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Gericht: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.07.2006
Aktenzeichen: 9 ME 189/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1093
Bei Eigentümeridentität in Bezug auf Vorder- und Hinterliegergrundstück ist die Heranziehung für das Hinterliegergrundstück zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag für den Ausbau der Straße vor dem Vorderliegergrundstück nicht rechtmäßig, wenn der Eigentümer einem Dritten am Vorderliegergrundstück eine - im Grundbuch eingetragene - beschränkte persönliche Dienstbarkeit in Form eines lebenslangen Wohnrechts (§ 1093 BGB) mit ausschließlichem Nutzungsrecht für Hof und Garten eingeräumt hat.
Gründe:

Der Antragsteller wendet sich gegen die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen im Wege der Vorausleistung.

Er ist Eigentümer des 1.675 m² großen Hausgrundstücks "C." mit der Flurstücksbezeichnung D., das nach Süden unmittelbar an die Straße "C." angrenzt, sowie des nach Norden unmittelbar angrenzenden - ebenfalls mit einem Einfamilienhaus bebauten - Hinterliegergrundstücks mit der Flurstücksbezeichnung F. zur Größe von 2.043 m², das an der Straße "B." liegt. Die Grundstücke sind auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze durch einen Zaun voneinander getrennt.

Mit notariellem Vertrag vom 7. Dezember 1994 übertrug sein Vater ihm das Eigentum an dem Vorderliegergrundstück "C." im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Als Gegenleistung gewährte der Antragsteller seinem Vater ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht an sämtlichen Räumen in dem auf dem Grundstück befindlichen Haus und erstreckte das Wohnrecht auf "die ausschließliche Nutzung von Hof und Garten". Dieses Nutzungsrecht wurde als beschränkte persönliche Dienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen.

Auf seiner Sitzung am 14. Dezember 2004 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Ausbau der Straße "C.".

Mit getrennten Bescheiden vom 30. November 2005 zog die Antragsgegnerin den Antragsteller zu Vorausleistungen für die Baumaßnahmen in der Straße "C." für das Grundstück "C." in Höhe von 3.283,09 € und für das Hinterliegergrundstück "B." in Höhe von 4004,38 € heran.

Gegen die Heranziehung zu Vorausleistungen für das Hinterliegergrundstück suchte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach, den das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. Mai 2006 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt hat, die Einbeziehung des Hinterliegergrundstücks in die Verteilungsfläche sei nicht zu beanstanden, weil auch im Falle einer spiegelbildlichen Bebauung der wirtschaftliche Vorteil der Straßenbaumaßnahme für das Hinterliegergrundstück gegeben sei, wenn die Inanspruchnahmemöglichkeit der Straße vom Hinterliegergrundstück aus zu bejahen sei.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat Erfolg. Bei Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, auf dessen Überprüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, erweist sich der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts als fehlerhaft. Die Heranziehung des Grundstücks "B." zu Vorausleistungen auf den Straßenausbaubeitrag für den Ausbau der Straße "C." ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - voraussichtlich nicht rechtmäßig. Gehören Anlieger- und Hinterliegergrundstück demselben Eigentümer, so ist das Hinterliegergrundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands einzubeziehen, wenn der Eigentümer vom Hinterliegergrundstück aus eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besitzt. Diese Möglichkeit besteht in Fällen der Eigentümeridentität bei Vorliegen einer einheitlichen Nutzung immer. Allerdings kann sie auch bei unterschiedlicher Nutzung vorhanden sein, wenn die ausgebaute Straße vom Hinterliegergrundstück aus erreicht werden kann. Die Möglichkeit des Zugangs zur Straße vom Hinterliegergrundstück aus ist dann regelmäßig schon aufgrund der Eigentümeridentität unabhängig vom Vorhandensein einer einheitlichen Nutzung gegeben. Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Straße und damit ein beitragsrelevanter Vorteil entfallen bei Eigentümeridentität für den Hinterlieger nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa dann, wenn es für ihn wegen einer weitgehenden Überbauung des Anliegergrundstückes bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, sich einen Zugang zur Straße zu verschaffen (Nds. OVG, Beschluss vom 13. Juni 2000 - 9 M 1349/00 - NdsVBl. 2001, 18 = NdsRpfl 2000, 296). Im vorliegenden Fall ist wegen der auf dem Vorderliegergrundstück lastenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine weitere Ausnahme gegeben, die eine dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße "C." vom Hinterliegergrundstück aus hindert. Der Antragsteller hat für das Vorderliegergrundstück bereits mit notariellem Vertrag vom 7. Dezember 1994 zugunsten seines Vaters eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit über ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht mit ausschließlicher Nutzung von "Hof und Garten" begründet. Dieses ausschließliche Nutzungsrecht versteht der Senat unter verständiger Auslegung des notariellen Grundstücksübertragungsvertrages, mit dem dem Vater nach Übertragung des Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge eine möglichst weitgehende unveränderte, d. h. alleinige Nutzungsmöglichkeit der nicht bebauten Grundstücksfläche bis zu seinem Tod verbleiben soll, als derart umfassend, dass damit auch der Antragsteller als Eigentümer rechtlich gehindert ist, vom Hinterliegergrundstück einen Zugang über das Vorderliegergrundstück zur Straße "C." anzulegen und dauerhaft zu nutzen. Selbst wenn man das gewährte Nutzungsrecht für Hof und Garten mangels einer ausdrücklichen Unterlassungsdienstbarkeit mit der Einschränkung verstanden wissen wollte, dass es dem Antragsteller als Eigentümer nicht verwehrt ist, den "Hof und Garten" auf dem Vorderliegergrundstück durch Anlegen eines Zugangs zu verändern, würde eine angelegte Zufahrt wegen des ausschließlichen Nutzungsrechts des Vaters vom Hinterliegergrundstück nicht dauerhaft nutzbar sein, denn ein solcher Zugang würde weiter den Begriffen "Hof und Garten" als Beschreibung aller das Wohngebäude umgebenden Grundstücksflächen unterfallen. Eine dauerhafte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße "C." durch das Hinterliegergrundstück kann daher jedenfalls bei der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung nicht festgestellt werden.

Ende der Entscheidung

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