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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.09.2003
Aktenzeichen: 9 LC 540/02
Rechtsgebiete: NWG
Vorschriften:
NWG § 149 X |
Tatbestand:
I.
Die Klägerin betreibt im Keller ihres Wohnhauses eine Abwasserreinigungsanlage vom Typ Biomir. Das auf ihrem Grundstück bezogene Frischwasser wird, nachdem es durch Benutzung zu Abwasser geworden ist, in der Anlage wieder aufbereitet, danach zur Toilettenspülung verwendet und gelangt dann - neben dem neu entstandenen Abwasser - wieder in die Biomir-Anlage. Soweit das in der Anlage vorgereinigte Schmutzwasser überschüssig ist, wird es mittels eines Überlaufs an die öffentliche Kanalisation abgegeben.
Die Beklagte forderte die Klägerin unter gleichzeitiger Androhung eines Zwangsgelds auf, alles auf ihrem Grundstück anfallende Schmutzwasser in die öffentliche zentrale Schmutzwasserkanalisation einzuleiten, und zwar direkt, also ohne vorherige Wiederverwendung im Haus. Zusätzlich ordnete sie an, die Biomir-Anlage auf Dauer außer Betrieb zu nehmen und innerhalb von zwei Wochen die Zulaufleitung zur Biomir-Anlage von dieser abzutrennen und über eine weiterführende Kunststoffleitung direkt und dauerhaft mit der Anschlussleitung an die zentrale Schmutzwasseranlage zu verbinden. Das Verwaltungsgericht hat der dagegen erhobenen Klage mit dem angefochtenen Urteil (veröffentlicht in ZMR 2003, 618) stattgegeben. Die dagegen eingelegte Berufung blieb aus den unter II. genannten Gründen ohne Erfolg.
II.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Beklagte von der Klägerin nicht verlangen kann, den Betrieb der Biomir-Anlage einzustellen und das in der Anlage aufbereitete Schmutzwasser direkt in die öffentliche Kanalisation einzuleiten, es also nicht zunächst - unter Einsparung von Trinkwasser - wieder aufzubereiten und für die Toilettenspülung zu nutzen. Eine Ermächtigungsgrundlage für diese Anordnungen besteht nicht, lässt sich insbesondere weder dem Niedersächsischen Wassergesetz noch der auf der Grundlage des § 8 Nr. 2 NGO erlassenen Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten vom 7. Februar 2002 (Amtsbl. Landkreis Northeim 2002, 119) - ABS - entnehmen. Die nach § 6 Abs. 1 Satz 2 ABS erforderliche Genehmigung für Änderungen an der Grundstücksentwässerungsanlage - also auch für den nachträglichen Einbau der Biomir-Anlage der Klägerin - muss offensichtlich erteilt werden.
§ 149 Abs. 10 NWG bestimmt, dass Abwasser dem zur Abwasserbeseitigung Verpflichteten zu überlassen ist. Ähnlich sieht § 4 Abs. 1 ABS vor, dass der Grundstückseigentümer verpflichtet ist, alles anfallende Schmutzwasser - sofern nicht eine Einleitungsbeschränkung nach der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten besteht - deren öffentlicher Abwasseranlage zuzuführen. Beide Vorschriften begründen die Pflicht, angefallenes Schmutzwasser in den öffentlichen Schmutzwasserkanal einzuleiten, es also weder über eine eigene Grundstücksentwässerungsanlage endgültig zu entsorgen und es dabei dem Wasserkreislauf wieder zuzuführen noch es einem Dritten zu überlassen. Sie sagen nichts über den Zeitpunkt aus, zu dem das Abwasser in den öffentlichen Kanal eingeleitet werden muss, und schreiben insbesondere nicht vor, dass Abwasser vor dem Einleiten in den öffentlichen Kanal nicht wieder aufbereitet und zunächst einer zusätzlichen Verwendung zugeführt werden darf.
Gegen die im vorgenannten Sinn zu verstehende Regelung verstößt das Verhalten der Klägerin nicht. Es geht ihr nicht mehr um die endgültige Entsorgung des auf ihrem Grundstück anfallenden Abwassers über eine eigene Grundstücksentwässerungsanlage. Sie wendet sich insbesondere nicht mehr gegen ihre Verpflichtung, ihr Abwasser der Beklagten zu überlassen. Sie will das angefallene Abwasser vielmehr wieder aufbereiten und es dann zur Toilettenspülung verwenden. Nur überschüssiges Abwasser soll entsprechend dem bestehenden Benutzungszwang in den Schmutzwasserkanal der Beklagten eingeleitet werden. Dass ein solches Verhalten von § 149 Abs. 10 NWG und § 4 Abs. 1 ABS nicht erfasst wird, ergibt sich nicht nur aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut beider Vorschriften, sondern steht auch in Einklang mit deren Sinn und Zweck. Die Effektivität eines angeordneten Benutzungszwangs ist nämlich nicht davon abhängig, dass angefallenes Abwasser unmittelbar, also ohne jede weitere vorherige Nutzung, an den Abwasserbeseitigungspflichtigen überlassen wird. Eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung über zentrale Kanäle ist im Sinne von § 149 Abs. 2 NWG immer schon dann gewährleistet, wenn Abwasser - ohne zwischenzeitlich in den Naturkreislauf zu gelangen oder sonst wie "verloren zu gehen" - zu irgendeinem Zeitpunkt, also nicht notwendig unmittelbar nach seiner Entstehung, in den öffentlichen Kanal eingeleitet wird. Ein angeordneter Benutzungszwang schließt mithin nicht aus, dass aufbereitetes Schmutzwasser - unter Einsparung wertvollen Trinkwassers - zunächst grundstücksbezogen wieder verwendet und der abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft erst bei Auftreten eines Überschusses überlassen wird.
Auch das Vorbringen der Beklagten zeigt schutzwürdige öffentliche Belange, die bei einem Fortbestand des zur Zeit von der Klägerin betriebenen Grundstücksentwässerungssystems beeinträchtigt sein könnten, nicht auf. In der Berufungsverhandlung hat sich die Beklagte zur Rechtfertigung der streitigen Anordnungen darauf berufen, dass sie fäkalschlammbeseitigungspflichtig sei und die Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung der Grundstücksentwässerungsanlage der Klägerin bestehe. Für den Senat ist bereits nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Beklagte - trotz der gegenteiligen Beteuerungen der Klägerin und des Fehlens jeglicher Belege - vom Anfall abzufahrenden Fäkalschlamms in der Biomir-Anlage der Klägerin ausgeht. Sollte wider Erwarten doch Fäkalschlamm anfallen, so wäre diesem Umstand nicht durch eine Untersagung des weiteren Betriebs der Anlage, sondern allein dadurch zu begegnen, dass die beseitigungspflichtige Beklagte den Fäkalschlamm vom Grundstück der Klägerin in gleicher Weise wie von dezentral entsorgten Grundstücken abholt.
Aus der Sicht des Senats spricht auch nichts dafür, dass die Gefahr einer missbräuchlichen Nutzung der Grundstücksentwässerungsanlage im Falle der Klägerin größer ist als allgemein und ihr nur durch das ausgesprochene Betriebsverbot sowie die Anordnung der Direkteinleitung entgegengewirkt werden kann. Für die in der Berufungsverhandlung aufgestellte Behauptung der Beklagten, die Klägerin werde die stillgelegte Zuleitung zur Waschmaschine möglicherweise unter Verstoß gegen die Trinkwasserverordnung vom 21. Mai 2001 (BGBl I 2001, 959) - TWV - wieder in Betrieb nehmen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung glaubhaft bekundet, die Regelungen der Trinkwasserverordnung beachten zu wollen. Danach gilt als "Trinkwasser" und damit als "Wasser für den menschlichen Gebrauch" u.a. alles Wasser, das zur Körperpflege und -reinigung sowie zur Reinigung von Gegenständen, die bestimmungsgemäß nicht nur vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen, bestimmt ist (vgl. § 3 Nr. 1 a TWV). Dieses Wasser muss den in den §§ 4 ff. TWV aufgestellten allgemeinen, mikrobiologischen und chemischen Anforderungen genügen. Ist dies der Fall, so liegt "Wasser für den menschlichen Gebrauch" vor, das folglich auch beispielsweise zum Duschen und Wäschewaschen verwendet werden darf. Entscheidend kommt es also darauf an, ob das die Biomir-Anlage der Klägerin verlassende aufbereitete Schmutzwasser die Anforderungen der §§ 4 ff.TWV einhält. Nur wenn dies zu bejahen ist (was die Klägerin ggf. durch Gutachten nachzuweisen hat), darf das in der Biomir-Anlage aufbereitete Schmutzwasser zum Wäschewaschen verwendet werden. Anderenfalls muss die Zuleitung zur Waschmaschine der Klägerin so abgetrennt sein, dass sie auf Dauer funktionslos geworden ist.
Ende der Entscheidung
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