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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.03.2008
Aktenzeichen: 9 LA 30/07
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3 |
Gründe:
Der Kläger begehrt einen Teilerlass der gegen ihn festgesetzten Zweitwohnungsteuer.
Der Kläger hat seinen ersten Wohnsitz in B. und ist Eigentümer einer Ferienwohnung in der Gemeinde C.. Die Zweitwohnungsteuer wird von der Beklagten nach der Zweitwohnungsteuersatzung der Gemeinde in der Fassung vom 11. Dezember 2000 als Jahressteuer festgesetzt. Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr. Gemäß § 3 bemisst sich die Steuer nach dem Mietwert der Wohnung. In der Zweitwohnungsteuersatzung findet sich unter § 7 folgende Regelung:
(1) Auf Antrag kann die Steuer um 30 % erlassen werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Wohnung während eines gesamten Kalenderjahres an mehr als 150 Kalendertagen an Fremde vermietet war. Der An- und der Abreisetag zählen als ein Vermietungstag.
(2) Auf Antrag kann die Steuer um 55 % erlassen werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Wohnung während eines gesamten Kalenderjahres an mehr als 250 Kalendertagen an Fremde vermietet war. Der An- und der Abreisetag zählen als ein Vermietungstag.
(3) Der Erlassantrag ist bis zum 31.3. des auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalenderjahres schriftlich bei der Samtgemeinde Oberharz zu stellen.
(4) Die Voraussetzungen für den Teilerlass sind von den Berechtigten nachzuweisen.
Eine vom Kläger beauftragte Vermittlungsagentur für Ferienwohnungen vermittelt die Ferienwohnung des Klägers an Feriengäste. Nach Angaben des Klägers war seine Wohnung im Jahr 2002 für 39 Tage an Feriengäste vermietet. An 305 Tagen stand sie über die Vermittlungsagentur zur Vermietung an Gäste bereit. In der übrigen Zeit nutzte der Kläger die Wohnung, um dort Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen vorzunehmen.
Unter dem 2. Januar 2002 zog die Beklagte den Kläger zu einer Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2002 in Höhe von 371,74 € heran. Unter dem 27. März 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Teilerlass der für 2002 gezahlten Zweitwohnungsteuer.
Mit Bescheid vom 29. August 2003 lehnte die Beklagte diesen Teilerlass ab.
Die dagegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, der Kläger könne den Erlass eines Teils der Zweitwohnungsteuer für 2002 nicht beanspruchen, weil er die dafür erforderlichen Voraussetzungen unstreitig nicht nachgewiesen habe. Die Teilerlassregelung in § 7 der Zweitwohnungsteuersatzung sei als begünstigende Regelung weder zu beanstanden noch nichtig. Selbst die Heranziehung zu dem vollen Jahresbetrag der Zweitwohnung-steuer ohne die - hier gegebene - Möglichkeit eines Teilerlasses sei nach der Rechtsprechung nicht als unverhältnismäßig zu beanstanden, wenn der Inhaber einer Zweitwohnung - wie hier - über eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit von mindestens zwei Monaten verfüge. Über diese Rechtsprechung gehe § 7 der Zweitwohnungsteuersatzung hinaus, da bei einer rechtlich gesicherten Eigennutzungsmöglichkeit von mindestens zwei Monaten, aber einem erheblichen Fremdvermietungszeitraum nicht der Gesamtjahressteuerbetrag verlangt, sondern auf Antrag ein Teil der Zweitwohnungsteuer (rückwirkend) erlassen werde. Die Leerstandszeiten seien hiernach eindeutig den zumindest potenziellen Eigennutzungszeiten und keinesfalls ohne entsprechenden Nachweis den Fremdvermietungszeiten zuzurechnen.
Der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht. Der Kläger hält dem Verwaltungsgericht vor, es habe rechtsfehlerhaft die Leerstandszeiten von 305 Tagen als Vorhaltung zur Nutzung im Rahmen der persönlichen Lebensführung den tatsächlich vom Kläger genutzten 21 Tagen hinzugerechnet. Tatsächlich habe dem Kläger die Wohnung an 305 Tagen zu eigenen Zwecken nicht zur Verfügung gestanden. In dieser Zeit habe der Kläger die Wohnung gerade nicht innegehabt. Die Leerstandszeiten zählten nicht zu den Eigennutzungszeiten, sondern zu den Fremdvermietungszeiten. Es verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn bei einem eklatanten Missverhältnis zwischen den Zeiten der Vermietung und der privaten Nutzungsmöglichkeit eine Zweitwohnungsteuer unter Zugrundelegung der gesamten Jahresrohmiete erhoben werde. Die Regelung in § 3 der Zweitwohnungsteuersatzung sei nichtig, weil dort der Umfang der Verfügbarkeit (Verfügbarkeitsgrad) nicht geregelt sei. Eine solche Regelung sei vielmehr § 7 der Zweitwohnungsteuersatzung in Form eines zu beantragenden Teilerlasses überlassen. Der Satzungsgeber sei verpflichtet, bei einer Mischnutzung den Umfang der Verfügbarkeit nicht von einem Antrag auf Teilerlass abhängig zu machen, sondern diesen als Teil des Steuermaßstabs in § 3 der Zweitwohnungsteuersatzung festzulegen. Diese Teilnichtigkeit führe zur Nichtigkeit der gesamten Zweitwohnungsteuersatzung.
Diese Einwände greifen nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 27.10.2004 - 10 C 2/04 - KStZ 2005, 50 = NVwZ 2005, 828 = ZKF 2005, 91), der der Senat folgt, sind Leerstandszeiten bei der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer allein den Zeiträumen zuzurechnen, in denen die Wohnung für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten wird. Neben der tatsächlichen Selbstnutzung ist es gerade der Leerstand der Zweitwohnung trotz rechtlich bestehender Nutzungsmöglichkeit, der regelmäßig auf die der Besteuerung zugrunde liegende Leistungsfähigkeit des Wohnungsinhabers schließen lässt. Deshalb betont das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass der von der Aufwandsteuer erfasste konsumtive Aufwand für die persönliche Lebensführung auch ohne tatsächliche Inanspruchnahme der Zweitwohnung vorliegt. Es genügt, dass eine zeitweilige Eigennutzung während des Veranlagungszeitraums rechtlich offen gehalten und die Zweitwohnung damit hierfür vorgehalten wird (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 - 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 = NVwZ 1997, 86 = KStZ 1997, 36; Urteil vom 30. Juni 1999 - 8 C 6.98 - BVerwGE 109, 188 = KStZ 2000, 34 = NJW 2000, 375; Urteil vom 26.9.2001 - 9 C 1/01 - BVerwGE 115, 165 = DVBl 2002, 483 = NVwZ 2002, 728 = KStZ 2002, 73). Auch in den Fällen der Mischnutzung, in denen der Zeitwohnungsinhaber - wie im vorliegenden Fall - die Wohnung sowohl selbst nutzt als auch zur Erzielung von Einkünften vermietet, gilt für die zweitwohnungsteuerrechtliche Bewertung der Leerstandstage im Grundsatz nichts anderes (BVerwG, Urteil vom 27.10.2004 - 10 C 2/04 - a. a. O. m. w. N.).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Gemeinde auch nicht verpflichtet, die Höhe der Zweitwohnungsteuer über die Erhebung des Jahresbetrags hinaus bei der Festsetzung nach dem Umfang der Verfügbarkeit der Zweitwohnung, d. h nach der Anzahl der Tage des Erhebungsjahres, in denen die Wohnung nicht fremdvermietet ist, zu staffeln. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Erhebung des vollen Jahresbetrages der Zweitwohnungsteuer nicht unverhältnismäßig ist, wenn der Inhaber über eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit der Zweitwohnung von mindestens 2 Monaten im Jahr verfügt (BVerwG, Urteil vom 27.10.2004 - 10 C 2/04 - a. a. O. m. w. N.). Nur wenn die Eigennutzungsmöglichkeit den Zeitraum von 2 Monaten unterschreitet, kann der Inhaber einer Zweitwohnung nicht zur vollen Jahressteuer herangezogen werden. In welcher Weise die Zweitwohnungsteuer für Zeiträume einer möglichen Eigennutzung von weniger als 2 Monaten gestaffelt wird, unterliegt indes der Satzungsautonomie der steuererhebenden Gemeinde. Ein rechtlich verpflichtender Grund, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz über eine Staffelung allein des Steuermaßstabs in Anknüpfung an den Verfügbarkeitsgrad Rechnung zu tragen, ist weder ersichtlich noch vom Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen vorgetragen worden. Vielmehr bleibt in Fällen der Mischnutzung, in denen - wie hier - zu Beginn des Veranlagungszeitraums die Dauer der Eigennutzungsmöglichkeit offen ist, eine Typisierung der Bemessungsgrundlage vertretbar, die mit dem Steuermaßstab nach der Jahresrohmiete auf den Jahreszeitraum als Besteuerungsgrundlage abhebt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1999 - 8 C 6.98 - a. a. O.). Wenn dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Anschluss an den Erhebungszeitraum über den antragsgebundenen Teilerlass in § 7 der Zweitwohnungsteuersatzung zur Geltung verholfen wird, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Berufung kann auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob eine Zweitwohnungsteuersatzung nichtig sei, weil sie den Umfang der Verfügbarkeit nicht regele, sondern den Steuerpflichtigen zwinge, einen Antrag auf Teilerlass zu stellen, obwohl die Steuerpflicht in einer bestimmten Höhe gar nicht entstanden sei, rechtfertigt die begehrte Zulassung nicht. Denn die vom Kläger aufgeworfene Frage erweist sich für die vorliegende Fallkonstellation als nicht entscheidungserheblich. Im Fall der vom Kläger vertretenen Nichtigkeit der Zweitwohnungsteuersatzung würde nämlich die Teilerlassregelung in § 7 der Zweitwohnungsteuersatzung wegfallen, die allein als Anspruchsgrundlage für den vom Kläger im Klageverfahren begehrten Teilerlass in Betracht kommt. Der Kläger übersieht bei seiner Argumentation, dass er eine Verpflichtungsklage auf Erstattung der Zweitwohnungsteuer verfolgt und daher für den Klageerfolg auf einen satzungsrechtlichen Erstattungsanspruch angewiesen ist. Er befindet sich gerade nicht in einem Klageverfahren, das die Anfechtung des die Zweitwohnungsteuer festsetzenden Heranziehungsbescheids betrifft.
Ende der Entscheidung
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