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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.11.2009
Aktenzeichen: 9 LA 133/08
Rechtsgebiete: VwGO, Kurbeitragssatzung
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5 | |
Kurbeitragssatzung § 2 Abs. 2 | |
Kurbeitragssatzung § 4 Abs. 2 Nr. 2 |
Gründe:
Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung eines Jahreskurbeitrags für den Erhebungszeitraum 2005.
Sie sind Eigentümer von zwei Ferienwohnungen im Erhebungsgebiet der Beklagten, die im Jahr 2005 über einen Dritten an Feriengäste vermietet wurden. Die Kläger haben ihre Ferienwohnungen im Jahr 2005 selbst nicht genutzt, sich aber ausweislich ihrer eidesstattlichen Versicherung zu beruflichen Zwecken und zur Teilnahme an einer Eigentümerversammlung im Erhebungsgebiet der Beklagten aufgehalten. Die Beklagte hat die Kläger für das Jahr 2005 zu einem Jahreskurbeitrag von zuletzt 126,-- € (54,-- € für den Kläger zu 1) und 72,-- € für die Klägerin zu 2)) herangezogen.
Der dagegen gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung stattgegeben, die Kläger hätten die durch den Erwerb der Zweitwohnung zunächst begründete Aufenthaltsvermutung durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung sowie eines Schreibens ihres Hausverwalters, wonach sie im Jahr 2005 ihre Ferienwohnungen weder aufgesucht noch genutzt hätten, widerlegt. Die einmalige Teilnahme an einer Eigentümerversammlung rechtfertige die Heranziehung zu einem Jahreskurbeitrag nicht, weil die Kläger ihren Aufenthalt im Erhebungsgebiet nicht zum Anlass genommen hätten, ihre Ferienwohnungen tatsächlich aufzusuchen.
Der auf sämtliche in § 124 Abs. 2 VwGO aufgeführte Zulassungsgründe gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen entgegen den Ausführungen im Antrag auf Zulassung der Berufung keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zur Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung beruft sich die Beklagte darauf, dass sich die Kläger zum Zwecke der Teilnahme an der Eigentümerversammlung für 2005 im Erhebungsgebiet aufgehalten hätten und für sie folglich die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Kureinrichtungen bestanden habe.
Dieser Umstand vermag eine Jahreskurbeitragspflicht indes nicht zu begründen. Die Jahreskurbeitragspflicht knüpft nach § 2 Abs. 2 der Kurbeitragssatzung der Beklagten vom 27. März 2003 (ABl. LK Cuxhaven 2003, S. 132) an das Innehaben und den Besitz von Wohngelegenheiten an. Aus dem Innehaben einer Ferienwohnung wird nach der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts (Urteil vom 28.10.1992 - 9 L 355/92 - NVwZ-RR 1993, 511 = KStZ 1993, 98; Beschlüsse vom 6.10.1995 - 9 L 4616/94 - vom 10.7.1997 - 9 M 1180/97 -, vom 7.10.1999 - 9 L 4246/98 -, vom 30.5.2000 - 9 L 977/99 - dng 2001, 158 = NSt-N 2000, 240 = NVwZ-RR 2000, 830 = NdsVBl 2001, 223 = NdsRPfl 2000, 297, vom 25.2.2004 - 9 KN 546/02 - NSt-N 2004, 89 = KStZ 2004, 91 = ZKF 2004, 138 und vom 9.9.2008 - 9 ME 191/08 -) die widerlegbare Vermutung hergeleitet, dass sich Zweitwohnungsinhaber während des Erhebungszeitraums tatsächlich zeitweise im Erhebungsgebiet, nämlich in ihrer Zweitwohnung aufhalten und sie tatsächlich eine reale Möglichkeit haben, die Kur- und Erholungseinrichtungen in Anspruch zu nehmen. In jedem Fall bedarf es als Grundlage der angeführten Vermutung der Verknüpfung des Aufenthalts mit der eigenen Wohnung (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.11.2006 - 1 L 38/05 - zitiert nach juris). Aufenthalte des Zweitwohnungsinhabers im Erhebungsgebiet, die eine tatsächliche Nutzung der Zweitwohnung nicht mit sich bringen, können nicht als Vermutungsgrundlage herangezogen werden. Demgemäß hat der Senat entschieden, dass allein das Betreten des Erhebungsgebiets den an das Innehaben der Zweitwohnung anknüpfenden Saisonkurbeitrag nicht auslöst (Beschluss vom 5.9.2006 - 9 ME 203/06 - ZKF 2006, 238 = NordÖR 2006, 469). Die Pflicht zur Zahlung des Jahreskurbeitrags entfällt nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 5.9.2006 - 9 ME 203/06 - a. a. O. und vom 9.9.2008 - 9 ME 191/08 - m. w. N.) weiter dann, wenn der Zweitwohnungsinhaber die durch den Erwerb der Zweitwohnung zunächst begründete Aufenthaltsvermutung durch konkretes Tatsachenvorbringen substanziiert widerlegt. Denn die Möglichkeit zur Benutzung der Kur- und Erholungseinrichtungen besteht naturgemäß nicht, wenn sich der Eigentümer oder Besitzer der Zweitwohnung während des gesamten Erhebungszeitraums nicht in der Gemeinde aufgehalten hat. Sie entfällt ferner dann, wenn der Zweitwohnungsinhaber trotz Aufenthaltes im Erhebungsgebiet aus gesundheitlichen Gründen, z.B. wegen Bettlägerigkeit, Krankenhausaufenthaltes oder Verletzung, nachweislich während der gesamten Aufenthaltsdauer objektiv gehindert war, die Kureinrichtungen zu nutzen.
Gemessen an diesen Vorgaben hat das Verwaltungsgericht die Jahreskurbeitragspflicht der Kläger zutreffend verneint. Das Verwaltungsgericht hat - von der Beklagten nicht angegriffen - dargelegt, dass die Vermutung eines Aufenthalts im Erhebungsgebiet wegen einer Nutzung der Zweitwohnung widerlegt ist. Die Kläger haben in ihrer eidesstattlichen Versicherung bekräftigt, dass sie im Erhebungszeitraum 2005 ihre Wohnungen im Erhebungsgebiet nicht genutzt haben, sondern sich lediglich zu beruflichen Zwecken und zur Teilnahme an einer Eigentümerversammlung kurzfristig im Erhebungsgebiet aufgehalten haben.
Aus dem Umstand der Teilnahme an der Eigentümerversammlung kann eine Jahreskurbeitragspflicht nicht hergeleitet werden (im Ergebnis ebenso Bayerischer VGH, Urteil vom 13. 8. 1999 - 4 B 97.973 - NVwZ 2000, 225). Denn diese Teilnahme war nicht mit der tatsächlichen Nutzung der Wohnung verknüpft, sondern diente einem von der Nutzung der Zweitwohnungen losgelösten besonderen Aufenthaltszweck.
Dieser kurzfristige Aufenthalt im Erhebungsgebiet zur Teilnahme an der Eigentümerversammlung der Wohnungsinhaber begründet entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht eine Tageskurbeitragspflicht. Denn insoweit gilt die allgemeine Vermutung nicht, dass mit jedem - nicht nur kurzfristigen - Verweilen im Erhebungsgebiet ein kurbeitragspflichtiger Sondervorteil verbunden ist. Der auf die bloße Teilnahme an der Eigentümerversammlung beschränkte Aufenthaltszweck entwertet bei typisierender Betrachtung ähnlich wie bei im Kurgebiet Berufstätigen und Auszubildenden die (objektiv bestehende) realistische Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Kureinrichtungen vollständig und lässt sie lediglich als theoretische Möglichkeit ohne praktische Bedeutung bestehen (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 30.1.2008 - 4 B 05.3218 - zitiert nach juris).
Die weiter von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 - 5 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.
Besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie eine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) weist der vorliegende Fall nicht auf. Soweit die Beklagte einwendet, das Verwaltungsgericht sei von dem Beschluss des Senats vom 27. Dezember 2005 (9 ME 185/05) abgewichen, indem es für eine Jahreskurbeitragspflicht einen Aufenthalt im Erhebungsgebiet - entgegen der vom Senat in dem Beschluss geäußerten Auffassung - nicht hat ausreichen lassen, kann die Berufung nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Divergenz zur Rechtsprechung des beschließenden Gerichts zugelassen werden. Denn die in dem genannten Beschluss zum Ausdruck kommende Anknüpfung der Jahreskurbeitragspflicht von Zweitwohnungsinhabern an einen Aufenthalt im Erhebungsgebiet meint nicht jeden Aufenthalt im Erhebungsgebiet, sondern ersichtlich einen Aufenthalt in der Zweitwohnung. Andernfalls lässt sich die Vermutung, dass ein Zweitwohnungsinhaber sich in seiner Zweitwohnung im Erhebungsgebiet aufhält und deshalb jahreskurbeitragspflichtig ist, nicht rechtfertigen.
Ein die Zulassung der Berufung eröffnender Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht darin, dass das Verwaltungsgericht es - wie die Beklagte meint - unterlassen habe, weiter aufzuklären, an wie viel Tagen von den Klägern ein nach Auffassung des Verwaltungsgerichts möglicher Tageskurbeitrag hätte erhoben werden können, um festzulegen, in welcher Höhe der angefochtene Bescheid aufrechtzuerhalten gewesen wäre. Der gerügte Aufklärungsmangel kann nicht mehr geltend gemacht werden, weil die anwaltlich vertretenen Kläger Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht gestellt haben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, RdNr. 13 zu § 124 m. w. N.). Dem Verwaltungsgericht musste sich die Durchführung einer Beweiserhebung auch nicht aufdrängen. Denn bei den von den Klägern eingeräumten Aufenthalten im Erhebungsgebiet zu beruflichen Zwecken besteht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Kurbeitragssatzung der Beklagten eine Befreiung von der Tageskurbeitragspflicht. Für die Teilnahme an der Eigentümerversammlung im Erhebungsgebiet konnte - wie ausgeführt - eine Tageskurbeitragspflicht nicht entstehen, weil für die Kläger bei typisierender Betrachtungsweise eine realistische Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Kur- und Erholungseinrichtungen nicht bestand.
Ende der Entscheidung
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