Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 17.05.2002
Aktenzeichen: 20 W 631/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 426
Wenn die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinsam einen befristeten Mietvertrag über eine mit Blick auf eine alsbald erfolgte Heirat angemietete Wohnung schließen, kommt eine alleinige Haftung des nach der Trennung in der Wohnung verbleibenden Partners für den Mietzins nicht in Betracht.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 20 W 0631/02

des 20. Zivilsenats

vom 17. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Gesamtschuldnerausgleichs

hier: sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch Richter am Oberlandesgericht XXXXXXXXXXXXX als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Dresden XXXXXXXXXXXXX XXXX abgeändert.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz bewilligt. Zur Wahrnehmung der Rechte wird ihr XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, XXXXXXXXXXXXXX, beigeordnet. Eine Ratenzahlung wird nicht angeordnet.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben - damals noch unverheiratet - XXX XXXXXXXXXX gemeinsam einen Mietvertrag über eine 72 qm große Wohnung in XXXXXXXX abgeschlossen. Nach § 2 des Mietvertrages ist das Mietverhältnis vom 01.01.1997 bis zum 31.12.2002 befristet, nach § 4 beträgt der Mietzins monatlich 870,00 DM netto. Die Parteien haben XXXXXXXXXXXXX die Ehe miteinander geschlossen, sich jedoch bereits Ende Januar 1997 wieder getrennt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Antragsgegner aus der vorerwähnten Wohnung ausgezogen; die Ehe ist XXXXXXXXXXXXX geschieden worden.

Die Antragstellerin hat Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage beantragt, mit der sie die Hälfte der zwischen dem 01.02.1997 und dem 31.07.2000 für die gemeinsam angemietete Wohnung angefallenen Miet- und Betriebskosten gegen den Antragsgegner - der es außergerichtlich abgelehnt hat, die Forderung der Antragstellerin zu begleichen - geltend zu machen beabsichtigt.

Der Antragsgegner ist dem PKH-Gesuch entgegengetreten.

Das Landgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Es hat die Meinung vertreten, dass ein Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB zwischen Ehegatten, die noch vor der Trennung eine gemeinsame Ehewohnung angemietet haben, nach der Trennung grundsätzlich abzulehnen sei, wenn ein Ehepartner die Wohnung alleine bewohne, es sei denn, es lägen besondere Gründe für eine solche Beteiligung vor. Solche Umstände könnten vorliegend nicht gesehen werden. Die Wohnung sei von ihrem Zuschnitt (72 qm) durchaus auch für eine Alleinnutzung der Antragstellerin bis zum Ende der Mietdauer geeignet. Hinsichtlich des Zeitmietvertrages sei nicht vorgetragen, dass und in welcher Weise die Antragstellerin versucht habe, eine frühere Aufhebung des Vertrages zu erreichen. Das Landgericht hat auf die Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 24.10.1997 - 22 U 43/97 - und des OLG München vom 14.07.1995 - 21 U 5880/94 - verwiesen.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, in der sie behauptet, sich sofort nach Auszug des Antragsgegners im Januar 1997 an den Vermieter gewandt zu haben, um das Mietverhältnis möglichst sofort zu beenden. Ihr sei bedeutet worden, dass eine solche Möglichkeit nur dadurch offenstünde, dass sie einen Nachmieter benenne. Sie habe seit dieser Zeit bis einschließlich Anfang des Jahres 2001 vergeblich versucht, einen geeigneten Nachmieter zu finden. Zu Beweiszwecken werden ihre Eltern und ihre Schwester als Zeugen angeboten. Einer einvernehmlichen Aufhebung des Mietvertrages habe der Vermieter erst zum 31.03.2001 zugestimmt. Da sie aber seit dem 01.08.2000 mit einem neuen Lebensgefährten in der Wohnung gelebt habe, wolle sie ihren Anspruch bis zum 31.07.2000 begrenzen.

II.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist nach § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F. nunmehr als sofortige Beschwerde statthaft. Die einmonatige Beschwerdefrist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 3, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist gewahrt.

Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Der beabsichtigten Klage der Antragstellerin XXXXXXXXXXXXXXX fehlt es nicht an hinreichender Erfolgsaussicht i.S. des § 114 ZPO, eine Verurteilung des Antragsgegners aus § 426 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB kommt in Betracht.

1. Die Parteien haben den streitgegenständlichen Mietvertrag gemeinsam abgeschlossen, sie sind nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zu gleichen Teilen verpflichtet, die sich aus dem Mietvertrag ergebende Forderung des Vermieters zu erfüllen. Zwar wird die Ausgleichspflicht zwischen gesamtschuldnerisch haftenden Ehegatten während intakter Ehe nach allgemeiner Meinung durch die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 426 Rdn.9 m.w.N.; Staudinger-Noack, BGB, 13. Aufl., § 426 Rdn.206 f.), die - hier vorliegende - endgültige Trennung der Ehegatten bewirkt aber die Beendigung des Gegenseitigkeitsverhältnisses, in dem die beiderseitigen Beiträge zur Lebensführung standen, und führt damit ipso iure wieder zur Ausgleichspflicht nach § 426 BGB (Münchener Kommentar-Bydlinski, BGB, 4. Aufl., § 426 Rdn.17; Staudinger-Noack, a.a.O., § 426 Rdn.213 m.w.N.).

2. Von diesem nach endgültiger Trennung grundsätzlich bestehenden Anspruch der Eheleute auf Durchführung eines Gesamtschuldnerausgleichs und der somit hälftigen Verteilung von Kosten werden Ausnahmen nach Inhalt und Zweck des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses gemacht, beispielsweise wenn durch die Belastung beider Ehegatten das Alleineigentum eines der Ehegatten finanziert wird oder einer der Ehegatten das gemeinsame Haus oder gewerbliche Räume im gemeinsamen Haus allein nutzt (vgl. Münchener Kommentar-Bydlinski, a.a.O., § 426 Rdn.18 m.w.N.).

3. Die Ausgleichspflicht aus § 426 BGB besteht grundsätzlich auch dann, wenn es sich nicht um gemeinsame Lasten eines Hauses oder einer Eigentumswohnung, sondern - wie hier - um Kosten eines gemeinschaftlich abgeschlossenen Mietvertrages handelt. Diese Grundaussage lässt sich auch dem vom Landgericht zitierten Urteil des Oberlandesgerichts München vom 14.07.1995 - 21 U 5880/94 - FamRZ 1996, 291, entnehmen. Das Oberlandesgericht München hat aber im konkreten Fall einen Ausgleichsanspruch deshalb verneint, weil der dortige Kläger, obwohl er habe erkennen müssen, dass die Beklagte nicht mehr in die eheliche Wohnung zurückkehren würde, in der Ehewohnung verblieben war, obwohl es ihm freigestanden habe, die Wohnung aufzugeben und sich mit einer billigeren Unterkunft zu begnügen. Das Oberlandesgericht München hat ausgeführt, aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit sei es nicht zu vertreten, den wegen Scheiterns der Ehe aus der Wohnung ausziehenden Ehegatten noch am Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB zu beteiligen, wenn nicht besondere Gründe für eine solche Beteiligung vorliegen.

Im Unterschied zum Sachverhalt, der der soeben zitierten Entscheidung zugrunde liegt, stand es im hier zu beurteilenden Fall der Antragstellerin nicht frei, die Ehewohnung gegen eine günstigere Unterkunft zu tauschen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass am 08.08.1996 ein bis zum 31.12.2002 geltender befristeter Mietvertrag abgeschlossen wurde. Die Antragstellerin hat vorgetragen, aus diesem Vertrag vom Vermieter nicht entlassen worden zu sein und sich zwischen Februar 1997 und Anfang des Jahres 2001 vergeblich um einen Nachmieter bemüht zu haben. Sie hat hierzu bereits Beweis angeboten. Falls eine Beweisaufnahme diese Behauptungen bestätigen würde, wäre eine Beteiligung des Antragsgegners an den (unvermeidbaren) gemeinsam veranlassten Kosten recht und billig (in diesem Sinne auch OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 30.11.2000 - 1 U 110/99 - FamRZ 2002, 27). In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass für das Vorliegen besonderer Umstände, aus denen sich ein vom Regelfall des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichender Verteilungsmaßstab ergeben soll, der auf Ausgleich in Anspruch genommene darlegungs- und beweispflichtig ist (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 426 Rdn.7 m.w.N.; OLG Celle, Urteil vom 26.03.1997 - 4 U 80/95 -, OLG-Report 1997, 166).

4. Der Umstand, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses noch nicht miteinander verheiratet waren, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einer Entscheidung vom 24.10.1997 - 22 U 43/97 - NJW-RR 1998, 658, den Unterschied zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft herausgearbeitet und darin gesehen, dass Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine rechtliche Bindung wünschten und im Falle einer Trennung ihrer Wege gehen wollten, ohne für den anderen aufkommen zu müssen. Wenn die Partner vor diesem Hintergrund einen befristeten Mietvertrag für eine gemeinsame Wohnung schlössen, gingen sie daher im Zweifel davon aus, dass bei einem Scheitern der Lebensgemeinschaft derjenige, der die Wohnung vor Ablauf der Mietzeit nutze, ab diesem Zeitpunkt die Miete allein zu zahlen habe (dem hat sich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in einem Urteil vom 19.06.1998 - 14 U 108/97 - angeschlossen, OLG-Report 1998, 357). Davon kann im vorliegenden Fall aber nicht ausgegangen werden, weil die Parteien den Mietvertrag gerade mit Blick auf die nur einen Monat später erfolgte Heirat abgeschlossen haben.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, um dem Bundesgerichtshof die Fortbildung des Rechts zu ermöglichen.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da die Beschwerde Erfolg hat, fallen Gerichtsgebühren nicht an (Umkehrschluss aus Anlage 1 zu § 11 GKG, KV Nr. 1956). Außergerichtliche Kosten werden nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

Zurück