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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 28.10.1999
Aktenzeichen: 1 Ss 421/99
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 56 Abs. 3 |
Bei der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 3 StGB darf die Sozialprognose nicht unerörtert bleiben.
0berlandesgericht
Dresden
1. Strafsenat
Aktenzeichen: 1 Ss 421/99 5 Ns 951 Js 19175/98 LG Görlitz
Beschluss
vom 28. Oktober 1999
in der Strafsache
gegen
J S,
geboren am, wohnhaft
Verteidiger: 1. Rechtsanwalt
2. Rechtsanwalt
wegen Einschleusens von Ausländern
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 8. April 1999 insoweit aufgehoben, als das Landgericht Strafaussetzung zur Bewährung versagt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat als Berufungsgericht den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Außerdem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Der Angeklagte hat durch seinen Verteidiger in zulässiger Weise auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision eingelegt und begründet, diese aber darauf beschränkt, dass das Tatgericht dem Angeklagten die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe versagt hat.
II.
Im Umfang der Anfechtung hat das Rechtsmittel Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Dresden hat in ihrer Antragsschrift vom 09.09.1999 ausgeführt:
"Zu Recht rügt die Revision, dass die Gründe des angefochtenen Urteils nicht erkennen lassen, ob sich die Kammer mit der Frage der Sozialprognose des Angeklagten i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB auseinandergesetzt hat.
Die Kammer hat die Entscheidung der Versagung der Strafaussetzung ausschließlich darauf gestützt, dass gemäß § 56 Abs. 3 StGB die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebiete. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB hat die Kammer entgegen (dagegen) nicht geprüft. Bei der Beurteilung, ob der Bewährungsausschließungsgrund des § 56 Abs. 3 StGB gegeben ist, darf aber die Sozialprognose nicht offen gelassen werden, da die Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gerade gegenüber diesem Täter gebietet, sinnvollerweise erst nach Abwägung aller Umstände und sorgfältiger Würdigung von Tat und Täter beantwortet werden kann (vgl. BayObLG NStZ RR 1998, 299; BayObLG WiStra 1998, 193).
Auch innerhalb der Ausführungen zum Versagungsgrund des § 56 Abs. 3 StGB lassen die Urteilsgründe besorgen, dass die Kammer die erforderliche Abwägung aller Umstände, insbesondere die Würdigung der Täterpersönlichkeit unterlassen hat.
Das Urteil beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn sie Feststellungen zur Sozialprognose des Angeklagten getroffen und diese in die Prüfung des Versagungsgrundes des § 56 Abs. 3 StGB einbezogen hätte."
III.
Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an mit folgender Ergänzung:
1. Auch die Beurteilung, ob die vom konkreten Sachverhalt des vorliegenden Falles zutreffend unterrichtete Bevölkerung für eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe Verständnis haben oder ob ihre Rechtstreue darunter leiden würde, ist ohne Rechtsfehler nur dann möglich, wenn die dem Täter im Hinblick auf § 56 Abs. 1 StGB zu stellende Prognose in die Würdigung einbezogen worden ist. Dass dies hier in ausreichendem Maße geschehen sei und das Gericht berücksichtigt habe, es sei vom Angeklagten in Zukunft rechtstreues Verhalten zu erwarten - nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB kommt eine Prüfung derjenigen des § 56 Abs. 3 StGB in Betracht (s. insbesondere OLG Köln NZV 1993, 357 m. Nachw.) - kann den Urteilsgründen nicht zweifelsfrei entnommen werden.
2. Wenn allerdings das Tatgericht bei einer aus den Urteilsgründen erkennbaren Würdigung aller maßgeblichen Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gebietet, kann demgegenüber nach der Entscheidung BGHSt 24, 60, 69 "nicht allein mit dem Hinweis auf ein besonders günstiges Persönlichkeitsbild des nicht vorbestraften Täters eine Strafaussetzung begründet werden" (Leitsatz). "Denn diese Vorschrift geht gerade davon aus, dass dann, wenn die Gefahr, die der Erhaltung der Rechtstreue der Bevölkerung droht, übermächtig wird, die rein täterbezogenen, für die Aussetzung sprechenden Umstände, denen regelmäßig der Vorrang zukommt, ausnahmsweise zurückzutreten haben".
3. Andere Rechtsfehler als den, dass die Urteilsgründe eine vollständige Berücksichtigung aller dem Angeklagten günstigen Umstände nicht erkennen lassen, sieht der Senat nicht. Das gilt auch dafür, dass das Tatgericht im Handeln des Angeklagten nicht nur, wie der Verteidiger, "Dummheit" (Bl. 7 der Revisionsbegründungsschrift), sondern "besondere Hartnäckigkeit" und "kriminelle Energie" gesehen hat.
IV.
Die Entscheidung ergeht einstimmig im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO.
Ende der Entscheidung
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