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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.10.2006
Aktenzeichen: 8 OA 119/06
Rechtsgebiete: RVG VV, VwGO


Vorschriften:

RVG VV Nr. 1003
RVG VV Nr. 3104
VwGO § 165
1. Hat der Rechtsanwalt des Klägers während eines laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an einer außergerichtlichen, auf die Erledigung des Verfahrens zielenden (telefonischen) Besprechung mit einem Behördenvertreter teilgenommen und ist daraufhin der angefochtene Bescheid von der Behörde aufgehoben sowie das verwaltungsgerichtliche Verfahren erledigt worden, so ist neben der Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV-RVG auch eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1003 VV-RVG entstanden.

2. Ist in diesem Fall im Kostenfestsetzungsbeschluss eine Terminsgebühr nicht anerkannt worden, so ist ein dagegen eingelegter Rechtsbehelf im Zweifel als in Namen des kostenerstattungsberechtigten Klägers eingelegt anzusehen.


Gründe:

Die Beschwerde ist als in Namen des Klägers eingelegt anzusehen (vgl. VGH München, Beschl. v. 15.6.1977 - 172 I 76 -, BayVBl. 1977, 611 f.; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/­Pietzner, VwGO, § 165, Rn. 4) und so verstanden zulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.1997 - 1 BvR 1174/90 -, BVerfGE 96, 251 ff.; Nds. OVG, Beschl. v. 21.9.2000 - 1 O 3119/00 -, JurBüro 2001, 249 f.) und auch begründet. In dem Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zu Unrecht keine Terminsgebühr berücksichtigt.

Nach dem rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 17. März 2006 hat die Beklagte die Kosten des (Klage-)Verfahrens zu tragen. Zu diesen Kosten gehören nach § 162 Abs. 1 VwGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Klägers. Stets erstattungsfähig sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Gebühren und Auslagen des klägerischen Rechtsanwalts. Ihre Höhe bemisst sich nach dem Vergütungsverzeichnis - VV - der Anlage 1 zum RVG.

Nach Nr. 3104 in Verbindung mit Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV entsteht in Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine Terminsgebühr in Höhe eines Gebührensatzes von 1,2 u. a. für "die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts". Das Gesetz schreibt für dieses Gespräch keine bestimmte Form vor. Die Besprechung kann daher auch telefonisch erfolgt sein. Ein solches Telefongespräch ist im Februar 2006 zwischen Rechtsanwalt B. als Bevollmächtigtem des Klägers und dem Geschäftsführer der Beklagten geführt worden. Es hatte die Erledigung des Verfahrens durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die Frage der Kostenübernahme zum Gegenstand. Der Bevollmächtigte des Klägers hat daher an einer Besprechung im Sinne der o.a. Vorbemerkung 3 Abs. 3 teilgenommen. Weitergehende Forderungen, etwa eine bestimmte Dauer des Gesprächs oder ein - von der Beklagten geltend gemachter - nicht nur ganz geringfügiger Aufwand werden vom Gesetz an die Entstehung der Terminsgebühr nicht gestellt. Demnach sind die vorgenannten Voraussetzungen der Nr. 3104 in Verbindung mit Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV für die Entstehung einer Terminsgebühr gegeben.

Dem Verwaltungsgericht kann auch nicht in der sinngemäßen Annahme gefolgt werden, dass der Anwendungsbereich der Nr. 3104 VV teleologisch dahingehend zu reduzieren sei, dass eine solche Terminsgebühr nicht zu gewähren ist, wenn - wie vorliegend - die Mitwirkungshandlung des Rechtsanwalts, die die Terminsgebühr ausgelöst habe, erfolgreich gewesen und dadurch auch eine Erledigungsgebühr gemäß Nrn. 1002 und 1003 VV entstanden sei.

Es ist schon nicht ersichtlich, dass insoweit eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die durch Reduktion des Wortlauts der Nr. 3104 VV zu schließen wäre. Vielmehr bestimmt die Vorbemerkung 1 zu Teil 1 VV ausdrücklich, dass die in diesem "allgemeinen" Teil geregelten Gebühren, zu denen die Erledigungsgebühr gemäß Nrn. 1002 und 1003 VV gehört, neben den in anderen, besonderen Teilen des VV bestimmten Gebühren, zu denen die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV zählt, entstehen. Soweit etwas anderes gilt, also eine nach den allgemeinen Vorschriften vorgesehene Gebühr neben einer weiteren, nachfolgend geregelten gesonderten Gebühr ausnahmsweise nicht oder nur anteilig entstehen soll, ist dies in den späteren Gebührenziffern der VV ausdrücklich geregelt worden. Eine entsprechende Regelung fehlt jedoch in Nr. 3104 VV, ohne dass angenommen werden könnte, der Gesetzgeber habe den nicht außergewöhnlichen Fall übersehen, dass es aufgrund einer außergerichtlichen Mitwirkung des prozessbevollmächtigten Rechtsanwaltes zur Aufhebung eines angefochtenen Bescheides und damit zur Erledigung eines (verwaltungsgerichtlichen) Rechtsstreites kommt.

Zudem widerspricht die vom Verwaltungsgericht für zutreffend erachtete Ansicht dem Sinn und Zweck der Gebührenregelung. Die Erledigungsgebühr ist eine Erfolgsgebühr. Sie honoriert die Entlastung des Gerichts und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens. Sie entsteht daher zusätzlich zu den in anderen Teilen des VV bestimmten Gebühren, also insbesondere zusätzlich zu den dort geregelten Tätigkeitsgebühren (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, Kommentar, 16. Aufl., Nr. 1000 VV, Rn. 5). Dass eine Erledigungsgebühr auch in der streitigen Fallkonstellation zusätzlich neben der Terminsgebühr entstehen kann, ergibt sich im Übrigen aus dem Vergleich der jeweiligen Gebührensätze. Eine Terminsgebühr ist mit einem Gebührensatz von 1,2 höher bewertet als die Erledigungsgebühr. Hierfür ist nämlich gemäß Ziffern 1002, 1003 VV "nur" ein Gebührensatz von 1,0 vorgesehen. Regt der Prozessbevollmächtigte eines Klägers während eines laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in einer außergerichtlichen Besprechung mit einem Behördenvertreter an, den von seinem Mandanten angefochtenen Bescheid aufzuheben, so stünde der Rechtsanwalt daher, wenn sich in diesem Fall Termins- und Erledigungsgebühr gegenseitig ausschlössen und nur eine Erledigungsgebühr entstünde, gebührenrechtlich besser da, wenn die Behörde den angefochtenen Bescheid nicht änderte und es nicht zu einer Erledigung des Verfahrens käme, sondern einer streitigen Entscheidung bedürfte. In diesem Fall wäre nämlich nur die höhere Terminsgebühr, nicht aber die Erledigungsgebühr entstanden. Ein solches Ergebnis widerspricht ersichtlich dem angeführten gesetzgeberischen Ziel, den Rechtsanwalt, der an einer gütlichen Einigung der Beteiligten und damit an einer Entlastung der Gerichte ursächlich mitgewirkt hat, durch Gewährung einer besonderen Gebühr, vorliegend der Erledigungsgebühr, zu "belohnen".

Der vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Kommentierung bei Hartmann (Kostengesetze, 35. Aufl., RVG, VV 3104, Rn. 12) vertretenen Ansicht zum Verhältnis der Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV zur Erledigungsgebühr nach Nrn. 1002, 1003 VV kann daher nicht gefolgt werden. Diese Ansicht steht im Übrigen auch im Widerspruch zu den vorgenannten Ausführungen bei Gerold/Schmidt. Soweit ersichtlich hat sich in der Rechtsprechung zutreffend die Auffassung durchgesetzt, dass eine Erledigungsgebühr - bzw. die in zivilgerichtlichen Verfahren an ihre Stelle tretende Einigungsgebühr - neben der Terminsgebühr zu gewähren ist, soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen jeweils gegeben sind (vgl. Finanzgericht des Saarlands, Beschl. v. 14.11.2005 - 2 S 335/05 -, EFG 2006, 926 ff.; BGH, Beschl. v. 3.7.2006 - II ZB 31/05 -, AnwBl 2006, 676 f., m. w. N.).

Die Beklagte hat dem Kläger daher zusätzlich zu den bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Juli 2006 anerkannten 2.047,80 EUR weitere 679,20 EUR für eine Terminsgebühr zu erstatten.

Ende der Entscheidung

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