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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 06.12.2004
Aktenzeichen: 2 Ws 681/04
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 57 | |
StGB § 57 Abs. 1 | |
StPO § 311 Abs. 2 | |
StPO § 454 Abs. 2 | |
StPO § 462 a Abs. 1 Satz 1 |
Oberlandesgericht Dresden 2. Strafsenat Beschluss
Aktenzeichen: 2 Ws 681/04
vom 06. Dezember 2004
in der Strafvollstreckungssache gegen
hier: Strafaussetzung gemäß § 57 StGB
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wiesbaden gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 04. November 2004 wird als unbegründet verworfen.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Darmstadt, Zweigstelle Offenbach, vom 23. November 2004 gegen denselben Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten beider erfolglosen Rechtsmittel einschließlich der dem Verurteilten hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen.
Gründe:
I.
Der Verurteilte verbüßt gegenwärtig die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren neun Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28. April 1997 (Az.: 34 Js 70.070/94 15 KLs) sowie die weitere Freiheitsstrafe von drei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 06. März 2003 (Az.: 2210 Js 14660/99). Zwei Drittel beider Strafen waren am 24. Oktober 2004 verbüßt.
Kurz zuvor, am 06. Oktober 2004, war der Verurteilte in die Justizvollzugsanstalt Dresden verlegt worden, nachdem er die Strafen zunächst bis zum 07. Juli 2004 in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt und anschließend vom 08. Juli 2004 bis 05. Oktober 2004 in der Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt verbüßt hatte.
Gemäß § 57 Abs. 1 StGB war die Prüfung einer möglichen Aussetzung der beiden letzten Strafdrittel zur Bewährung von Amts wegen zum 24. Oktober 2004 vorzunehmen. Darüber hinaus hatte der Verurteilte mit Schreiben vom 25. Juni 2004, eingegangen bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Darmstadt am 13. Juli 2004, die Strafaussetzung begehrt.
Die beteiligten Staatsanwaltschaften Wiesbaden und Darmstadt als Vollstreckungsbehörden haben die Sache dem Landgericht Dresden vorgelegt; nach ihrer Auffassung sei die dortige Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung berufen.
Am 04. November 2004 hat sich die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dresden für örtlich unzuständig erklärt, weil die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Dresden am 06. Oktober 2004 ihre örtliche Zuständigkeit nicht begründet habe. Hiergegen richten sich die Beschwerden der Staatsanwaltschaften.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Wiesbaden als unbegründet zu verwerfen. Zur sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Darmstadt hat sie keinen Antrag gestellt.
II.
1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Darmstadt ist unzulässig, weil die Frist des § 311 Abs. 2 StPO nicht eingehalten wurde.
Der angefochtene Beschluss ist der Staatsanwaltschaft am 18. November 2004 zugestellt worden; ihre am 23. November 2004 verfasste Beschwerdeschrift ist jedoch erst nach Ablauf der Wochenfrist am 26. November 2004 bei dem Landgericht Dresden eingegangen. Eine Übermittlung des Schriftstücks vorab per Telefax ist nicht erfolgt.
2. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wiesbaden ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Dresden ist unter keinen Umständen ersichtlich, § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO.
Mit Recht haben die Strafvollstreckungskammer und die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in ihrer Zuschrift vom 03. Dezember 2004 darauf hingewiesen, dass über die konkret anstehende Entscheidung einer Reststrafenaussetzung gemäß § 57 Abs. 1 StGB weiterhin die Zuständigkeit entweder der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Darmstadt oder der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Marburg begründet ist.
Deren örtliche Zuständigkeit war bereits durch ihr konkretes Befasstsein mit der anstehenden Entscheidung über die Reststrafenaussetzung gemäß § 57 StGB begründet worden. Ein Befasstsein im Rechtssinne liegt nämlich schon dann vor, wenn Tatsachen aktenkundig werden (oder sind), die eine Entscheidung in der Vollstreckungssache rechtfertigen können (BGHSt 30, 189, 191 - zum Widerruf).
So liegt der Fall hier. Bereits mit Einleitung der Strafvollstreckung stand fest, dass von Amts wegen spätestens zum 24. Oktober 2004 eine Entscheidung gemäß § 57 Abs. 1 StGB getroffen sein muss (Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 454 Rdnr. 5 m.w.N.).
Im Hinblick auf § 454 Abs. 2 StPO wird eine Strafvollstreckungskammer mit dieser Entscheidungsfrage bereits dann konkret "befasst", wenn der maßgebliche Zeitpunkt nach § 57 StGB herannaht. Nach Auffassung des Senats ist gerade bei langjährigen Haftstrafen - unter Berücksichtigung des erforderlichen Zeitaufwands für die Einholung eines Gutachtens (§ 454 Abs. 2 StPO), die sodann zu treffende Entscheidung der Strafvollstreckungskammer sowie für ein möglicherweise durchzuführendes Beschwerdeverfahren - ein zeitlicher Vorlauf von etwa sechs Monaten anzusetzen. Spätestens zum maßgeblichen Zeitpunkt nach § 57 StGB soll nämlich rechtskräftig feststehen, ob die restliche Strafvollstreckung ausgesetzt wird. (Siehe zur vergleichbaren Interessenlage bei der regelmäßigen Überprüfung der Sicherungsverwahrung neuestens Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 16. November 2004 - 2 BvR 2004/04 -).
Dass die Staatsanwaltschaften als Strafvollstreckungsbehörden diesen aus organisatorischen Gründen erforderlichen zeitlichen Aufwand nicht immer berücksichtigen und die Sachakten der Strafvollstreckungskammer viel zu spät vorlegen, vereinzelt sogar erst nach einer zwischenzeitlichen Verlegung des Verurteilten in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Strafvollstreckungskammer, ändert an der konkreten Befasstheit der örtlich zuständigen Strafvollstreckungskammer nichts. Diese hat vielmehr die anhängige Rechtsfrage abschließend, d.h. bis zur Rechtskraft (gegebenenfalls auch unter Durchführung eines Beschwerdeverfahrens mit Zurückverweisung der Sache an sie) zu entscheiden.
3. Dem Senat obliegt es nicht, die Zuständigkeit entweder der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Darmstadt oder derjenigen beim Landgericht Marburg festzustellen.
Hierzu mag zwischen den beteiligten Vollstreckungsbehörden und -gerichten geklärt werden, ob die Erwägungen des Senats zum zeitlichorganisatorischen Vorlauf bei Entscheidungen nach § 57 StGB vom Oberlandesgericht Frankfurt als ihr gemeinsames Obergericht geteilt werden. Gegebenenfalls könnte auch der Antrag des Verurteilten vom 25. Juni 2005, der am 13. Juli 2005 bei einem Gericht, nämlich der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Darmstadt, eingegangen und damit zu diesem Zeitpunkt aktenkundig geworden war, maßgeblich sein.
III.
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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