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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: 8 LA 52/08
Rechtsgebiete: RVS


Vorschriften:

RVS § 14
RVS § 24
Ein Rechtsanwalt, der gleichzeitig selbständig und im Angestelltenverhältnis erwerbstätig ist und zusammen ein Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt, ist im Rechtsanwaltsversorgungswerk mit seinem Gesamteinkommen beitragspflichtig.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch dem Rechtsstreit die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Der Kläger ist sowohl im Angestelltenverhältnis als auch ergänzend selbständig als Rechtsanwalt tätig. Den überwiegenden Teil seiner Einnahmen erzielt er aus der Angestelltentätigkeit. Dieses Arbeitsentgelt erreicht zusammen mit dem ergänzenden Einkommen des Klägers aus seiner freiberuflichen Tätigkeit nicht die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (§§ 159, 160 SGB VI). Gestützt auf § 24 Abs. 1, 3 und 6 ihrer Satzung (RVS) zog die Beklagte den Kläger sowohl hinsichtlich des von ihm erzielten Arbeitsentgelts (§ 24 Abs. 3 RVS) als auch mit den hier streitigen Bescheiden hinsichtlich seines Einkommens aus der freiberuflichen Tätigkeit (§ 24 Abs. 1 und 6 Satz 1 RVS) zu Beiträgen heran. Dass auch sein Einkommen aus der freiberuflichen Tätigkeit beitragspflichtig sein soll, hält der Kläger für rechtswidrig.

Dieser Ansicht ist das Verwaltungsgericht zu Recht nicht gefolgt. Denn die Satzung regelt zwar nicht ausdrücklich, wie der Beitrag eines Mitglieds der Beklagten zu berechnen ist, das sowohl im Angestelltenverhältnis als auch ergänzend freiberuflich als Rechtsanwalt tätig ist. Dass in einem solchen Falle die Einnahmen aus der gesamten Anwaltstätigkeit bis zur Beitragsbemessungsgrenze zusammenzurechnen und beitragspflichtig sind, ergibt sich aber durch Auslegung der Satzung. So hat der selbständige Rechtsanwalt nach § 24 Abs. 1 und 6 RVS Beiträge aus seinem Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten. Gleiches gilt nach § 24 Abs. 3 RVS für einen angestellten Rechtsanwalt aus seinem Arbeitsentgelt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum ein Rechtanwalt, der - wie der Kläger - seine Arbeitskraft als Rechtsanwalt auf beide Betätigungsfelder aufteilt, anders behandelt werden sollte. Denn die Beitragserhebung bestimmt sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dem Versorgungsbedarf des Mitglieds. Diese Faktoren sind von der Höhe der Gesamteinnahmen des Mitglieds abhängig und nicht von der Art seiner Beschäftigungsverhältnisse.

Entgegen der Annahme des Klägers gebieten weder der Wortlaut noch die Systematik der Satzung eine andere Auslegung. Die Satzung enthält nicht den vom Kläger geltend gemachten Rechtssatz, dass ein Mitglied der Beklagten entweder (als selbständiger Rechtsanwalt) den sog. Regelpflichtbeitrag nach § 24 Abs. 1 RVS oder (als angestellter Rechtsanwalt) den sog. persönlichen Pflichtbeitrag nach § 24 Abs. 3 RVS zu zahlen habe, nicht aber beide "Beiträge" gleichzeitig. Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 1 RVS hat vielmehr im Gegenteil ausdrücklich jedes Mitglied den hier umstrittenen Regelpflichtbeitrag zu zahlen. Wenn auch der Wortlaut dieser Bestimmung offensichtlich zu weit geraten ist, da ausschließlich im Angestelltenverhältnis erwerbstätige Rechtsanwälte nach § 24 Abs. 3 RVS eben nur den nach dieser Bestimmung zu berechnenden persönlichen Pflichtbeitrag und nicht den Regelpflichtbeitrag nach § 24 Abs. 1 RVS zu zahlen haben, so spricht die Vorschrift doch gerade dafür, dass im Übrigen, d.h. etwa für den hier umstrittenen Fall der doppelten Erwerbstätigkeit, auch der Regelpflichtbeitrag zu entrichten. Außerdem sieht die Satzung neben diesem "Regelpflichtbeitrag" und dem "persönlichen Pflichtbeitrag" zusätzlich die Zahlung eines Mindestbeitrages nach § 24 Abs. 6 Satz 2 RVS sowie - an versteckter Stelle - in § 14 Abs. 3 d RVS die Befreiung von diesem Mindestbeitrag und schließlich in §§ 25 und 26 RVS auch noch die Entrichtung von zusätzlichen und besonderen Versorgungsbeiträgen vor. Daher trifft das Vorbringen des Klägers ersichtlich nicht zu, die Satzung kenne nur die § 24 Abs. 1 und 3 RVS geregelten beiden Alternativen des Pflichtbeitrages.

Ferner spricht entgegen der Annahme des Klägers auch der Regelungsinhalt des § 24 Abs. 6 Satz 1 RVS gerade für und nicht gegen die vom Verwaltungsgericht angeführte Ansicht. Nach § 24 Abs. 6 Satz 1 RVS sind der Beitragsberechnung nach den vorhergehenden Bestimmungen bei einem Mitglied, dessen Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen, die individuell erzielten Einkünfte zu Grunde zu legen. Für Rechtsanwälte im Angestelltenverhältnis ergibt sich dies bereits unmittelbar aus § 24 Abs. 3 RVS. Daher kommt § 24 Abs. 6 Satz 1 RVS nur Bedeutung für die Mitglieder zu, die gemäß § 24 Abs. 1 RVS den grundsätzlich nach der Beitragsbemessungsgrenze bestimmten Regelpflichtbeitrag zu zahlen haben. Wenn es sich bei diesem Personenkreis aber - wie der Kläger geltend macht - nur um Rechtanwälte handeln würde, die nicht (auch) in einem Angestelltenverhältnis stehen, so bliebe für die Berücksichtigung des in § 24 Abs. 6 Satz 1 RVS ausdrücklich genannten Bruttoarbeitsentgelts gar kein Anwendungsfall übrig. Das kann von der Satzung nicht gewollt sein. Richtig verstanden enthält § 24 Abs. 6 Satz 1 RVS also zwei den § 24 Abs. 1 RVS modifizierende Regelungen: Erstens ist bei einem Rechtsanwalt, der ausschließlich selbständig tätig ist und ein Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt, der Beitrag nach diesem Einkommen zu berechnen. Zweitens sind bei einem Rechtsanwalt, der sowohl selbständig als auch im Angestelltenverhältnis erwerbstätig ist, die gesamten Einkünfte bis zur Beitragsbemessungsgrenze beitragsrelevant; sein Einkommen aus der selbständigen Erwerbstätigkeit ist ausschlaggebend für die Berechnung des sich nach § 24 Abs. 1 RVS ergebenden Beitragsanteils.

Dahin stehen kann, ob § 24 Abs. 6 Satz 1 RVS schließlich auch noch - wie wohl von der Beklagten angenommen wird - eine Regelung für die Beitragsbemessung in dem Fall zu entnehmen ist, dass ein Rechtsanwalt, der sowohl selbständig als auch im Angestelltenverhältnis erwerbstätig ist und aus jedem Beschäftigungsverhältnis für sich genommen Einnahmen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, zusammen genommen aber diese Grenze übersteigende Einnahmen erzielt. Eine solche Konstellation ist hier nicht gegeben.

Dem aufgezeigten Normverständnis steht schließlich auch nicht der Regelungsinhalt des vom Kläger herangezogenen § 24 Abs. 4 RVS entgegen. Darin wird lediglich bestimmt, dass auch einem vormals angestellten und später (erstmals) selbständigen Mitglied ab Beginn seiner selbständigen Tätigkeit einmal die Möglichkeit offen steht, an Stelle des Regelpflichtbeitrages nach § 24 Abs. 1 RVS einen höheren Beitragssatz nach Maßgabe des § 24 Abs. 2 RVS zu wählen. Die Vorschrift enthält damit keine Aussage zu der hier streitigen Frage, welchen Beitrag ein gleichzeitig im Angestelltenverhältnis und selbständig als Rechtsanwalt tätiges Mitglied zu entrichten hat.

Ernstliche Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen daher nicht.

Ebenso wenig sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gegeben. Der Kläger benennt schon nicht die Frage, der er eine grundsätzliche Bedeutung beimisst. Sollte er die Frage für klärungsbedürftig halten, ob seine gesamten Einkünfte einschließlich des Einkommens aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit zu Recht als beitragspflichtig angesehen worden sind, so ist diese Frage aus den genannten Gründen zu bejahen, ohne dass es dazu noch der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Im Übrigen hat die Beklagte durch die zwischenzeitlich erfolgte Änderung des § 24 Abs. 6 Satz 1 RVS ohnehin für die Zukunft klarstellen wollen, dass allein dieses Normverständnis zutreffend ist.

Ende der Entscheidung

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