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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: 8 ME 146/06
Rechtsgebiete: NArchtG, ZPO


Vorschriften:

NArchtG § 5 Abs. 1 S. 1
NArchtG § 6 Abs. 1
ZPO § 807
ZPO § 915
Sofort vollziehbare Streichung aus der Architektenliste wegen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO.
Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den vom Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde dargelegten und gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vom Oberverwaltungsgericht allein zu prüfenden Gründen ergibt sich nicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 1. Juni 2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2006 wiederherzustellen ist.

Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller mit ihrem Bescheid vom 16. Mai 2006 aller Voraussicht nach zu Recht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2 i. V. m. § 5 Satz 1 NArchtG wegen "Unzuverlässigkeit" von der Architektenliste gestrichen.

Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats sinngemäß zutreffend dargelegt hat (vgl. ergänzend Senatsbeschl. v. 22.2.2001 - 8 MA 676/01 -, m. w. N.), indiziert die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO und die sich anschließende Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 915 ZPO, dass der betroffene Architekt nicht mehr die für die Eintragung in die Architektenliste nach § 5 Satz 1 NArchtG erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Diese Rechtsprechung des Senats ist zwar noch vor Erlass des Gesetzes vom 4. Februar 2003 (Nds. GVBl. S. 52) ergangen, aber weiterhin aktuell. Ungeachtet der mit dem Erlass dieses Gesetzes verbundenen zahlreichen Änderungen des Wortlautes des NArchtG a. F. sind die hier maßgebenden Kriterien für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Architekten gleich geblieben (vgl. LT- Drs. 14/3750, 4085 und 4096). Es gehört gemäß § 3 Abs. 3 sowie § 24 NArchtG unverändert zu den Berufsaufgaben des Architekten, seine Auftraggeber in mit der Planung und Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden Fragen unabhängig zu beraten und zu betreuen und die berechtigten Interessen des Auftraggebers und dessen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren. Der Architekt hat dabei auch die Vermögensinteressen des Bauherrn zu beachten und unabhängig von eigenen finanziellen Interessen und übertriebener Gewinnorientierung zu handeln. Hat ein Architekt - wie vorliegend der Antragsteller - eine eidesstattliche Versicherung abgegeben und ist er in das Schuldnerverzeichnis nach § 915 ZPO eingetragen, so bietet er jedoch in der Regel nicht mehr die notwendige Gewähr für eine solche unabhängige Wahrnehmung der Interessen seines Auftraggebers. Wie dem Antragsteller bereits im Verwaltungsverfahren zutreffend mitgeteilt worden ist, folgt aus der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO und der Aufnahme in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 915 ZPO allerdings noch nicht zwingend die Streichung des Betroffenen aus der Architektenliste. Dem Architekten verbleibt die Möglichkeit, das zuvor angeführte Indiz für seinen Zuverlässigkeitsmangel im Rahmen der sich für ihn aus § 26 VwVfG ergebenden Mitwirkungs- und der aus § 15 NArchtG folgenden Auskunftspflicht (vgl. Senatsbeschl. v. 7.8.2000 - 8 L 357/00 -, m. w. N.) zu widerlegen, indem er im Einzelnen darlegt und belegt, dass nach den Besonderheiten seines Einzelfalls trotz seines Vermögensverfalls die Interessen seiner Auftraggeber oder Dritter nicht gefährdet sind. Eine solche Schlußfolgerung kann sich aus Besonderheiten der Berufsausübung des Architekten ergeben, etwa bei einer Tätigkeit als Angestellter ohne wesentliche eigenständige Entscheidungsbefugnisse in einem größeren Büro (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage bei Steuerberatern den Beschl. d. BFH v. 10.4.2006 - VII B 232/05 -, BFH/NV 2006, 1520 ff., sowie bei Rechtsanwälten den Beschl. d. BGH v. 5.12.2005 - AnwZ(B) 14/05 -, AnwBl 2006, 281 f.). Zudem ist die so begründete Vermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt, wenn im Einzelfall, etwa auf der Grundlage eines tragfähigen Sanierungs- oder Insolvenzplans, die begründete Erwartung besteht, die finanziellen Verhältnisse des Architekten werden in absehbarer Zeit wieder geordnet sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.8.2005 - 1 BvR 912/04 -, NJW 2005, 3057 f., für Notare, m. w. N.). Dieser "Entlastungsbeweis" ist von dem betroffenen Architekten grundsätzlich bereits im Verwaltungsverfahren zu führen, da es für die Rechtmäßigkeit der Streichung aus der Architektenliste auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt (vgl. neben der bereits vom Verwaltungsgericht zitierten Senatsrechtsprechung ergänzend den Beschl. d. BVerwG v. 30.9.2005 - 6 B 51/05 -, GewArch 2006, 77 f.). Die so verstandenen landesrechtlichen Regelungen in den §§ 5 und 6 NArchtG zur Streichung aus der Architektenliste wegen Vermögensverfalls sind auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Richtlinie 85/384/EWG, deren Umsetzung das NArchtG dient und die in Art. 24 ausdrücklich darauf verweist, dass einer Berufstätigkeit als Architekt nach Maßgabe des Rechts des Mitgliedsstaates u.a. ein "Konkurs" entgegen stehen kann, als auch bezogen auf die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Architekten (vgl. nochmals den Beschl. d. BVerwG v. 30.9.2005, aaO).

Dass der Antragsteller gemessen an diesen Vorgaben "unzuverlässig" und deshalb aus der Architektenliste zu streichen ist, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Hierauf wird Bezug genommen, da der Antragsteller die Richtigkeit dieser Ausführungen im Beschwerdeverfahren selbst nicht substantiiert anzweifelt. Seine stattdessen vorgetragenen Einwände, die sich sinngemäß gegen den aufgezeigten rechtlichen Ausgangspunkt für die Annahme seiner Unzuverlässigkeit richten, greifen nicht durch. Ein ernsthaftes und erfolgversprechendes Bemühen um eine Sanierung der Vermögensverhältnisse, auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, kann - wie dargelegt - entgegen seiner Annahme durchaus berücksichtigt werden und trotz Eintrages in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 915 ZPO bzw. Einleitung eines Insolvenzverfahrens ausnahmsweise dazu führen, dass keine Streichung des Betroffenen aus der Architektenliste folgt. Doch fehlt es hier gänzlich an den für die Annahme eines solchen Ausnahmefalles erforderlichen Voraussetzungen. Der Antragsteller befindet sich nicht in einem Insolvenzverfahren und hat auch seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse bis heute nicht offen gelegt. Ebenso steht die Vorlage des von ihm angekündigten Sanierungsplanes aus. Die älteren und unvollständigen Unterlagen, die dem Senat zur finanziellen Situation des Antragstellers vorliegen, tragen die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bewertung seiner wirtschaftlichen Lage als "desolat". Ob es die vom Antragsteller behaupteten "nachhaltigen Konsolidierungsbemühungen" überhaupt gibt und ob sie hinreichend erfolgversprechend sind, kann angesichts seiner fehlenden Bereitschaft zur Mitwirkung nicht überprüft werden.

Das Verwaltungsgericht hat über die Feststellung der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Mai 2006 hinaus das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung überprüft, dabei die notwendige Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug des Bescheides und dem Verschonungsinteresse des Antragstellers vorgenommen und das letztgenannte Interesse des Antragstellers als nachrangig angesehen. Das Verwaltungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dem Antragsteller werde seine Existenzgrundlage nicht durch die umstrittene Streichung aus der Architektenliste genommen. Vielmehr bleibe ihm eine solche aufgrund seiner Qualifikation als Bauingenieur erhalten. Diese Argumentation ist nachvollziehbar. Das Führen der nach § 1 NIngG geschützten Berufsbezeichnung "Ingenieur" setzt (nur) den erfolgreichen Abschluss eines entsprechenden Ausbildungsganges voraus. Weitergehende Voraussetzungen werden insoweit vom Gesetzgeber nicht gestellt. Wer aufgrund einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung in der Fachrichtung Bauingenieurwesen die Berufsbezeichnung "Ingenieur" führen darf und mindestens zwei Jahre in dieser Fachrichtung praktisch tätig gewesen ist, wird im Übrigen auf seinen Antrag - und zwar unabhängig von Zuverlässigkeitsbedenken - gemäß § 17 a NIngG in die Liste der Entwurfsverfasser der Fachrichtung Bauingenieurwesen im Sinne des § 58 NBauO eingetragen und ist dann ebenso wie derjenige, der die Berufsbezeichnung "Architekt" führen darf, berechtigt, als Entwurfsverfasser für genehmigungsbedürftige Baumaßnahmen bestellt zu werden.

Den o.a. Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten. Warum ungeachtet dessen das erforderliche besondere Vollzugsinteresse fehlen soll, wird von ihm nicht in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Der diesbezügliche Verweis auf den "bisherigen Vortrag" enthält nicht die nach dem Gesetz notwendige Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 10.7.2006 - 2 NB 12/06 -, m. w. N.). Im Übrigen enthält selbst das in Bezug genommene Vorbringen in der erstinstanzlichen Antragsbegründung nichts zu der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller könne jedenfalls als Bauingenieur weiterhin berufstätig sein. Schließlich steht nicht einmal fest, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang der Antragsteller bei Erlass der streitigen Verfügung überhaupt noch Architektenleistungen erbracht hat und folglich durch die Streichung aus der Architektenliste, nicht aber bereits unabhängig davon durch seine finanzielle Lage an der weiteren Ausübung einer Berufstätigkeit als Architekt gehindert (gewesen) ist. Nach Aktenlage ist der 1952 geborene Antragsteller seit dem September 2003 nicht (einmal) mehr krankenversichert. Rentenanwartschaften bestehen nicht. Ferner verfügt er nach seinen Angaben seit längerer Zeit weder über ein Bankkonto noch über ein Kraftfahrzeug. Im Dezember 2005 soll er Arbeitslosengeld II beantragt haben. Dass er unter diesen Umständen noch selbstständig als Architekt tätig (gewesen) sein und daraus seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann, ist nur schwer vorstellbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 47, 52, 53 Abs. 3 GKG. Der Streitwert ist unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Verfahrens auf 5.000,- EUR, d.h. den wegen der weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht verminderten Auffangwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt worden (vgl. Senatsbeschl. v. 21.12.1994 - 8 O 7177/94 - und v. 25.1.1995 - 8 M 6918/94 -). Aus den vorgenannten Gründen kommt der angegriffenen Streichung aus der Architektenliste für den Antragsteller nämlich keine - die Festsetzung eines höheren Streitwerts rechtfertigende - existentielle Bedeutung zu. Wenn die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers überhaupt noch eine selbstständige Berufstätigkeit zulassen, kann er nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts unabhängig von der Streichung aus der Architektenliste jedenfalls weiterhin als Diplombauingenieur sowie als Entwurfsverfasser nach § 58 Abs. 3 NBauO tätig sein.

Ende der Entscheidung

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