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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 07.07.2005
Aktenzeichen: 14 U 23/05
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 1 Abs. 2
AGBG § 9 Abs. 1
BGB § 133
Für ein Aushandeln einer Sicherungsabrede (hier: Gewährleistungsbürgschaft) im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG genügt nicht die allgemein geäußerte Bereitschaft, Vertragsklauseln auf Anforderung des Vertragspartners zu ändern. Dafür ist vielmehr erforderlich, dass über die Möglichkeiten einer anderen Absicherung konkret gesprochen wurde (vgl. BGH, Urt. v. 14. April 2005, VII ZR 56/04).
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

14 U 23/05

Verkündet am 7. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 9. November 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 52.789,60 EUR.

Entscheidungsgründe:

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 180 f. d. A.).

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung. Dabei verfolgen sie den geltend gemachten Anspruch ausdrücklich im Urkundsprozess weiter. Sie sind der Ansicht, bei der streitbefangenen Klausel in § 5.2 des Generalunternehmervertrags vom 12. März 1997 (Bl. 37, 42 d. A.) handele es sich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Der Vertrag sei anlässlich einer Besprechung vom 11. März 1997 in allen wesentlichen Punkten ausgehandelt worden. Dabei hätten sämtliche vertragliche Regelungen - insbesondere hinsichtlich der Regelung über den Gewährleistungseinbehalt - zur Disposition der Vertragsparteien gestanden; der Auftragnehmerin seien Gestaltungsmöglichkeiten zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt worden. Zum Beweis dieses Vortrags beziehen sich die Kläger auf das Zeugnis des Geschäftsführers der Auftraggeberin, R. Darüber hinaus sind die Kläger der Meinung, dass selbst dann, wenn nach den Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen von einer unwirksamen Bürgschaft auf erstes Anfordern ausgegangen werden müsste, die damit zusammenhängende Sicherungsabrede zumindest als unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft (nicht auf erstes Anfordern) anzusehen sei. Ansonsten würde dem Vertragspartner durch den Wegfall der beanstandeten Regelung ein Vorteil belassen, der das Vertragsgefüge zu seinen Gunsten einseitig verschöbe. Außerdem hätte es im Willen der Vertragsparteien gelegen, den besonderen Sicherungsinteressen des Auftraggebers unbedingt Rechnung zu tragen. Auch das ließe sich durch eine Vernehmung des Zeugen R. nachweisen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten 52.789,60 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2003 zu zahlen;

2. der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat aber keinen Erfolg.

1. Zu Recht hält das Landgericht die Inanspruchnahme der Beklagten aus der übernommenen Gewährleistungsbürgschaft für rechtsmissbräuchlich, weil die Bestimmung in § 5.2 des Bauvertrags gemäß § 9 AGBG unwirksam ist, da sie die Auftragnehmerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Auf das vorliegende Schuldverhältnis ist, da es vor dem 1. Januar 2002 entstanden ist, noch das AGBG anzuwenden, Art. 229, § 5 EGBGB. Der die fragliche Klausel enthaltende Generalunternehmervertrag ist am 18. März 1997 geschlossen worden. Bei dem Vertragswerk handelt es sich auch um ein vorgedrucktes Klauselwerk. Das ergibt sich bereits aus seinem äußeren Bild. Er enthält formularartig einen vorgedruckten Text, in dem wiederholt Freiräume für die Eintragung von Daten gelassen wurden. Dass der Text handschriftliche Ergänzungen aufweist, ist für die streitbefangene Klausel Nr. 5.2 unbeachtlich, da diese gerade nicht angepasst worden ist (vgl. dazu auch die Ausführungen im angefochtenen Urteil, LGU 5, auf die Bezug genommen wird).

Soweit die Kläger demgegenüber vortragen, die einzelnen Vertragsbedingungen seien doch im Rahmen der Verhandlungen zur Disposition gestellt worden, ist dies unerheblich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 153, 311, 321) erfordert Aushandeln mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln kann danach nur gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen "gesetzesfremden Kerngehalt", also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Diese Bereitschaft schlägt sich in der Regel auch in erkennbaren Änderungen des formulierten Textes nieder. Demgegenüber ist der Umstand, dass die Parteien die Klauseln erörtert und sie gemeinsam gelesen haben, noch kein Aushandeln in diesem Sinne. Dazu hätten die Kläger vielmehr vortragen müssen, dass über Möglichkeiten, die Auftragnehmerin anderweitig abzusichern, gesprochen worden ist. Eine allgemein geäußerte Bereitschaft, Vertragsklauseln auf Anforderung des Vertragspartners zu ändern, erfüllt nicht die Voraussetzung eines Aushandelns der konkreten Klausel im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG (vgl. ausdrücklich noch BGH, Urteil vom 14. April 2005, VII ZR 56/04, Umdruck S. 5). Demnach kann auch nach dem Vortrag der Kläger nicht davon ausgegangen werden, dass die streitbefangene Klausel ausgehandelt worden ist.

Soweit sich die Kläger im Übrigen zum Beweis ihres Vortrags auf das Zeugnis des Geschäftsführers R. berufen, ist dies im Urkundenprozess unstatthaft. Da der Zeugenbeweis im Urkundenprozess ausgeschlossen ist, bestand für das Landgericht keine Veranlassung, diesem Beweisantritt nachzugehen. Für das Berufungsverfahren gilt nichts anderes.

2. Die Klausel kann auch nicht in der Weise aufrecht erhalten werden, dass die Auftragnehmerin berechtigt ist, den Sicherheitseinbehalt durch eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft abzulösen. Eine ergänzende Vertragsauslegung, nach der eine selbstschuldnerische Bürgschaft ohne das Merkmal auf erstes Anfordern geschuldet ist, kommt nur dann in Betracht, wenn geklärt werden kann, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 9. Dezember 2004, WM 2005, 268, 270) darauf hingewiesen, dass anzunehmen ist, der Auftraggeber sei mit einer selbstschuldnerischen Bürgschaft ohne das Merkmal auf erstes Anfordern nicht einverstanden, wenn er die Klausel mit dem Merkmal auf erstes Anfordern im Rechtsverkehr verwendet, obwohl ihm bekannt ist oder jedenfalls nach dem Bekanntwerden des in diesem Punkt grundlegenden Urteils des Bundesgerichtshofs vom 5. Juni 1997 (BGHZ 136, 27) hätte bekannt sein können, dass die Klausel unwirksam ist.

Auf dieser Grundlage kommt also eine ergänzende Vertragsauslegung von Verträgen, die unter der Verwendung der umstrittenen Klausel nach dem Bekanntwerden der BGH-Entscheidung vom 5. Juni 1997 geschlossen wurden, nicht in Betracht. Der vorliegende Vertrag ist allerdings am 12. März 1997 und damit noch vor dieser Entscheidung geschlossen worden. Der Bundesgerichtshof hat aber in dem erwähnten Urteil vom 9. Dezember 2004 (WM 2005, 270) auch für Verträge, die vor dem Bekanntwerden des Urteils vom 5. Juni 1997 geschlossen wurden, eine ergänzende Vertragsauslegung in dem hier gewünschten Sinn ausgeschlossen. Die Grundsätze zur ergänzenden Vertragsauslegung einer Klausel, mit der eine - in jenem Fall - Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart worden sei, seien nicht ohne weiteres auf eine andere Klausel, mit der ein Bareinbehalt zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen vereinbart wird, der durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden könne, anwendbar. Es sei zwar nicht zu verkennen, dass in beiden Klauseln der Wille der Parteien manifestiert werde, dem Auftraggeber eine Sicherung zu verschaffen und dieser Wille auch in beiden Fällen dahin gehen möge, dies auch für den Fall zu tun, dass die verwendete Klausel unwirksam sei. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheitere jedoch dann, wenn nicht sicher feststellbar sei, wie die Parteien diesen Willen realisiert hätten.

Entsprechend verhält es sich hier. Es ist nicht feststellbar, ob die Parteien des Generalunternehmervertrags vom 12. März 1997 auch einen auf die Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft ohne das Merkmal auf erstes Anfordern gerichteten Vertragsbindungswillen gehabt hätten. Im Hinblick auf die verschiedenen Sicherungsmöglichkeiten eines Auftragsgebers, wie sie insbesondere durch § 17 VOB/B vorgegeben sind und in der Praxis verwendet werden, sieht sich der Senat nicht in der Lage, mit der erforderlichen Sicherheit eine ergänzende Vertragsauslegung für die Gewährleistungsabrede vorzunehmen. Eine weitere Klärung der dem Vertragsabschluss zugrundeliegenden Willensbildung scheitert zudem daran, dass dazu auch der Zeuge R. vernommen werden müsste, was jedoch - wie erwähnt - im Urkundsprozess nicht möglich ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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