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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.04.2007
Aktenzeichen: 8 LA 29/07
Rechtsgebiete: LHO, Satzung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen, SGB IV
Vorschriften:
LHO § 59 | |
Satzung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen § 24 | |
Satzung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen § 26 | |
Satzung der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen § 39 | |
SGB IV § 76 |
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS
Aktenz.: 8 LA 29/07
Datum: 27.04.2007
Gründe:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO schon nicht hinreichend dargelegt worden, aber auch in der Sache nicht gegeben sind.
§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO verlangt von dem Zulassungsantragsteller die Darlegung der Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Dies erfordert bezogen auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine Auseinandersetzung mit der Begründung des angegriffenen Urteils, indem zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163). Hingegen reicht es nicht aus, an der Entscheidung lediglich in der Art einer Berufungsbegründung Kritik zu üben. Hiernach hat die Klägerin in ihrer Zulassungsantragsbegründung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dargelegt. Die Klägerin übergeht nämlich die vom Verwaltungsgericht vorgetragene Begründung, insbesondere die zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der von der Klägerin angegriffenen Mindestbeitragsregelung in § 24 Abs. 6 Satz 2 der Satzung der Beklagten (= Satzung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Januar 2005 (Nds. Rpfl. S. 60).
Aber auch in der Sache greifen die von der Klägerin vorgetragenen Einwände nicht durch. Die Klägerin ist zu Recht auf der Grundlage des § 24 Abs. 6 Satz 2 der Satzung für das Jahr 2005 zu einem monatlichen (Mindest-)Beitrag in Höhe von 101,40 EUR herangezogen worden.
Die Klägerin beruft sich zunächst darauf, dass die vorgenannte Satzungsbestimmung im Widerspruch zu "§ 26 Abs. 2 a des Gesetzes für das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte vom 14. März 1982" stehe. Darin sei die Beitragsfreistellung für diejenigen Mitglieder vorgesehen, deren Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschritte. Dieses Vorbringen trifft jedoch nicht zu. Eine so lautende Bestimmung enthält das Gesetz über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte (VersWerkG-RA) vom 14. März 1982 (Nds. GVBl. S. 66) nicht. Die Klägerin meint offenbar vielmehr § 26 Abs. 2 Satz 2 a) der Satzung. Diese Bestimmung gilt aber wiederum nur für Mitglieder, die - anders als die Klägerin - "gemäß § 8 Abs. 1 b) - d) der Satzung teilbefreit sind."
Ebenso unzutreffend ist die Ansicht der Klägerin, gemäß § 39 Abs. 1 VersWerkG-RA sei sie als Pflichtmitglied in der gesetzlichen Angestelltenversicherung, das keinen Befreiungsantrag gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI gestellt habe, von der Mitgliedschaft bei der Beklagten befreit. Die damit offenbar gemeinte Vorschrift befindet sich ebenfalls nicht in dem Gesetz über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte, sondern ist als § 39 Abs. 1 (d) gerade Bestandteil der Satzung der Beklagten und wird von der Klägerin zudem unvollständig zitiert. Die Bestimmung ist bereits in der Überschrift als Übergangsregelung gekennzeichnet und betrifft ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur den sogenannten Anfangsbestand, d. h. diejenigen Rechtsanwälte, die die vorgenannten Voraussetzungen beim Inkrafttreten der Satzung und der damit grundsätzlich erstmals verbundenen Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten erfüllt haben. Dies trifft aber auf die Klägerin ersichtlich nicht zu, wie bereits das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt hat. Denn sie ist erst im Jahr 1999 und damit lange nach dem im Jahr 1983 erfolgten Inkrafttreten der Satzung der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden.
Dass für die Beklagte als Träger der berufsständischen Versorgung für niedersächsische Rechtsanwälte weder die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß §§ 159, 160 SGB VI noch die in § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI enthaltene Regelung über in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragsfreie Einnahmen von selbständig Tätigen unmittelbar gelten, ist offensichtlich und wird wohl auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Anders als sie meint, ist die Vertreterversammlung der Beklagten als Satzungsgeber an die vorgenannten bundesrechtlichen Bestimmungen aber auch nicht mittelbar, nämlich über den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Das ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt (vgl. nur Senatsbeschl. v. 20.2.2002 - 8 L 4299/00 -, NdsRpfl 2002, 272 f., unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 2.10.1991 - 1 BvR 1281/91 -, NVwZ-RR 1992, 384 f., und BVerwG, Beschl. v. 3.7.1998 - 1 B 54/98 -, Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 39).
Das Verwaltungsgericht hat ferner unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 5.12.2000 - 1 C 11/00 -, NJW 2001, 1590 ff., in dem wiederum auf die vorgehenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.1.1991 - 1 C 11/89 - BVerwGE 87, 324 ff. und vom 21.2.1994 - 1 B 19.93 -, Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 25, verwiesen wird) zutreffend ausgeführt, dass nicht nur die Pflichtmitgliedschaft eines Rechtsanwaltes in einem berufsständischen Versorgungswerk als solche verfassungsrechtlich zulässig ist, sondern grundsätzlich auch die Anordnung eines Mindestbeitrages. Eine - hier von der Klägerin reklamierte - satzungsrechtliche Ausnahme von der Erhebung eines Mindestbeitrages bzw. eine weitergehende Herabsetzung der Mindestbeitragshöhe hat das Bundesverwaltungsgericht aus verfassungsrechtlichen Gründen bei unzureichendem Berufseinkommen und dadurch bedingter unzumutbarer Belastung eines Mitglieds nur dann für notwendig befunden, wenn in dieser Weise ganze Gruppen von Mitgliedern betroffen und deshalb einzelfallbezogene Härtefallregelungen nicht mehr hinreichend seien. Dass dies vorliegend der Fall ist und sie einer solchen Gruppe angehört, hat die Klägerin aber nicht geltend gemacht und ist auch für den Senat nicht ersichtlich. Insbesondere war die 1957 geborene Klägerin im Streitjahr 2005 bereits mehr als fünf Jahre als Rechtsanwältin zugelassen, so dass sie nicht (mehr) zu der vorrangig in den Blick zu nehmenden Gruppe der Berufsanfänger mit regelmäßig geringerem Einkommen gehörte.
Ob sich der zitierten bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung weitergehend der Rechtssatz entnehmen lässt, dass es für atypische Fälle zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen und damit verfassungswidrigen Belastung ergänzend einer einzelfallbezogenen Härtefallregelung bedarf (in diesem Sinne VGH München, Beschl. v. 14.11.2005 - 9 ZB 04.2246 - juris), kann hier dahinstehen. Eine entsprechende Regelung ist zwar ausdrücklich weder im Gesetz über das Niedersächsische Versorgungswerk der Rechtsanwälte noch in der Satzung der Beklagten enthalten. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 26.2.1997 - 8 L 4716/95 - unter Bezugnahme auf den Senatsbeschl. v. 15.12.1994 - 8 M 3416/94 - NdsVBl 1995, 137 = DÖV 1995, 650, und BVerwG, Urt. v. 29.1.1991, a. a. O.) sind auch ohne ausdrückliche Regelung in der Satzung eines berufsständischen Versorgungswerks ergänzend allgemeine Regelungen zur Stundung, zur Niederschlagung und zum Erlass von Beiträgen anzuwenden. Hiervon geht sinngemäß wohl auch die Beklagte aus, indem sie - wenn auch ohne Bezeichnung einer Vorschrift - der Klägerin eine Beitragsstundung angeboten, das Vorliegen eines zum Beitragserlass führenden Ausnahme- bzw. Härtefalles aber verneint hat. Ob sich die Voraussetzungen für einen solchen Beitragserlass wegen einer besonderen Härte nun im Einzelnen aus dem für die gesetzliche Sozialversicherung geltenden § 76 Abs. 2 (Nr. 3) SGB IV in entsprechender Anwendung ergeben, wie der Senat in seinem vorbezeichneten Urteil vom 26. Februar 1997 angenommen hat, oder diese Voraussetzungen für die gemäß § 12 VersWerkG-RA der Aufsicht des Landes unterstehende Beklagte nicht viel mehr § 105 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LHO zu entnehmen sind, mag hier dahinstehen. In jedem Fall wäre eine Weiterverfolgung des Beitragsanspruches nur dann ausgeschlossen, wenn sie zu einer Existenzgefährdung der Klägerin führen würde (vgl. zu § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV: LSG Stuttgart, Urt. v. 16.12.2005 - 8 AL 4537/04 -, juris, und zu § 59 LHO: Nds. OVG, Beschl. v. 11.5.2005 - 2 LB 6/03 -, NVwZ-RR 2006, 37 ff., jeweils m. w. N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Senat geht davon aus, dass der geltend gemachte Beitrag in Höhe von monatlich 101,40 EUR ohne größere Probleme aus den (sonstigen) Einnahmen der Klägerin als Lehrerin bestritten werden kann. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass lediglich auf ihre berufsbezogenen Einnahmen als Rechtsanwältin abgestellt werden dürfe, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. Der Klägerin ist es bislang nicht gelungen, sich als Rechtsanwältin eine Existenz aufzubauen. Das Finanzamt hat deshalb bereits im Jahr 2003 Zweifel an der diesbezüglichen Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin geäußert. Ist es der Klägerin aber bislang nicht gelungen, aus ihrer Anwaltstätigkeit überhaupt dauerhaft einen Gewinn zu erzielen, so hat sie sich bislang keine solche Existenz aufbauen können, die durch die Mindestbeitragszahlungen an die Beklagte in Frage gestellt würde. Wenn die Klägerin sich gezwungen sehen sollte, zukünftig nicht mehr als Rechtsanwältin tätig zu sein, so würde dieser Entschluss vorrangig auf dem - von ihr selbst zu verantwortenden - ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolg als Anwältin, nicht aber in erster Linie oder gar allein auf Verbindlichkeiten aus Mindestbeiträgen zu der berufsständischen Versorgungseinrichtung beruhen (vgl. VGH München, a. a. O.).
Die Klägerin kann schließlich die Mindestbeitragsregelung in § 24 Abs. 6 Satz 2 der Satzung auch nicht erfolgreich mit dem Einwand "zu Fall bringen", dass es dadurch bei ihr zu einer "Überversorgung" käme, der zu leistende Mindestbeitrag in ihrer Situation ohnehin nicht zu einer auskömmlichen Alterssicherung führen würde und deshalb die vorgenannte Satzungsbestimmung wegen Verstoßes gegen den "Verhältnismäßigkeitsgrundsatz" unwirksam sei.
Grundsätzlich hängt die Beitragspflicht in einem berufsständischen Versorgungswerk nicht von der sonstigen individuellen Versorgungssituation des Mitglieds ab (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 29.1.1991, a. a. O.). Lediglich in Ausnahmefällen, nämlich zur Verhinderung einer unzumutbaren Überversorgung, ist zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine satzungsrechtliche Regelung geboten (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen die Nachweise im Senatsbeschluss vom 8.3.2006 - 8 LA 2/06 -, NdsRpfl 2006, 284 ff., NdsVBl 2006, 257 f.). Vorliegend ist jedoch schon nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei Zahlung des Mindestbeitrags überhaupt "überversorgt" sein wird. Dazu reicht es nicht aus, dass sie nach ihren Angaben dem Grunde nach bereits bei drei anderen Versorgungs- bzw. Versicherungsträgern eigene Altersversorgungsanwartschaften erworben hat. Entscheidend ist auf die Sicherheit und die Höhe dieser anderweitigen Versorgungsanwartschaften abzustellen. Dass die anderweitigen Versorgungsanwartschaften hinreichend sicher und auskömmlich sind, ist aber von der Klägerin nicht dargelegt worden und auch für den Senat nicht erkennbar.
Bei dieser Sachlage verfehlt die durch den Mindestbeitrag angestrebte soziale Absicherung auch nicht ihren Zweck. Diese Beitragszahlung kann jedenfalls zusammen mit den anderen Alterssicherungsleistungen, die der Klägerin nach ihren Angaben im Rentenalter zustehen werden, bei ihrem Eintritt in den Ruhestand zu einer insgesamt auskömmlichen Rentenhöhe führen. Außerdem kann nicht - wovon die Klägerin aber sinngemäß ausgeht - unterstellt werden, sie werde stets nur den Mindestbetrag zahlen und damit nicht hinreichende Altersanwartschaften bei der Beklagten erwerben. Darüber hinaus sichern Beitragszahlungen bei der Beklagten nicht nur ein späteres Alterseinkommen, sondern gewährleisten gemäß § 13 der Satzung u. a. auch eine Absicherung der Klägerin bei Berufsunfähigkeit. Schließlich sollen nach dem Solidaritätsprinzip grundsätzlich alle Mitglieder zu der Versorgungsaufgabe beitragen. Aus diesen Gründen liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 21.2.1994, a. a. O.,) im Rahmen des dem Normgeber zukommenden Ermessens, Rechtsanwälte zu einer Mindestbeitragszahlung in ihrem berufsständischen Versorgungswerk auch dann heranzuziehen, wenn sie allein auf Grund dieser Mindestbeitragszahlung keine existenzsichernde Altersrente erwerben können.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind demnach nicht gegeben.
Gleiches gilt für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Weder hat die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt, noch ist eine solche Bedeutung für den Senat erkennbar. Die allgemeinen Voraussetzungen und die Grenzen, unter denen ein berufsständisches Versorgungswerk einen Mindestbeitrag erheben kann, sind vielmehr in der zuvor genannten Rechtsprechung hinreichend geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG. Vorliegend ist mit dem Verwaltungsgericht lediglich der Jahresbetrag der streitigen Abgabe und nicht der dreifache Betrag (vgl. den o. a. Senatsbeschl. v. 8.3.2006) als Streitwert festgesetzt worden, da die Beklagte gemäß § 24 Nr. 7 a ihrer Satzung über die Höhe des hier maßgebenden Jahresbeitrages in Abhängigkeit von der Einkommenssituation des Mitglieds jährlich neu entscheidet, also nicht ohne weiteres angenommen werden kann, die Klägerin habe auch im Folgejahr einen Betrag in der hier streitigen Höhe zu zahlen.
Ende der Entscheidung
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