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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 02.07.2003
Aktenzeichen: 8 K 3892/00
Rechtsgebiete: GG, HKG


Vorschriften:

GG Art. 1 I
GG Art. 2 I
HKG § 8
1. § 5 der Beitragsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 28. November 1998 in der Fassung vom 5. Dezember 2001 - BO - steht mit höherrangigem Recht im Einklang.

2. Die Verpflichtung der Kammermitglieder, sich in eine Beitragsgruppe einzustufen und damit die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit gegenüber der Ärztekammer Niedersachsen offenzulegen (§ 5 Abs. 1 BO), verstößt nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, weil überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Einschränkung dieses Rechts rechtfertigen.

3. Die Verpflichtung zum Nachweis der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit durch Vorlage eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid oder einer Bestätigung des Finanzamtes (§ 5 Abs. 2 BO) lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erkennen.

4. Bei generalisierender und typisierender Betrachtungsweise kann nicht beanstandet werden, dass die Ärztekammer Niedersachsen Auszügen aus Einkommensteuerbescheiden und Bestätigungen der Finanzämter ein höheres Maß an Richtigkeit als Bescheinigungen von Steuerberatern beimisst.


Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit des § 5 der Beitragsordnung der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist als leitender Krankenhausarzt Mitglied der Antragsgegnerin. Diese erhebt nach § 1 Abs. 1 ihrer Beitragsordnung vom 28. November 1998 Beiträge von ihren Mitgliedern zur Durchführung ihrer Aufgaben. Die Beitragsveranlagung erfolgt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 der Beitragsordnung nach Beitragsgruppen. Die Einstufung in die Beitragsgruppen richtet sich nach der Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit, die nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln ist; maßgebend sind dabei die Einkünfte, die das Kammermitglied im vorletzten bzw. letzten Jahr vor dem Beitragsjahr erzielt hat (§ 2 Abs. 1 und 2 der Beitragsordnung). Bei Kammermitgliedern, die auch Mitglieder der Ärztekammer eines anderen Bundeslandes sind, werden nur die Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit berücksichtigt, die sie in Niedersachsen erzielt haben, wenn hierfür ein Nachweis erbracht wird (§ 2 Abs. 4 der Beitragsordnung).

§ 5 der Beitragsordnung vom 28. November 1998 regelt die Beitragsveranlagung durch Selbsteinstufung und die Nachweispflicht. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

(1) Die Beitragsveranlagung erfolgt abgesehen von den Fällen des § 6 durch Selbsteinstufung des Kammermitgliedes. Dazu versendet die Ärztekammer Niedersachsen zu Beginn eines jeden Jahres einen Veranlagungsvordruck, dessen sich das Kammermitglied bedienen soll.

(2) Der Selbsteinstufung ist ein Auszug des Einkommensteuerbescheides beizufügen, aus dem die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit im vorletzten bzw. letzten Jahr (§ 2 Abs. 2 und 3) vor dem Beitragsjahr ersichtlich ist. Liegt der Einkommensteuerbescheid dem Kammermitglied bis zum Veranlagungsstichtag noch nicht vor, hat es eine schriftliche Bestätigung seines Steuerberaters über die in der Selbstveranlagung genannte Höhe seiner Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit vorzulegen und den Nachweis gemäß Satz 1 nach Erhalt des Einkommensteuerbescheides unverzüglich nachzureichen.

(3) Ist die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit, etwa bei ärztlicher und zahnärztlicher Tätigkeit des Kammermitgliedes oder bei gemeinsamer Veranlagung des Kammermitgliedes mit seinem Ehepartner, allein durch die Vorlage des Auszuges des Einkommensteuerbescheides nicht ersichtlich, hat das Kammermitglied ergänzende geeignete Nachweise zu erbringen.

(4) Kommt das Kammermitglied der Nachweispflicht nicht nach, ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 15 des Kammergesetzes für die Heilberufe.

Der Antragsteller hat am 10. November 2000 einen Normenkontrollantrag gestellt.

Am 5. Dezember 2001 hat die Antragsgegnerin ihre Beitragsordnung mit Wirkung zum 1. Januar 2002 geändert und § 5 Abs. 2 folgenden Satz angefügt:

An Stelle eines Auszuges aus dem Einkommensteuerbescheid kann eine Bestätigung des Finanzamtes über die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit vorgelegt werden.

Zur Begründung seines Normenkontrollantrags trägt der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes vor: § 5 der Beitragsordnung der Antragsgegnerin verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da er grundsätzlich die Vorlage eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid verlange. Die Vorlage dieses Auszuges führe nämlich zur Offenlegung von Informationen, die für die Beitragsbemessung nicht erforderlich seien. Das sei u. a. bei der gemeinsamen Veranlagung von Ehegatten der Fall, die nicht beide Kammermitglied seien. Außerdem könne eine realistische Selbsteinstufung der Kammermitglieder auf weniger einschneidende Weise gewährleistet werden. So sei die Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters ausreichend, weil dieser nach der Berufsordnung der Steuerberater ein unabhängiges Organ der Steuerrechtspflege sei und gewissenhaft arbeiten müsse. Dementsprechend gingen die Finanzbehörden bei der Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen, die von Steuerberatern erstellt worden seien, grundsätzlich von deren Angaben aus. Außerdem könne sich die Antragsgegnerin an das zuständige Finanzamt werden, wenn sie im Einzelfall begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben eines Steuerberaters habe. Dass die Antragsgegnerin § 5 ihre Beitragsordnung inzwischen dahin geändert habe, dass an Stelle des Auszuges aus dem Einkommensteuerbescheid eine Bestätigung des Finanzamtes über die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit genüge, habe die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung nicht beseitigt. Das Schreiben der Oberfinanzdirektion D. vom 24. Juni 2002 bestätige, dass die Finanzämter Bescheinigungen nur dann ausstellten, wenn Kammermitglieder auf diese angewiesen seien, was regelmäßig nicht der Fall sei. Daher laufe die Änderung der Beitragsordnung ins Leere. § 5 Abs. 2 der Beitragsordnung verstoße des Weiteren gegen das Äquivalenzprinzip, weil auch Einkünfte aus der Behandlung von Patienten im Ausland nachzuweisen seien, obwohl diese bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt werden dürften.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass § 5 der Beitragsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 28. November 1998 in der Fassung vom 5. Dezember 2001 nichtig ist. Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen,

und erwidert: Der Normenkontrollantrag sei unzulässig, weil der Antragsteller eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht schlüssig dargetan habe. Der Antragsteller habe auch nicht dargelegt, dass ein Eingriff in seine allgemeine Handlungsfreiheit vorliege. Der Normenkontrollantrag sei darüber hinaus unbegründet, weil die Verpflichtung, grundsätzlich einen Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid vorzulegen, nicht zu beanstanden sei. Nach ihren Erfahrungen sei die Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters kein zum Nachweis der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit gleichermaßen geeignetes Mittel. Die Finanzbehörden gingen bei der Steuerfestsetzung zwar regelmäßig von den Angaben der Steuerberater aus. Die Kammerversammlung sei jedoch zu der Einschätzung gelangt, dass die Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters unzureichend sei. Eine Nachfrage beim Finanzamt sei wegen des damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwandes auch kein geeigneter Weg, die Höhe der Einkünfte der Kammermitglieder aus ärztlicher Tätigkeit in Erfahrung zu bringen. Im Übrigen müsse nicht in jedem Fall ein Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid vorgelegt werden. Seit der Änderung der Beitragsordnung könnten ihre Mitglieder auch eine Bestätigung des Finanzamtes über die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit beibringen. Die Oberfinanzdirektion D. habe bestätigt, dass es Kammermitgliedern grundsätzlich möglich sei, derartige Bestätigungen zu erhalten. Daher sei davon auszugehen, dass die Finanzämter Bestätigungen z. B. dann ausstellten, wenn Kammermitglieder Auslandseinkünfte erzielt haben, die bei der Bemessung der Kammerbeiträge nicht ansatzfähig seien. Folglich seien die vom Antragsteller gegen § 5 ihrer Beitragsordnung erhobenen Einwände jedenfalls seit der Änderung der Beitragsordnung nicht mehr begründet.

Der Senat hat die Oberfinanzdirektion D. mit Verfügungen vom 6. und 18. Juni 2002 um Auskunft darüber gebeten, ob Mitglieder der Ärztekammer Niedersachsen von den für sie zuständigen Finanzämtern auf Antrag Bestätigungen über die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit erhalten können. Die Oberfinanzdirektion D. hat dem Senat mit Schreiben vom 24. Juni 2002 mitgeteilt, dass die Finanzämter den Kammermitglieder, die die ihnen nach der Beitragsordnung der Antragsgegnerin zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht ausschöpften, keine Bestätigungen ausstellen würden. Kammermitglieder, die auf eine Bestätigung ihres Finanzamts angewiesen seien, könnten diese jedoch erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Normenkontrollantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist statthaft, weil die Beitragsordnung der Antragsgegnerin gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 7 NVwGG der Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht unterliegt.

Der Antrag erfüllt auch die anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Er ist innerhalb der Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit rechtzeitig gestellt worden. Außerdem ist der Antragsteller antragsbefugt.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, einen Normenkontrollantrag stellen. Diese Antragsbefugnis ist stets zu bejahen, wenn eine Rechtsverletzung zu befürchten ist, die im Individualrechtsstreit die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO begründen würde. Daher ist es ausreichend, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es mindestens als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird. Als möglicherweise verletztes Recht kommt hier das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht, das Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 14.12.2001 - 2 BvR 152/01 - NJW 2002 S. 2164; BVerwG, Urt. v. 8.3.2002 - 3 C 46/01 - DVBl. 2002 S. 782). In den Schutzbereich dieses Rechts fällt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe seiner persönlichen Daten zu bestimmen, zu denen auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse gehören (BVerfG, Beschl. v. 14.12.2001, a.a.O.). Dass dieses Recht durch § 5 der Beitragsordnung der Antragsgegnerin verletzt wird, ist nicht von vorneherein ausgeschlossen. Daher kann dem Antragsteller die Antragsbefugnis nicht abgesprochen werden.

Der Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet, weil § 5 der Beitragsordnung der Antragsgegnerin vom 28. November 1998 in der Fassung vom 5. Dezember 2001 - BO - mit höherrangigem Recht im Einklang steht.

Die gerichtliche Überprüfung einer Beitragsordnung berufsständischer Kammern ist darauf beschränkt, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsermessens verlassen hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.7.1989 - 1 B 109/89 - NJW 1990 S. 786; Senatsurt. v. 13.12.2001 - 8 L 4694/99 - NdsVBl. 2002 S. 133, MedR 2002 S. 477; Senatsurt. v. 29.11.1993 - 8 L 11/90 - OVGE 44, 394). Das ist u. a. dann der Fall, wenn Bestimmungen der Beitragsordnung sich nicht in dem durch das Kammergesetz für die Heilberufe - HKG - vom 19. Juni 1996 (Nds. GVBl. S. 259) gesetzten Rahmen halten. Ein derartiger Verstoß gegen höherrangiges Recht lässt sich hier aber nicht feststellen. Nach § 8 Abs. 1 HKG erheben die Kammern zur Durchführung ihrer Aufgaben aufgrund einer Beitragsordnung Beiträge von den Kammermitgliedern, soweit sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stehen. Damit ermächtigt das Kammergesetz für die Heilberufe die Antragsgegnerin zum Erlass einer Beitragsordnung, die die Erhebung von Kammerbeiträgen im Einzelnen regelt. Maßgaben für den Inhalt der Beitragsordnung, die hier von Bedeutung sein könnten, enthält das Gesetz aber nicht. Daher schränkt es den Gestaltungsspielraum der Antragsgegnerin nicht ein. Folglich widerspricht § 5 BO den Bestimmungen des Kammergesetzes für die Heilberufe nicht.

§ 5 BO ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da er entgegen der Annahme des Antragstellers das Recht der Kammermitglieder auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt - wie bereits erwähnt - die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe seiner persönlichen Daten zu bestimmen, zu denen auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse gehören (BVerfG, Beschl. v. 14.12.2001, a.a.O., m.w.N.). Dieses Recht wird jedoch nicht schrankenlos gewährleistet (BVerfG, Beschl. v. 14.12.2001, a.a.O; BVerwG, Urt. v. 20.12.2002 - 6 C 7/01 - BVerwGE 115, 319). Vielmehr muss der Einzelne Einschränkungen des Rechts im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Diese bedürfen nach Art. 2 Abs. 1 GG allerdings einer gesetzlichen Grundlage. Außerdem müssen sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Das setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass hinreichende Gründe des Gemeinwohls die Einschränkung des Rechts rechtfertigen, das gewählte Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und die Grenze des Zumutbaren bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe noch gewahrt ist (so BVerfG, Beschl. v. 9.3.1988 - 1 BvR 49.86 - BVerfGE 78, 85; BVerwG, Urt. v. 8.3.2002, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

§ 5 Abs. 1 BO verpflichtet die Mitglieder der Antragsgegnerin, sich in eine Beitragsgruppen einzustufen, weil die Veranlagung zu Kammerbeiträgen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BO nach Beitragsgruppen erfolgt. Damit sind die Kammermitglieder gezwungen, die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit offen zu legen, da die Einordnung in die Beitragsgruppen von der Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit abhängig ist, die die Kammermitglieder im vorletzten bzw. letzten Jahr vor dem Beitragsjahr erzielt haben (§ 2 Abs. 1 und 2 BO). Daher schränkt § 5 Abs. 1 BO das Recht der Kammermitglieder auf informationelle Selbstbestimmung ein. Diese Einschränkung ist jedoch rechtlich nicht zu beanstanden, weil überwiegende Gründe des Gemeinwohls sie rechtfertigen. Zum einen ist die Antragsgegnerin zur Erfüllung der Aufgaben, die ihr nach § 9 Abs. 1 HKG im Interesse der Gesamtheit ihrer Mitglieder und der Allgemeinheit obliegen, auf die Erhebung von Beiträgen angewiesen, weil ihr ausreichende andere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Zum anderen ist die von § 2 BO vorgeschriebene Beitragsveranlagung nach Maßgabe der Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit, die keinen rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.1993 - 1 C 33/89 - BVerwGE 92, 24; Senatsurt. v. 13.12.2001, a.a.O.), ohne die Angabe der Höhe dieser Einkünfte nicht möglich. Daher verlangen erhebliche Gemeinwohlinteressen die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch § 5 Abs. 1 BO. Diese Einschränkung ist zur Erreichung des von der Antragsgegnerin verfolgten Zwecks auch geeignet und erforderlich. Darüber hinaus ergibt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe, dass die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zumutbar ist, weil die Verpflichtung der Kammermitglieder, sich in eine Beitragsgruppe einzustufen und damit die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit offen zu legen, nicht außer Verhältnis zu dem Zweck steht, der Antragsgegnerin die vorgeschriebene Beitragserhebung zu ermöglichen. Vielmehr überwiegen die Gründe, die für die Notwendigkeit der Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch § 5 Abs. 1 BO sprechen. Daher begegnet diese Bestimmung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

§ 5 Abs. 2 BO, der die Nachweispflicht regelt, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erkennen.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BO müssen die Mitglieder der Antragsgegnerin der Selbsteinstufung einen Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid beifügen, aus dem die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit im vorletzten bzw. letzten Jahr vor dem Beitragsjahr ersichtlich ist. Liegt einem Kammermitglied der Einkommensteuerbescheid bis zum Veranlagungsstichtag noch nicht vor, hat er nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BO eine schriftliche Bestätigung seines Steuerberaters über die in der Selbstveranlagung genannte Höhe seiner Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit vorzulegen und einen Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid nach dessen Erhalt unverzüglich nachzureichen. Ergänzend dazu bestimmt § 5 Abs. 2 Satz 3 BO, dass die Kammermitglieder an Stelle eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid eine Bestätigung des Finanzamtes über die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit einreichen können. Diese Bestimmung geht jedoch teilweise ins Leere, da die niedersächsischen Finanzämter nur ausnahmsweise Bestätigungen über die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit ausstellen. Die Oberfinanzdirektion D. hat auf Anfrage des Senats mit Schreiben vom 24. Juni 2002 erklärt, dass nur die Mitglieder der Antragsgegnerin, die darauf angewiesen seien, von den Finanzämtern Bestätigungen über die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit erhielten. Das ist bei den Kammermitgliedern der Fall, die die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit durch einen Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid nicht konkret belegen können, weil sie neben Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit andere Einkünfte aus selbständiger bzw. unselbständiger Arbeit erzielt haben. Entsprechendes gilt für Kammermitglieder, deren Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit bei der Beitragsbemessung - z. B. nach § 2 Abs. 4 BO - nur teilweise zu berücksichtigen sind, da die Vorlage eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid zum Nachweis der Höhe der berücksichtigungsfähigen Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit nicht ausreicht. Daher müssen nur die Beitragspflichtigen einen Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid beibringen, die die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit durch diesen Auszug konkret nachweisen können. Das ist lediglich dann der Fall, wenn ihre Einkünfte aus selbständiger bzw. unselbständiger Arbeit ausschließlich aus ärztlicher Tätigkeit stammen und in vollem Umfang bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sind.

Die Verpflichtung zum Nachweis der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit, die § 5 Abs. 2 BO vorsieht, verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht, weil überwiegende Gründe des Gemeinwohls die Einschränkung dieses Rechts rechtfertigen.

Die Antragsgegnerin hat dafür Sorge zu tragen, dass sie die Beiträge, die ihr nach der Beitragsordnung zustehen, in vollem Umfang erhebt, da sie auf diese Mittel zur Durchführung ihrer Aufgaben angewiesen ist. Daher muss sie in der Lage sein, die Selbsteinstufung der Beitragspflichtigen ohne erheblichen Aufwand anhand geeigneter Nachweise überprüfen zu können. Das gilt umso mehr, als Stichproben der Antragsgegnerin ergeben haben, dass die Selbsteinstufung ihrer Mitglieder in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen falsch gewesen ist. Die daher gebotene Überprüfung liegt nicht nur im Interesse der Antragsgegnerin, sondern auch dem ihrer Mitglieder, da die Antragsgegnerin nur die Beiträge, die ihr zufließen, zur Durchführung der Aufgaben verwenden kann, die ihr nach § 9 Abs. 1 HKG obliegen. Da die Erfüllung dieser Aufgaben zum Teil auch im Interesse der Allgemeinheit liegt, besteht zudem ein öffentliches Interesse daran, dass die Antragsgegnerin die Selbsteinstufung der Beitragspflichtigen ohne großen Aufwand anhand geeigneter Nachweise überprüfen kann. Daher sprechen gewichtige Gründe des Gemeinwohls dafür, die Kammermitglieder zur Einreichung von Unterlagen zu verpflichten, die der Antragsgegnerin eine einfache Überprüfung der Selbsteinstufung ihrer Mitglieder ermöglichen.

Die Vorlage eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid oder einer Bestätigung des Finanzamtes ist zur Erreichung des von der Antragsgegnerin verfolgten Zwecks auch geeignet, da diese Unterlagen die Antragsgegnerin in die Lage versetzen, sich von der Richtigkeit der Selbsteinstufung ihrer Mitglieder zu überzeugen. Dem Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid kann zwar die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit nicht direkt entnommen werden, weil in den Einkünften aus selbständiger oder unselbständiger Arbeit, die der Einkommensteuerbescheid festsetzt, nicht nur Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit enthalten sein müssen. Die Antragsgegnerin kann jedoch überprüfen, ob die bei der Selbsteinstufung angegebenen Einkünfte niedriger als die vom Finanzamt festgesetzten Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Arbeit sind. Daher ist auch die Vorlage eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid zur Kontrolle der Selbsteinstufung der Kammermitglieder geeignet.

Die Vorlage eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid oder einer Bestätigung des Finanzamtes ist darüber hinaus erforderlich, weil der von der Antragsgegnerin verfolgte Zweck, die Richtigkeit der Selbsteinstufung ohne erheblichen Aufwand überprüfen zu können, ansonsten nicht erreicht werden kann. Die dagegen erhobenen Einwände des Antragstellers überzeugen nicht.

Entgegen der Annahme des Antragstellers stellt die Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters über der Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit kein gleichermaßen geeignetes, die Rechte der Kammermitglieder weniger einschränkendes Mittel zum Nachweis der Einkünfte dar. Zum einen greift die Verpflichtung, der Antragsgegnerin einen Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid oder eine Bestätigung des Finanzamtes vorzulegen, nicht stärker in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, als es die Pflicht zur Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters tun würde. Zum anderen ist die Bescheinigung eines Steuerberaters nicht gleichermaßen geeignet, die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit nachzuweisen. Das ergibt sich aus Folgendem: Wie bereits dargelegt sind nur die Kammermitglieder, deren Einkünfte aus selbständiger bzw. unselbständiger Arbeit ausschließlich aus ärztlicher Tätigkeit stammen und in vollem Umfang bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sind, zur Vorlage eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid verpflichtet. Da aus diesem Auszug nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BO nur die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit ersichtlich sein muss, können diese Kammermitglieder alle Angaben im Einkommensteuerbescheid schwärzen, die nicht die Höhe ihrer Einkünfte aus selbständiger bzw. unselbständiger Arbeit betreffen. Daher sind sie nicht gezwungen, durch den Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid weitergehende Informationen über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse preiszugeben als durch eine Bescheinigung eines Steuerberaters, die dieselben Zahlen enthalten würde. Folglich greift die Pflicht, einen Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid vorzulegen, nicht stärker in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, als es bei Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters der Fall wäre. Daher verpflichtet das Gebot des geringstmöglichen Eingriffs die Antragsgegnerin nicht dazu, ihren Mitgliedern die Möglichkeit einzuräumen, an Stelle eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid eine Bescheinigung eines Steuerberaters vorzulegen. Dieses Gebot verlangt auch nicht, den Kammermitgliedern, die an Stelle eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid eine Bestätigung des Finanzamts beibringen können, die Vorlage einer Bescheinigung eines Steuerberaters zu gestatten.

Im Übrigen kann bei der hier nur möglichen generalisierenden und typisierenden Betrachtungsweise nicht beanstandet werden, dass die Antragsgegnerin Auszügen aus Einkommensteuerbescheiden und Bestätigungen der Finanzämter ein höheres Maß an Richtigkeit als Bescheinigungen von Steuerberatern beimisst. Dass Steuerberater nach § 2 Abs. 1 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer unabhängige Organe der Steuerrechtspflege sind und nach § 57 Abs. 1 StBerG unabhängig, eigenverantwortlich und gewissenhaft arbeiten müssen, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Finanzbehörden bei der Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen, die von Steuerberatern erstellt worden sind, regelmäßig von deren Angaben ausgehen. Daher muss sich die Antragsgegnerin auch mangels Gleichwertigkeit der o. g. Unterlagen nicht mit einer Bescheinigung eines Steuerberaters an Stelle eines Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid oder einer Bestätigung des Finanzamtes zufrieden geben.

Der Antragsteller kann schließlich auch nicht einwenden, dass die Antragsgegnerin sich an die zuständigen Finanzbehörden wenden könnte, wenn sie im Einzelfall begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben eines Steuerberaters zur Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit haben sollte. Da die Antragsgegnerin darauf angewiesen ist, dass sie die Beiträge, die ihr zustehen, in vollem Umfang erhebt, muss sie in der Lage sein, die Selbsteinstufung der Beitragspflichtigen anhand geeigneter Nachweise überprüfen zu können. Da mehr als 20.000 Kammermitglieder beitragspflichtig sind, muss dies ohne erheblichen Verwaltungsaufwand möglich sein. Daher kann die Antragsgegnerin nicht darauf verwiesen werden, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Zweifel an der Richtigkeit der Angaben eines Steuerberaters zur Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit bestehen, und gegebenenfalls Auskünfte von den Finanzämtern einzuholen.

Die Verpflichtung, einen Auszug aus dem Einkommensteuerbescheid oder eine Bestätigung des Finanzamtes über die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit vorzulegen, ist den Kammermitgliedern bei einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Gewicht der diesen Eingriff rechtfertigenden Gründe auch zumutbar. Verfügen die Mitglieder lediglich über Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit, belegen sie durch die Vorlage eines Auszugs aus dem Einkommen-steuerbescheid bzw. einer Bestätigung des Finanzamts lediglich die Richtigkeit der Angaben, die sie schon im Rahmen der Selbsteinstufung gemacht haben. Daher wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Nachweispflicht nicht nennenswert berührt. Entsprechendes gilt, wenn die Kammermitglieder neben Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit Einkünfte aus einer anderen beruflichen Tätigkeit erzielt haben, weil sie dann an Stelle des Auszugs aus dem Einkommensteuerbescheid eine Bestätigung des Finanzamts über die Höhe ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit vorlegen können, durch die sie nicht mehr als durch die Selbsteinstufung offen legen. Andererseits ist das Interesse der Antragsgegnerin, die Richtigkeit der Selbsteinstufung ihrer Mitglieder anhand dieser Unterlagen überprüfen zu können, von erheblichem Gewicht. Das gilt umso mehr, als Stichproben ergeben haben, dass die Selbsteinstufung der Kammermitglieder in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen falsch gewesen ist. Daher ist die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch § 5 Abs. 2 BO verhältnismäßig.

§ 5 Abs. 3 BO ist auch nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung, ergänzende geeignete Nachweise zu erbringen, wenn die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit, etwa bei ärztlicher und zahnärztlicher Tätigkeit des Kammermitgliedes, durch die Vorlage eines Auszuges aus dem Einkommensteuerbescheid nicht belegt werden kann, ist rechtmäßig, da dieser Nachweis erforderlich ist und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unverhältnismäßig einschränkt.

§ 5 Abs. 4 BO begegnet ebenfalls keine rechtlichen Bedenken, da er die Folgen der Nichterfüllung der Nachweispflicht sachgerecht regelt.

Schließlich geht auch der Einwand des Antragstellers fehl, dass § 5 BO wegen Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip nichtig sei, weil die Einkünfte aus der Behandlung von Patienten im Ausland nachzuweisen seien, obwohl diese bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt werden dürften. Der Antragsteller übersieht, dass § 5 BO nicht bestimmt, welche Einkünfte für die Bemessung der Kammerbeiträge maßgeblich sind, sondern ausschließlich die Beitragsveranlagung durch Selbsteinstufung und die Nachweispflicht regelt. Daher ist ein Verstoß des § 5 BO gegen das Äquivalenzprinzip, das ein Missverhältnis zwischen der Beitragshöhe und dem Vorteil, den der Beitrag abgelten soll, verbietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22), nicht denkbar. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass Einkünfte aus der Behandlung von Patienten im Ausland bei der Beitragsveranlagung nicht zu berücksichtigen und daher auch nicht nachzuweisen sind.

Ende der Entscheidung

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