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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 2 U 115/05
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 89 a Abs. 1
HGB § 89 a Abs. 2
1. Der Unternehmer (Prinzipal) eines Handelsvertreterverhältnisses darf einen Anlass für eine Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist in dem von dem Handelsvertreter gegen ihn geführten Rechtsstreit um die Frage der Berechtigung der fristlosen Kündigung nachträglich geltend machen, wenn er erst während des Rechtsstreits von den tatsächlichen Grundlagen dieses Kündigungsgrundes Kenntnis erlangt hat und ein gewichtiges Fehlverhalten des Handelsvertreters vorliegt (Abgrenzung zu OLG Köln, Urteil vom 4. November 2002 - 19 U 38/02 - NJW-RR 2003, 398 = OLGRep 2003, 135).

2. Besteht ein Handelsvertreterverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und mehreren Schwesterunternehmen, so sind im Falle eines Vertrauensverstoßes des Handelsvertreters alle Unternehmen berechtigt, eine fristlose Kündigung auszusprechen (wie OLG Köln, a.a.O.).


Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Im Namen des Volkes URTEIL

Geschäfts-Nr.: 2 U 115/05

Verkündet am: 30. März 2006

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2006 unter Mitwirkung der Richter Blum, Friedrich und Wolff

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen vom 16. November 2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertrages. Die Klägerin verlangt die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung durch die Beklagten, Schadensersatz und restliche Provision aus einem bestimmten Auftragskomplex.

Mit Verträgen vom 21.8.2002 verkaufte der Geschäftsführer der Klägerin sein ihm damals gehörendes - im Bereich Schwer- und Spezialtransporte handelndes - Unternehmen an die Beklagte zu 1) und vereinbarte gleichzeitig für die noch zu gründende Klägerin eine Tätigkeit als Handelsvertreter mit beiden Beklagten. Der Handelsvertretervertrag sah eine feste Laufzeit bis zum 31.8.2007 vor. In dem Vertrag heißt es weiter:

"8. Fa 1 (= Beklagte zu 1) erstattet WWL die Kosten für die Reisetätigkeit des Geschäftsführers (Reisespesen sowie alle Kosten für den Firmen-Pkw- Oberklasse einschließlich der monatlichen Leasingraten und sonstiger Leasing-Aufwendungen)."

Zu den Handelsvertreterverträgen gab es zwei Nachträge vom 13./18.11.02 und vom 14./17.7.2003.

Im zweiten Nachtrag heißt es u.a.:

"1. Für die bei Inlandsreisen des Geschäftsführers von WWL KG entstehenden Hotelkosten zahlt Firma 1 an WWL KG ab 1.7.2003 einen monatlichen Festbetrag welcher unverändert bleibt, auch wenn die tatsächlich entstehenden Hotelkosten höher oder niedriger sein sollten. Der monatliche Festbetrag beträgt

vom 1.7.2003 bis 31.8.2005 € 4.250,--

vom 1.9.2005 bis 31.8.2006 € 3.500,--

und ab 1.9.2006 bis zum Vertragsende € 3.000,--

jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer. Der Festbetrag ist jeweils am 15. des betreffenden Monats zur Zahlung fällig.

Im Übrigen (hinsichtlich sämtlicher Pkw-Kosten, sämtlicher Kosten für Auslandsreisen sowie der Fahrtkosten für Inlandsreisen) bleibt es bei der Regelung in Abschnitt I 8 des Vertrages."

Hintergrund für die Neuregelung war, dass die Beklagte zu 1) die von der Klägerin bis dahin abgerechneten Reisekosten für überhöht hielt und diese begrenzen wollte. Ob die Klägerin im Jahre 2003 einen Pauschalvertrag mit dem Hotel I. in Frankfurt abgeschlossen hatte, nach dem sie monatlich € 4.200,-- bezahlen musste, und ob dieser Vertrag im Zeitpunkt der Vereinbarung des zweiten Nachtrags zum Handelsvertretervertrag noch bestand, ist zwischen den Parteien streitig.

Nach Abschluss dieser Vereinbarung schränkte die Klägerin die Reisetätigkeit ihres Geschäftsführers ein; für ihn fielen im Zeitraum Juli 2003 bis Juni 2004 € 18.968,21 an Reisekosten an (d.h. € 1.580,68 im Schnitt pro Monat). Statt dessen erhöhte sie die Arbeitsstunden der am 1.6.2003 zunächst mit 25 Stunden pro Woche eingestellten Zeugin Frau R. ab 1.7.2003 auf 40 Stunden. Für sie fielen bei der Klägerin ebenfalls Reisekosten an.

Mit Schreiben vom 9.6.2004 kündigten beide Beklagte den Handelsvertretervertrag aus wichtigem Grund "außerordentlich und fristlos". Auf zweimalige Aufforderung zur Angabe von Kündigungsgründen gaben sie mit Schreiben vom 16.6.2004 die Stichworte "Reisekostenersatz und Hotelkosten". Mit Schreiben vom 26.6.2004 kündigte die Klägerin ihrerseits den Handelsvertretervertrag. Bereits am 17.6.2004 hatte sie Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 9.6.04 erhoben.

Im Verlaufe des Rechtsstreits - mit Schriftsatz vom 14.3.2005 - haben die Beklagten einen weiteren Vorwurf erhoben, auf den sie ihre Kündigung stützen: Im Zusammenhang mit einem Gasturbinentransport am 15.11.2003 von Kehlheim nach München hatte der Geschäftsführer der Klägerin persönlich der Beklagten zu 1) am 21.11.2003 eine Zahlung von € 2.500,-- in Rechnung gestellt (Anlagen B 12/B13 zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.3.2005). Er behauptet, diese Zahlung in bar an einen Grundstückseigentümer, Herrn M. B. , erbracht zu haben, weil das Transportfahrzeug und die Begleitfahrzeuge dessen Parkplatz in den frühen Morgenstunden bis mittags blockiert gehabt hätten. Aufgrund dieser Behauptung und des Eigenbelegs des Geschäftsführers der Klägerin bezahlte die Beklagte zu 1) den Betrag an die Klägerin. Die Beklagten behaupten nunmehr jedoch, der Geschäftsführer der Klägerin habe die Barzahlung an den Zeugen gar nicht erbracht (Beweis: Zeugnis B. . Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits, nachdem die Beklagten sich erstmals auf den Zeugen B. berufen hatten, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.10.2005 eine Rechnung des Zeugen vom 19.11.2003 über € 1.160,-- inkl. Mehrwertsteuer für das Zuparken des Grundstücks am 15.11.2003 und den von der Zeugin Frau Kl. am 21.11.2003 zur Bezahlung dieser Rechnung unterschriebenen Überweisungsträger vorgelegt.

Das Landgericht Bremen - 1. Kammer für Handelssachen - hat mit Teil-Urteil vom 16.11.2005 nach Vernehmung der Zeugen M. S. , B. S. , Dr. R. S., K. R. , Dr. H. K. , G. W. l, A. M. R. A. K. , D. F. die Klage auf Schadensersatz abgewiesen. Die Klage wegen der Provisionsansprüche ist nach wie vor beim Landgericht anhängig.

Es hat ausgeführt, die Kündigung sei wegen Pflichtverstößen aus dem Vertrauensbereich des Handelsvertreterverhältnisses begründet, wegen derer es einer vorherigen Abmahnung nicht bedurft hätte. Dies sei einmal das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin im Zusammenhang mit der nachträglichen Regelung der Spesenhöhe, weil er vorgespiegelt habe, aufgrund eines Jahresvertrages in Höhe von € 4.200,-- monatlich gebunden zu sein, obwohl er tatsächlich schon zum Ende Juni 2003 die Vereinbarung mit dem Hotel gelöst habe. Dieser Jahresvertrag sei Grundlage der Änderung der Reisekostenabrechnung gewesen.

Nach der Beweisaufnahme stehe im Übrigen auch fest, dass die Zahlung von € 2.500,-- an den Zeugen B. tatsächlich niemals erfolgt sei, dass also der Geschäftsführer der Klägerin diese nur vorgespiegelt und die Erstattung von der Beklagten zu 1) zu Unrecht erhalten habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung rügt die Klägerin, das Landgericht habe nicht ermittelt, ob die Kündigung fristgerecht nach Kenntnis der Kündigungsgründe ausgesprochen worden sei. Kündigungsgründe seien ohnehin nur für die Beklagte zu 1) behauptet worden. Nach Ausspruch der Kündigung seien die Beklagten auf die Suche nach Kündigungsgründen gegangen und dadurch auf den angeblich falschen Eigenbeleg vom 21.11.2003 gekommen; dies sei unzulässig. Die Klägerin rügt die Beweiswürdigung und Beweislastverteilung des Landgerichts hinsichtlich der behaupteten Zahlung an den Zeugen B. . Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass der Jahresvertrag mit dem Hotel I. im Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Nachtrags zum Handelsvertretervertrag noch bestanden habe. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1) durch diese Vertragsänderung Kosten gespart habe. Der Klägerin seien durch die umfangreichere Beschäftigung der Zeugin Frau R. jedenfalls mehr Kosten entstanden, als sie von der Beklagten zu 1) erstattet bekommen habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Bremen vom 16. November 2005 zur Geschäfts-Nr. 11 O 289/04

1.) die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin € 316.432,69 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin den entstandenen Provisionsausfall als Schadensersatz zu ersetzen;

2.) festzustellen, dass die von den Beklagten mit Schreiben vom 9. Juni 2004 ausgesprochene Kündigung der Handelsvertreterverträge mit der Klägerin vom 21. August 2002 (nebst sämtlichen Nachträgen) unwirksam ist;

3.) die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Klägerin € 28.300,-- nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin den durch den entstandenen Provisionsverlust entstandenen Schaden zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meinen, bei dem Handelsvertreterverhältnis handele es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft mit beiden Beklagten, so dass es von beiden Beklagten habe gekündigt werden können. Im Übrigen könnten Schwestergesellschaften - wie die Beklagten - sich wechselseitig auf die Kündigungsgründe berufen. Die Kündigung sei auch fristgerecht erfolgt, weil der Verdacht hinsichtlich der Hotelkosten erst im Jahre 2004 und hinsichtlich des falschen Eigenbelegs erst im Verlaufe des Prozesses aufgekommen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien ergänzend Bezug genommen.

II.

Die statthafte (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen (§§ 517, 519, 520 ZPO) zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Landgericht hat die Feststellungs- und Schadensersatzklage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist hinsichtlich des zulässigen Zwischenfeststellungsantrags zu 2. sowie hinsichtlich der Hauptanträge zu 1. und 3. unbegründet, weil die von den Beklagten erklärte außerordentliche Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses wirksam ist. Aus diesem Grunde hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 89 a Abs.2 HGB. Soweit die Klägerin neben ihren bezifferten Schadensersatzanträgen hilfsweise die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des durch den Provisionsausfall entstandenen Schadens begehrt, ist diese Hilfsfeststellungsklage mangels Feststellungsinteresse unzulässig, weil sie Leistungsklage erheben kann und erhoben hat (vgl. BGH NJW 1998 S. 1633).

1.) Die Beklagten konnten den Handelsvertretervertrag kündigen, weil nach den Feststellungen des Landgerichts der Geschäftsführer der Klägerin mit der Ausstellung des falschen Eigenbelegs vom 21.11.2003 in Höhe von € 2.500,-- einen vorsätzlichen Betrug gegenüber der Beklagten zu 1) zu deren Lasten begangen hat. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der hierzu erfolgten Tatsachenfeststellung durch das Landgericht bestehen nicht (§ 529 Abs.1 Nr.1 ZPO):

Mit dem vorgelegten Überweisungsträger vom 21.11.2003 und der Rechnung des Zeugen B. vom 19.11.2003 ist urkundlich belegt, dass die Klägerin an diesen Zeugen für den Vorfall "Parkplatzbelegung" € 1.160,-- bezahlte. Die Klägerin räumt nunmehr auch selbst ein, dass sie diese Rechnung erhielt und die Zeugin K. sie zeitnah nach Zugang durch Überweisung bezahlte; dies entspricht dem Ergebnis der Recherchen, die die Beklagten während des Rechtsstreits durch Befragung des Herrn B. vornahmen. Diese von der Klägerin zunächst nicht vorgetragenen Vorgänge sind mit ihrer ursprünglichen Darstellung, sie habe für die Blockierung des Parkplatzes insgesamt € 2.500,- in bar bezahlt, nicht vereinbar. Dass die Klägerin tatsächlich insgesamt € 3.660,- habe zahlen sollen, davon € 1.000,- + MwSt. auf Rechnung und weitere € 2,500,- "schwarz" auf die Hand, hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt behauptet. Die angebliche Barzahlung - nach der zweiten Version der Klägerin noch am 15.11.2003 - und die Überweisung weiterer € 1.160,- ließen sich somit nur vereinbaren, wenn davon ausgegangen werden könnte, dass die Zeugin K. die Überweisung irrtümlich vorgenommen hätte und diese Vorgänge selbst bei der Prozessvorbereitung vor Vernehmung der Zeugin K. vor dem Landgericht bei der Klägerin nicht aufgefallen wären. Angesichts der im Einzelnen noch zu erörternden weiteren Umstände ist dies nach der Überzeugung des Senats aber auszuschließen, Vielmehr ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Überweisung die einzige Ersatzleistung darstellte und die von der Klägerin behauptete - zusätzliche - Barzahlung von € 2.500,- nicht stattfand.

Die Aussage der Zeugin K. , die im Kern eine Barzahlung von € 2.500,-- an den Parkplatzinhaber bestätigt hat, ist so widersprüchlich und unglaubhaft, dass der Senat mit dem Landgericht davon überzeugt ist, dass es sich um eine Falschaussage handelt. Die Aussage der Zeugin in der mündlichen Verhandlung widerspricht ihrer schriftlichen Aussage (Anlage K 47 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.3.2005, Bl. 243) erheblich. Dort hatte sie angegeben, die Zahlung sei erst beim zweiten Gasturbinentransport erfolgt, sie habe den Geldbetrag vor diesem zweiten Transport von der Sparkasse in bar abgeholt und dem Geschäftsführer der Klägerin gegeben, während sie bei ihrer mündlichen Vernehmung angab, die Höhe sei von ihr während des ersten Transports telefonisch mit dem Parkplatzinhaber ausgehandelt und der Geldbetrag sogleich vom Geschäftsführer der Klägerin in bar ohne Quittung übergeben worden. Die Aussage widerspricht aber auch dem oben bereits dargestellten durch Urkunden dokumentierten Ablauf. Die Zeugin hat in ihrer Aussage - zu deren Zeitpunkt war die Rechnung des Zeugen B. noch nicht in den Prozess eingeführt - nichts davon erwähnt, dass sie wenige Tage später dem Parkplatzinhaber "weitere" € 1.160,-- gezahlt hatte, obwohl dies im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beweisthema stand und sie die Höhe der zu zahlenden Entschädigung mit € 2.500,-- (nicht € 3.660,--) selbst ausgehandelt haben will.

Gegenüber diesen Widersprüchen verfängt auch das Argument der Klägerin nicht, die Zeugin habe sich nach so langer Zeit (bis zur schriftlichen Aussage ca. 1,5 Jahre, bis zur mündlichen Vernehmung knapp 2 Jahre) nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern können. Abgesehen davon, dass es sich bei diesen Widersprüchen - Barabholung vor dem zweiten Transport, Zahlung "weiterer" € 1.160,-- - nicht um unbedeutende Kleinigkeiten, sondern um für die damaligen Vorgänge wesentliche Geschehensabläufe handelt, ist im Hinblick auf die Erinnerungsmöglichkeiten auch die Situation der Zeugin zu berücksichtigen. Bei ihr handelt es sich um eine im Büro der Beklagten zu 1) tätige Mitarbeiterin. Ihre Anwesenheit bei einem Transport in Süddeutschland war ein Ausnahmefall und damit nicht tägliche Routine. Nach eigenen Angaben sind derartige Geschäfte in der Zeit ihrer Tätigkeit bei der Beklagten zu 1), also seit dem 1.9.2002 über diesen Vorfall hinaus nicht abgewickelt worden. An konkrete Summen, die vor diesem Vorfall bei anderen Gelegenheiten gezahlt worden seien, konnte sie sich nicht erinnern, nur einmal seien € 500,-- für eine blockierte Garage gezahlt worden. Es war nach Darstellung der Klägerin und sowohl nach der schriftlichen Erklärung der Zeugin als auch nach ihrer Aussage sie gewesen, die auf Bitten von Herrn L. telefonisch mit dem Inhaber des von der Blockade betroffenen Geschäfts die Höhe der Zahlung und deren Zahlungsweise ausgehandelt haben soll, nach ihrer Aussage vor Gericht sogar während der mit ihrem Ehemann durchgeführten Autofahrt von Aalen zur Transportstrecke. Der unter Beweis gestellte Vorfall muss für die Zeugin danach derart ungewöhnlich und fern jeglicher Routine gewesen sein, dass sie sich auch nach 1,5 - 2 Jahren an die wesentlichen Tatsachen wie z.B. die - tatsächlich nicht erfolgte - Barabhebung von € 2.500,-- oder auch die Zahlung weiterer € 1.160,-- entgegen dem angeblich selbst ausgehandelten und sofort bezahlten Entgelt in Höhe von € 2.500,-- erinnern können musste. Sollte dagegen die Zeugin abgesehen von dem von ihr geführten Telefonat in Wirklichkeit keine konkrete Erinnerung an die damaligen Vorgänge mehr haben, wäre zu konstatieren, dass sie von vornherein erkennbar wesentliche Informationen erfunden hätte, um ihre Aussage plausibler zu machen.

Der Senat geht davon aus, dass jedenfalls das von der Zeugin erinnerte Telefonat mit dem Geschäftsinhaber am 15.11.2003 über die Zahlung einer Entschädigung stattfand, denn in der Rechnung des Herrn B. vom 19.11.03 nimmt dieser sowohl Bezug auf den Vorfall vom 15.11.03 als auch auf eine entsprechende Vereinbarung, wenn auch adressiert an Herrn Lehmkuhl unter der Firma der Klägerin und unter Hinweis auf eine "mit Ihnen bereits persönlich besprochen(e)" Abrede. Dann sieht der Senat aber keinen Raum für eine irrtümliche Überweisung durch die Zeugin K. . Die Rechnung ist ausweislich des vorgelegten Exemplars bei der Klägerin am 20.11.03 eingegangen, also an dem Donnerstag der nachfolgenden Woche. Die Überweisung wurde von der Zeugin K. ausweislich des Überweisungsträgers und eines entsprechenden Eintrags auf der Rechnung am nachfolgenden Tag, dem 21.11.03, vorgenommen. Noch nicht einmal eine Woche nach dem für die Zeugin durchaus erinnerungswürdigen Ereignis kann schlechthin die Vereinbarung vom 15.11.03 und deren Inhalt bei ihr noch nicht in Vergessenheit geraten sein. Hat es dagegen selbst das mit Herrn Brose am 15.11.03 geführte Telefonat nicht gegeben, sondern lediglich ein Gespräch zwischen Herrn B. und Herrn L. über die Zahlung der Entschädigung, wäre gänzlich unverständlich, wenn die Zeugin die Überweisung ohne Rücksprache mit dem in der Rechnung als Gesprächspartner angegebenen Herrn L. vorgenommen hätte. Dann wäre aber zu erwarten gewesen, dass Herr L. die Zahlung weiterer € 1.160,- unter Hinweis auf den bereits bezahlten Betrag abgelehnt hätte.

Der Zeuge F. hat in seiner mündlichen Aussage beim Landgericht angegeben, lediglich gesehen zu haben, dass "was" übergeben worden sei, die Übergabe von Bargeld hat er dagegen nicht bezeugt. Dieser Rückschluss ist auch nicht aus der Einschätzung des Zeugen, die Leute seien nach dieser Übergabe "zufrieden" gewesen, möglich, denn es konnte etwa auch eine Visitenkarte für die gerade vereinbarte spätere Rechnungsstellung übergeben worden sein.

Schließlich ist auch die Aussage der Zeugin R. ist nicht geeignet, eine Barzahlung in Höhe von € 2.500,-- an den Parkplatzinhaber zu beweisen. Zu Recht rügt das Landgericht die geringe Detaillierung ihrer Darstellung. Auch für sie - die nach eigenen Angaben brachenfremd war und sich "schlau" machen sollte - muss es sich um einen völlig ungewöhnlichen Vorfall gehandelt haben, so dass sie sich genauer an die Örtlichkeiten hätte erinnern können müssen. Nach ihrer Aussage hat sie lediglich die Geldübergabe in fünf Scheinen gesehen, während der Zeuge F. nach seiner Aussage nur die einmalige Übergabe eines Gegenstandes gesehen hatte. Hinsichtlich der Örtlichkeiten konnte sich die Zeugin Frau R. nur an einen tatsächlich nicht vorhandenen Supermarkt erinnern. Der Name des Ortes des Geschehens war ihr nicht bekannt. Letztlich sprechen auch gegen die Richtigkeit ihrer Aussage die oben bereits angeführten Erwägungen, dass bei einer tatsächlich erfolgten Barzahlung von € 2.500,- am 15.11.2003 gänzlich unverständlich wäre, dass nur wenige Tage später unstreitig weitere € 1.160,- für den betreffenden Vorfall an Herrn Brose gezahlt wurden.

2.) Die Beklagten konnten zudem ihre Kündigung auch auf die Reisekostenabrechnungen der Klägerin spätestens seit August 2003 stützen. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich durch einen Jahresvertrag mit dem Hotel I. gebunden war und ob dieser im Zeitpunkt des Abschlusses des zweiten Nachtrags zum Handelsvertretervertrag noch bestand. Die Tatsache, dass die Beklagte zu 1) sich über den vorgesehenen Jahreszeitraum (bis Ende Februar 2004) hinaus zur Zahlung von € 4.250,-- verpflichtete, spricht eher dagegen, dass dieser Vertrag allein der Grund für die Reisekostenabrede in diesem Nachtrag war.

Grundlage dieser Abrede war jedoch die vom Geschäftsführer der Klägerin nach Angaben des Zeugen Dr. S. selbst angegebene durchschnittliche Zahl von 17 Übernachtungen pro Monat. Darauf basierte die Berechnung der schließlich vereinbarten Pauschalzahlung, die deutlich über der von der Beklagten zunächst begehrten Zahlung von nur € 2.200,-- lag. Nach dem Vertrag hatte die Klägerin nur Anspruch auf Ersatz von Reisekosten ihres Geschäftsführers, nicht auf Reisekosten Dritter oder Bezahlung von Arbeitsentgelten für Angestellte. Wenn der Geschäftsführer seine Reisetätigkeit im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Vereinbarung einer beschränkten Reisekostenerstattung jedoch so reduzierte, dass sie deutlich unter der Pauschale blieb, hätte die Klägerin die Beklagte zu 1) informieren müssen; insofern oblag ihr aus dem Vertrag eine Aufklärungspflicht. Keinesfalls durfte sie andere Kosten, auf die sie keinen Anspruch hatte, mit der Pauschalzahlung verrechnen. Insofern kann sie sich auch nicht auf die Formulierung, dass der Festbetrag "unverändert bleibt, auch wenn die tatsächlich entstehenden Hotelkosten höher oder niedriger sein sollten", berufen, weil diese nach Angaben des Zeugen Dr. S. lediglich zur Klarstellung aufgenommen worden war. Damit war nicht die Möglichkeit für die Klägerin geschaffen, die gerade auf der Basis von 17 Übernachtungen des Geschäftsführers ausgehandelte Vereinbarung eigenmächtig durch Reduzierung dieser Übernachtungen und Schaffung anderer Kosten auszuhöhlen. Die Pauschalformulierung diente allein dazu, entgegen der bisherigen Übung nicht mehr jede einzelne Übernachtung des Geschäftsführers abzurechnen.

In der fehlenden Aufklärung der Beklagten zu 1) über die tatsächlich für den Geschäftsführer seit spätestens August 2003 deutlich reduzierten Reisekosten liegt ebenfalls ein Vertrauensverstoß, der die Beklagten zur Kündigung wegen der Reisekosten berechtigte.

3.) Bereits der erste Vorwurf hinsichtlich der vorgetäuschten Zahlung von € 2.500,-- rechtfertigt unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die außerordentliche Kündigung durch beide Beklagte.

a) Allerdings ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass es sich um einen Handelsvertretervertrag mit fester Laufzeit handelt, die im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht zur Hälfte abgelaufen war. Andererseits hat der Geschäftsführer der Klägerin mit diesem falschen Eigenbeleg einen vorsätzlichen Betrug zu Lasten der Beklagten zu 1) begangen, was eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar macht.

Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, dass die Beklagten diesen Kündigungsgrund erst im Laufe des Prozesses bemerkt haben. Der Senat vermag insofern der Entscheidung des OLG Köln vom 4.11.2002 (NJW-RR 2003 S. 398) nicht in ihrer Allgemeinheit zu folgen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagten überhaupt nach diesem Grund "gesucht" oder ob sie die Täuschung eher zufällig bemerkt haben. Die zitierte Rechtsprechung kann sich allenfalls auf kleinere Vertragsverstöße, wie z.B. die dort streitgegenständliche falsche Abrechnung der privaten Pkw-Nutzung, beziehen, nicht aber auf so gravierende Verstöße wie im vorliegenden Fall die bewusste Ausstellung eines falschen Eigenbelegs über € 2.500,--. Anderenfalls wäre nämlich der besonders geschickt täuschende Vertragspartner gegenüber dem einfacher Vorgehenden stärker geschützt, weil seine Vertragsverstöße nicht so schnell bemerkt werden.

Es kommt deshalb nicht darauf an, ob auch die durch Unterlassen der gebotenen Aufklärung begangene Täuschung hinsichtlich der abrechenbaren Reisekosten für eine außerordentliche Kündigung ausgereicht hätte.

b) Beide Beklagte waren zur Kündigung berechtigt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich um ein einheitliches Rechtsverhältnis handelt. Der Senat ist mit dem OLG Köln (a.a.O.) der Auffassung, dass wegen der engen Verflechtungen bei Schwestergesellschaften - im vorliegenden Fall ist die Person des Geschäftsführers identisch - jedenfalls bei Vertrauensverstößen beide Gesellschaften zur Kündigung der Verträge berechtigt sind.

4.) Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Kündigung nicht rechtzeitig nach Kenntnis der Kündigungsgründe seitens der Beklagten erfolgt ist. Die Beklagten haben vorgetragen, sie hätten von der Täuschung über die Reisekosten erst im Verlaufe des Jahres 2004 und von derjenigen über den Eigenbeleg erst im Verlaufe des Prozesses erfahren. Dies hat die Klägerin nicht substantiiert bestritten, zumal die wahren Ausmaße hinsichtlich ihrer Reisekostenabrechnung tatsächlich erst im Verlaufe des Rechtsstreits deutlich geworden sind. Die Tatsache, dass die Beklagten den entscheidenden Kündigungsgrund betreffend den falschen Eigenbeleg erst ca. 9 Monate nach Beginn des Prozesses vorgetragen haben, spricht dafür, dass sie ihn vorher auch noch nicht gekannt hatten. Die Klägerin hat sich auf die Rüge der Einhaltung einer Kündigungsfrist auch nicht erstinstanzlich berufen, so dass der Einwand im Falle seiner Substantiierung ohnehin gemäß § 531 Abs.2 ZPO verspätet wäre.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 Abs.1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff.10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 5543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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