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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: 5 W 13/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO §§ 114 ff | |
ZPO §§ 485 ff |
5 W 13/04
Beschluss
In der Beschwerdesache
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 20. April 2004 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 23. Januar 2004 geändert:
Den Antragstellern wird für das selbständige Beweisverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt #######in #######bewilligt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die Antragsteller sind je zur ideellen Hälfte Miteigentümer des Hausgrundstücks #######. Der Antragsgegner erstellte im Februar/ März 1998 für das Haus der Antragsteller das Kellergeschoss. Im Juni/ Juli 2002 kam es von außen zu erheblichen Durchfeuchtungen der Kellerwände.
Die Antragsteller begehren die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens, durch das die Ursache des Mangels sowie der Mängelbeseitigungsaufwand geklärt werden soll. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Hildesheim den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass etwaige Mängelgewährleistungsansprüche der Antragsteller gegen den Antragsgegner verjährt seien. Dagegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer sofortigen Beschwerde.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Den Antragstellern kann Prozesskostenhilfe nicht mit der Erwägung versagt werden, dass ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht bestehe, weil ein etwaiger Anspruch gegen den Antragsgegner in einem Streitverfahren wegen der von dem Antragsgegner erhobenen Verjährungseinrede nicht durchzusetzen sei. Denn im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens kommt es auf die Erfolgsaussichten eines etwaigen Hauptprozesses nicht an. Für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das selbstständige Beweisverfahren kann nichts anderes gelten. Daher kommt es für die Bewilligung nur darauf an, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein selbstständiges Beweisverfahren vorliegen. Das ist hier der Fall.
Nach § 485 Abs. 2 ZPO können die Antragsteller die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran haben, dass der Zustand des von dem Antragsgegner hergestellten Kellers, die Ursachen für Mängel und der Aufwand für die Beseitigung der Mängel festgestellt werden soll. Ein rechtliches Interesse ist nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist dabei weit auszulegen (vgl. OLG Celle BauR 1992, 405, 406). Kommen materiellrechtliche Ansprüche der Antragsteller wie hier Gewährleistungsansprüche in Betracht, ist das Feststellungsinteresse auch dann zu bejahen, wenn der Antragsgegner vorprozessual schon jede Vergleichsbereitschaft hat vermissen lassen und sich auf Verjährung beruft. Ob die Gewährleistungsansprüche der Antragsteller verjährt und damit möglicherweise nicht mehr durchsetzbar sind, kann im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens dahinstehen, denn das rechtliche Interesse des § 485 Abs. 2 ZPO setzt nicht voraus, dass das Beweisthema in einem späteren Prozess erheblich sein muss. Die Erfolgsaussichten eines späteren Hauptprozesses sind nicht zu prüfen. Bereits aus § 487 ZPO ergibt sich, dass der Antrag auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens lediglich die Angabe des Gegners, die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, die Benennung der Beweismittel und die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen, enthalten muss. Die Prüfung der Erfolgsaussicht des Hauptprozesses macht demgegenüber die dezidierte Darlegung des Streitverhältnisses erforderlich. Dieses zu klären, wozu auch die Prüfung der materiellrechtlichen Wirkungen der Verjährungseinrede gehört, ist grundsätzlich Aufgabe des Hauptsacheverfahrens selbst (OLG Düsseldorf, MDR 2001, 50).
Ein rechtliches Interesse kann daher nur zu verneinen sein, wenn es an jeglichem rechtlichen Bezug zum Antragsgegner fehlte. Das wäre der Fall, wenn die nachgesuchte Beweiserhebung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt einem Rechtsstreit zugeordnet werden kann (vgl. KG BauR 1992, 303, 304; OLG Celle BauR 2000, 601; ZöllerHerget, ZPO, 22. Aufl., § 485 Rn. 7 a m. w. N.).
Würde man für das Beweisverfahren eine rechtliche Begründung der verfolgten Ansprüche und die Klärung der Frage der Verjährung verlangen - hier kommt durchaus eine dreißigjährige Verjährung wegen arglistigen Verschweigens des Mangels in Betracht, was aber eingehender Prüfung bedarf , liefe dies durch eine Überfrachtung des auf schnelle Ergebnisse zielenden Verfahrens mit Rechts und Tatsachenfragen dessen Zweck gerade zuwider. Jede andere Betrachtungsweise würde auch der Zielvorstellung des Gesetzgebers bei Einführung des selbstständigen Beweisverfahrens widersprechen, die Gerichte von vermeidbaren Prozessen zu entlasten und eine Beschleunigung und Erleichterung der Prozesse für den Sachverständigenbeweis im Fall des § 485 Abs. 2 ZPO zu erreichen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Februar 2003, in OLGR 2003, 241).
Die Begutachtung kann vorliegend auch der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen. Es besteht die Möglichkeit, dass die Antragsteller bei negativem Ausgang des Beweisverfahrens von einem Rechtsstreit absehen.
Stehen aber aufgrund der Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen die Mängel fest und hat er sich zu der Art und Weise der Beseitigung und dem dazu erforderlichen Beseitigungsaufwand geäußert, ist es nicht nur denkbar, sondern auch sinnvoll, dass sich die Parteien gütlich einigen, auch wenn sie jetzt noch unverrückbar an ihrem Rechtsstandpunkten festhalten. Ein Hauptsacheprozess ließe sich, wie es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, auf diese Weise vermeiden.
Anzeichen dafür, dass die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens mutwillig sein könnte, ergeben sich aus dem Akteninhalt nicht.
Da die Antragsteller nach ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen auch arm im Sinne des Gesetzes sind, ist ihnen für das selbstständige Beweisverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Für die Entscheidung fallen Gerichtsgebühren nicht an. Im Übrigen gilt für die Kostenentscheidung § 127 Abs. 4 ZPO.
Ende der Entscheidung
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