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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.02.2008
Aktenzeichen: 9 LA 251/05
Rechtsgebiete: NKAG, NWG


Vorschriften:

NKAG § 5 Abs. 1 S. 1
NWG §§ 97 ff.
1. Keine Gebührenpflicht des Grundstückseigentümers für die Niederschlagswasserbeseitigung, wenn das auf dem Grundstück anfallende Niederschlagswasser durch offene Gewässer in den öffentlichen Kanal geführt wird und diese Gewässer in der Unterhaltungslast eines Wasser- und Bodenverbandes stehen.

2. Dies gilt auch dann, wenn die Unterhaltungslast für die Gewässer iSd §§ 97ff. NWG stattdessen der Gemeinde obliegt, dieser aber keine durch die Niederschlagswasserbeseitigung bedingten Mehrkosten entstehen.


Gründe:

Der auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens eines entscheidungserheblichen Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Zulassungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg.

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des mit einem Supermarkt-Gebäude und Parkplätzen bebauten Grundstücks "B. Straße C." im Stadtgebiet der Beklagten gegen seine Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren für den Zeitraum 1. September bis 31. Dezember 2001, welche die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2002 auf aktuell 723,33 DM festgesetzt hat. Das auf dem Grundstück des Klägers anfallende Niederschlagswasser wird seit Mitte 2000 nicht mehr der Abwasseranlage in der B. Straße zugeführt, sondern über den rückwärtigen Grundstücksteil einem Einlaufschacht auf dem benachbarten, mit einem Lebensmittelmarkt und einem kombinierten Textilmarkt/Schuhmarkt bebauten Gewerbegrundstück der Firma D. zugeleitet. Von dort wird das Niederschlagswasser aufgrund einer bereits Anfang 1988 erteilten Genehmigung der Beklagten durch eine Rohrleitung unter der E.-Straße hindurch in ein offenes Gewässer III. Ordnung des Wasser- und Bodenverbandes "F." geführt, das seinerseits weiter westlich in das ebenfalls offene Verbandsgewässer II. Ordnung "G." mündet. Dieses Gewässer führt in nördlicher Richtung weiter bis zum Übergabepunkt Straße "H."/I., wo es an die in zwei nördliche Fließrichtungen geteilte verrohrte Niederschlagswasserkanalisation der Beklagten angeschlossen ist. Über diese wird das Niederschlagswasser weiter im Norden in das Gewässer II. Ordnung "J." eingeleitet. Der Landkreis Cloppenburg erteilte Anfang August 2001 auf Antrag der Beklagten die wasserrechtliche Plangenehmigung zur Aufhebung der Teilstrecke des Gewässers II. Ordnung "G." von der Straße "H." bis zur früheren Einmündung des Gewässers in die "J." am Stadtpark.

Der gegen die Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung stattgegeben, die Einleitung des Oberflächenwassers in die Gewässer der "F." sei keine Benutzung der Entwässerungsanlage der Beklagten. Es fehle bereits an einer satzungsrechtlichen Bestimmung, wonach die Gewässer Bestandteil der kommunalen Einrichtung "Zentrale Niederschlagswasserbeseitigung" seien. Für eine Benutzung lasse sich nicht anführen, dass diese in ihrem weiteren Verlauf in das Kanalsystem der Beklagten übergingen. Hiervon könne auch bei einer technischen Einheit mit der übrigen Kanalisation nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Urt. v. 6.3.1980 - NStV-N 1981, 64) nur dann ausgegangen werden, wenn das Gewässer, in welches das Niederschlagswasser eingeleitet werde, selbst Bestandteil des Abwassernetzes geworden sei entweder durch eine wasserrechtliche Gestattung oder durch eine Beseitigung der Gewässereigenschaft und eine Überführung in das Benutzungsregime des kommunalen Anstalts- und Benutzungsrechts aufgrund einer wasserrechtlichen Planfeststellung bzw. Plangenehmigung zugunsten der Gemeinde. Durch die Einleitung von Abwasser in ein offenes Gewässer, das erst in seinem weiteren Verlauf in das öffentliche Kanalsystem übergehe, werde das der Benutzungsgebühr immanente Austauschverhältnis, in dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstünden, (noch) nicht begründet. Denn sofern die abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde für das Gewässer nicht unterhaltungspflichtig sei bzw. auf den Bestand und Zustand des offenen Gewässers nicht maßgeblich Einfluss nehmen könne, sei nicht im erforderlichen Maße sichergestellt, dass das auf dem Grundstück eines Bürgers anfallende Niederschlagswasser auch - vollständig - in das Abwassersystem der Gemeinde gelange. Der Kläger weise insoweit zu Recht darauf hin, dass sich die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers nach und nach - z.B. durch Verdunstung oder Versickerung - verringern dürfte. Deshalb könne letztlich nur dann von einer Benutzung der Einrichtung im Sinne von § 5 NKAG gesprochen werden, wenn das fragliche Gewässer in seiner Gesamtheit Bestandteil des Abwassersystems sei.

Die dargelegten Zweifel der Beklagten an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils teilt der Senat nicht.

Ihr Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Annahme, es fehle bereits an einer satzungsrechtlichen Bestimmung, wonach die Gewässer des Wasser- und Bodenverbandes "F." Bestandteil der kommunalen Einrichtung Niederschlagswasserbeseitigung seien, die Regelung in § 2 Abs. 6 c) ihrer Abwasserbeseitigungssatzung übersehen, ist offensichtlich unbegründet. Denn offene und verrohrte Gräben und Wasserläufe, die zur Aufnahme der Abwässer dienen, gehören nach dieser Satzungsbestimmung nur zur zentralen öffentlichen Abwasseranlage, "soweit die wasserrechtliche Aufhebung der Gewässereigenschaft erfolgt ist". Letzteres ist indes bezüglich des zwischen dem von der Verrohrung unter der E.-Straße und dem Gewässers II. Ordnung "G." verlaufenden Gewässers III. Ordnung gar nicht und hinsichtlich des Gewässers II. Ordnung "G." mit der wasserrechtlichen Plangenehmigung des Landkreises Cloppenburg von Anfang August 2001 nur für eine Teilstrecke des Gewässers von der Straße "H." bis zu dessen früherer Mündung in die "J." geschehen. Für die Teilstrecke der "G." von der Einmündung des Gewässers III. Ordnung bis zum Beginn des Kanalnetzes der Beklagten besteht mithin die Gewässereigenschaft noch fort, so dass dieses Teilstück ebenso wie das zugeführte Gewässer III. Ordnung auch nach dem Satzungsrecht der Beklagten nicht Bestandteil von deren zentraler öffentlichen Abwasseranlage für die Niederschlagswasserbeseitigung sein kann.

Die Beklagte verkennt überdies, dass es nach der bereits vom erstinstanzlichen Gericht angeführten Entscheidung des seinerzeit für das kommunale Gebührenrecht zuständigen 3. Senats des beschließenden Gerichts vom 6. März 1980 nicht in der Macht des kommunalen Satzungsgebers liegt, bestimmte Arten von Gewässern trotz fortbestehender Gewässereigenschaft zu einem Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung zu bestimmen. Ein Gewässer kann zu einem Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage vielmehr nur dadurch werden, dass es (1.) durch bauliche Veränderungen, welche die vollständige Lösung vom natürlichen Wasserkreislauf bewirken, oder durch eine wasserrechtliche Plangenehmigung die Gewässereigenschaft überhaupt verliert, oder aber (2.) dadurch, dass es bei fortbestehender Gewässereigenschaft aufgrund wasserrechtlicher Gestattung durch die Wasserbehörde in das öffentliche Abwassernetz integriert wird (vgl. ergänzend: VGH Kassel, Urt. v. 18.5.1995 - 5 UE 1815/92 - NVwZ-RR 1996, 598 = ESVGH 45, 284 = ZfW 1997, 186 = ZKF 1995, 256). Solange dies - wie hier - bezüglich der Gewässer, in die der Kläger sein Niederschlagswasser einleitet, nicht geschehen ist, kann eine Gebührenfestsetzung keinen Bestand haben, weil der Kläger die städtische Abwasseranlage nicht im Sinne der gesetzlichen Ermächtigung des § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG in Anspruch nimmt. Der Umstand, dass das Niederschlagswasser seinen Weg zum Gewässer durch einen von der Beklagten erstellten, verrohrten Durchlass unter der E. -Straße nimmt, vermag hieran nichts zu ändern. Denn dieses Betonrohr hat keine technische Verbindung zu dem erst in der Straße "H." beginnenden Kanalnetz der Beklagten für die Beseitigung des Niederschlagswassers und ist mithin ebenfalls nicht Bestandteil der zentralen Niederschlagswasserbeseitigungsanlage.

Der Gebührenpflicht des Klägers steht im Übrigen auch der Umstand entgegen, dass der Beklagten für die Gewässer, in die das Niederschlagswasser vom Grundstück des Klägers und vom Nachbargrundstück D. geleitet wird, keine Kosten entstehen, die über Niederschlagswassergebühren abgegolten werden können. Denn die Unterhaltung dieser Verbandsgewässer in einem für die Ableitung des Wassers funktionsgerechten Zustand obliegt ausschließlich dem Wasser- und Bodenverband "F.". Überdies würde allein eine Pflichtenverschiebung dahingehend, dass anstelle der "F." die Pflicht zur Unterhaltung dieser Gewässer im Sinne der §§ 97ff. NWG auf die Beklagte übergehen sollte, auch noch keine Berechtigung der Beklagten zur Erhebung von Niederschlagswassergebühren im Hinblick auf das vom Grundstück des Klägers und anderen Grundstücken in die Gewässer eingeleitete Niederschlagswasser begründen. Denn die Erhebung einer kommunalen Benutzungsgebühr setzt - wie bereits vom Verwaltungsgericht angesprochen - begrifflich voraus, dass sie eine Gegenleistung für eine besondere Leistung der Gemeinde darstellt. Es reicht daher nicht aus, dass der Gemeinde die "normalen" Kosten für eine von ihr wahrzunehmende wasserrechtliche Pflicht zur Gewässerunterhaltung entstehen. Zu verlangen ist vielmehr, dass der Gemeinde für die Gewässer, in die das Niederschlagswasser abgeleitet wird, über die Aufwendungen für deren Unterhaltung hinausgehende Mehrkosten entstehen, die sich auf die Benutzung der Gewässer durch das Ableiten des Niederschlagswassers zurückführen lassen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 6.3.1980, a.a.O.; Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Juli 2007, § 6 RdNr 712). Seitens der Beklagten ist nichts dafür vorgetragen und auch sonst ist nicht ersichtlich, dass derartige durch die Niederschlagswasserbeseitigung bedingte Mehrkosten entstünden, wäre anstelle des Wasser- und Bodenverbandes die Beklagte zur Unterhaltung der Gewässer verpflichtet.

Der erstmals im Zulassungsverfahren aufgestellten Behauptung der Beklagten, das Grundstück des Klägers sei noch durch einen Überlauf an den öffentlichen Niederschlagswasserkanal in der B. Straße angeschlossen, ist der Kläger u.a. durch Vorlage eines Schreibens der Beklagten substantiiert entgegen getreten. Diese hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 14.August 2003 mitgeteilt, "dass die Oberflächengewässergebühren nur aufgrund der Tatsache entfallen sind, dass die Einleitung des Regenwassers nicht mehr in die Abwasseranlage der Stadt Cloppenburg erfolgte". An anderer Stelle desselben Schreibens wird sodann die nach der Umstellung der Niederschlagswasserbeseitigung auf dem Grundstück erst seit dem 1. September 2001 (wieder) angenommene Gebührenpflicht des Klägers wie folgt begründet:

"Seit dem 01.09.2001 hat sich die Rechtslage geändert. Durch die am 06.08.2001 erteilte Plangenehmigung zur Aufhebung der Teilstrecke des Gewässers 2. Ordnung Nr. 6.06 G. von der Straße H. bis zum Stadtpark sind die zur Entsorgung des anfallenden Abwassers genutzten Anlagen solche der Stadt Cloppenburg, so dass Oberflächenentwässerungsgebühren gemäß § 9 Abwasserbeseitigungsgebührensatzung der Stadt Cloppenburg anfallen."

Der Kläger weist überdies zu Recht daraufhin, dass die Beklagte erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 22. Juni 2005 vorgetragen hat:

"Die Verlegung des Abwasseranschlusses von der B. Str. zur E.-Str. ist auf die beantragten baulichen Veränderungen zurückzuführen, die vom Kläger beabsichtigt waren. Aufgrund der nahezu vollständigen Auslastung der Abwasser- und Kanalanlage zur B. Str. konnten die baulichen Veränderungen nur bei einer geänderten Abwassereinleitung genehmigt werden."

An diesen Erklärungen muss sich die Beklagte festhalten lassen. Der Senat hat daher nicht zu entscheiden, ob eine Niederschlagswassergebühr nach dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab der bebauten und/oder befestigten Fläche des Grundstücks auch dann erhoben werden kann, wenn lediglich ein Notüberlauf für die Ableitung des Niederschlagswassers in den kommunalen Abwasserkanal besteht.

Das Vorliegen eines entscheidungserheblichen Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) begründet die Beklagte damit, dass das Verwaltungsgericht übersehen habe, dass das vom Nachbargrundstück D. abgeleitete Niederschlagswasser nicht unmittelbar, sondern über eine unter der E.-Straße verlegte städtische Betonrohrleitung in den Wasserzug der "F." gelange. Allein aus dem unmittelbaren Anschluss an diesen Teil der öffentlichen Abwasseranlage ergebe sich aber bereits die Gebührenpflicht des Klägers. Auch sei das Gericht fehlerhaft davon ausgegangen, die offenen Verbandsgewässer hätten bis zum Übergabepunkt Straße "H."/I. eine Länge von ca. 400 m; tatsächlich seien sie nur etwa 260 m lang, so dass sich die Menge des in die Verbandsgewässer abgeleiteten Niederschlagswassers bis zur städtischen Abwasserablage nicht in dem Maße durch Verdunstung und Versickerung verringere, wie vom Verwaltungsgericht angenommen.

Mit dieser - wohl auf die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes zielenden - Rüge ist nicht erfolgreich dargetan, dass das erstinstanzliche Gericht seine in § 86 Abs. 1 VwGO normierte Pflicht verletzt hat, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sind keine Beweisanträge gestellt, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung nach pflichtgemäßem Ermessen. Durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 23.7.2003 - 8 B 57.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 330 m. w. N. ; Beschl. v. 2.11.2007 - 3 B 58/07 - zitiert nach juris) ist geklärt, dass es die Grenzen dieses Ermessens erst dann überschreitet, wenn es eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles - auch nach dem Vorbringen der Beteiligten - aufdrängen musste. Hier musste es sich dem Verwaltungsgericht schon deshalb nicht aufdrängen, weitere Ermittlungen bezüglich der Verrohrung unter der E.-Straße anzustellen, weil es - wie vorstehend dargelegt - bei der Beurteilung der Gebührenpflicht des Klägers für die Niederschlagswasserbeseitigung nicht entscheidungserheblich ist, von wem die vor dem Gewässer III. Ordnung der "F." vorhandene Untertunnelung der Straße vorgenommen worden ist. Dasselbe gilt für Ermittlungen zur Länge des Verlaufs der offenen Verbandsgewässer bis zur Abwasseranlage der Beklagten, weil gleichermaßen nicht entscheidungserheblich ist, in welchem Umfang Niederschlagswasser vom Grundstück des Klägers tatsächlich den Übergangspunkt Straße "H."/I. des - bis dahin - Verbandsgewässers II. Ordnung "G." in das verrohrte städtische Kanalnetz der Beklagten erreicht.

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