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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 9 LA 407/04
Rechtsgebiete: NKAG
Vorschriften:
NKAG § 9 Abs. 1 S. 1 | |
NKAG § 9 Abs. 2 S. 1 | |
NKAG § 10 Abs. 1 S. 1 |
Anknüpfungspunkt der Fremdenverkehrsbeitragspflicht sind die durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar gebotenen besonderen wirtschaftlichen Vorteile im Sinne von § 9 Abs. 2 NKAG. Dies gilt auch dann, wenn der Fremdenverkehrsbeitrag nur zur Refinanzierung des Aufwands für die Fremdenverkehrswerbung erhoben wird.
NIEDERSÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT LÜNEBURG BESCHLUSS
Aktenz.: 9 LA 407/04
Datum: 10.10.2007
Gründe:
Der auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Zulassungsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die für ihre Ortsteile Duhnen, Döse einschließlich Grimmershörn bis zur Bernhardstraße als "Nordseeheilbad", für ihre Ortsteile Altenbruch, Berensch-Arensch und Sahlenburg als "Küstenbadeort" und für ihre Ortsteile Cuxhaven-Innenstadt, Altenwalde, Holte-Spangen, Lüdingworth, Oxstedt und Stickenbüttel als "Erholungsort" staatlich anerkannte Beklagte erhebt in diesem Gebiet zur Deckung ihres Aufwandes für die Fremdenverkehrswerbung Fremdenverkehrsbeiträge. Mit Bescheid vom 15. Januar 2002 zog sie die Klägerin, die in Duhnen als Vertragsklinik der B. Ersatzkasse die "Klinik A." betreibt - eine Mutter-Kind-Klinik für die Behandlung von Krankheiten des Atmungssystems, der Haut, des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes sowie des Nervensystems, von Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen sowie psycho-physischer Erschöpfungszustände -, gestützt auf die vom Rat der Beklagten am 21. Juni 2001 beschlossene Fremdenverkehrsbeitragssatzung (FVBS) für das Jahr 2001 zu einem Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 2.799,22 € heran. Dabei legte sie entsprechend § 9 Abs. 2 FVBS wegen des Inkrafttretens der Satzung erst zum1. August 2001 nur den für einen Zeitraum von fünf Monaten ermittelten Umsatz von 1.663.231,34 €, den in der Anlage zur FVBS für Sanatorien und Kurkliniken unter Branchen-Nr. 01.02 bestimmten Mindestgewinnsatz von 11 % sowie Vorteilssatz von 100 % und den in § 4 Abs. 4 FVBS normierten Beitragssatz von 1,53 % zugrunde. Die gegen die Heranziehung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin sei fremdenverkehrsbeitragspflichtig, weil ihr durch den Fremdenverkehr besondere wirtschaftliche Vorteile erwüchsen. Heilungssuchende, die zumindest auch wegen besonderer natürlicher Heilfaktoren eines Ortes von auswärts kämen und sich zur Heilung in eine Kurklinik begäben, seien dem Fremdenverkehr zuzurechnen. Die Klägerin werbe in ihrem Prospekt mit einem "Kur- und Badeort vom Feinsten" und verweise darin darauf, dass der Stadtteil Duhnen wegen seiner groß angelegten Strandpromenade und seiner kleinen Geschäfte, Cafes und Restaurants rund um den Dorfbrunnen sicherlich der schönste und vielseitigste der elf Kurteile der Beklagten sei und man im beheizten Duhner Erlebnisbad die Panoramaaussicht auf Strand und Meer genieße. Damit mache sich die Klägerin die örtlichen Gegebenheiten des Fremdenverkehrsortes zunutze. Ohne Bedeutung für ihre Fremdenverkehrsbeitragspflicht sei der Umstand, dass die Klägerin nicht selbst mit ihren Gästen entgeltliche Rechtsgeschäfte abschließe, sondern mit der B. Ersatzkasse einen Exklusivbelegungsvertrag abgeschlossen habe. Denn für die Klägerin mache es keinen Unterschied, ob sie das Entgelt für die Belegung ihrer Klinik direkt von den Patienten oder stattdessen von der Krankenkasse erhalte. Entscheidend sei, dass zwischen ihren erhöhten Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten und dem Fremdenverkehr ein konkreter Zusammenhang bestehe. Dieser bestehe hier, weil zum einen die Eigenschaft der Beklagten als Fremdenverkehrsort ausschlaggebend für den Abschluss des Belegungsvertrages gewesen sei und sich zum anderen auch die Versicherten bei ihrer Entscheidung, ob und ggf. an welchem Ort sie eine Mutter-Kind-Einrichtung besuchten, an den Einrichtungen und Veranstaltungen orientierten, die am jeweiligen Standort unterhalten würden. Ohne Bedeutung sei es, dass die Beklagte den Fremdenverkehrsbeitrag ausschließlich für die Deckung des Aufwandes für Fremdenverkehrswerbung erhebe; ein konkreter Zusammenhang zwischen der erhöhten Gewinnmöglichkeit und der Fremdenverkehrswerbung werde dadurch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verlangt. Denn in § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG und § 2 Abs. 1 Satz 1 FVBS werde auf die durch den Fremdenverkehr erlangten besonderen wirtschaftlichen Vorteile und nicht darauf abgestellt, ob der einzelne Beitragspflichtige konkret durch die Fremdenverkehrswerbung oder eine bestimmte dem Fremdenverkehr dienende Einrichtung eine erhöhte Gewinnmöglichkeit erlange. Entscheidend sei allein, ob jemand durch die systematische Förderung des Fremdenverkehrs einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil ziehe. Im Übrigen sei ein konkreter Zusammenhang zwischen erhöhter Verdienstmöglichkeit und der Fremdenverkehrswerbung hier auch zu bejahen. Erst die Fremdenverkehrswerbung mache viele Patienten auf den Standort Cuxhaven aufmerksam. Unterbliebe die Fremdenverkehrswerbung, gäbe es somit weniger Zuweisungsentscheidungen der B. Ersatzkasse und würden Umsatz und Gewinn der Klägerin sinken. Denn es sei davon auszugehen, dass die Patienten der Klägerin Einfluss nehmen könnten auf die Entscheidung der Krankenkasse, welche Vertragsklinik sie aufsuchten. Andernfalls würde der Internetauftritt der Klägerin, mit dem sie umfangreich für ihre Einrichtung werbe, keinen Sinn machen.
Die von der Klägerin geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung teilt der Senat nicht.
Mit ihrer weiterhin vertretenen Auffassung, infolge der hier durch den Satzungsgeber vorgenommenen Beschränkung der - teilweisen - Refinanzierungsfunktion des Fremdenverkehrsbeitrages allein auf den durch die Fremdenverkehrswerbung entstandenen Aufwand bestehe eine Beitragspflicht nur noch, wenn durch die Fremdenverkehrswerbung Vorteile geboten würden, kann die Klägerin nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass sowohl die gesetzliche Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG als auch die korrespondierende Bestimmung in § 2 Abs. 1 Satz 1 FVBS nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut eine solche Annahme ausschließen, weil die Beitragspflicht danach ausschließlich an die durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar gebotenen besonderen wirtschaftlichen Vorteile anknüpft. Entscheidet sich der Ortsgesetzgeber im Rahmen des ihm in § 9 Abs. 1 NKAG eingeräumten Ermessens dafür, den Fremdenverkehrsbeitrag nur zur teilweisen Deckung des Aufwandes der Gemeinde für die Förderung des Fremdenverkehrs durch Fremdenverkehrswerbung, nicht hingegen auch zur teilweisen Deckung des Aufwandes für Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung, Betrieb, Unterhaltung und Verwaltung der dem Fremdenverkehr dienenden Einrichtungen zu erheben, führt dies zu deutlich geringeren Fremdenverkehrsbeiträgen, doch ändert sich durch diese allein die Aufwandsseite betreffende Entscheidung am Kreis der Beitragspflichtigen nichts. Der Einwand der Klägerin, bei einer solchen Betrachtung sei von einer unzulässigen Doppelbelastung auszugehen, weil der Aufwand für die Fremdenverkehrseinrichtungen bereits - teilweise - über Kurbeiträge gedeckt werde, ist angesichts dessen, dass dieser Aufwand hier in den über Fremdenverkehrsbeiträge - teilweise - zu refinanzierenden Aufwand gerade nicht eingestellt wird, schlechterdings nicht nachvollziehbar. Auch aus dem Hinweis der Klägerin auf die von ihr für ihre Gäste abgeführten Kurbeiträge in Höhe von 30.006,77 € im Jahre 1999, von 29.566,32 € im Jahre 2000, von 20.083,19 € im Jahre 2001 und von 28.296,70 € im Jahre 2002 lässt sich nichts für ihre Meinung ableiten, besondere wirtschaftliche Vorteile aufgrund der Ausstattung und Lage des Fremdenverkehrsortes würden bereits durch die Kurbeiträge abgeschöpft. Denn der in § 10 Abs. 1 NKAG als besonderes Finanzierungsinstrument zur Deckung des Aufwandes für Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung, Betrieb, Unterhaltung und Verwaltung der Fremdenverkehrseinrichtungen und des Aufwandes für die zu Zwecken des Fremdenverkehrs durchgeführten Veranstaltungen bestimmte Kurbeitrag steht neben dem Fremdenverkehrsbeitrag. Er ermöglicht es der staatlich anerkannten Gemeinde, auch die auswärtigen Nutzer ihrer Fremdenverkehrseinrichtungen zu deren teilweiser Finanzierung heranzuziehen, während zur Entrichtung von Fremdenverkehrsbeiträgen ausschließlich in der Gemeinde selbstständig tätige Personen und Unternehmen verpflichtet sein können. Hinsichtlich des Aufwandes für die Fremdenverkehrswerbung kann es im Übrigen zu der von der Klägerin behaupteten Überdeckung schon deshalb nicht kommen, weil andere als die in § 10 Abs. 1 NKAG bestimmten Aufwendungen für den Fremdenverkehr, also insbesondere Kosten für die Fremdenverkehrswerbung, nicht über den Kurbeitrag (teilweise) refinanziert werden können (vgl. auch: Rosenzweig/Freese, NKAG, Stand: August 2007, § 9 RdNr. 6, § 10 RdNr. 17).
Der Klägerin erwachsen durch den Fremdenverkehr im Erhebungsgebiet der Beklagten ihre Beitragspflichtigkeit begründende unmittelbare besondere wirtschaftliche Vorteile. Nach der bereits vom Verwaltungsgericht angeführten obergerichtlichen Rechtsprechung (VGH München, Urteil vom 14.3.2000 - 4 B 96.809 - KStZ 2000, 178 = NVwZ-RR 2000, 826 m. w. N.), der sich der Senat bereits angeschlossen hat (Beschlüsse v. 11.9.2007 - 9 ME 119/07 - u. v. 21.9.2007 - 9 LA 46/04 -), umfasst der Begriff Fremdenverkehr nicht nur reine Erholungssuchende, sondern auch solche Personen, die sich zur Heilung an einen anderen Ort begeben. Mütter und Kinder, die von auswärts zumindest auch wegen besonderer natürlicher Heilfaktoren wie des Nordseeklimas und der guten Luft Leistungen in der "Klinik A." in Anspruch nehmen, sind dem Fremdenverkehr zuzurechnen. Dadurch, dass die dort untergebrachten Patienten die Fremdenverkehrseinrichtungen der Beklagten nutzen können, nimmt die Klinik durch sie am Fremdenverkehr teil und erwachsen der Klägerin Vorteile aus dem Fremdenverkehr. Die Klägerin betreibt auch mit den Kureinrichtungen der Beklagten auf ihrer Internetseite Werbung. So heißt es dort aktuell u.a.:
"Cuxhaven hat viel zu bieten!
Unsere Klinik befindet sich im wunderschönen Kurteil Duhnen. Der Ortskern mit seinen vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten ist etwa 500 Meter von unserer Einrichtung entfernt. Vier Kilometer weißer Sandstrand säumen das Duhner Wattenmeer. Das Erlebnisbad AHOI! bietet neben einem ausgelassenen Badevergnügen die einmalige Panoramaaussicht auf Strand und Meer. Sehr gut ausgebaute Radwege in und um Cuxhaven herum bieten die Möglichkeit zu ausgedehnten Radwanderungen und Erkundungen auf eigene Faust. Ein Fahrradverleih in Duhnen. Der Kurpark mit kleinem Zoo und sehr großzügig gestaltetem Kinderspielplatz ist mit dem Fahrrad in ca. 15 Minuten zu erreichen. Wir beraten gerne bei der Freizeitgestaltung. Lernen Sie Land und Leute kennen, genießen Sie die Natur und die frische Meeresbrise. Beispielweise ist die Innenstadt Cuxhavens einen Besuch wert. Sie liegt ungefähr fünf Kilometer von unserer Klinik entfernt. Busse fahren vom Duhner Ortszentrum alle 20 Minuten in die Stadt. Als alter Fischereistandort bietet der Cuxhavener Hafen eine maritime Atmosphäre mit der Möglichkeit, sich die unterschiedlichsten Schiffe aus der Nähe anzusehen. Einige kleine Museen und historische Bauwerke laden dazu ein, mehr über die Geschichte Cuxhavens kennen zu lernen."
Lediglich ergänzend weist der Senat wie bereits das Verwaltungsgericht auf den - nicht entscheidungserheblichen - Umstand hin, dass der Klägerin entgegen ihrer Darlegung auch durch die Fremdenverkehrswerbung der Beklagten besondere Vorteile vermittelt werden. Denn die B. Ersatzkasse listet auf ihrer Internetseite neben der Klinik der Klägerin 17 weitere "Mutter-/Vater-Kind-Kliniken" auf, "die sich auf die Behandlung von Müttern, Vätern und deren Kinder spezialisiert haben". Für Interessenten an einer solchen Vorsorge- und/oder Rehabilitationsmaßnahme besteht mithin durchaus die Möglichkeit, über das Internet oder die jeweiligen Fremdenverkehrsbüros Informationen auch über die touristischen Angebote in den Standortgemeinden der aufgeführten Kliniken einzuholen, einen bevorzugten Ort auszuwählen und bei der Kasse zu beantragen, ihnen die Durchführung der Maßnahme in der dortigen Klinik zu ermöglichen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Kasse die Erfüllung derartiger Wünsche der bei ihr Versicherten von vornherein verweigern würde.
Da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Einklang mit der Gesetzeslage sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung steht und die Sache auch keine bislang ungeklärten entscheidungserheblichen Fragen aufwirft, kommt dem Rechtsstreit die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht zu. Anzumerken ist insoweit lediglich, dass die Klägerin das Verwaltungsgericht Göttingen missversteht, wenn sie meint, dieses habe in seinem Urteil vom 31. März 2004 (3 A 3244/01) anders als hier das Verwaltungsgericht Stade die Auffassung vertreten, die Beitragspflicht entstehe nur bei durch die Fremdenverkehrwerbung vermittelten Vorteilen, wenn der Fremdenverkehrsbeitrag ausschließlich zur (teilweisen) Deckung des für die Fremdenverkehrswerbung entstandenen Aufwands der staatlich anerkannten Gemeinde erhoben werde. Zwar führt das Verwaltungsgericht Göttingen zur Frage der dem Inhaber eines Selbstbedienungsgeschäftes gebotenen fremdenverkehrsbedingten Vorteile in seiner Entscheidung u.a. aus, "insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass konkret im Einzelfall kein erhöhter Verdienst/Gewinn für den Beitragspflichtigen vorliegen muss, es reicht die erhöhte Verdienstmöglichkeit durch die Maßnahmen der Fremdenverkehrswerbung, die naturgemäß mehr Touristen auch in Ferienappartements und ähnliche Unterbringungsmöglichkeiten zieht, aus".
Doch knüpfen diese Ausführungen an den vorhergehenden Satz an, "die Klägerin hat weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass in ihrem speziellen Fall solche mittelbaren Vorteile durch den Fremdenverkehr nicht anfallen können", und geht das Verwaltungsgericht Göttingen bei der Bestimmung der Vorteilslage auch im Übrigen zutreffend vom Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG aus.
Über das Normalmaß hinausgehende Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, aufgrund derer eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in Betracht kommen könnte, weist die Rechtssache ebenfalls nicht auf.
Ende der Entscheidung
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