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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 06.06.2001
Aktenzeichen: 20 U 9/01
Rechtsgebiete: GenG


Vorschriften:

GenG § 43 Abs. 5
GenG § 67 a Abs. 1
Für den durch einen Vertreter in der Generalversammlung einer Genossenschaft erklärten Widerspruch (§ 67 a Abs. 1 Nr. 1 GenG) gilt das Verbot der Mehrfachvertretung des § 43 Abs. 5 GenG nicht.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

20 U 9/01 25 O 3713/99 LG Hannover

Verkündet am 6. Juni 2001

####### Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2001 durch die Richter am Oberlandesgericht #######und #######

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 19. Oktober 2000 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer - 5. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert und Beschwer: bis 12.000 DM.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg; das Landgericht hat zutreffend unter Abweisung der Widerklage die Hauptsache für erledigt erklärt.

1. Die Klägerin hat wirksam ihre Mitgliedschaft zum 31. Dezember 1998 gekündigt.

§ 67 a Abs. 1 GenG bestimmt u. a., dass dann, wenn eine Änderung des Status beschlossen wird, die einen der in § 16 Abs. 2 Nr. 2 bis 5, Abs. 3 aufgeführten Gegenstände betrifft, jeder in der Generalversammlung erschienene Genosse, wenn er gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, seine Mitgliedschaft kündigen kann, wobei nach Absatz 2 die Kündigung durch schriftliche Erklärung innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung zum Schluss des Geschäftsjahres zu erklären ist.

a) Vorliegend hat die Generalversammlung am 24. Juni 1998 eine Änderung des Status zu § 16 Abs. 2 Nr. 2 GenG (Erhöhung des Geschäftsanteils) beschlossen. Ob diese Entscheidung - worüber die Parteien streiten - anfechtbar oder auch nichtig gewesen ist, spielt für das außerordentliche Kündigungsrecht keine Rolle; es reicht aus, dass eine Satzungsänderung beschlossen wird, die den Genossen aus seiner Sicht belasten kann. Dieser ist nicht darauf verwiesen, den Versuch zu unternehmen, die Entscheidung im Wege der Klage zu beseitigen; ihm steht vielmehr das außerordentliche Kündigungsrecht unabhängig von der juristischen Einstufung (anfechtbar; nichtig; wirksam) des Beschlusses zu (vgl. nur OLG Düsseldorf DB 1992, 33; s. a. Meyer/Meulenbergh/Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 12. Aufl., § 67 a, Rdnr. 3; Müller, Kommentar zum Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, § 67 a, Rdnr. 2 a, der lediglich eine Ausnahme dann macht, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung bereits 'eindeutig' feststeht, dass die Satzungsänderung unwirksam ist).

Abgesehen davon kann eine Anfechtung nur binnen eines Monats nach dem Beschluss erfolgen (§ 51 GenG), war mithin nach Ablauf dieser Frist überhaupt nicht mehr möglich. Nichtig kann ein Beschluss nur sein, wenn der Mangel offenkundig ist und zu einem rechtlich und sittlich untragbaren Zustand führen würde (vgl. Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, Genossenschaftsgesetz, 33. Aufl., § 51, Rdnr. 14, m. w. N.). Hiervon kann ersichtlich nicht gesprochen werden.

b) Der Klägerin stand ein Kündigungsrecht zu, da sie wirksam gegen den Beschluss 'Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat'.

aa) Der Widerspruch ist, auch wenn es im Protokoll der Generalversammlung ####### heißt, für die Klägerin und nicht, wie es nunmehr mit der Berufung unter Hinweis auf den angeblich anderen Empfängerhorizont der Genossenschaft vorgetragen wird, für den Mitgeschäftsführer der Klägerin persönlich eingelegt worden. Dies war vorprozessual wie in erster Instanz (vgl. nur den Vortrag der Beklagtenseite im Schriftsatz vom 28. Januar 2000, insbesondere Bl. 24 u/26) völlig unstreitig. Dass ####### jeweils für die Firmen (GmbH's) ####### auftreten wollte - alles andere wäre auch unverständlich, da nur die Firmen Mitglieder der Genossenschaft waren - ist eindeutig. Die streitgegenständliche Vollmacht ist auf einem Briefbogen der Klägerin erstellt worden. Es handelt sich insoweit nicht um eine persönliche Vollmacht des Mitgeschäftsführers der Klägerin (auch nicht als Inhaber der anders lautenden Einzelfirma Sanitätsfachgeschäft #######); dafür streitet schon die Tatsache, dass es sich um ein unternehmensbezogenes Geschäft gehandelt hat. Nur die Klägerin war damals noch Mitglied der Genossenschaft; der gegenteilige Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz ist angesichts des erstinstanzlichen Verfahrensablaufs und der vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehbar.

Denn in erster Instanz ist zunächst Widerklage auf Einzahlung der erhöhten Geschäftsanteile auch gegen den Mitgeschäftsführer der Klägerin ####### persönlich erhoben worden mit der Begründung, dieser habe vormals nicht alle, sondern nur einen Teil seiner Geschäftsanteile auf die Klägerin übertragen, sei mithin neben der Klägerin weiterhin Genosse. Dem ist die Klägerin mit Schriftsätzen vom 22. Februar und 16. März 2000 entgegengetreten und hat im Einzelnen dargelegt, dass mit der nach der Satzung erforderlichen Zustimmung der Genossenschaft sämtliche Geschäftsanteile auf sie übertragen worden seien. Dieser Tatbestand ergibt sich im Übrigen auch aus den Unterlagen Bl. 14 bis 17 des Anlagenkonvoluts B-Hefter i. V. m. § 37 der Satzung der Genossenschaft. Dementsprechend hat die Beklagtenseite diesen Tatbestand mit Schriftsatz vom 24. März 2000 als richtig akzeptiert und die Widerklage insoweit zurückgenommen. Angesichts dessen ist es unverständlich, wenn nunmehr - ohne nähere Auseinandersetzung mit den vorliegenden Unterlagen und dem erstinstanzlichen Verfahrensablauf - pauschal behauptet wird, nicht nur die Klägerin, sondern auch ihr Mitgeschäftsführer seien Mitglieder der Genossenschaft. Die Argumentation des Beklagten, ####### sei damals noch Mitglied des Vorstandes der Genossenschaft gewesen, was quasi beweise, dass er persönlich noch Mitglied der Genossenschaft gewesen sei, da nach § 18 Abs. 1 der Satzung nebenamtliche Vorstandsmitglieder nur 'aktiv tätige Mitglieder' sein dürften, ist ein typischer Zirkelschluss. Im Übrigen war ############## bis Januar 1997 persönlich Mitglied der Beklagten; die Frage wäre daher nur, ob mit seinem persönlichen Ausscheiden und seiner 'Nur-noch-Funktion' als Mitgeschäftsführer einer Genossin (Klägerin) er aus dem Vorstand hätte ausscheiden müssen; was die Satzung aber noch nicht einmal vorsieht.

Soweit im Protokoll wie in dem zeitgleich am 24. Juni 1998 vorgelegten Schreiben der ####### von den Herren ####### bzw. den Firmen ####### (ohne GmbH-Zusatz) die Rede ist, war vom Empfängerhorizont der Genossenschaft klar, dass es sich um die Sanitätshaus ####### , die Sanitätshaus ####### bzw. die ############## GmbH handelte.

bb) Die Vertretung der Klägerin durch Herrn #######war wirksam.

Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Auffassung des Landgerichts, es liege keine unzulässige Mehrfach-(Dreifach)Vertretung vor, weil die per Telefax erteilte Vollmacht der Fa. ####### ####### nicht dem Schriftformerfordernis der §§ 43 Abs. 5 Satz 3 GenG, 126 BGB entspreche, zutreffend ist, was angesichts der Entscheidung des Gemeinsamen Senates der Obersten Bundesgerichte vom 4. Mai 2000 (BGHZ 144, 160) - mit der die Formvorschriften für die Übermittlung sog. bestimmender Schriftsätze bei Verwendung moderner Techniken (konkret: elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts) aufgelockert worden sind - zweifelhaft erscheinen könnte.

Entscheidend ist vielmehr Folgendes:

Das Verbot des § 43 Abs. 5 Satz 3 GenG bezieht sich auf die Erteilung einer Stimmvollmacht für die Generalversammlung; die Norm soll Missbräuche verhindern, die durch die Zusammenfassung von Vertretungsvollmachten zwecks Durchsetzung bestimmter Vorhaben durch die Verwaltung oder einzelne Gruppierungen innerhalb der Genossenschaft entstehen können (vgl. nur Meyer/ Meulenbergh/Beuthien, a. a. O., § 43, Rdnr. 23; Bauer, Genossenschaftshandbuch, Band 2, § 43, Rdnr. 25). Diese Bestimmung ist für die Ausübung des Widerspruchsrechts, durch das dem einzelnen Genossen die Möglichkeit eingeräumt bzw. erhalten wird, aus der Genossenschaft durch außerordentliche Kündigung auszutreten, wenn gegen seinen Willen grundlegende Statusänderungen vorgenommen worden sind, nicht anwendbar. Es geht nicht um Abstimmungen 'in den Angelegenheiten der Genossenschaft' (§ 43 Abs. 1 GenG), sondern um ein individuelles Mitgliedschaftsrecht. Da § 43 Abs. 5 Satz 3 GenG eine Beschränkung der sonst unbeschränkt zulässigen Vertretung darstellt, ist die Vorschrift sowieso als Ausnahmetatbestand nicht extensiv auszulegen. Im Übrigen erhält der Widerspruch nur die Option, das Gestaltungsrecht (Kündigung) auszuüben.

Abgesehen davon folgt aus einem Verstoß gegen § 43 Abs. 5 Satz 3 GenG nicht etwa, dass sämtliche Erklärungen unwirksam sind. Soweit der Vertreter auf Grund rechtsgeschäftlicher Vollmacht in einer Abstimmung mehr als zwei Genossen vertritt, sind die beiden ersten Stimmabgaben wirksam; ihre Wirksamkeit wird durch die weiteren Stimmabgaben nicht mehr berührt. Lediglich letztere sind unwirksam. Anders ist nur dann zu entscheiden, wenn eine zeitliche Trennung nicht möglich ist, alle Stimmen etwa gleichzeitig abgegeben werden; dann sind alle ungültig (vgl. nur Müller, a. a. O., § 43, Rdnr. 53; in diesem Sinne auch die Kommentierung bei Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, a. a. O., § 43, Rdnr. 125). Insoweit ließe sich - was aber letztlich, da § 43 Abs. 5 Satz 3 GenG nach Auffassung des Senats nicht einschlägig ist, dahinstehen kann - im vorliegenden Fall durchaus die Auffassung vertreten, dass - da ausweislich des Protokolls die Widersprüche nacheinander zur Niederschrift erklärt worden (gelangt) sind - jedenfalls der erste Widerspruch zu Gunsten der Klägerin wirksam war.

c) Die anschließende Kündigung ist innerhalb der Monatsfrist erfolgt. Die Kündigung ist namens der Klägerin erklärt worden; die gegenteilige Auffassung des Beklagten (Kündigung durch ####### persönlich) ist aus den bereits oben angesprochenen Gründen für den Senat nicht nachvollziehbar.

2. War die Kündigung aber zum 31. Dezember 1998 wirksam, kann der Beklagte von der Klägerin als ausgeschiedenem Mitglied keine Zahlung des erhöhten Geschäftsanteiles verlangen. Denn das Sonderkündigungsrecht soll gerade davor bewahren, dass der einzelne Genosse grundlegende Änderungen gegen seinen Willen unter Verbleib in der Genossenschaft hinnehmen muss.

Auf Grund der wirksamen Kündigung stand der Klägerin ihrerseits gegen die Genossenschaft ein Anspruch auf Auseinandersetzung nach § 73 GenG zu. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 GenG erfolgt die Auseinandersetzung auf Grund der Bilanz, wobei das Geschäftsguthaben des Genossen binnen 6 Monaten nach dessen Ausscheiden auszuzahlen ist.

Insoweit war die Klägerin berechtigt, von dem Beklagten Vorlage einer Bilanz zum Zwecke der Berechnung eines etwaigen Auszahlungsguthabens zu verlangen. Aus § 259 BGB (i. V. m. § 73 GenG) folgt ein Anspruch darauf, dass die Bilanz so rechtzeitig festgestellt und vorgelegt wird, dass der Anspruch auf Auseinandersetzung im Zeitpunkt der Fälligkeit erfüllt werden kann (vgl. nur Müller, a. a. O., § 73, Rdnr. 9; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, a. a. O., § 73, Rdnr. 6). Der Umstand, dass die Generalversammlung, die über den Jahresabschluss (Bilanz) zu beschließen hat, von der ORESA eG - entgegen § 48 Abs. 1 Satz 3 GenG bzw. entgegen § 27 Abs. 1 der Satzung - nicht innerhalb der ersten 6 Monate des Geschäftsjahres, sondern erst zum Oktober 1999 einberufen wurde, fällt in die Verantwortungssphäre der ####### bzw. des Beklagten. Da gegenüber der Klägerin nicht innerhalb von 6 Monaten Abrechnung erteilt, vielmehr die Wirksamkeit der Kündigung bestritten wurde, war diese berechtigt, im Wege der Stufenklage vorzugehen (zur Stufenklage vgl. auch die o. a. Literaturnachweise). Der Umstand, dass sich nach erteilter Auskunft kein Zahlungsanspruch mehr ergibt, führt nicht dazu, dass der Zahlungsanspruch als unbegründet abzuweisen ist; vielmehr ist dann durch das nachträgliche Ereignis (Auskunft) auch der im Wege der Stufenklage angekündigte, noch nicht bezifferte Zahlungsantrag 'erledigt'. Die Kosten trägt auch insoweit der Beklagte, da er (bzw. die #######) durch ihr Verhalten Veranlassung zur Stufenklage gegeben haben und es zu dieser (sowohl bzgl. der 1. als auch der 2. Stufe) bei rechtzeitiger Auskunft nicht gekommen wäre (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 1454; OLG München, OLGR 1998, 260; Zöller-Vollkommer, 22. Aufl., § 91 a, Rdnr. 58, Stichwort 'Stufenklage'; i. E. wie hier, aber mit abweichender Begründung <materieller Kostenerstattungsanspruch> BGH MDR 1994, 717; anders OLG Hamm NJW-RR 1995, 959 <siehe dazu aber jetzt auch § 93 d ZPO n. F.>)

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 546 Abs. 2, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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