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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2009
Aktenzeichen: 8 OB 203/09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 93
VwGO § 94
Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO sind nicht gegeben, wenn in einem anderen Berufungsverfahren über diesselbe Rechtsfrage zu entscheiden ist.
Gründe:

Die zulässige (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 146, Rn. 12, m. w. N.) Beschwerde hat Erfolg. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung liegen nicht vor.

Nach § 94 VwGO kann das Gericht das Verfahren aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt. Die Frage nach der Gültigkeit oder gar nur nach der richtigen Auslegung einer Norm stellt jedoch kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 94 VwGO dar (BVerwG, Beschl. v. 6.12.1999 - 3 B 55/99 -, Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 13, m. w. N.). Da in den vom Verwaltungsgericht im Aussetzungsbeschluss in Bezug genommenen, vor dem Senat anhängigen Berufungsverfahren und in dem noch in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht anhängigen Ausgangsverfahren jeweils "nur" um dieselbe Rechtsfrage - nämlich nach der richtigen Auslegung des § 7 Nds. AG SchKG und ggf. dessen Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht - gestritten wird, haben die Berufungsverfahren für das hier streitgegenständliche erstinstanzliche Verfahren also kein vorgreifliches Rechtsverhältnis zum Gegenstand.

Daher kommt nur eine - in dem angefochtenen Beschluss wohl sinngemäß befürwortete - analoge Anwendung des § 94 VwGO in Betracht. Im Hinblick auf die Sonderregelung in § 93a VwGO über die Aussetzung von Musterverfahren ist aber für die hier dazu notwendige, weitreichende analoge Anwendung des § 94 VwGO kein Raum (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15.1.2009 - 4 E 1358/08 -, ZfWG 2009, 75; OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.12.2008 - 1 O 153/08 -, DÖV 2009, 299 f., jeweils mit m. w. N.; a. A. VGH München, Beschl. v. 22.9.2009 - 19 B 09.567 -; Nds. OVG, Beschl. v. 11.6.1998 - 4 O 1330/98 -, jeweils juris). Denn in § 93 a VwGO ist gerade eine spezielle Möglichkeit der Förderung eines Musterverfahrens und der Aussetzung der übrigen, parallelen Verfahren geschaffen worden. Dies schließt es grundsätzlich aus, bei anderen Parallelverfahren, die diese Voraussetzungen - wie hier - nicht erfüllen, ohne weiteres auf eine analoge Anwendung von § 94 VwGO zurückzugreifen; anderenfalls würde die in § 93 a VwGO zum Ausdruck gekommene gesetzliche Wertung unterlaufen. Die bloße Gleichheit der Rechtsfragen, die sich hier im erstinstanzlichen und in den genannten Berufungsverfahren stellen, rechtfertigt daher eine analoge Anwendung des § 94 VwGO allein noch nicht. Hinzukommen muss vielmehr, dass das Verwaltungsgericht auch im vorliegenden Verfahren an die Entscheidung des Senats in den Berufungsverfahren gebunden wäre. Eine so lautende Bestimmung fehlt hier aber.

Insoweit unterscheidet sich die Ausgangslage maßgeblich von den Sonderfällen, in denen in der Rechtsprechung gerade wegen der von Rechts wegen bestehenden Bindungswirkung etwa einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Art. 234 EGV), eines Verfassungsgerichts (vgl. § 31 Abs. 1 BVerfGG sowie § 34 Nds. StaatsGHG) oder auch der höheren Verwaltungsgerichte im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO eine analoge Anwendung des § 94 VwGO bejaht worden ist. Besteht eine solche Bindungswirkung - wie hier - nicht, so scheidet eine Aussetzung des Verfahrens aus. Eine förmliche Unterbrechung kann dann nur durch das Ruhen des Verfahrens nach § 173 VwGO i. V. m. § 251 ZPO erfolgen.

Da die Beschwerde Erfolg hat und es im Beschwerdeverfahren an einem Beschwerdegegner fehlt, dem die Kosten nach § 154 Abs. 1 VwGO auferlegt werden könnten, erfolgt keine Kostenentscheidung (vgl. VGH München, Beschl. v. 9.7.2001 - 1 C 01.970 -, NVwZ-RR 2002, 156, m. w. N.). Ebenso scheidet die Festsetzung eines Streitwertes für das Beschwerdeverfahren aus (vgl. Ziffer 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

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