auch die weiteren Gründe des Widerspruchsbescheides hätten voraussichtlich das Vorgehen des Beklagten nicht rechtfertigen können. Wenn dort zur Begründung der Beitragspflicht der Klägerin darauf hingewiesen wird, dass von ihren Grundstücken durch das Einleiten von Oberflächenwasser und der geklärten Abwässer in die {M.} schädigende Einwirkungen auf das Verbandsgebiet ausgingen, weil die zusätzlich anfallenden Wasser schadlos zwischen den Deichen abgeführt werden müssten, beziehen sich diese Erwägungen offenbar auf § 30 Abs. 1 Satz 1 letzte Alternative WVG und § 34 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative der Verbandssatzung. Danach bestimmt sich der Beitrag der Verbandsmitglieder und der Nutznießer unter anderem nach den Kosten, die der Verband auf sich nimmt, um den von ihnen ausgehenden nachteiligen Einwirkungen zu begegnen. Der Beklagte hat indes nicht erklären können, worin diese im Falle der Klägerin bestehen sollten. Die Klägerin hat schon im Klageverfahren unwidersprochen vorgetragen, dass von ihren Grundstücken Abwässer oder Oberflächenwasser nicht in die {M.} eingeleitet würden.
Ende der Entscheidung
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