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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 8 LA 128/06
Rechtsgebiete: BestattG, VwVfG
Vorschriften:
BestattG § 10 | |
VwVfG § 48 I |
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
Der Kläger nennt in der Begründung seines Zulassungsantrags keinen der in § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VwGO abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Berufung. Der Sache nach macht er Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sowie eine seiner Ansicht nach zu Unrecht unterbliebene Beweisaufnahme durch Befragung von Zeugen geltend. Seinem Zulassungsantrag lässt sich jedoch nicht eindeutig entnehmen, ob er sich damit auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und/oder den der Nr. 5 VwGO stützen will. Deshalb ist zweifelhaft, ob die Begründung des Zulassungsantrages noch den Darlegungserfordernissen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt. Diesen Zweifeln braucht jedoch nicht näher nachgegangen zu werden. Jedenfalls greifen die vom Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrages dargelegten Argumente in der Sache nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Verfügung der Beklagten vom 1. November 2004 zu Recht abgewiesen.
Die Beteiligten streiten über die Umbettung der Urne des im Dezember 2003 verstorbenen Herrn F.. Der Kläger ist der Sohn des Verstorbenen. Bei der Beigeladenen zu 2) handelt es sich um die Mutter des Klägers und offenbar frühere Lebensgefährtin des Verstorbenen, bei der Beigeladenen zu 1) um die letzte Lebensgefährtin des Verstorbenen.
Der Verstorbene wurde am 28. Januar 2004 auf Veranlassung der zur Erbin eingesetzten Beigeladenen zu 1) auf dem Friedhof der Beklagten in einer anonymen Urnenreihengrabstätte beigesetzt. Der Kläger erhob hiergegen zunächst keine Einwände, sondern beteiligte sich an den Bestattungskosten. Im Juli 2004 stellte der Kläger jedoch im Einverständnis mit seiner Mutter, der Beigeladenen zu 2), den Antrag, die Urne seines verstorbenen Vaters aus dem anonymen Reihengrab in eine von seiner Mutter auf demselben Friedhof erworbene Wahlgrabstätte umbetten zu lassen. Dem Antrag wurde am 29. Juli 2004 mündlich stattgegeben, ohne dass die Beigeladene zu 1) zuvor beteiligt worden war. Daraufhin wurde die Urne am 11. August 2004 in das von der Beigeladenen zu 2) erworbene Wahlgrab umgebettet. Dort sind auch die 1997 bzw. 2004 verstorbenen Eltern der Beigeladenen zu 2) bestattet.
Nachdem die Beigeladene zu 1) von der Umbettung erfahren hatte, trat sie im September 2004 mit der Bitte um Rückbettung der Urne an die Beklagte heran. Die Beklagte nahm daraufhin mit dem hier streitigen Bescheid vom 1. November 2004 gestützt auf § 48 VwVfG die Umbettungsverfügung zurück und verfügte zugleich die Rückbettung der Urne in das anonyme Urnengräberfeld. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren dagegen erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. Juli 2006 abgewiesen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung ergeben sich aus den vom Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrags sinngemäß dargelegten Gründen nicht.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Umbettungsverfügung § 48 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG ist und dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sind.
Die Umbettungsverfügung vom 29. Juli 2004 ist aus mehreren Gründen ersichtlich rechtswidrig erlassen worden. Da die Umbettung noch im Jahr 2004, d. h. im ersten Jahr der Ruhezeit erfolgte, wäre sie nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der Friedhofssatzung der Beklagten nur zulässig gewesen, wenn dafür ein dringendes öffentliches Interesse vorgelegen hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Auch außerhalb dieser Ruhefrist bedarf es für die Umbettung eines wichtigen Grundes, § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 der Friedhofssatzung. Auch hieran mangelte es. Dass der Kläger als Sohn des Verstorbenen ein halbes Jahr nach der mit seinem Wissen und ohne seinen Widerspruch erfolgten anonymen Urnenbestattung seines Vaters aus "ethischen und moralischen Gründen" um die Umbettung in das Wahlgrab bat, stellt keinen solchen wichtigen Grund dar. Von volljährigen Angehörigen wie dem Kläger kann erwartet werden, dass sie sich rechtzeitig, d. h. vorher und nicht erst nachträglich, über Art und Ort der Bestattung ein abschließendes Urteil bilden (vgl. Senatsurteil v. 31.10.1994 - 8 L 1084/94 - sowie Senatsbeschl. v. 15.7.1997 - 8 L 2287/97 -). Die Achtung der Totenruhe des verstorbenen Herrn F., aber auch der anderen Toten, die ihre letzte Ruhestätte in der Gemeinschaftsanlage gefunden haben, hat Vorrang gegenüber dem Sinneswandel des Klägers (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.9.2002 - 1 A 196/00 -, LKV 2003, 428 f.). Die Umbettung verstieß zudem gegen § 11 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 der Friedhofssatzung. Danach muss der "verfügungsberechtigte Angehörige des Verstorbenen" eine solche Umbettung beantragen. Nach der Systematik der Friedhofs- und der ergänzenden Friedhofsgebührensatzung der Beklagten kann mit dem "verfügungsberechtigten Angehörigen" des Verstorbenen nur diejenige Person gemeint sein, die die Bestattung veranlasst und dafür gegenüber dem Friedhofsträger die Kosten getragen hat. Dies war aber die Beigeladene zu 1). Ohne ihre Beteiligung hätte die Umbettung daher nicht verfügt und durchgeführt werden dürfen (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.7.2001 - 9 U 198/00 -, NJW 2001, 2980). Schließlich war diese Umbettung zusätzlich deshalb rechtswidrig, weil sie dem Willen des Verstorbenen widersprach. Dass Art und Ort der Bestattung dem Willen der verstorbenen Person entsprechen sollen, ist heute in § 10 Abs. 1 Satz 2 BestattG ausdrücklich geregelt, galt aber bereits zuvor, d. h. im hier maßgebenden Jahr 2004 (vgl. nur Gaedke/Diefenbach, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Aufl., S. 194 f.; Barthel, BestattG, Kommentar, § 15, Ziffer 2.1, m. w. N.). Die ursprünglich in einem anonymen Urnengrab erfolgte Bestattung entsprach dem Willen des verstorbenen Herrn F..
Die vom Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags geltend gemachten Einwände gegen die Annahme der Rechtswidrigkeit der Umbettungsverfügung greifen nicht durch. Anhaltspunkte für die "vorsorglich" gerügte formelle Rechtswidrigkeit der Friedhofssatzung bestehen nicht und werden von dem Kläger auch nicht ansatzweise dargelegt. Im Übrigen kommt es hierauf auch nicht an. Auch unabhängig vom Bestand der Friedhofssatzung hätte die Umbettung nicht dem Willen des Verstorbenen widersprechen und ohne die erforderliche Einwilligung der Beigeladenen zu 1) erfolgen dürfen, d.h. die Umbettungsverfügung wäre in jedem Falle rechtswidrig gewesen. Das Verwaltungsgericht war entgegen der Annahme des Klägers auch nicht verpflichtet, Zeugen dazu zu vernehmen, ob der Verstorbene tatsächlich eine anonyme Urnenbestattung gewollt hat. Nach dem Inhalt der vom Verwaltungsgericht beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsvorgänge haben mehrere Personen, einschließlich des Hausarztes des verstorbenen Herrn F., schriftlich erklärt, Herr F. habe nach seinem sich abzeichnenden Tode eingeäschert und anonym bestattet werden wollen. Auf die vom Kläger in Frage gestellten Motive für diese Bestattungsart kommt es nicht an. Ebenso wenig musste der Verstorbene schriftlich, etwa in seinem Testament, niederlegen, so bestattet werden zu wollen (vgl. nur OVG Frankfurt/Oder, sowie OLG Karlsruhe, a.a.O., jeweils m. w. N.). Der Kläger hat eine Zeugenvernehmung über die vom Verstorbenen in Aussicht genommene Bestattungsart nicht ausdrücklich beantragt. Dem Verwaltungsgericht drängte sich eine weitere Aufklärung auch keineswegs auf. Vielmehr stand es unter diesen Voraussetzungen mit § 86 VwGO in Einklang, dass das Verwaltungsgericht seine Überzeugung auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der darin enthaltenen schriftlichen Stellungnahmen gestützt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.11.1991 - 1 B 142/91 -, NJW 1992, 1186).
War somit die dem Kläger am 29. Juli 2004 mündlich erteilte Erlaubnis, die Urne seines verstorbenen Vaters umzubetten, im Sinne von § 48 VwVfG rechtswidrig, so stand die Rücknahme dieser Umbettungsverfügung im Ermessen der Beklagten. Dem Verwaltungsgericht ist darin zu folgen, dass die Beklagte dieses Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Sie hat die dabei zu berücksichtigenden Belange, nämlich ein etwaiges Vertrauen des Klägers und der Beigeladenen zu 2) auf den Bestand des Bescheides, den bereits erfolgten Vollzug der Umbettung sowie die dadurch bei einer Rückbettung erneut eintretende Störung der Totenruhe der in der von der Beigeladenen zu 2) erworbenen Wahlgrabstätte bestatteten Toten einerseits sowie andererseits die aus den zuvor genannten Gründen gegebene Rechtswidrigkeit der Verfügung abgewogen. In nicht zu beanstandender Weise hat sie sich für die Aufhebung der Verfügung entschieden, um so insbesondere dem Willen des Toten zu entsprechen. Dabei hat sie zutreffend berücksichtigt, dass auch der Kläger selbst der Beisetzung in einem anonymen Urnengrab ursprünglich nicht widersprochen hatte. Die Beklagte ist bei ihrer Ermessensentscheidung ferner zutreffend davon ausgegangen, dass das mit der Rücknahme verfolgte Ziel, die Urne des verstorbenen Herrn F. wieder in das anonyme Reihengrab rückzubetten, weiterhin tatsächlich und rechtlich möglich ist. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Urne sich gegenwärtig in einer Wahlgrabstätte befindet, an der die Beigeladene zu 2) nutzungsberechtigt ist, die mit der Rückbettung nicht einverstanden ist. Ihrer Zustimmung bedarf es nämlich nicht. Das nach § 11 Abs. 4 der Friedhofssatzung bestehende Zustimmungserfordernis für Umbettungen bezieht sich nicht auf eine solche Rückbettung. Auch nach anderen Rechtsvorschriften bedarf es keiner konstitutiven Zustimmung des Inhabers der Grabstätte, in die eine Urne rechtswidrig verbracht worden ist.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass seine Mutter, die Beigeladene zu 2), als Inhaberin des Grabes, in dem sich die Urne des verstorbenen Herrn F. gegenwärtig befindet, an dem Verwaltungsverfahren zumindest förmlich hätte beteiligt werden müssen, ist dieser Einwand für das vorliegende Verfahren unerheblich. Der Kläger kann sich nur erfolgreich auf die Verletzung eigener subjektiver Rechte, nicht aber auf die Beeinträchtigung von Rechten seiner Mutter berufen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., § 46 Rn. 30, m. w. N.). Ebenso wenig trifft sein Vorbringen zu, dass die erfolgte Rücknahme der Umbettungsverfügung treuwidrig sei, weil diese Verfügung zu seinen Gunsten lediglich mündlich erlassen worden und er deshalb nunmehr daran gehindert sei, anhand schriftlicher Unterlagen zu überprüfen, aus welchen Gründen die Beklagte ursprünglich die Umbettung erlaubt habe. Welche Gedanken sich der zuständige Mitarbeiter der Beklagten bei Erlass der Umbettungsverfügung gemacht hat, ist vorliegend unerheblich. Ihre Rechtswidrigkeit ergibt sich nach den zuvor ausgeführten Gründen hinreichend deutlich aus dem schwerwiegenden Verstoß gegen die vorgenannten Bestimmungen, insbesondere die des § 11 der Friedhofssatzung.
Der Kläger erachtet es im Übrigen "als sinnvoll", wenn eine weitere Umbettung der Urne des Verstorbenen in ein eigenes Urnengrab erfolgt. Dass sich aus diesem "Vergleichsvorschlag" die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung und damit Zweifel an der Richtigkeit der klageabweisenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben, macht der Kläger jedoch selbst nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat daneben verfügt, dass die - nach Aufhebung der Umbettungsverfügung - rechtswidrig in die Grabstätte, an der die Beigeladene zu 2) nutzungsberechtigt ist, verbrachte Urne des verstorbenen Herrn F. wieder in das anonyme Urnenreihengrab "rückgebettet" wird. Dadurch ist nach den allgemeinen Grundsätzen über den Folgenbeseitigungsanspruch dem Begehren der Beigeladenen zu 1) Rechnung getragen worden, die Folgen rückgängig zu machen, die durch die bereits erfolgte Vollziehung der zurückgenommenen Umbettungserlaubnis vom Juli 2004 unmittelbar herbeigeführt worden sind (vgl. zum Friedhofsrecht VGH Kassel, Urt. v. 7.9.1993 - 11 UE 1118/92 -, DVBl. 1994, 218 ff. = NVwZ-RR 1994, 335 ff., sowie OVG Münster, Beschl. v. 10.11.1998 - 19 A 1320/98 -, NVwZ 2000, 217 ff., und allgemein Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar § 48, Rn. 59). Hierüber durfte von Amts wegen durch Verwaltungsakt entschieden werden (Kopp/Ramsauer, a. a. O.). Dass dieser Teil des Bescheides vom 1. November 2004 rechtswidrig ist, wird vom Kläger selbst nicht geltend gemacht und ist auch für den Senat nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Nach der letztgenannten Vorschrift sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) für erstattungsfähig zu erklären. Sie hat nämlich beantragt, den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückzuweisen, und ist somit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ein eigenes Kostenrisiko eingegangen. Die Kosten der Beigeladenen zu 2) sind hingegen nicht erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Antrag gestellt hat und nach ihrem Vorbringen in der ersten Instanz im Übrigen auf Seiten des unterlegenen Klägers steht.
Ende der Entscheidung
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