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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 7 ME 62/06
Rechtsgebiete: BJagdG, NBauO, NDSchG
Vorschriften:
BJagdG § 3 | |
NBauO § 53 | |
NDSchG § 8 |
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, die sofortige Vollziehung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für sechs Windkraftanlagen auszusetzen.
Der Antragsteller ist Eigentümer des in der Flur 3 der Gemarkung C. liegenden Gutshofes D., der als Gebäude unter Denkmalschutz steht. Entsprechend geschützt ist der umgebende Garten.
Unter dem 9. Februar 2005 erteilte der Antragsgegner der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von sechs Windkraftanlagen des Typs AN Bonus 1,3 MW/62 auf mehreren südwestlich des Gutshofes liegenden Flurstücken der Flur 3. Die Entfernung von Gebäuden des Hofes zur nächstgelegenen Anlage (M 4) beträgt 550 m. Die Anlage M 3 liegt etwa 950 m entfernt.
Mit Beschluss vom 9. August 2005 - 2 B 1351/05 - lehnte das Verwaltungsgericht es ab, die aufschiebende Wirkung des vom Antragsteller gegen die für sofort vollziehbar erklärte Genehmigung erhobenen Widerspruchs wiederherzustellen. Im Verlaufe des dagegen angestrengten Beschwerdeverfahrens erteilte der Antragsgegner der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen auf deren Antrag unter dem 27. Oktober 2006 eine Änderungsgenehmigung. Diese beinhaltet an praktisch gleichen Standorten Errichtung und Betrieb von sechs Windkraftanlagen des Typs Enercon E-70 E4 mit einer Nabenhöhe von 64 m, einem Rotordurchmesser von 71 m, einer Gesamthöhe von 99,50 m und einer Leistung von je 2 Mw. Aufgrund beidseitiger Erledigungserklärungen stellte der Senat daraufhin das nur auf die ursprüngliche Genehmigung bezogene damalige Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 30. November 2005 - 7 ME 147/05 - ein.
Nach Anordnung der sofortigen Vollziehung auch der Änderungsgenehmigung hat der Antragsteller erneut erstinstanzlich beantragt, die aufschiebende Wirkung seines auf diese Genehmigung erstreckten Widerspruchs ganz oder teilweise wiederherzustellen.
Dieses Begehren hat das Verwaltungsgericht mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerspruch werde voraussichtlich erfolglos bleiben, so dass dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der geänderten Genehmigung gegenüber dem Suspensivinteresse des Antragstellers der Vorzug gebühre. Der Antragsteller werde weder durch Lärm noch durch Schattenschlag unzumutbar beeinträchtigt werden. Auf eine Beeinträchtigung der Denkmalseigenschaft seines Anwesens könne er sich nicht berufen, weil der Denkmalschutz allein im öffentlichen Interesse liege und auch der Eigentümer eines Baudenkmals nicht befugt sei, Denkmalschutzbelange gerichtlich geltend zu machen. Wehren könne sich der Nachbar allenfalls gegen eine drohende grobe Verunstaltung seines Grundstücks. Von einer verunstaltenden oder erdrückenden Wirkung der Windkraftanlagen auf das Anwesen könne hier indessen schon wegen deren Entfernung und wegen des Baumbewuchses nicht die Rede sein. Dies werde durch die vorliegenden Fotosimulationen bestätigt. Was eine eventuelle Beeinträchtigung seiner Eigenjagd anbelange, müsse der Antragsteller diese als Schrankenbestimmung seines Eigentums durch die in der Nachbarschaft im Außenbereich bauplanungsrechtlich privilegierten Windkraftanlagen hinnehmen. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die Jagd auf seinen Flächen dauerhaft unmöglich werde.
Mit seiner dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Aussetzungsbegehren weiter. Verletzt sei das denkmalschutzrechtliche Beeinträchtigungsverbot. Die Vorschrift vermittle in einem Fall wie dem vorliegenden auch Drittschutz. Die Unzulässigkeit der Windkraftanlagen folge aus deren verdrängender und grob übertönender Wirkung, die auch von seinen Mietern und Reitgästen so empfunden werde. Zuwidergehandelt werde weiter dem Verunstaltungsverbot des § 53 NBauO. Windkraftanlage Nr. 4 unterschreite den bauordnungsrechtlichen Mindestabstand. Angesichts der dadurch insgesamt begründeten erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung müsse sein Aussetzungsinteresse als überwiegend bewertet werden, zumal bei der Abwägung zu seinen Gunsten auch die Beeinträchtigung des Jagdrechts zu berücksichtigen sei.
Der Antragsgegner hält die Beschwerde aus den von ihm bereits erstinstanzlich gemachten Ausführungen für unbegründet. Die Grenzabstände würden eingehalten.
Auch die Beigeladene tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen. § 8 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes - NDSchG - verleihe keine subjektiven Rechte. Denkbare Ausnahmen seien nicht gegeben. Ferner würden weder das Rücksichtnahmegebot noch das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot in nachbarrechtlich erheblicher Weise verletzt. Das Erscheinungsbild des Gutes, dem selbst keine landschaftsprägende Wirkung zukomme, werde nicht beeinträchtigt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die mit ihr dargelegten Gründe rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses, § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO.
1.) Überwiegende Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers und ein daraus folgendes Suspensivinteresse nach den §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1 VwGO sind nicht deshalb gegeben, weil die angefochtene Genehmigung eventuell das Erscheinungsbild des dem Antragsteller gehörenden Baudenkmals Gutshof D. beeinträchtigt. Dies wäre nach § 8 S. 1 NDSchG verboten. Ob der Verbotstatbestand vorliegt, ist umstritten. Während dies etwa von E. in seiner gutachterlichen Bewertung vom 31. Mai 2005 bezüglich des kulturgeschichtlichen und künstlerischen Erlebniswertes des Baudenkmals angenommen (vgl. besd. Bl. 33 f.) und auch von der damaligen oberen Denkmalbehörde in einer frühen Stellungnahme vertreten wird ("Verstoß in schwerwiegendem Umfang", Stellungnahme v. 2. Juli 2004 gegenüber der Samtgemeinde F.), ist die nunmehr zuständige Denkmalschutzbehörde anderer Auffassung und hat der Errichtung aller sechs Anlagen im Zusammenhang mit der Genehmigungserteilung zugestimmt. Dieser Befund wäre grundsätzlich geeignet, im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einen Aufschub des Vorhabens zu rechtfertigen, um das nicht unplausible Vorliegen einer denkmalschutzrechtlichen Beeinträchtigung im Hauptsacheverfahren gutachterlich zu klären. Dass der Senat einen Aufschub aus diesem Grunde gleichwohl nicht anordnet, liegt daran, dass das Recht des Denkmalschutzes Kulturdenkmäler ausschließlich im kulturstaatlichen Allgemeininteresse erhalten will, nicht aber im individuellen Interesse einzelner. Der Eigentümer eines Baudenkmals hat keinen Anspruch darauf, dass die Behörde Bauten in seiner Nachbarschaft aus denkmalschutzrechtlichen Gründen verhindert (Schmaltz / Wiechert, NDSchG, Rn. 13 zu § 8). Dem folgt die Rechtsprechung ersichtlich einhellig (vgl. aktuell etwa Nds.OVG, Urt. v. 15. Mai 2003 - 1 KN 69/02 -, Nds.VBl 2003, 272; BVerwG, Urt. v. 18. Dezember 1991 - 4 C 23.88 -, UPR 1992, 184). Das gilt auch dann, wenn der Eigentümer im Interesse des Denkmalschutzes Erhaltungsinvestitionen getätigt hat. Denn dadurch, dass er seiner öffentlichrechtlichen Erhaltungs- und Instandsetzungspflicht nach § 6 Abs. 1 NDSchG nachkommt, vermag er den Schutzzweck des Denkmalrechts nicht zu "privatisieren" (OVG Münster, Beschl. v. 9. Juni 1989 - 7 B 745/89 -, zitiert nach Beck online). Das bedeutet, dass der Antragsteller darauf gestützte Abwehransprüche nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht geltend machen kann.
2.) Erfolgsaussichten des Widerspruchs folgen hier auch nicht aus dem Verunstaltungsverbot des § 53 der Niedersächsischen Bauordnung - NBauO -. Auch dieses hat grundsätzlich keinen nachbarschützenden Charakter, sondern ist als bauordnungsrechtliche Pflicht im öffentlichen Interesse zu beachten (Grosse - Suchsdorf u.a., NBauO, 7. A., Rn. 17 zu § 53). In Verbindung mit dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot kann es in Ausnahmefällen allerdings dann ein Abwehrrecht des Nachbarn begründen, wenn seine bauliche Anlage in besonders rücksichtsloser Weise, also grob, verunstaltet zu werden droht (Nds. OVG, a.a.O.). Eine von den Windkraftanlagen ausgehende störende oder überlagernde Wirkung, wie sie die für die Bejahung einer Denkmalsbeeinträchtigung eintretenden Gutachter unter Mitberücksichtigung kunstgeschichtlicher Gesichtspunkte angenommen haben, reicht dafür nicht aus. Mehr als dies bzw. mehr als die von Anlagen der genehmigten Art hervorgerufene allgemeine Veränderung des Landschaftsbildes ist in der Nachbarschaft des Gutshofes indessen nicht festzustellen. Dem Verwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung angefertigte "Visualisierung" des geplanten Windparks G. nach dem älteren Planungsstand 2004 einen brauchbaren Eindruck von der Wirkung auch der nunmehr geplanten Anlagen auf das Grundstück des Antragstellers vermittelt (BA C, Abt. 14, Fotos 10.1 bis 10.4 sowie 11.1 bis 11.4). Danach sind die Anlagen aus dem Garten infolge der mächtigen Bäume nicht einmal sichtbar. Außerhalb der Baumlinie erscheinen sie sämtlich zu weit entfernt, um eine - dazu noch grobe - Verunstaltung jedenfalls von Garten oder Gutshaus bewirken zu können; auf diesen Bezug käme es aber an.
3.) Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass das dem Antragsteller nach § 3 Abs. 1 Bundesjagdgesetzes auf seinen Flächen zustehende Jagdrecht wegen der in der Nähe befindlichen Windkraftanlagen dauerhaft beeinträchtig wird, setzt sich die Beschwerde nicht in einer dem § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO genügenden Weise auseinander. Soweit sie darauf abhebt, dass denkbare Beeinträchtigungen dieser Art für die nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung jedenfalls in Verbindung mit einer wahrscheinlichen denkmalschutzrechtlichen Unzulässigkeit der Anlagenstandorte von Bedeutung seien, kann sie sich auf letzteres, wie zu 1.) ausgeführt, von Rechts wegen nicht berufen. Damit leidet die Interessenabwägung auch unter diesem Gesichtspunkt an keinem Defizit.
4.) Die Behauptung des Antragstellers, Anlage Nr. 4 wahre zu seiner Grundstücksgrenze nicht den erforderlichen Mindestabstand, ist im Beschwerdeverfahren nicht prüffähig, weil sie in erster Instanz nicht vorgetragen worden ist, das Verwaltungsgericht sich damit nicht befasst hat und deshalb kein auseinandersetzungsfähiger Begründungsstoff im Sinne des § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO vorliegt. Im Übrigen trifft die Behauptung nicht zu. Entgegen der Auffassung des Antragstellers wurde der Rotor der Anlage zur Bemessung von "1 H" nach § 7 Abs. 3 NBauO durchaus berücksichtigt, denn der zugrunde gelegte 1-H-Wert übersteigt die Gesamthöhe der Anlage. Auch durch den größeren Rotordurchmesser der neu genehmigten Anlagen wird der Grenzabstand zur nächstgelegenen Anlage Nr. 4 deshalb nicht überschritten, weil deren Standort um weitere 3 m von der nördlichen Flurstücksgrenze abgerückt worden ist (vgl. die Darstellung der Grenzabstandsberechnungen in BA B, Abt. 3).
Ende der Entscheidung
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