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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 21.01.2001
Aktenzeichen: 13 W 1650/00
Rechtsgebiete: GesO, ZPO
Vorschriften:
GesO § 13 Abs. 1 Nr. 3 | |
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 1 | |
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4 | |
GesO § 13 Abs. 1 Nr. 2 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 116 | |
ZPO § 127 Abs. 4 |
1. Das ungeschriebene Merkmal der objektiven Gläubigerbenachteiligung im Rahmen der Gesamtvollstreckungsanfechtung setzt voraus, dass die Masse ausreicht unter Hinzurechnung der anfechtbar weggegebenen Gegenstände eine, wenn auch geringe, Quote an die Gesamtvollstreckungsgläubiger zu zahlen. Gläubiger in diesem Sinne sind auch diejenigen mit Forderungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 GesO.
2. Steht die objektive Gläubigerbenachteiligung noch nicht fest, weil sie vom Ausgang anderweitiger Rechtsstreite des Gesamtvollstreckungsverwalters abhängt, so besteht bei Vorliegen der übrigen Anfechtungsvoraussetzungen jedenfalls dann hinreichende Aussicht auf Erfolg der Anfechtungsklage (§ 114 ZPO), wenn dem Verwalter in den anderweitigen Verfahren Prozesskostenhilfe gewährt wurde. In einem solchen Fall ist den Gläubigern regelmäßig nicht zuzumuten, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen.
Oberlandesgericht Dresden
Aktenzeichen: 13 W 1650/00 15 O 8566/99 LG Leipzig
Beschluss des 13. Zivilsenats
vom 21.01.2001
In dem Rechtsstreit
- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
1.
2.
- Antragsgegner und Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigte zu 1) 2):
wegen Prozesskostenhilfe
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
Richterin am Amtsgericht und
Richter am Oberlandesgericht
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 01.09.2000 wird der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 28.02.2000 - Az.: 15 0 8566/99 - einschließlich des Nichtabhilfebeschlusses vom 19.09.2000 aufgehoben.
2. Der Antragstellerin wird als Partei kraft Amtes unter Beiordnung von Rechtsanwalt , , für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe gewährt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 28.02.2000 - Az.: 15 0 8566/99 - ist begründet. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (2.). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat zumindest im Hinblick auf die geltend gemachten insolvenzrechtlichen Ansprüche, Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig, §§ 114, 116 ZPO (1.).
1. Die Antragstellerin ist Gesamtvollstreckungsverwalterin in dem auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 20.10.1998 am 29.12.1998 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der N. GmbH . Sie begehrt im Wege der Anfechtung Rückgewähr eines Gesamtbetrages von 41.668,60 DM, der sich aus einer Überweisung der Schuldnerin vom 13.10.1998 (34.668,60 DM) und einer Barzahlung vom 20.10.1998 (7.000,00 DM) zusammensetzt. Zum Teil stützt sie die beabsichtigte Klage auch darauf, dass die in den Rechnungen, auf die diese Zahlungen erfolgt seien, abgerechneten Leistungen nicht oder nicht vollständig erbracht worden seien.
Ansprüche nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO trägt das Vorbringen der Antragstellerin allerdings nicht. Es fehlt an einer ausreichenden Darlegung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin und entsprechender Kenntnis der Antragsgegner. Beweiserleichterungen kommen der Antragstellerin bei der hier gegebenen kongruenten Deckung nicht zugute. Dass Überweisung oder Lastschrift vereinbart war, lässt sich den Rechnungen der Antragsgegner nicht entnehmen, die diese Art der Zahlung lediglich in den Rechnungen anbieten.
Hinreichende Aussicht auf Erfolg hat die Klage aber unter dem Aspekt des § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO. Rechtshandlungen des Schuldners sind nach dieser Vorschrift anfechtbar, wenn sie nach Zahlungseinstellung gegenüber Personen vorgenommen wurden, denen zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit bekannt war oder den Umständen nach bekannt sein musste, und wenn sie die Gläubiger objektiv benachteiligen.
Die Schuldnerin hatte jedenfalls vor den beiden Leistungen an die Antragsgegner die Zahlungen eingestellt, was von diesen letztlich auch nicht bestritten wird. Zahlungseinstellung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Schuldner wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen Forderungen und Verbindlichkeiten im allgemeinen nicht mehr erfüllen kann und dieser Zustand für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar wird (Hess/Binz/Wienberg, GesO, 4. Aufl., § 10 Rz. 107 b). Aus den Anlagen K 8 (Bl. 43 ff. dA) und K 11 (Bl. 74 ff. dA) ergibt sich, dass die Schuldnerin bereits Ende Juli 1998 fällige Verbindlichkeiten in Höhe von über 1 Mio DM hatte und diese auch bis zum Eröffnungsantrag nicht mehr begleichen konnte. Zudem hatte die Schuldnerin an die meisten Arbeitnehmer letztmals für August 1998 Lohn- bzw. Gehaltszahlungen geleistet. Der Zahlungseinstellung stehen die Eintragungen im Kassenbuch, vorgelegt als Anlage K 3 (Bl. 26 f. dA), nicht entgegen. Die dort verzeichneten Zahlungen im Oktober 1998, ca. 100.000,00 DM, sind unwesentlich im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten der Schuldnerin. Sie enthalten im Übrigen rund 15.000,00 DM, die mit "Privatentnahme N." verbucht sind, also gerade nicht auf Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen getätigt worden sind.
Für die subjektive Seite des Anfechtungstatbestandes nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO genügt es, wenn dem Anfechtungsgegner Tatsachen bekannt sind, die den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit begründen (BGH NJW-RR 1999, 272); ihm schadet in diesem Fall bereits einfache Fahrlässigkeit. Die Antragsgegner wussten, dass die Schuldnerin die meisten Arbeitnehmer letztmals für August 1998 bezahlt hatte, da sie ausweislich Anlage K 5 auch die Lohnbuchhaltung zeitnah geführt haben. Ihnen war ferner am 02.10.1998 eine Lastschrift über ca. 23.000,00 DM mangels Deckung des Kontos zurückgegeben worden. Diese Anhaltspunkte reichen aus, um den Verdacht der Zahlungsunfähigkeit zu begründen. Sollten die Antragsgegner nicht ohnehin positive Kenntnis von der Einstellung der Zahlungen gehabt haben, so hätten sie diese jedenfalls nach den Umständen haben müssen. Sie verfügten über sämtliche Buchhaltungsunterlagen der Schuldnerin und hatten diese weitestgehend aufgearbeitet. Ihre Ergebnisse ermöglichten der Geschäftsführung der Schuldnerin, Anfang Oktober 1998 die Zahlungsunfähigkeit zu erkennen. Die Beklagten haben nichts dafür dargetan, weshalb ihnen bei ihrer Qualifikation als Steuerberater dies nicht auch möglich gewesen sein sollte. Anlass zumindest für Nachfragen oder gar für weitere Prüfung hätte auch die - wenn auch nicht inkongruente - Barzahlung vom 20.10.1998 geboten, da nach der Rücklastschrift vom Beginn des Monats zumindest der Verdacht begründet war, dass die Schuldnerin nicht mehr über eine liquide Bankverbindung verfügte.
Die Zahlungen an die Antragsgegner haben mit einer für das PKH-Verfahren hinreichenden Sicherheit zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt. Hierfür ist mehreres erforderlich.
Zum einen muss durch die angefochtene Rechtshandlung die Aktivmasse gemindert oder die Passivmasse vermehrt worden sein. Entgegen der Annahme der Antragsgegner ist die Aktivmasse durch die Zahlungen auf eine Insolvenzforderung gemindert worden, da diese Beträge anderenfalls der Gläubigergesamtheit zur Verfügung gestanden hätten. Für ein die Gläubigerbenachteiligung ausschließendes Bargeschäft ist nichts dargetan und im Übrigen auch nichts ersichtlich.
Zum anderen darf die Insolvenzmasse nicht zu einer vollständigen Befriedigung der Gläubiger ausreichen. Unabhängig davon, dass eine Vermutung für eine nicht ausreichende Masse spricht, die vom Anfechtungsgegner zu widerlegen ist, ist dies hier auch unstreitig.
Schließlich muss die Masse unter Hinzurechnung des anfechtbar Weggegebenen ausreichen, um zumindest eine, wenn auch geringe Quote an die Insolvenzgläubiger zu leisten; anderenfalls wären nur die Massegläubiger benachteiligt (so schon zum alten Recht Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 29 Rz. 100; zum neuen Recht, das in § 129 Abs. 1 InsO die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger ausdrücklich erwähnt, vgl. nur Kübler/Prütting/Paulus, InsO, § 129 Rz. 21, und Nerlich/Römermann/Nerlich, Inso, § 129 Rz. 89). Zu deren Gunsten greift die Insolvenzanfechtung indessen nicht. Als Insolvenzgläubiger im anfechtungsrechtlichen Sinne gelten hierbei allerdings auch die sogenannten unechten Massegläubiger nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 GesO, da ihre Forderungen bereits vor Verfahrenseröffnung begründet waren, materiell also Insolvenzforderungen darstellen und nur aus sozialen Gründen zu Masseverbindlichkeiten hochgestuft wurden (nur in diesem Sinne ist die von Paulus, a.a.O., zu Unrecht als mißverständlich bezeichnete Entscheidung des BGH ZIP 1999, 1977, 1979, zu verstehen).
Hier ergibt sich die Besonderheit, dass derzeit der Massebestand nach Aktenlage so ungewiss ist, dass die angesprochene Frage nicht abschließend entschieden werden kann. Der liquiden Masse von ca. 37.000,00 DM stehen Masseverbindlichkeiten im Rang des § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GesO von rund 130.000,00 DM gegenüber. Ein Obsiegen gegenüber den Antragsgegnern würde zu einer freien Masse von rund 78.000,00 DM führen und damit nicht einmal eine Zahlung an die unechten Massegläubiger ermöglichen. Das noch nicht verwertete Vermögen der Schuldnerin besteht nur noch aus Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie aus insolvenzrechtlicher Rückgewähr, die durchweg rechtshängig sind. Im Klageverfahren müsste die Antragstellerin daher, wenn sie nicht bereits weitere freie Masse aus diesen Forderungen erlöst haben können sollte, die Werthaltigkeit dieser Ansprüche dartun und gegebenenfalls beweisen. Ein solches Vorgehen würde indes zumindest beim derzeitigen prozessualen Stand der anderweitigen Rechtsstreite das PKH-Verfahren unzumutbar belasten.
Die Klägerin hat für eine Forderung gegen die Eheleute S. in Höhe von ca. 29.000,00 DM Prozesskostenhilfe bewilligt erhalten, ähnliches gilt für eine Forderung gegen die Firma Scholz Baumanagement über ca. 51.000,00 DM und gegen die Firma A. GmbH über ca. 24.000,00 DM. In den beiden letztgenannten Verfahren sind bereits Versäumnisurteile ergangen, gegen eines ist Einspruch erhoben worden.
Die summarische Vorprüfung durch die Gerichte spricht für jeweils schlüssiges Klagevorbringen, zudem ist ein weiterer PKH-Antrag für die Geltendmachung einer Forderung über ca. 168.000,00 DM gegen die Firma S-GmbH vom zuständigen Gericht noch nicht beschieden. Diese Aspekte lassen es für das Prozesskostenhilfeverfahren als ausreichend wahrscheinlich erscheinen, dass unter Berücksichtigung der streitgegenständlichen Forderung eine Quote an die unechten Massegläubiger gezahlt werden kann. Das bietet die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage und lässt diese nicht als mutwillig erscheinen. Ob Ansprüche wegen unvollständiger Leistungserbringung bestehen, kann deshalb hier offen bleiben.
2. Den am Rechtsstreit wirtschaftlich Beteiligten ist nicht zuzumuten, die Prozesskosten aufzubringen. Wie dargelegt, steht nicht fest, dass die unechten Massegläubiger auch bei vollständigem Obsiegen im vorliegenden Verfahren eine Quote erhalten werden. Im Hinblick auf den Lauf der Anfechtungsfrist kann von der Antragstellerin auch nicht erwartet werden, mit der Klage hinzuwarten, bis die anderweitigen Rechtsstreite entschieden sind. Ihr selbst ist im Hinblick auf ihren Vergütungsanspruch eine Bevorschussung der Prozesskosten nicht zuzumuten.
Der Auffassung des KG (ZInsO 2000, 229), in die Prüfung der Zumutbarkeit könne erst eingetreten werden, wenn der Insolvenzverwalter vorgetragen und gegebenenfalls glaubhaft gemacht habe, er habe die betroffenen Gläubiger vergeblich zur Kostenübernahme aufgefordert, vermag der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht beizutreten. Zumindest aber dann, wenn wie vorliegend auch im Falle des Obsiegens des Verwalters für die betroffenen Gläubiger eine Quote nicht gesichert ist, erscheint ein derartiger Vortrag nicht erforderlich.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.
Ende der Entscheidung
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