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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Bremen
Beschluss verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: 4 UF 60/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 278
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 236 Abs. 2
Wegen der Notwendigkeit, die gesetzlichen Fristen im Interesse der Rechtssicherheit und eines geordneten und zügigen Verfahrensablaufs einzuhalten, sind hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts insbesondere auch dann zu stellen, wenn sich der Rechtsanwalt zur Aufgabenerfüllung Dritter, also außerhalb seines Büros stehender Privatpersonen, bedient.
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen BESCHLUSS

Geschäftszeichen: 4 UF 60/06

In Sachen

hat der 4. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen als Senat für Familiensachen durch die Richter Wever, Schumann und Schilling auf die Beratung vom 13. November 2006 beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 25. September 2006 wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen

II. Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 27. Juni 2006 - 61 F 14/05 - wird als unzulässig verworfen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.120,60 € festgesetzt (11.120,60 € Zugewinnausgleich; 1.000 € Versorgungsausgleich).

Gründe:

Der Antragsteller wendet sich mit seiner - verspätet begründeten - Berufung gegen die im Rahmen eines Scheidungsverbundurteils ergangenen Entscheidungen über den Versorgungsausgleich und Zugewinn.

I.

Das Urteil des Familiengerichts vom 27. Juni 2006 ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, Rechtsanwalt K. , am 13. Juli 2006 zugestellt worden (vgl. Bl. 171 d. A.). Am 14. August 2006 (einem Montag) hat der Antragsteller Berufung eingelegt. Seine Berufungsbegründung ist am 14. September 2006 beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen (im Folgenden: Oberlandesgericht) eingegangen. Nachdem der Senatsvorsitzende den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 18. September 2006 auf die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen hatte, hat dieser mit Schriftsatz vom 25. September 2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dies - unter anwaltlicher Versicherung der Richtigkeit der seine Wahrnehmung betreffenden Angaben - im Wesentlichen wie folgt begründet (vgl. Bl. 55 ff. SA 6):

Er bediene sich seit ca. drei Jahren einer zuverlässigen externen Botin für den Postaustausch, soweit er diesen nicht selbst durchführe. Es handele sich dabei um eine persönliche Bekannte, Frau K. . Sie verfüge über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Ihre Tätigkeit erstrecke sich allein auf den Postaustausch mit Behörden und Gerichten beziehungsweise der Erledigung sonstiger Botengänge (Post, Banken etc.). Er habe sie mehrfach und intensiv über die Bedeutung von Fristen informiert. Frau K. habe sich im Rahmen der gelegentlichen Botentätigkeit für ihn in den letzten Jahren als sehr zuverlässig erwiesen. Zu keiner Zeit sei es zu von ihr verursachten Fehlern im Umgang mit Behörden oder Gerichten und insbesondere zu keinerlei Fristversäumnissen gekommen.

Am 13. September 2006 habe Frau K. erneut Botengänge für ihn wahrgenommen. "Ihr Weg sollte sie dabei vom Büro des Unterzeichners zur Sparkassenfiliale am Markt, zur Poststelle des AG Bremen, zum Fach des Unterzeichners in der Anwaltzentrale und zum Hanseatischen OLG Bremen führen" (vgl. Bl. 57 SA 6). Darüber hinaus sei Frau K. beauftragt gewesen, in der Bremer Innenstadt noch einige "erforderlich gewordenen Büromittel" für ihn zu besorgen. Da er eher wenig "OLG-Sachen" vertrete, sei dieser Vorgang von ihm zum Anlass genommen worden, Frau K. erneut über die Wichtigkeit von Fristen und deren Wahrung zu belehren; sie habe von ihm erneut den unmissverständlichen Auftrag erhalten, die Berufungsbegründung noch am 13. September 2006 beim Oberlandesgericht einzureichen. Genau dies sei aus "unerfindlichen Gründen" nicht geschehen. Er sei von der Verspätung erst durch das Oberlandesgericht informiert worden (vgl. Bl. 57 SA 6). Frau K. sei bisher nicht in der Lage gewesen, ihr Versäumnis schlüssig zu begründen.

In der vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zur Akte gereichten eidesstattlichen Versicherung von Frau K. vom 26. September 2006 heißt es unter anderem (vgl. Bl. 59 SA 6):

"Am 13. September 2005 (gemeint ist wohl 2006, d. Verf.) war ich erneut als Botin für RA K. tätig. Innerhalb der Bremer City hatte ich für ihn diverse Stellen aufzusuchen, auch das OLG Bremen. Ich erinnere mich daran, weil ich dort vorher nie war und mich noch darüber wunderte, dass sich dieses in unmittelbarer Nachbarschaft zum Büro von RA K. befinden sollte. Verglichen mit den übrigen Gerichten war dies eine eher ungewöhnliche Lage. (...) Am nächsten Tag stellte ich dann fest, dass sich der Schriftsatz immer noch in meiner Botentasche befand. Aus irgendeinem Grund, vielleicht weil ich vorher noch nie beim OLG war, hatte ich am 13.09.2006 dann wohl doch trotz Belehrung vergessen, den Schriftsatz dort abzugeben. (...) Deshalb steckte ich den Schriftsatz heimlich am 14.09.2006 dort ein und hoffte, dass alles gut werden würde. "

Auf die Aufforderung des Senatsvorsitzenden vom 28. September 2006 mitzuteilen, welche Schriftsätze in welchen Angelegenheiten Frau K. am 13. September 2006 bei welchen Gerichten abgegeben beziehungsweise welche Aufgaben sie dort erledigt hat, wann genau die Abgabe der Schriftsätze erfolgt ist, und Quittungen über die von Frau K. am 13. September 2006 gekauften Büromaterialien vorzulegen, hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers wie folgt erwidert (vgl. Bl. 69 SA 6): Quittungen lägen nicht vor. Seinerzeit habe es gegolten, "knapp gewordene Briefumschläge und Heftstreifen" zu besorgen. Da die Heftstreifen bei Karstadt 1 € pro 10 Stück gekostet hätten, sei von einem Kauf abgesehen worden. Diese habe er zwischenzeitlich bei der Hans Soldan GmbH erworben (ausweislich der vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zur Akte gereichten Rechnung datiert der entsprechende Auftrag vom 6. Oktober 2006, Bl. 73 SA 6). Welche Schriftsätze in welchen Angelegenheiten bei Gerichten abgegeben worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Außerhalb von Fristsachen bestehe in seinem Büro keine zentrale Ausgangskontrolle. Es werde allerdings grundsätzlich täglich ein Botendienst durchgeführt, der über die Sparkasse am Markt, zum Postamt an der Domsheide und insbesondere zum Amtsgericht Bremen führe, wo sein Fach in der Anwaltszentrale zu kontrollieren sei (vgl. Bl. 70 SA 6).

Die Antragsgegnerin ist dem Wiedereinsetzungsantrag entgegengetreten; sie hat beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen (vgl. Bl. 75 f. SA 6).

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß §§ 233, 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 236, 237 ZPO zulässig, aber unbegründet. Die Berufung war demnach gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsbegründung erst am 14. September 2006 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, der Antragsteller die Berufung somit entgegen § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht innerhalb der Frist von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils am 13. Juni 2006 begründet hat.

1. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 233 ff. ZPO liegen nicht vor. Aufgrund des Vortrages des Antragstellers vermag der Senat nicht festzustellen, dass jener ohne ein - ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes - Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Zum einen ist der Vortrag des Antragstellers nicht hinreichend glaubhaft gemacht (a). Aber auch wenn sich der Vorgang so ereignet hätte, wie vom Antragsteller behauptet, läge nach Auffassung des Senats eine schuldhafte Fristversäumnis vor (b).

a) Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Richtigkeit seiner Angaben anwaltlich versichert und eine eidesstattliche Versicherung seiner Bekannten, Frau K. , zur Akte gereicht. Jedoch ist er der gerichtlichen Aufforderung, seinen Vortrag darüber hinausgehend näher zu belegen, nicht hinreichend nachgekommen. Dieser Umstand lässt trotz der abgegebenen Versicherungen Zweifel an dem vorgetragenen Geschehensablauf aufkommen, die jedenfalls die für eine Wiedereinsetzung erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH, NJW 2001, 2336, 2337) ausschließen. Auch wenn die - für die Nichtbefolgung der gerichtlichen Auflage seitens des Antragstellers angeführten - Gründe teilweise nachvollziehbar erscheinen, überzeugt sein Vortrag nicht, soweit er den für den 13. September 2006, also am Tag des Fristablaufes, geplanten Erwerb "erforderlich" gewordener Büromittel anbelangt (vgl. Bl. 57 SA 6).

Der Antragsteller beruft sich darauf, der Erwerb der Heftstreifen bei Karstadt sei unterblieben, weil diese zu teuer gewesen seien. Abgesehen davon, dass dieser Umstand für seinen Prozessbevollmächtigten als Rechtsanwalt voraussehbar gewesen sein dürfte, verwundert es, dass dieser die Bestellung der Heftstreifen ausweislich der von ihm zur Akte gereichten Rechnung erst am 6. Oktober 2006 bei der Soldan GmbH veranlasst hat (vgl. Bl. 73 SA 6). Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers das Büromaterial erst über drei Wochen später bestellt haben soll, wenn es seinen Ausführungen zufolge bereits am 13. September 2006 erforderlich geworden ist.

Vor allem vermag der vorstehende Vortrag nicht zu erklären, warum es dem Antragsteller nicht möglich war, zumindest einen Beleg über den - ebenfalls für den 13. September 2006 beabsichtigten - Erwerb der "knapp gewordene(n) Briefumschläge" zur Akte zu reichen (vgl. Bl. 70 SA 6). Dass (beziehungsweise aus welchem Grund) Frau K. auch von dem Erwerb dieser Büromaterialien Abstand genommen hat, hat der Antragsteller nicht dargetan. b) Im Übrigen ist nach dem Vortrag des Antragstellers, unterstellt er träfe zu, von einem - ihm gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden - Verschulden seines Prozessbevollmächtigten auszugehen (ein Verschulden von Hilfspersonen des Prozessbevollmächtigten, hier also von Frau K. , kann der Partei nicht zugerechnet werden, da es im Prozessrecht an einer dem § 278 BGB entsprechenden Bestimmung fehlt - vgl. v. Pentz, NJW 2003, 858, 862 m. w. Nachw.). Unter Zugrundelegung des von ihm behaupteten Sachverhalts war der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers zumindest verpflichtet, sich der fristgerechten Einreichung der Berufungsbegründung zu vergewissern.

aa) Den Anwalt trifft die Pflicht zu einer Büroorganisation, die die Einhaltung der gesetzlichen Fristen gewährleistet und Fristversäumnisse nach Möglichkeit ausschließt. An die Erfüllung dieser Pflicht stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen (v. Pentz, NJW 2003, 858, 863 m. w. Nachw.). Inhalt und Umfang der dem Anwalt obliegenden Pflichten bestimmen sich in erster Linie nach der Art der zu erledigenden Aufgabe. Für Hilfstätigkeiten einfachster Art wie etwa Botengänge darf er sich weniger qualifizierten Personals bedienen (BGH, NJW-RR 1998, 1140; BVerwG, NJW 1992, 63, 64). Der Umfang der ihm insoweit obliegenden Überwachungspflicht ist davon abhängig, über welchen Ausbildungsstand die Auszubildenden verfügen (BGH, NJW 2002, 2180). Er darf auch Personen einsetzen, die nicht bei ihm angestellt sind; es genügt grundsätzlich, wenn sie ihm persönlich bekannt sind, hinreichend unterrichtet wurden und sich mehrfach in ähnlichen Fällen als zuverlässig erwiesen haben (vgl. BGH NJOZ 2002, 901, 903). Das Ausnutzen einer Frist bis zum letzten Tag erhöht die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts (BGH, FamRZ 2004, 1481; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 233 Rn. 21; Baumbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 233 Rn. 134; Müller, NJW 2000, 322, 333; 1995, 3224, 3232). Schließlich muss der Rechtsanwalt bei eilbedürftigen Schriftstücken für eine Trennung von anderer Post sorgen (Zöller/Greger, ZPO, 25. Auflage, § 233 Rn. 23 <Stichwort Büropersonal und -organisation>).

bb) Gemessen an diesen Anforderungen war der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers gehalten, sich der fristgerechten Abgabe der Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht vor Fristablauf zumindest durch Nachfrage bei seiner Bekannten zu vergewissern.

Zwar handelt es sich allein bei der Überbringung der Berufungsbegründung grundsätzlich um eine Hilfstätigkeit einfacher Art, deren Erledigung der Prozessbevollmächtigte einer nicht in seinem Büro beschäftigten Person übertragen darf. Wegen der Notwendigkeit, die gesetzlichen Fristen im Interesse der Rechtssicherheit und eines geordneten und zügigen Verfahrensablaufs einzuhalten, sind hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts jedoch nicht nur dann zu stellen, wenn es um die Überwachung seines Büropersonals geht. Entsprechende Maßstäbe sind vielmehr auch anzuwenden, wenn sich der Rechtsanwalt - wie hier - zur Aufgabenerfüllung Dritter, also außerhalb seines Büros stehender Privatpersonen, bedient. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass er sich mit der Beauftragung solcher Personen der ihm obliegenden Sorgfaltspflichtanforderungen entziehen könnte. Ein solches Ergebnis kann von der Rechtsordnung auch bei Beachtung des aus der Verfassung folgenden Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht gewollt sein, wonach der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl. auch v. Pentz, NJW 2003, 858). Bei der Frage, ob beziehungsweise in welchem Umfang der Prozessbevollmächtigte seine Hilfsperson bei der Ausführung der übertragenen Tätigkeit überwachen muss, sind deshalb immer die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

(1) Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat Frau K. am 13. September 2006 nicht nur mit der Abgabe der Berufungsbegründung, sondern mit einer Vielzahl von anderen Erledigungen betraut. Obgleich Frau K. zuvor noch nie beim Oberlandesgericht gewesen war, sie sich ausweislich ihrer eidesstattlichen Versicherung vielmehr noch darüber wunderte, dass sich das Oberlandesgericht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Büro des Prozessbevollmächtigten "befinden sollte", sollte sie dies ausweislich der im Wiedereinsetzungsantrag vom Prozessbevollmächtigten wiedergegebenen Weisung als letztes aufsuchen: ihr Weg sollte von seinem Büro zur Sparkassenfiliale am Markt, zur Poststelle des Amtsgerichts Bremen, zu seinem Fach in der Anwaltzentrale und zum Oberlandesgericht führen (hierbei sei angemerkt, dass das Oberlandesgericht in Bremen wegen seiner - für ein Oberlandesgericht untypischen - Eingliederung in ein in der Fußgängerzone befindliches Geschäftshaus auch bei Kenntnis der genauen Anschrift nicht einfach zu finden ist). Frau K. hatte zudem Büromaterial zu besorgen beziehungsweise ersichtlich die Entscheidung über dessen Erwerb zu treffen (je nach Preisgestaltung). Allein dieser Anhäufung von Aufgaben lässt sich entnehmen, dass Frau K. nicht nur mit einem Botengang betraut war, sondern eine Vielzahl von Angelegenheiten zu erledigen hatte. Der Antragsteller hat nicht dargetan, dass er ihr eine schriftliche Weisung beziehungsweise einen entsprechenden Auftragszettel ausgehändigt hat. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sich Frau K. , die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und nur "gelegentlich" Botengänge für den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ausführt, nicht nur die verschiedenen Anlaufstellen und die jeweiligen dort zu verrichtenden Tätigkeiten merken, sondern auch einprägen musste, welche Dinge sie zu welchem Preis zu besorgen hatte oder eben auch nicht. Außerdem musste sie sich die besondere Lage beziehungsweise Anschrift des Oberlandesgerichts vergegenwärtigen, das sie bis dahin nicht wahrgenommen hatte, obgleich sie beim Prozessbevollmächtigten, dessen Büro in unmittelbarer Nähe ist, aushalf.

Dass sich Frau K. vor der hier maßgeblichen Beauftragung mehrfach in ähnlichen Fällen als zuverlässig erwiesen hat, hat der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Dabei geht es nicht um die Frage, ob sie einzelne Botengänge zuverlässig absolviert hat. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, ob Frau K. früher bereits mit ähnlich vielschichtigen Aufgaben betraut war und diese auch zuverlässig erfüllt hat. Ebenso wenig hat der Antragsteller vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter Frau K. bei ihren früheren Tätigkeiten jemals überwacht beziehungsweise kontrolliert hat. Sein Vortrag beschränkt sich vielmehr auf die pauschale Mitteilung, sie habe sich in den letzten Jahren als zuverlässig erwiesen und es sei zu keiner Zeit zu Fehlern, insbesondere zu keinerlei Fristversäumnissen gekommen.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass es sich bei dem 13. September 2006 um den letzten Tag der Frist gehandelt hat. Zwar ist es den um Rechtsschutz Nachsuchenden unbenommen, eine Frist bis zum Ende auszunutzen. In diesem Fall erhöhen sich aber - wie oben bereits dargelegt - die an ihn zu stellende Anforderungen an die Sorgfaltspflicht. Denn etwaige Versäumnisse sind später grundsätzlich nicht mehr zu reparieren.

(2) Auch wenn der Prozessbevollmächtigte Frau K. mündlich angewiesen und sie ausdrücklich über die Bedeutung der einzuhaltenden Frist belehrt hat, hätte er bei dieser Sachlage sicherstellen müssen, dass sie die Berufungsbegründung noch vor Ablauf der am 13. September 2006 endenden Frist beim Oberlandesgericht abgegeben oder dort in die Briefkasten eingeworfen hat. Es hätte zum Beispiel nahe gelegen, die Postaustauschmappe noch am selben Tag, also am 13. September 2006, zurückzufordern, um so zum einen die eingegangene Post zu sichten und zum anderen sicherzustellen, dass sich darin kein (fristgebundener) Schriftsatz mehr befindet. Zumindest aber hätte der Prozessbevollmächtigte Frau K. noch am selben Tag befragen müssen, ob sie das Oberlandesgericht gefunden und die Berufungsbegründung dort abgegeben hat. Ob er neben dieser Kontrolle auch gehalten gewesen wäre, den die Berufungsbegründung enthaltenen Schriftsatz als fristgebundenen besonders zu kennzeichnen, um Frau K. ihre Aufgabe zu vereinfachen und insbesondere zu verhindern, dass sie die Abgabe vergisst, wofür einiges sprechen mag, kann dahin stehen. Denn jedenfalls hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die nach den Gesamtumständen des hier zu beurteilenden Falles gebotene nachträgliche, aber noch rechtzeitige Kontrolle unterlassen.

Dass eine solche Kontrolle angezeigt gewesen wäre, ergibt sich schließlich auch aus der eidesstattlichen Versicherung von Frau K. selbst. Danach hat sie "aus irgendeinem Grund, vielleicht weil ich vorher noch nie beim OLG war" vergessen, den Schriftsatz dort abzugeben. Woher sie die Hoffnung nahm, dass alles gut werden werde, als sie den "Schriftsatz heimlich am 14.09.2006" dort einsteckte (vgl. Bl. 59 SA 6), ist unerfindlich. Denn wenn Frau K. ordnungsgemäß belehrt worden wäre - wie dies vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und ihr selbst behauptet wird - hätte sie wissen müssen, dass es nicht mehr "gut werden" konnte.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 49 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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