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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 7 ME 145/06
Rechtsgebiete: BImSchG


Vorschriften:

BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Antragsgegner erteilte der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen mit Bescheid vom 17. Dezember 2003 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen und ordnete den Sofortvollzug an. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Antragsteller wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 zurück. Über die anschließend erhobene Klage der Antragsteller ist noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag der Antragsteller die aufschiebende Wirkung der Klage mit Beschluss vom 3. Januar 2006 wiederhergestellt, da die Anordnung des Sofortvollzugs nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise begründet worden sei (Az. 2 B 63/05).

Auf Antrag der Beigeladenen fasste der Antragsgegner mit Bescheid vom 28. April 2006 die in der erteilten Genehmigung enthaltenen immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen neu und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung der Genehmigung in Gestalt des Änderungsbescheides an. Die Antragsteller legten gegen den Änderungsbescheid Widerspruch ein und machten ihn zum Gegenstand des Klageverfahrens. Darüber hinaus beantragten sie erneut die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage, was jedoch vom Verwaltungsgericht mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 28. Juni 2006 abgelehnt worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auf dem Grundstück der Antragsteller erhebliche Lärmimmissionen durch die genehmigten vier Windenergieanlagen nicht zu erwarten seien. Die maßgeblichen Grenzwerte würden eingehalten. Die eingesetzten Windenergieanlagen der Typen AN Bonus 1,3 MW/62 und 2 MW/76 seien bereits dreimal vermessen. Daher bedürfe es nicht eines Sicherheitszuschlags von 2 dB(A) auf den Immissionswert. Bedenken gegen die Ausführungen im Gutachten der Firma D. vom 3. April 2006 bestünden nicht. Das Gutachten berücksichtige für beide Anlagen einen Tonhaltigkeitszuschlag. Eine Überschreitung des zulässigen Grenzwerts bei Windgeschwindigkeiten von mehr als 10 m/s in 10 m Höhe sei durch die geänderten Nebenbestimmungen, in denen u. a. maximale Schallleistungspegel von 104,0 dB(A) bzw. 106,4 dB(A) festgelegt seien, ausgeschlossen. Selbst wenn die Anlagen bei höheren Windgeschwindigkeiten einen höheren Schallleistungspegel aufweisen sollten, führe dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung, sondern zur Verpflichtung des Antragsgegners, gegen eine solche Überschreitung vorzugehen. Die Einhaltung des maximalen Schallleistungspegels könne jedenfalls durch Abschalten der Anlagen erreicht werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, deren Abweisung der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) rechtfertigt eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

1.) Die Antragsteller wenden sich zunächst gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, nach der es eines Sicherheitszuschlags zu der an ihrem Wohnhaus (Immissionsort 3) errechneten Gesamtbelastung von 43,2 dB(A) nicht bedürfe, weil die genehmigten Anlagentypen jeweils dreimal vermessen worden seien. Nach ihrer Auffassung müsse der Gesamtbelastung ein Sicherheitszuschlag in Höhe der oberen Vertrauensbereichsgrenze zugerechnet werden mit der Folge, dass die Genehmigung die Einhaltung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte nicht gewährleiste.

Dem ist zuzugeben, dass sich der angefochtene Beschluss nur verkürzt mit der Frage der Einhaltung der für die Antragsteller maßgebenden Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts auseinandersetzt. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es nach Ziffer 2 der "Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen" des LAI aus dem Jahre 2005 (nachfolgend Hinweise) eines Sicherheitszuschlags von 2 dB nicht bedürfe, wenn die von der Genehmigung umfassten Anlagentypen jeweils dreimal vermessen worden sind, ist nicht zu beanstanden. Jedoch hätte es weiterer Ausführungen dahingehend bedurft, ob davon ausgegangen werden kann, dass die Immissionsrichtwerte am Wohnhaus der Antragsteller durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung eingehalten werden und daher von der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ausgehen. Denn Ziffer 2 der Hinweise sieht auch vor, dass sich die Einhaltung der maßgebenden Immissionsrichtwerte nicht allein an der prognostizierten Gesamtbelastung orientiert, sondern bei der Prognose auf die Sicherstellung der "Nicht-Überschreitung" der Immissionsrichtwerte im Sinne der Regelungen der TA Lärm abzustellen ist. Dabei ist eine solche Sicherstellung insbesondere dann anzunehmen, wenn die unter Berücksichtigung der Unsicherheit der Emissionsdaten und der Unsicherheit der Ausbreitungsberechnung bestimmte obere Vertrauensbereichsgrenze des prognostizierten Beurteilungspegels den Immissionsrichtwert unterschreitet. Die Antragsteller verweisen daher zutreffend darauf, dass zu der prognostizierten Gesamtbelastung - von der das Verwaltungsgericht ausgeht - ein Sicherheitszuschlag in Höhe der zu bestimmenden oberen Vertrauensbereichsgrenze aufzuschlagen ist. Hieraus folgt jedoch keine andere Beurteilung der Erfolgaussichten ihrer Klage.

Nach dem Gutachten der Fa. Wind-consult vom 3. April 2006, das nach Ziffer 3.2 der Nebenstimmungen Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist, berechnet sich für den Immissionsort 3 unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch die bestehenden Windenergieanlagen ein Beurteilungspegel von 43,2 dB(A) und eine obere Vertrauensbereichsgrenze von 2,5 dB(A). Deren Summe überschreitet zwar den Immissionsrichtwert nachts von 45 dB(A) um 0,7 dB(A). Dies steht jedoch der Genehmigungsfähigkeit der Anlage nicht entgegen. Denn bei der Prognose ist nach Ziffer 2 der Hinweise des LAI auf die Sicherstellung der "Nicht-Überschreitung" der Immissionsrichtwerte "im Sinne der Regelungen der TA Lärm" abzustellen. Hieraus folgt, dass die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Vorbelastung auch dann nicht versagt werden soll, wenn dauerhaft sichergestellt worden ist, dass diese Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) beträgt (vgl. Punkt 3.2.1 Abs. 3 Satz 1 der TA Lärm, abgedruckt in Jarass, BImSchG, 6. Aufl., 2005, Anh. B 1). So verhält es sich hier. Der prognostizierte Beurteilungspegel und die obere Vertrauensbereichsgrenze beruhen auf maximalen Schallleistungspegeln der genehmigten Windenergieanlagentypen, die der Berechnung zugrunde gelegt worden sind. Unter Ziffer 3.4 der Genehmigung ist festgelegt, dass zur sicheren Einhaltung der Immissionsrichtwerte die Anlagentypen mit diesen Schallleistungspegeln zu betreiben sind, und zwar auch bei Windgeschwindigkeiten oberhalb von 10 m/s in 10 m Höhe. Damit wird durch die Genehmigung eine Überschreitung von mehr als 1 dB(A) am Wohnhaus der Antragsteller dauerhaft ausgeschlossen.

2.) Bedenken gegen die Berechnung im Gutachten der Fa. D. und die immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen der Genehmigung bestehen nicht.

Die Antragsteller verweisen zu Recht darauf, dass bei den ersten beiden Messungen der Anlage vom Typ AN Bonus 2 MW/76 diese eine Nabenhöhe von jeweils 80 m und nur bei der dritten Messung die Anlage entsprechend dem genehmigten Anlagentyp eine Nabenhöhe von 60 m hatte. Auch wird in den Auszügen aus dem Prüfbericht darauf hingewiesen, dass die Werte für die Tonhaltigkeit nicht ausschließlich bei der Nabenhöhe hn = 60 m bestimmt wurden und so nicht unmittelbar auf umgerechnete Nabenhöhen übertragbar sind. Der Frage, ob aus diesem Grunde die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Anlage vom Typ AN Bonus 2 MW/76 sei dreimal vermessen, zutreffend ist, muss der Senat im vorliegenden Verfahren ebenso wenig nachgehen wie der Behauptung der Antragsteller, der Generatorentyp sei zwischen der ersten und zweiten Messung verändert worden. Denn - den Vortrag der Antragsteller als richtig unterstellt - es ist nicht ersichtlich, dass sich hieraus ein höherer als der prognostizierte Beurteilungspegel am Wohnhaus der Antragsteller ableiten lässt. Infolge der Berücksichtigung von Messungen des Anlagentyps mit einer Nabenhöhe von 80 m ist die Berechnung der Beurteilungspegel auf der sicheren Seite. Dies folgt zum einen daraus, dass die Schallleistungspegel des Typs AN Bonus 2 MW/76 mit einer Nabenhöhe von 80 m deutlich über denjenigen des gleichen Typs mit einer Nabenhöhe von 60 m liegen. Zum anderen ergibt sich dies aus den Hinweisen des LAI, da bei der Prüfung der Einhaltung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Annahme, dass der Anlagentyp dreimal vermessen worden ist, nicht ein Sicherheitszuschlag von lediglich 2 dB(A) hinzugerechnet, sondern die obere Vertrauensbereichsgrenze bestimmt worden ist, die am Wohnhaus der Antragsteller 2,5 dB(A) beträgt.

Die Berechnung des Beurteilungspegels und die Bestimmung der oberen Vertrauensbereichsgrenze für den Anlagentyp AN Bonus 2 MW/76 ist auch nicht deswegen fehlerhaft, weil bei einer Windgeschwindigkeit von 7 m/s ein Tonzuschlag von 3 dB(A) zu berücksichtigen sei, der dem mittleren Schallleistungspegel zugerechnet werden müsse. Bei dieser Windgeschwindigkeit haben die Messungen nach dem Gutachten der Fa. D. einen mittleren Schallleistungspegel von 103,4 dB(A) ergeben. Unter Berücksichtigung eines Tonzuschlags nach den Hinweisen des LAI von 3 dB(A), der allein aus den Messungen dieses Typs mit einer Nabenhöhe von 80 m resultiert, folgt hieraus ein maximaler Schallleistungspegel von 106,4 dB(A). Dieser Wert liegt 0,1 dB(A) über dem mittleren Schallleistungspegel bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s und 95 % - Nennleistung und ist - was die Antragsteller verkennen - in Übereinstimmung mit den Hinweisen des LAI den Berechnungen zugrunde gelegt worden. Auf Seite 9 des Gutachtens der Fa. D. heißt es ausdrücklich, dass nach der Zusammenfassung der Vermessungsergebnisse sich für die Windenergieanlage dieses Typs ein maximaler Schallleistungspegel im vermessenen Windgeschwindigkeitsbereich von 106,4 dB(A) ergibt.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Genehmigung bestehen auch nicht, soweit die Antragsteller unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (siehe etwa Beschl. v. 3.2.2004 - 7 B 2622/03 -, NuR 2005, 264; Beschl. v. 19.3.2004 - 10 B 2690/03 -, NuR 2005, 265) geltend machen, dass bei den genehmigten "combi-stall"-Anlagen höhere Schallleistungspegel bei Überschreitung der 95 % - Nennleistung erreicht werden. Die Genehmigung schreibt neben den Immissionsrichtwerten (Ziffer 3.3) unter Ziffer 3.4 zu deren Einhaltung maximale Schallleistungspegel von 104,0 dB(A) bzw. 106,4 dB(A) auch für Windgeschwindigkeiten über 10 m/s und damit auch für den Bereich oberhalb der 95 % - Nennleistung fest. Damit wird die Beigeladene verpflichtet, diese maximalen Schallleistungspegel unabhängig von der Windgeschwindigkeit bzw. der Nennleistung einzuhalten. Darüber hinaus wird die Beigeladene unter Ziffer 3.5 der Genehmigung verpflichtet, die Einhaltung der Schallleistungspegel unter Berücksichtigung einer Messunsicherheit (etwa 1 dB(A)) dem Antragsgegner auf Verlangen durch eine nach § 26 BImSchG bekannt gegebene Messstelle nachzuweisen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Festlegung maximaler Emissionswerte in den Nebenbestimmungen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung von Windenergieanlagen entspricht Ziffer 3 der Hinweise des LAI, die entgegen der Auffassung der Antragsteller gegenüber der Prüfung der Einhaltung der Immissionsrichtwerte eine leichtere Kontrolle ermöglichen. In den Hinweisen heißt es dazu: "Da die Ermittlung der Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen aufgrund der windbedingten Fremdgeräusche erfahrungsgemäß nur unter großen messtechnischen Schwierigkeiten möglich ist, können in der Genehmigung neben den einzuhaltenden Immissionswerten auch maximal zulässige Emissionswerte festgelegt werden, so dass Kontrollen, ob die Anlagen entsprechend ihrer Genehmigung betrieben werden, leichter möglich sind. Dieser maximal zulässige Emissionswert ist auf Basis des in der Prognose angesetzten Emissionsverhaltens der Anlage unter Berücksichtigung der Serienstreuung und der Messunsicherheit festzulegen. Ggf. ist durch eine Nebenbestimmung im Genehmigungsbescheid sicherzustellen, dass der Betreiber innerhalb eines Jahres nach Inbetriebnahme der Anlage die Einhaltung der festgelegten Emissionswerte durch Messung nachweist." Bedenken gegen die Bestimmtheit der Nebenbestimmungen bestehen nicht. Die Festlegung der maximalen Schallleistungspegel gewährleistet die Nicht-Überschreitung der Immissionsrichtwerte am Wohnhaus der Antragsteller. Eine dauerhafte Überprüfung der von den genehmigten Anlagetypen ausgehenden Schallleistungspegel ist nicht erforderlich. Soweit die von dem Antragsgegner zu verlangende Messung bei Windgeschwindigkeiten über 10 m/s höhere Schallleistungspegel ergeben sollte, hat der Antragsgegner gegen einen solchen Anlagenbetrieb - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - einzuschreiten und ggf. die Beigeladene in solchen Situationen zur Abschaltung der Anlage anzuhalten. Dies berührt indes die Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht.

Ende der Entscheidung

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