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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.09.2007
Aktenzeichen: 8 PA 84/07
Rechtsgebiete: AufenthG, EMRK, GVG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

AufenthG § 23
AufenthG § 25 Abs. 5
AufenthG § 104a
EMRK Art. 8
GVG § 17 Abs. 1 S. 2
VwGO § 166
VwGO § 42
ZPO § 114
PKH-Teilbewilligung für Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG (Art. 8 EMRK) sowie nachfolgend dem Bleiberechtserlass und § 104a AufenthG.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS

Aktenz.: 8 PA 84/07

Datum: 07.09.2007

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. Juli 2007 in der Fassung des Beschlusses vom 13. August 2007, mit dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Für den Zeitpunkt bis zum Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 6. Dezember 2006 (Bleiberechtsregelung und Abschiebestopp) hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). Bis dahin konnte sich der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfolgversprechend allenfalls aus § 25 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 8 EMRK ergeben. Ein Ausländer, der im Bundesgebiet über keinen Aufenthaltstitel verfügt hat und verfügt und freiwillig in das Land seiner Staatsangehörigkeit zurückkehren konnte und kann, kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 1.9.2006 - 8 LA 101/06 -, NordÖR 2006, 472) für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in der Regel nicht erfolgreich auf den Schutz seines Privatlebens nach Art. 8 EMRK berufen. Die 1999 in das Bundesgebiet eingereisten Kläger haben bis auf die insoweit nach § 55 Abs.3 AsylVfG unerhebliche Zeit, in der ihnen für die Durchführung ihres ersten Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung erteilt worden war, im Bundesgebiet nicht über einen Aufenthaltstitel verfügt, konnten und können dies aber verlassen und freiwillig in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zurückkehren. Hierzu waren sie auch verpflichtet. Schon deshalb können sie sich nicht erfolgreich auf einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 8 EMRK berufen. Selbst wenn man jedoch entgegen dieser Ansicht den Schutzbereich des Art. 8 EMRK auch bei einem langjährigen lediglich geduldeten Aufenthalt für eröffnet ansieht, ergibt sich im Ergebnis keine andere Beurteilung. Denn in jedem Fall fehlt es an der weitergehend erforderlichen Integration in die hiesigen Verhältnisse und der Loslösung aus den Verhältnissen des Heimatlandes (vgl. Beschl. des 10. Senats d. erkennenden Gerichts v. 29.6.2007 - 10 MC 147/07 - juris). Die Kläger zu 1) und 2) sind als Erwachsene in das Bundesgebiet eingereist. Ihnen ist es ohne weiteres möglich, in ihr Heimatland zurückzukehren, wo sich auch zahlreiche Verwandte aufhalten. Den ebenfalls im Kosovo geborenen Klägern zu 3) bis 6), den Söhnen der Kläger zu 1) und 2), ist eine Integration in die hiesigen Verhältnisse ebenfalls nicht gelungen. Der Kläger zu 3) ist wiederholt straffällig geworden und hat die Hauptschule ohne Schulabschluss verlassen. Die Kläger zu 4) und 6) besuchen eine Förderschule mit Schwerpunkt Lernen und haben dort ebenso wie ihre Brüder wiederholt unentschuldigt gefehlt. Der Kläger zu 5) schließlich besucht zwar die Realschule, musste dort aber die fünfte Klasse wiederholen und entspricht in seinem Sozialverhalten den Erwartungen nur mit Einschränkungen. Eine gleichsam unumkehrbare Integration in die hiesigen Verhältnisse und eine Abkehr von dem Lebensumfeld in ihrem Heimatland kann damit nicht festgestellt werden.

Dass die von den Klägern zu 1) und 2) darüber hinaus geltend gemachten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse aus Gesundheitsgründen nicht gegeben sind, hat bereits das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in den vorhergehenden Asylverfahren bestandskräftig und gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG mit bindender Wirkung für den Beklagten als Ausländerbehörde festgestellt. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse sind ebenfalls nicht gegeben, insbesondere ist nach wiederholter amtsärztlicher Feststellung auch die Klägerin zu 2) reisefähig.

Es entspricht allerdings der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Beschl. d. 10. Sen. d. erk. Gerichts v. 18.6.2007 - 10 PA 65/07 - juris; Beschl. d. VGH München v. 5.7.2007 - 19 C 07.1081 - juris; Beschl. d. OVG Münster v. 11.12.2006 - 18 E 1317/06 -, AuAS 2007, 86 = InfAuslR 2007, 109), dass ein - bislang auf § 25 Abs. 5 AufenthG gestützter - Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in einem laufenden gerichtlichen Verfahren nach Wirksamwerden eines landesrechtlichen Bleiberechtserlasses zur Umsetzung des Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 16./17. November 2006 auch nach § 23 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit dem jeweiligen landesrechtlichen Erlass zu beurteilen ist. Es ist somit in einem solchen bereits anhängigen Gerichtsverfahren auch zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (nach § 25 Abs. 5 AufenthG) nicht auch erfolgreich auf den vorgenannten Bleiberechtserlass bzw. nunmehr auf den an seine Stelle getretenen § 104a AufenthG (Altfallregelung) gestützt werden kann. Insoweit, d. h. mit Wirkung ab dem 6. Dezember 2006 als dem Erlasszeitpunkt der o. a. landesrechtlichen Bleiberechtsregelung, besteht für die Klage auch eine hinreichende Erfolgsaussicht.

Die Kläger erfüllen grundsätzlich die Voraussetzungen für die Einbeziehung in den begünstigten Personenkreis. Streitig ist allein, ob die Kläger über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert oder behindert haben (Ziffer 5.1.1 des Bleiberechtserlasses und nunmehr § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG). Der Beklagte geht davon aus, dass der Kläger zu 1) zu Unrecht behauptet hat, sein Wohnhaus und seine Kfz-Werkstatt im Kosovo seien zerstört worden, und dass die UNMIK deshalb aufgrund fehlender Unterkunftsmöglichkeiten die bereits eingeleitete und terminierte Rückübernahme der Kläger abgelehnt habe. Beide zuvor genannten Gesichtspunkte bedürfen jedoch der weitergehenden Aufklärung. So ergibt sich aus den Akten in diesem und im Parallelverfahren 8 PA 83/07 schon nicht genau, aus welchen Gründen die UNMIK tatsächlich die Rückübernahme der Kläger abgelehnt hat. Im Übrigen und unabhängig hiervon bestehen unverändert Unklarheiten darüber, an welchem, etwa durch eine Flurstücksbezeichnung genau bezeichneten Grundstück und/oder eines darauf errichteten Hauses sowie eines Kfz-Werkstattgebäudes der Kläger zu 1) in seinem Heimatdorf im Kosovo (Mit-)Eigentümer (gewesen) ist.

Bietet die Rechtsverfolgung der Kläger somit ab dem zuvor bezeichneten Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg, so sind insoweit die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben. Im Beschwerdeverfahren haben die Kläger hinreichend klargestellt, dass sie auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung dieser Prozesskostenhilfe erfüllen.

Ende der Entscheidung

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