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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 12.10.2001
Aktenzeichen: 3 Ws 397/01
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 44 Satz 1 |
Oberlandesgericht Celle Beschluss
3 Ws 397/01 36c 98/01 LG ####### 691 Js 23468/01 StA #######
In der
Strafsache
wegen gefährlicher Körperverletzung
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 6. Strafkammer des Landgerichts ####### vom 06.09.2001 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### am 12.10.2001 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu tragen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 11.06.2001 wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 100 DM verurteilt. Das Landgericht hat am 16.08.2001 die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil nach § 329 Abs.1 S.1 StPO verworfen. Mit Beschluss vom 06.09.2001 hat es den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsverhandlung als unzulässig verworfen.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II.
Die zulässig erhobene sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis mit Recht abgelehnt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist zwar form- und fristgerecht gestellt worden, so dass das Landgericht ihn nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen, doch ist die Verwerfung im Ergebnis zutreffend erfolgt, weil keine Gründe vorliegen, aufgrund derer dem Angeklagten Wiedereinsetzung in der vorigen Stand zu gewähren wäre.
Der Angeklagte hat zu seiner Entschuldigung vorgebracht und glaubhaft gemacht, dass er von der Ladung zur Berufungshauptverhandlung keine Kenntnis erhielt, weil er sich vom 29.06. bis zum 20.08.2001 in der Türkei befand.
Die Unkenntnis von der am 23.07.2001 erfolgten Niederlegung der Ladung bei dem zuständigen Postamt hat der Angeklagte jedoch selbst verschuldet.
Zwar dürfen bei der Anwendung und Auslegung der die Wiedereinsetzung betreffenden Vorschriften die Anforderungen zur Erlangung der Wiedereinsetzung nicht überspannt werden, und der Zugang zum Gericht darf nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass derjenige, der eine ständige Wohnung hat und diese nur vorübergehend nicht benutzt, für die Zeit seiner Abwesenheit keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen zu treffen hat (vgl. BVerfG NJW 1993, 847 betreffend eine einwöchige Ortsabwesenheit). Das gilt allerdings nicht, wenn ihm ein Verschulden aufgrund einer erhöhten Sorgfaltspflicht, die sich aus seinen prozessualen Mitwirkungspflichten als Angeklagter ergibt, zur Last gelegt werden kann; denn Art. 19 Abs.4 und Art. 103 Abs.1 GG schützt nicht denjenigen, der der Wahrnehmung seiner Rechte mit vermeidbarer Gleichgültigkeit gegenübersteht ( BVerfG NJW 1976, 1021 (1022); BVerfG NJW 1993, 847). So liegt es hier. Der Angeklagte hat sich nicht zureichend um die Verfolgung seiner Interessen gekümmert, obwohl er nach der Lage des Falles dazu Anlass hatte und hierzu auch in der Lage war. Gegen den Angeklagten war bereits ein Strafverfahren anhängig, das aufgrund einer Hauptverhandlung zu seiner Verurteilung geführt hatte, gegen die er Berufung eingelegt hatte. Danach musste der Angeklagte jederzeit mit der Ladung zur Berufungshauptverhandlung rechnen. Sofern er als gebürtiger türkischer Staatsangehöriger mit dieser gerichtlichen Praxis nicht ausreichend vertraut gewesen sein sollte, hätte er sich hierüber vor Antritt seiner ca. 7 1/2 wöchigen Urlaubsreise in die Türkei problemlos bei Gericht oder seinem Verteidiger informieren können und müssen.
Zwar ist es einem Berufungsführer nicht verwehrt, sich nach Einlegung der Berufung und vor Kenntnis von dem Hauptverhandlungstermin zu entschließen, eine private Urlaubsreise ins Ausland anzutreten. Er verletzt aber in der Regel seine Sorgfaltspflicht, wenn er nicht durch vorsorgliche Maßnahmen sicherstellt, dass ihn in dieser Sache zugestellte Schriftstücke auch während seiner Urlaubszeit erreichen (KG VRS 87, 129 (131) mit weiteren Nachw.; KK-Maul, StPO, 4. Aufl. § 44 Rn. 21; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 44 Rn. 14).
Seine Sorgfaltspflicht kann der Angeklagte insbesondere dadurch erfüllen, dass er dem Gericht oder wenigstens seinem Verteidiger rechtzeitig vorher den Grund und die Dauer der Abwesenheit mitteilt, damit das Gericht bei der Anberaumung eines Berufungstermins hierauf Rücksicht nehmen kann. Diese geringe Mühe war dem Angeklagten zuzumuten. Hätte er dies getan, wäre die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vermeidbar gewesen. Der Angeklagte hat jedoch nichts getan, um seine Rechte wahrzunehmen. Nicht einmal seinen Verteidiger hat er von der geplanten Urlaubsreise unterrichtet. Hierzu wäre er angesichts der Tatsache, dass er eine mit 7 1/2 Wochen im westeuropäischen Raum ungewöhnlich lange Urlaubsreise ins Ausland unternahm, besonders gehalten gewesen. Das Gericht konnte in der Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung nicht mit einer derartig langen urlaubsbedingten Abwesenheit des Angeklagten rechnen, zumal es die Zustellung der Terminsladung frühzeitig veranlasst hat. Die Ladung zur Berufungsverhandlung ist dem Angeklagten bereits 3 1/2 Wochen vor dem Termin zugestellt worden, so dass die Berufungsverhandlung selbst dann problemlos hätte durchgeführt werden können, wenn der Angeklagte einen zwei- oder dreiwöchigen Auslandsurlaub unternommen hätte, ohne hiervon zuvor Mitteilung zu machen.
Das Ausbleiben des Angeklagten im Termin am 16.08.2001 ist auch nicht etwa deshalb entschuldigt, weil er sich zu dieser Zeit noch in seinem Jahresurlaub in der Türkei befunden hat, so dass eine Anreise von dort wegen der beträchtlichen Entfernung und der erheblichen Reisekosten für ihn unzumutbar gewesen wäre. Der Angeklagte, der in Deutschland wohnt und arbeitet und der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist -unabhängig von dem Gerichtstermin am 16.08.2001- vier Tage später, am 20.08.2001 ohnehin aus dem Urlaub nach Deutschland zurückgekehrt, so dass die Reise selbst und die damit verbundenen Reisekosten für den Angeklagten keine besondere Härte bedeuten, da sie insofern auf jeden Fall -wenn auch vier Tage später- angefallen wären.
Angesichts des erheblichen Tatvorwurfs und der gegen ihn in 1. Instanz deswegen verhängten beträchtlichen Geldstrafe, war es dem Angeklagten durchaus zumutbar, seinen ca. 7 1/2 -wöchigen Urlaub vier Tage vorher als geplant zu beenden und nach Deutschland zurückzukehren. Eine derartig geringfügige Abkürzung eines Auslandsurlaubs um weniger als 10% stellt keine besondere Härte dar, zumal weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass dem Angeklagten eine derartige Abkürzung aus anderen Gründen nicht möglich gewesen wäre.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO. Die notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Beschwerdeverfahren hat der Angeklagte analog § 472 StPO zu tragen.
Ende der Entscheidung
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